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1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
2In einem Mahnschreiben vom 19.10.2009 (Bl. 10 BA) forderte der Kläger für seine Mandantin (Firma S und N GmbH) von der Gegenpartei (Herrn D neben einer Hauptforderung in Höhe von 65,-
3- vorgerichtliche Mahnauslagen i.H.v. 15,-
4- eine Inkassovergütung, Auslagen gem. § 670 BGB i.H.v. 42,-
5- und eine 0,9-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG nebst
6Auslagenpauschale (4,5 ) i.H.v. insgesamt 27,-
7In dem Schreiben heißt es weiter:
8"Die wegen Ihres Zahlungsverzuges angefallenen Kosten und Zinsen sind gemäß § 286 BGB als Verzugsschaden von Ihnen ebenfalls zu ersetzen."
9Der anwaltliche Vertreter des Herrn D2, Rechtsanwalt O, wandte sich dieserhalb mit Schreiben vom 23.10.2009 an die Beklagte und warf dem Kläger Gebührenüberhöhung, Betrug und/oder Beihilfe zum Betrug vor.
10Unter demselben Datum und wegen desselben Vorganges erstattete Rechtsanwalt O bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld Strafanzeige gegen den Kläger und stellte Strafantrag.
11Das gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Bielefeld (AZ: 26 Js 658/09) eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde am 05.02.2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Beschuldigten so heißt es in der Einstellungsmitteilung könne eine vorsätzliche Gebührenüberhebung auf der Grundlage seiner Einlassung nicht nachgewiesen werden.
12Hintergrund ist ein Forderungseinzug für Großunternehmen. Diese beauftragen mit der Beitreibung offener Forderungen zunächst ein Inkassobüro, das neben den vorgerichtlichen Mahnauslagen des Großunternehmens eine eigene Inkassogebühr und Auslagen gem. § 670 BGB verlangt, im vorliegenden Fall 42,00, in anderen Fällen 52,00 bzw. vergleichbare Beträge. Bleiben die Mahnungen der Inkassobüros erfolglos, wird der Kläger beauftragt, die Forderungen anwaltlich einzuziehen. Der Kläger hat nach eigenen Angaben allein im Jahre 2009 um 900.000 Einzelforderungen zum Einzug erhalten, von denen 200.000 in das gerichtliche Mahnverfahren übergegangen und nur 4.000 vor Gericht streitig durchgeführt worden sind.
13Der Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 21.04.2010 einen belehrenden Hinweis (Blatt 3 ff.). Der Kläger mache im vorliegenden Fall wie auch in vielen weiteren der Beklagten bekannten Fällen auch systematisch eine oder mehrere Verzugsschadensforderungen geltend, die tatsächlich nicht bestünden. Richtig sei, dass umstritten sei, ob dann, wenn nach gerichtlichem Betreibungsversuch ein Anwalt mit der außergerichtlichen Beitreibung beauftragt werde, die Kosten des Inkassounternehmens noch voll oder teilweise zu erstatten seien. Die herrschende Auffassung ginge dahin, das in einem solchen Fall die Mehrkosten eines Inkassounternehmens nicht zu erstatten seien, es sei denn, dass ausnahmsweise der Gläubiger Anhaltspunkte dafür habe, dass der Schuldner ohne gerichtliche Inanspruchnahme zahlen werde; nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung werde der Ersatz der Rechtsverfolgungskosten beschränkt auf die Kosten, die zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig anzusehen seien. Zwar sei der Umstand, dass der Anwalt eine nicht bestehende Forderung geltend mache oder eine bestehende Forderung bestreite, für sich genommen noch nicht berufsrechtswidrig, selbst wenn der Anwalt damit rechne, dass die von ihm geltend gemachte Forderung nicht bestünde. Berufsrechtswidrig sei jedoch, dass der doppelte Verzugsschaden durchgehend und massenweise, ohne Prüfung im Einzelfall geltend gemacht werde, obwohl die Problematik der doppelten Berechnung von Inkassokosten und Anwaltsgebühren bekannt sei. Damit verstoße der Kläger gegen den Grundsatz der gewissenhaften Berufsausübung (§ 43 BRAO, Allgemeine Berufspflicht).
