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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 6.261,00 festgesetzt.
Tatbestand :
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
3Der am 23.12.13xx geborene und verheiratete Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 05.02.1991 beschäftigt. Er erzielte zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.087,00 .
4Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, in dem Getränke produziert, abgefüllt und vertrieben werden.
5Mit Schreiben vom 20.10.2006, welches dem Betriebsrat am gleichen Tag zuging, hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer betriebsbedingten Kündigung des Klägers an. Dieser nahm der Beklagten zugehend am 23.10.2006 abschließend Stellung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33 40 d. A. Bezug genommen. In der Anhörung heißt es u. a. : Kinder laut Steuerkarte: Keine.
6Mit Schreiben vom 24.10.2006, dem Kläger am 26.10.2006 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.04.2007.
7Hiergegen hat der Kläger mit einer am 03.11.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.
8Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und unwirksam.
9Insbesondere habe die Beklagte sowohl bei der Betriebsratsanhörung als auch bei der Sozialauswahl nicht berücksichtigt, dass er noch einer Tochter, die ein Wirtschaftsgymnasium besuche, gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Sie habe sich nicht einfach auf die Lohnsteuerkarte verlassen dürfen, weil dort nur Kinder unter 18 Jahren eingetragen werden. Insbesondere aufgrund der Angabe des Klägers im Einstellungsbogen, dass er zwei Kinder habe, sei die Beklagte verpflichtet gewesen, sich hinsichtlich der Unterhaltspflichten genauer zu erkundigen.
10Er beantragt,
11festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.10.2006 zum 31.04.2007 nicht aufgelöst worden ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Auffassung, dass die Kündigung aus betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt sei.
15Hierzu behauptet sie, dass sie insgesamt fünf Abfüllanlagen für Getränkeflaschen betreibt. An den Anlagen 1 und 3 seien Glasflaschen befüllt worden. In der Vergangenheit seien an diesen Anlagen zusammengenommen drei Schichten gefahren worden. Die Beklagte habe sich Ende September 2006 entschlossen, wegen eines deutlichen Umsatzrückganges im Bereich der Glasflaschengetränke dem Betrieb an den Anlagen 1 und 3 auf insgesamt zwei Schichten zu beschränken. Damit sei der Beschäftigungsbedarf für elf Maschinenführer entfallen, da was zwischen den Parteien unstreitig ist -, je Schicht elf Maschinenführer eingesetzt sind.
16Im Rahmen der Sozialauswahl habe die Beklagte zunächst folgendes Punktesystem für eine Vorauswahl angewendet:
17je vollendetem Lebensjahr 1 Punkt
18je vollendetem Beschäftigungsjahr 2 Punkte
19je Unterhaltspflicht 4 Punkte
20Halbe Unterhaltspflichten wurden mit der halben Punktzahl bewertet
21Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung >30% 5 Punkte
22Zudem habe sie gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zur Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur Altersgruppen gebildet. Sie habe jeweils Altersgruppen von jeweils zehn Jahren beginnend ab dem 21. Lebensjahr wie folgt gebildet:
23bis vollendetem 30. Lebensjahr (2 Arbeitnehmer)
24bis vollendetem 40. Lebensjahr (21 Arbeitnehmer)
25bis vollendetem 50. Lebensjahr (19 Arbeitnehmer)
26bis vollendetem 60. Lebensjahr (18 Arbeitnehmer)
27bis vollendetem 65. Lebensjahr ( 5 Arbeitnehmer)
28Das bisherige Durchschnittsalter der Maschinenführer betrage 44,98 Jahre. Ohne eine Altersgruppenbildung hätten den beiden letzten Maschinenführern aus der Gruppe der 20 30Jährigen sowie neun Maschinenführer aus der Gruppe der 30 40Jährigen gekündigt werden müssen. Es wären letztlich noch zwölf Arbeitnehmer verblieben, die jünger als 40 Jahre seien. Das Durchschnittsalter der Maschinenführer wäre ohne Altersgruppenbildung auf 46,85 Jahre gestiegen.
29Innerhalb der Altersgruppen habe sie sodann proportional zur Zahl der insgesamt ausgesprochenen Kündigungen gekündigt.