14Gegen diesen belehrenden Hinweis, der ihm am 24.04.2010 zugestellt wurde,
15wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 17.05.2010. Er meint, die Zivilgerichte seien überwiegend der Auffassung, dass den von ihm vertretenen Auftraggebern sowohl Inkassogebühren als auch Anwaltsgebühren als Verzugsschaden zustünden. Zudem weist er darauf hin, dass nicht er entscheide, welche Gebühren den Schuldnern in Rechnung gestellt werden, sondern seine Mandanten. Wenn diese ihn aufforderten, gegenüber den Schuldnern bestimmte Forderungen geltend zu machen, sei er berufsrechtlich nicht verpflichtet, diese Ansinnen zurückzuweisen. Es sei Aufgabe der Zivilgerichte, über das Bestehen oder Nichtbestehen materiell-recht-licher Ansprüche zu entscheiden. Er sei als Anwalt keine Vorprüfungsinstanz. Schließlich sei die beanstandete Vorgehensweise strafrechtlich unbedenklich. Es liege weder ein Betrug noch eine Gebührenüberhebung vor.
16Der Kläger beantragt,
17den belehrenden Hinweis vom 21.04.2010 zu dem Aktenzeichen: A/VI/1356/09 aufzuheben.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie verteidigt ihren belehrenden Hinweis, indem sie ihre dortigen Ausführungen wiederholt und vertieft.
21Der vom Kläger und seinen Mandanten beschrittene Weg werde offensichtlich nur gewählt, um neben den Inkassokosten auch die Rechtsanwaltsvergütung von dem jeweiligen Schuldner verlangen zu können. Dabei werde die herrschende Rechtsauffassung nicht zur Kenntnis genommen. Es treffe nämlich nicht zu, dass die Zivilgerichte ganz überwiegend der Auffassung wären, dass dem Inkassogläubiger aus dem möglichen Gesichtspunkt des Verzugsschadens sowohl Inkassokosten als auch Anwaltsgebühren zustünden. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Die Beklagte verweist insoweit auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Bundesgerichtshofs. Obwohl der Kläger Spezialist im Inkassorecht sei, da er massenweise Inkassoverfahren betreibe, nehme er die obergerichtliche Rechtsprechung nicht zur Kenntnis. Vielmehr mache er massenweise Inkassokosten und außergerichtliche Anwaltsgebühren nebeneinander geltend. Darin sei ein Verstoß gegen den Grundsatz der gewissenhaften Berufsausübung nach § 43 BRAO zu sehen.
22Entscheidungsgründe
23Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 112 a, 112 c Abs. 1 BRAO i.V.m. §§ 42 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet.
24Der belehrende Hinweis der Rechtsanwaltskammer Hamm vom 21.04.2010 ist zu Recht ergangen.
251.
26Gemäß § 73 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 BRAO hat der Vorstand der Beklagten das Recht und die Pflicht, die Mitglieder der Kammer, also die im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm zugelassenen deutschen Rechtsanwälte, die verkammerten Rechtsbeistände (§ 209 BRAO) und die Rechtsanwaltsgesellschaften einschließlich ihrer Vorstände (§ 60 Abs. 1 S. 2 BRAO) im Bereich ihrer Berufspflichten zu belehren.
27Bei dem belehrenden Hinweis handelt es sich um eine Maßnahme, durch die, da sie ein konkretes, zurückliegendes Verhalten des Rechtsanwalts kritisiert, in die Rechtstellung des Rechtsanwaltes, der seinen Beruf unreglementiert ausübt, eingegriffen wird, und damit um einen Verwaltungsakt, der nach § 112 a Abs 1 BRAO als sonstige berufsrechtliche Streitigkeit angefochten werden kann (vgl. Gaier/Wolf/Göcken/Schmidt-Ränsch, Anwaltliches Berufsrecht, Kommentar, § 112 a BRAO Rn. 10).
282.
29Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in dem beanstandeten Verhalten des Klägers einen Verstoß gegen § 43 BRAO gesehen.
30Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.
313.
32Die Bedeutung dieser Norm ist allerdings umstritten.
33Ein Teil der Literatur sieht in ihr lediglich eine sogenannte Transportnorm, welche nicht für sich allein und selbstständig, sondern nur in Verbindung mit anderen Normen mit berufsrechtlichem Gehalt anwendbar sei. Da alle besonderen Normen des anwaltlichen Berufsrechtes in der BRAO und der BORA als lex specialis zu § 43 für sich allein stehen können, hat im praktischen Ergebnis nach dieser Auffassung
34§ 43 BRAO nur noch Bedeutung, soweit diese Vorschrift auf gesetzlich geregelte Berufspflichten außerhalb der BRAO und der BORA, z.B. aus dem Strafgesetzbuch, Bezug nimmt. Für die Rechtsanwälte soll insofern Rechtssicherheit hergestellt werden, als sie sich Klarheit verschaffen können, welche beruflichen Pflichten zu beachten sind.
35Neben der soeben dargestellten Auffassung wird aber auch die Meinung vertreten,
36§ 43 BRAO könne für sich allein zu einer berufsrechtlichen Maßnahme führen und sei im Falle von Gesetzeslücken insoweit ein Auffangtatbestand. Diese Auffassung beruft sich vor allem darauf, dass es Beispiele für Gesetzeslücken im Rahmen berufsrechtlicher Pflichten gebe, die auf diese Weise geschlossen werden können (vgl. zum Ganzen Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 21 u. 22 m.w.N. und Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., Rdnr. 7).
37Der Senat hat sich der zweiten Auffassung angeschlossen. Es gibt zahlreiche Lücken innerhalb der Normierung berufsrechtlicher Pflichten. Die Verpflichtung einer gewissenhaften Berufsausübung eines Anwalts lässt sich nicht nur über die BRAO bzw. BORA und über einige, ggf. einschlägige Vorschriften im Strafgesetzbuch (z.B. §§ 263, 352 StGB) erfassen. Dies zeigt wie im Weiteren noch dargelegt werden wird der vorliegende Fall sehr deutlich. Daher ist § 43 BRAO nicht nur als sogenannte "Transportnorm", sondern auch als Auffangtatbestand anzuwenden. Diese Handhabung entspricht auch seiner amtlichen Überschrift als "allgemeine Berufspflicht".
38Der Senat verkennt jedoch nicht, dass bei der Anwendung des § 43 BRAO zurückhaltend vorzugehen ist. So kann diese Vorschrift nicht als Auffangtatbestand zum Zweck der Ahndung von beruflichen Pflichtverletzungen subsidiär herangezogen werden, wenn der Gesetz- oder Satzungsgeber bewusst auf eine Statuierung einer Berufspflicht verzichtet hat, wobei auch aus einem Schweigen des Satzungsgebers noch nicht auf die unmittelbare Anwendbarkeit des § 43 BRAO geschlossen werden darf.
39Das hier zu beurteilende Verhalten des Klägers gehört jedoch zu einer Vielzahl von Sachverhalten, deren umfassende Normierung nicht möglich und vom Gesetzgeber im Hinblick auf den enumerativ abschließenden Regelungskatalog des § 59 b BRAO auch nicht gewollt ist, welche aber einer berufsrechtlichen Sanktionierung zur Wahrung der Aufgaben der Rechtsanwaltschaft im Dienste der Rechtspflege bedürfen (vgl. Anwaltsgericht Freiburg/Breisgau BRAK-Mitt. 2005, 27 ff.).
404.
41Ein Verstoß gegen § 43 BRAO nämlich der Verpflichtung, seinen Beruf als Rechtsanwalt gewissenhaft auszuüben liegt unzweifelhaft dann vor, wenn der Kläger durch das beanstandete Verhalten zugleich die Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt hat (vgl. oben unter 3.). In Betracht kommen im vorliegenden Fall versuchter Betrug/bzw. Beihilfe zum versuchten Betrug (§§ 263, 27 und 23 f StGB) und Gebührenüberhebung (§ 352 StGB).
42Beide Straftatbestände sind jedoch nicht verwirklicht worden.
43a)
44Betrug i.S.d. § 263 StGB setzt eine Täuschungshandlung voraus. Diese Täuschungshandlung kann sich nur auf Tatsachen beziehen.