30Zusätzlich habe sie noch die Maschinenführer B5xxxx, M4xxxx, D3xxxxx, S4xxxxxx und A2xxxxx P2xxxxxx aus der Sozialauswahl ausgenommen, da deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten im berechtigten betrieblichen Interessen liege. Die Maschinenführer B5xxxx, M4xxxx und D3xxxxx seien als Maschinenführer an der PET-Flaschenblasmaschine der Abfüllanlagen 6 und 8 eingesetzt. Diese Maschinen seien äußerst schwierig zu bedienen und könnten erst nach einer umfassenden Einarbeitungszeit, welche ca. ein Jahr betrage, ordnungsgemäß bedient werden.
31Die Arbeitnehmer S4xxxxxx und P2xxxxxx seien als Maschinenführer an der Flaschenwaschmaschine der Anlagen 1 und 3 eingesetzt. Sie seien damit neben dem Maschinenführer S6xxxxx die einzigen Mitarbeiter im Betrieb der Beklagten, die den zur Betriebsvorbereitung notwendigen Produktionsstart der Flaschenwaschmaschine durchführen können. Die Kenntnisse und Erfahrungen, die zur Bedienung der Flaschenwaschmaschine erforderlich seien, erforderten eine sehr sorgfältige Arbeitsweise und große Erfahrung der Maschinenführer.
32Aufgrund der Altersgruppenbildung und der ermittelten Sozialpunkte sei aus der Gruppe der 50 60Jährigen dem Kläger die Kündigung auszusprechen gewesen.
33Sie bestreite darüber hinaus, dass der Kläger noch einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet sei.
34Der Kläger bestreitet das Vorliegen eines betriebsbedingten Grundes. Insbesondere bestreitet er, dass es erhebliche Umsatzrückgänge im Bereich der Glasflaschenproduktion gegeben habe. Selbst wenn dies richtig sei, sei es zu einem Mehrbedarf im Bereich der PET-Flaschen gekommen. Er selbst sei zum Ende seiner Beschäftigungszeit vermehrt im PET-Bereich eingesetzt worden.
35Der Kläger bestreitet weiterhin, dass die Beklagte eine unternehmerische Entscheidung zur Einstellung der dritten Schicht an den Anlagen 1 und 3 getroffen hat.
36Der Beschäftigungsbedarf sei auch nicht deshalb entfallen, weil die Beklagte während seiner Freistellungszeit im Rahmen der Kündigungsfrist Freigänger aus der JVA B3xxxxxxx-B4xxxxxxx eingesetzt habe.
37Darüber hinaus befänden sich die Mitarbeiter J2xxx und F2xxxx wohl in der Freizeitphase der Altersteilzeit. Damit seien zwei Arbeitnehmer zuviel gekündigt worden.
38Die Sozialauswahl hält der Kläger für unwirksam.
39Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Altersgruppen zu bilden. Dies verstoße gegen § 7 AGG. Jegliche Anknüpfung an das Alter benachteilige und diskriminiere ihn wegen seines Alters. Zur Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl berufe er sich auf sämtliche Arbeitnehmer, die weniger Sozialpunkte aufwiesen als er, insbesondere auf folgende ungekündigte Arbeitnehmer: S5xxxx, R2x, C1xxx, K5xxxx, B5xxxx, C2xxx, K6xxxxx, K7xxxxxxxxxxxxxx, D3xxxxx, S4xxxxxx, M4xxxx, S6xxxxx und R3xxxxxxx.
40Das von der Beklagten angewendete Punkteschema sei auch vollständig unausgewogen und führe damit zu einer fehlerhaften Sozialauswahl. Da ohne Beschränkung pro Lebensalter ein Punkt vergeben werde, würde das Lebensalter unverhältnismäßig günstig berücksichtigt. Insbesondere beim ungekündigt gebliebenen Arbeitnehmer H2xxx Q1xxxx zeige sich die Fehlerhaftigkeit dieser Auswahl. Dieser sei zum Ausspruch der Kündigung so rentennah gewesen, dass für die Beklagte absehbar gewesen sei, dass sie durch den Ausspruch der elf Kündigungen, soweit man den betriebsbedingten Kündigungsgrund als gegeben voraussetze, sich in Kürze von zu vielen Arbeitnehmern getrennt haben würde.