45Unter Tatsachen sind alle konkreten, vergangenen oder gegenwärtigen Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens zu verstehen, die sinnlich wahrnehmbar, empirisch überprüfbar und damit dem Beweis zugänglich sind. Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen bilden bloße Annahmen, Schlussfolgerungen, Vermutungen, Urteile oder Meinungsäußerungen, bei denen durch die Mitteilung von subjektiven persönlichen Wertungen Tatsachen zu Normen in Beziehung gesetzt werden (Schönke/Schröder-Cramer/Perron, StGB, 28. Aufl.,
46§ 263, Rdnr. 8 f). Zu den Urteilen gehören z.B. auch Rechtsauffassungen bzw. Rechtsbehauptungen einer Partei im Zivilprozess (vgl. BGH JR 1958, 106 und OLG Koblenz NJW 2001, 1364 und Schönke/Schröder-Cramer/Perron a.a.O., Rdnr. 9). Der Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO unterliegen nur Tatsachen, keine Rechtsausführungen.
47Indem der Kläger im Forderungsschreiben vom 19.10.2009 bestimmte Rechnungspositionen (Inkassovergütung, Geschäftsgebühr) als Verzugsschaden deklarierte, stellte er lediglich eine Rechtsbehauptung, keine Tatsachenbehauptung auf. Eine Rechtsbehauptung, selbst wenn sie falsch ist, kann eine Strafbarkeit wegen Betruges nicht begründen (s.o.).
48b)
49Die Tathandlung einer Gebührenüberhebung i.S.v. § 352 Abs. 1 StGB besteht in der Erhebung einer Gebühr oder Vergütung, von der der Annehmende weiß, dass sie der Zahlende überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage schuldet.
50Erforderlich ist, dass der Täter gegen den angeblichen Schuldner ein eigenes Recht geltend macht. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ein Rechtsanwalt vom Gegner zu hohe Gebühren einfordert (vgl. zum Ganzen: Schönke/Schröder-Cramer/
51Sternberg-Lieben/Hecker, a.a.O., § 352, Rdnr. 6 und 9).
52Damit liegen die Voraussetzungen einer Tathandlung i.S.d. § 352 Abs. 1 StGB ebenfalls nicht vor.
535.
54Das Verhalten des Klägers ist aber als Verstoß gegen § 43 BRAO zu beanstanden, da diese Norm als Auffangtatbestand subsidiär heranzuziehen ist (vgl. oben unter 3.)
55Damit die Anwaltschaft die ihr im System der Rechtspflege zugewiesene Aufgabe wahrnehmen kann, haben die Anwälte kompetent und integer aufzutreten. Die Generalklausel des § 43 BRAO und die einzelnen konkreten Normen des dritten Teils der BRAO setzen bestimmte Standards fest und wollen deren Einhaltung mit berufsrechtlichen Sanktionen durchsetzen. Dies ist die Basis für das der Anwaltschaft eingeräumte Monopol auf dem Gebiet der Rechtsdienstleistungen. Die Generalklausel dient also nicht dem Schutz von Individualinteressen, sondern schützt die Anwaltschaft und zugleich den Rechtsstaat. Daneben werden Mandanten, Gerichte und Behörden insoweit mittelbar geschützt, als ihnen gegenüber gewisse Mindeststandards festgelegt sind, die auch sanktionsbewehrt sind.
56a)
57Hier hat der Kläger diese Mindeststandards deutlich unterschritten. Er hat als Rechtsanwalt für seine Mandantin einen Verzugsschaden geltend gemacht, den der angebliche Schuldner wenn überhaupt nur in geringerer Höhe schuldete:
58zu "Inkassovergütung, Auslagen gem. § 670 BGB" i.H.v. 42,-
59Die Kosten eines Inkassobüros kann der Gläubiger grundsätzlich ersetzt verlangen. Wegen der Pflicht des Gläubigers, den ihm durch den Zahlungsverzug des Schuldners entstehenden Schaden möglichst gering zu halten (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB), sind als Verzugsschaden nur diejenigen Kosten anzuerkennen, die für eine zweckmäßige Durchsetzung der Forderung notwendig sind. Obergrenze für die Ersatzpflicht sind daher die Sätze des RVG. Es besteht keine Ersatzpflicht, soweit das Inkassobüro Leistungen erbringt, die wie die Erstmahnung oder die Bearbeitung und Abwicklung von Schadensfällen zum eigenen Pflichtenkreis des Geschädigten gehören (vgl. zum Ganzen Palandt-Grüneberg, 69. Aufl., § 286 BGB, Rdnr. 45 und 46; OLG Bamberg NJW-RR 1994, 412 f.).
60Mithin wäre im vorliegenden Fall die Obergrenze für die Erstattung der Inkassovergütung 27,- gewesen, was sich aus der Abrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr des Klägers daselbst ergibt.
61Demgegenüber hat der Kläger für diese Position 42,- geltend gemacht.
62- zu "0,9-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV" i.H.v. 27,-
63Die Höhe der geltend gemachten Geschäftsgebühr ist nicht zu beanstanden.
64Grundsätzlich kann die Geschäftsgebühr vom Kläger für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt auch geltend gemacht werden.
65Es können aber die Inkassokosten grundsätzlich nicht zusätzlich zu den Rechtsanwaltskosten beansprucht werden, da der Gläubiger zur Schadensminderung den Rechtsanwalt sogleich hätte beauftragen können. Wer also die Bereitschaft eines Rechtsanwalts zum Inkasso zunächst nicht nutzt und sich für das teurere Angebot eines Inkassoinstitutes entscheidet, muss die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst tragen (vgl. BGH NJW 2006, 446; OLG Düsseldorf OLGZ 87, 494; OLG Karlsruhe, RPfleger 1987, 422, OLG Dresden NJW-RR 94, 1139 und Palandt a.a.O. Rdnr. 46).
66Die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten wird vielmehr von einem Teil der Rechtsprechung nur dann angenommen, wenn der Gläubiger aus besonderen Gründen darauf vertrauen durfte, dass der Schuldner ohne gerichtliche Hilfe leisten werde (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2006, 242). Dies bedarf aber der Prüfung.
67Auf einen derartigen Ausnahmefall hat sich der Kläger in seiner Klagebegründung selbst nicht berufen. Stattdessen hat er dutzende amtsgerichtliche Entscheidungen angeführt, die seine Rechtsauffassung angeblich stützen.
68Diese Entscheidungen sind hier nicht einschlägig. Der Kläger verkennt, dass es nach der herrschenden Meinung darauf ankommt, ob die nacheinander erfolgte Beauftragung von Inkassounternehmen und Rechtsanwälten als erforderlich und zweckmäßig angesehen werden durfte, dass diese Voraussetzungen in jedem Einzelfall zu prüfen und vom Gläubiger darzulegen sind. Hier hat aber der Kläger sowohl Inkassokosten als auch Anwaltsgebühren systematisch und ohne weitere Prüfung verfolgt.
69b)
70Allerdings ist allein der Umstand, dass ein Anwalt eine nicht bestehende Forderung geltend macht oder eine bestehende Forderung bestreitet, für sich genommen noch nicht berufsrechtswidrig. Selbst wenn der Anwalt damit rechnet, dass die von ihm geltend gemachte Forderung nicht besteht, dürfte dies letztlich nicht zu beanstanden sein. Davon ist die Beklagte in ihrem belehrenden Hinweis auch zutreffend ausgegangen.
71Der Verstoß des Klägers gegen die Verpflichtung des § 43 BRAO, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben, ergibt sich aus folgenden weiteren Umständen:
72Der Kläger praktiziert diese Form der Forderungseinziehung also unter gleichzeitiger Geltendmachung angeblicher Inkassokosten und seiner anwaltlichen Geschäftsgebühr massenweise. Er hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt,
73900.000 Inkassoverfahren allein im Jahre 2009 abgewickelt zu haben, von denen noch 200.000 Fälle in das gerichtliche Mahnverfahren und davon schließlich
744.000 Fälle gerichtlich geklärt werden mussten. Der Kläger ist also ein Spezialist auf dem Gebiet des Inkassoverfahrens. Mithin hat er sich mit der unter 5. a) erörterten Frage eingehend beschäftigt. Die Literatur und Rechtsprechung zu diesem Problem ist ihm im Einzelnen bekannt. Davon geht auch der von ihm angegriffene belehrende Hinweis aus, ohne dass der Kläger dies bestreitet.