41Darüber hinaus sei wegen der zum Teil aufgrund der Kündigung herrschenden Kurzarbeit im Betrieb der Beklagten die Kündigung nach § 6 des Tarifvertrages Erfrischungsgetränkeindustrie NRW, die die Beklagte in betriebsüblicherweise anwende, unwirksam.
42Schließlich sei die Sozialauswahl auch deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte zu Unrecht die Arbeitnehmer B5xxxx, M4xxxx, D3xxxxx, S4xxxxxx, P4xxxxxxx, G4xxx, S7xxxxxx und R3xxxxxxx aus der Sozialauswahl wegen berechtigter betrieblicher Interessen herausgenommen hat. Die von der Beklagten angeführten Gründe seien unzutreffend.
43Zuletzt sei auch die Betriebsratanhörung fehlerhaft.
44Die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, dass er über ein unterhaltsberechtigtes Kind verfüge. Dem Betriebsrat sei auch nicht mitgeteilt worden, dass die Beklagte die Mitarbeiter G4xxx, S7xxxxxx und R3xxxxxxx aus der Sozialauswahl herausgenommen habe.
45Schließlich habe die Beklagte im Betriebsrat auch nur den Tätigkeitsbereich unvollständig mitgeteilt. Dem Betriebsrat sei nämlich nur der Bereich Sortierung der Anlage 3 angegeben worden, wohingegen der Beschäftigungsbereich als Maschinenführer viel umfangreicher gewesen sei.
46Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen H3xxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 25.04.2007 Bezug genommen.
47Wegen der weiteren Einzelheiten des gemäß § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO lediglich knapp zusammengefassten Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
48Entscheidungsgründe :
49Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
50Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da der Kläger länger als sechs Monate für die Beklagte tätig ist und diese in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, § 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.
51Die Kündigung ist auch nicht schon deshalb nach §§ 4, 7 KSchG sozial gerechtfertigt, da der Kläger binnen der 3-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat.
52Die Kündigung ist jedoch gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam, sodass sie das Arbeitsverhältnis wirksam mit Ablauf des 30.04.2007 beendet hat.
531.
54Die Kündigung ist nicht nach § 102 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat inhaltlich und formal ausreichend über die Kündigungsgründe informiert hat.
55Der Betriebsrat ist nämlich ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat sich aus seiner Sicht tragenden Küdigungsgründe mitgeteilt hat (vgl. ständige Rechtsprechung des BAG, Urt. vom 24.06.2004, 2 AZR 461/03, AP Nr. 22 zu § 620 BGB Kündigungserklärung m. w. N.). Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung stellt dagegen keine ordnungsgemäße Anhörung dar (vgl. BAG, Urt. v. 06.10.2005, 2 AZR 316/04, AP Nr. 150 zu § 102 BetrVG 1972). Der Arbeitgeber ist im Rahmen der Betriebsratsanhörung jedoch nicht verpflichtet, die Richtigkeit dokumentierter Daten zu überprüfen (vgl. BAG, Urt. v. 24.11.2005, 2 AZR 514/04, AP Nr. 43 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Er kann deshalb mangels anderweitiger Kenntnisse auch von den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte ausgehen, hat dies aber dann gegenüber dem Betriebsrat zu kennzeichnen (vgl. BAG, Urt. v. 06.07.2006, 2 AZR 520/05).
56Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilte hat, dass der Kläger laut Steuerkarte keinem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Dass die Beklagte dem Betriebsrat bewusst in Kenntnis der Tatsache, dass der Kläger zumindest einer Tochter noch gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, eine falsche Auskunft erteilt hat, ist weder vom Kläger substantiiert behauptet worden noch sonst für die Kammer ersichtlich.
57Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat, die Mitarbeiter S7xxxxxx, G5xxx und R3xxxxxxx aus der Sozialauswahl herausgenommen zu haben. Dieses ist durch die Beklagte nämlich nicht geschehen. Sie hat sich ausweislich der beigefügten Anlagen, in der die herausgenommenen Mitarbeiter markiert sind, weder gegenüber dem Betriebsrat noch sonst in diesem Verfahren jemals darauf berufen, diese drei Mitarbeiter aus der Sozialauswahl herausgenommen zu haben.
58Schließlich ist die Anhörung nicht wegen unzutreffender Tätigkeitsbeschreibung des Klägers zu beanstanden. Er ist im Formular der Betriebsratsanhörung wie es der Bezeichnung im Arbeitsvertrag entspricht als Maschinenführer bezeichnet. Aufgrund der Betriebskenntnis des Betriebsrats ist die Kammer davon überzeugt, dass die Information der Beklagten in der Betriebsratsanhörung lediglich dahingehend zu verstehen ist, dass der Kläger zuletzt im Bereich der Sortierung tätig war. Das seine Tätigkeit jedenfalls bezogen auf das arbeitsvertragliche Direktionsrecht umfangreicher ausgestaltet waren, ergibt schon daraus, dass die Beklagte auch gegenüber dem Betriebsrat die Sozialauswahl auf sämtliche Maschinenführer erstreckt hat.
59Aufgrund der als abschließende Stellungnahme gekennzeichnete Stellungnahme des Betriebsrats vom 23.10.2006 war die Beklagte auch berechtigt, vor Ablauf der Wochenfrist am 24.10.2006 die Kündigung auszusprechen.
60Weitere Einwendungen gegen die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung sind vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch waren sie für die Kammer ersichtlich.
612.
62Die Beendigungskündigung ist auch sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.
63Nach dieser Vorschrift sind Kündigungen sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche oder in der Person bzw. dem Verhalten des Arbeitnehmers liegende Gründe bedingt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Kündigungsgründe trägt der Arbeitgeber, § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG.
64Eine betriebsbedingte Kündigung ist darüber hinaus dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer die sozialen Belange nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Sozialauswahl trägt der Arbeitnehmer, § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG.
65Vorliegend stützt sich die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe.
66Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidung, Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel, Umsatzrückgang) ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. BAGE, 28, 131, 133). Vom Gericht voll nachzuprüfen ist, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die Unternehmerentscheidung selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAGE 31, 157, 162).
67Gemessen an diesen Maßstäben war die Kammer aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass eine unternehmerische Organisationsentscheidung als innerbetrieblicher Umstand gegeben ist, der das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen lässt.
68Aufgrund der Aussage des Zeugen H3xxx war die Kammer nämlich davon überzeugt, dass die Beklagte Ende September 2006 die Entscheidung getroffen hat, an den Anlagen 1 und 3 insgesamt eine Schicht mit 11 Maschinenführern einzustellen. Der Zeuge hat die Entscheidungsfindung und den Entschluss zwar nicht aus eigener Wahrnehmung mitbekommen. Er hat jedoch in widerspruchsfreier und für die Kammer gut nachvollziehbarer Weise geschildert, dass er mit anderen führenden Mitarbeitern der Beklagten Anfang Oktober 2006 über diese Entscheidung der Geschäftsleitung in Kenntnis gesetzt worden ist.
69Letztlich deckt dies auch mit den dezedierten Angaben der Beklagten in der schriftlichen Betriebsratsanhörung, nach der die Geschäftsführung in einer Geschäftsführersitzung am 28.09.2006 die streitgegenständliche unternehmerische Entscheidung getroffen haben will.
70Die Kammer hat auch keinerlei Anhaltspunkte an der Glaubwürdigkeit des Zeugen bzw. der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu zweifeln.
71Durch die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung, die nach der überzeugenden Aussage des Zeugen zum Ende November 2006 erfolgt ist, sind auch elf Maschinenführerstellen entfallen, da unstreitig je Schicht elf Maschinenführer beschäftigt wurden.
72Aufgrund der Zeugenaussage war die Kammer nämlich auch davon überzeugt, dass kein Mehrbedarf im Bereich der PET-Flaschen gegeben hat, der möglicherweise einen Teil des Wegfalls von elf Maschinenführerstellen kompensiert hätte. Nach der überzeugenden Aussage des Zeugen H3xxx sind dort keine zusätzlichen Schichten eingeführt worden. Nur in diesem Fall hätte man davon sprechen können, dass zusätzlicher dauerhafter Bedarf für die Beschäftigung von Maschinenführern eingetreten wäre.