75Wer als Rechtsanwalt wie hier der Kläger in einer Vielzahl von Fällen systematisch mit anwaltlicher Autorität Forderungen beitreibt, bei denen er damit rechnen muss, dass ein Großteil von ihnen nicht berechtigt ist, weil er die nach der herrschenden Meinung und obergerichtlichen Rechtsprechung gebotene Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelfall nicht vorgenommen und die Erforderlichkeit sowie Zweckmäßigkeit der doppelten Beauftragung von Inkassounternehmen und Rechtsanwalt nicht festgestellt hat, übt seinen Beruf nicht gewissenhaft aus und verstößt gegen § 43 BRAO. Denn ein solcher Rechtsanwalt verschließt zu Lasten des Vertragspartners seiner Mandantin die Augen davor, dass der Anspruchsgrund bei vielen der beigetriebenen Forderungen nicht gegeben sein dürfte. Denn ein solcher Rechtsanwalt nutzt systematisch die Asymmetrie der Informationen, das regelmäßig bestehende Informationsgefälle zwischen ihm und den angeschriebenen Schuldnern, die Vertragspartner seiner Mandantin und Verbraucher sind, aus. Er nimmt auch im Rahmen der bestehenden Vertragsbeziehung das Vertrauen der angeschriebenen Schuldner in Anspruch, dass die von einem Rechtsanwalt aufgestellten Rechtsbehauptungen richtig sind. Diese entrichten, wie die bekannt gewordenen Zahlen belegen, in den meisten Fällen die angemahnten Beträge, Inkassogebühren und Rechtsanwaltskosten, obwohl sie dies in dem Großteil der Fälle nicht müssten und bei Unterrichtung über die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen auch nicht würden. Hinweise darauf, dass jedenfalls nach der herrschenden Rechtsmeinung und der obergerichtlichen Rechtsprechung dann, wenn ein Unternehmen mit hinreichender Geschäftserfahrung ein Inkassounternehmen mit der Einziehung einer Forderung beauftragt, gegen den Schuldner, wenn nachträglich noch ein Rechtsanwalt beauftragt werden muss, im Allgemeinen keinen Anspruch auf Ersatz der Inkassobürokosten besteht, werden in den Mahnschreiben nicht gegeben. Der Rechtsanwalt enthält den Vertragspartnern seiner Mandantin Informationen vor, die für diese als Schuldner und Verbraucher wesentlich sind. Es liegt neben dem Umstand, dass ein solches Verhalten vertragliche Sorgfaltspflichten, die auch gegenüber dem Vertragspartner bestehen dürften, verletzt, eine Irreführung durch Unterlassen vor, die in § 5 a Abs. 2 UWG als unlauter bezeichnet wird.
76c)
77Der Kläger vermag diesen Verstoß gegen seine Berufspflicht auch nicht mit dem Hinweis zu rechtfertigen, er sei von seinen Auftraggebern beauftragt worden, die oben bezeichneten Positionen als Verzugsschaden i.S.d. §§ 286, 288 BGB geltend zu machen.
78Der Kläger ist nicht in die Betriebsstruktur seiner jeweiligen Mandanten eingebunden. Er ist kein "Befehlsempfänger", sondern als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. In seiner Klagebegründung erkennt der Kläger zutreffend auch seine Verpflichtung, seinen Mandanten über die tatsächliche Rechtslage aufzuklären. Befolgt der Mandant bzw. die Mandantin trotz eindeutiger Rechtslage den Rat des Anwalts nicht, hat Letzterer die Möglichkeit, das Mandat niederzulegen.
79Der belehrende Hinweis der Beklagten vereitelt entgegen der Auffassung des
80Klägers auch nicht "den Zugang zum Recht" und ist auch nicht unvereinbar mit
81Art. 19 GG. Selbstverständlich darf der Kläger grundsätzlich nicht in seinem Versuch gehindert werden, Ansprüche seines Mandanten durchzusetzen, ggf. auch gerichtlich. Er hat sich dabei allerdings im Rahmen seiner ihm durch die BRAO und insbesondere § 43 BRAO auferlegten Berufspflichten zu halten. Dies ist hier nicht der Fall gewesen, worauf die Beklagte zu Recht belehrend hingewiesen hat.
82Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
836.
84Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 112 c BRAO i.V.m. 154 Abs. 1 VwGO.
857.
86Die Berufung war gemäß §§ 112 e BRAO i.V.m. 124 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des § 43 BRAO als Auffangtatbestand.