73Schließlich ist der Wegfall von elf Maschinenführerstellen auch nicht durch den Vortrag des Klägers entkräftet, dass die Beklagte in seiner Freistellungsphase Freigänger der JVA B3xxxxxxx-B4xxxxxxx beschäftigt hat. Auch insoweit hat der Zeuge H3xxx in überzeugender Art und Weise bekundet, was sich die Beklagte konkludent zu eigen gemacht hat, dass solche Freigänger lediglich für zwei Sonderaktionen beschäftigt worden sind. Mithin ergibt sich nicht, dass durch die Beschäftigung der Freigänger im streitgegenständlichen Zeitraum ein regulärer Beschäftigungsbedarf im Betrieb der Beklagten abgedeckt worden ist.
74Dem Wegfall der elf Maschinenführerstellen steht auch nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Kündigungsmaßnahme im Betrieb der Beklagten Kurzarbeit geleistet wurde. Kurzarbeit ist nur wegen eines vorübergehenden Beschäftigungsmangels möglich. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, an den Anlagen 1 und 3 eine Schicht entfallen zu lassen, stellt dagegen einen Wegfall des Beschäftigungsbedarfes für elf Maschinenführer auf Dauer dar. Damit ist ein über die Kurzarbeit hinausgehender betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben.
75Insgesamt war die Kammer daher der Auffassung, dass aufgrund der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten elf Maschinenführerstellen entfallen sind.
763.
77Die Kündigung ist auch nicht wegen nicht ausreichender Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG unwirksam.
78a)
79Die Beklagte hat zunächst den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zutreffend bestimmt, indem sie sämtliche Maschinenführer in die Sozialauswahl einbezogen hat. Dies ist vom Kläger auch nicht gerügt worden.
80b)
81Die Beklagte hat sodann auch die zu berücksichtigen Sozialfaktoren Lebensalter, Beschäftigungsdauer, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderungen zur Überzeugung der Kammer ausreichend gewertet.
82Ein Arbeitgeber ist berechtigt zur Durchführung der Sozialauswahl ein sogenanntes Punkteschema zu entwickeln, um eine gleichmäßige Bewertung der Sozialfaktoren für die Arbeitnehmer zu ermöglichen.
83aa)
84Der Verwendung des Punkteschemas steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat unstreitig nicht gemäß § 95 BetrVG beteiligt hat.
85Nach der neueren Rechtsprechung des BAG stellt zwar im Punkteschema für die soziale Auswahl auch dann eine nach § 95 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie dar, wenn es der Arbeitgeber nicht generell auf alle künftigen, sondern nur auf konkret bevorstehende betriebsbedingte Kündigungen anwenden will (vgl. BAG, Beschluss vom 26.07.2005, 1 ABR 29/04, AP Nr. 43 zu § 95 BetrVG 1972).
86Da es jedoch an einer nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG entsprechenden Norm fehlt, ist hier ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Bezug auf die Anwendung eines nicht bestimmten Punktesystems nicht per se zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG, Urt. v. 09.11.2006, 2 AZR 812/05, Urt. v. 06.07.2006, 2 AZR 442/05).
87Dies gilt jedenfalls solange, als dass der Betriebsrat einen möglichen Unterlassungsanspruch bezüglich der Verwendung des nicht mitbestimmten Punktesystems nicht geltend macht (vgl. BAG, Urt. v. 09.11.2006, 2 AZR 812/05). Das der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG oder gar gerichtlich gegen die Verwendung des nicht mitbestimmten Punkteschemas vorgegangen ist, ist weder vom Kläger vorgetragen, noch war es für die Kammer aus anderen Umständen ersichtlich.
88bb)
89Das Punktesystem ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht vollkommen unausgewogen, als dass für das Lebensalter unbeschränkt pro Jahr einen Punkt vergibt. Nach Auffassung der Kammer ist diese Gewichtung des gesetzlich vorgesehenen Sozialauswahlkriteriums Lebensalter noch im Rahmen des arbeitgeberseitig bestehenden Ermessensspielraum. Das Kündigungsschutzgesetz gibt lediglich die zu berücksichtigenden Sozialauswahlkriterien vor. Die Gewichtung der Kriterien untereinander steht im pflichtgemäßen Ermessen des Arbeitgebers. Seitens des Arbeitsgerichtes kann hier korrigierend nur eingegriffen werden, wenn eines der gesetzlich zu berücksichtigenden Kriterien unausgewogen unberücksichtigt bleibt. Hiervon kann vorliegend jedoch keine Rede sein, da die Beklagte durch die Vergabe von zwei Punkten für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit auch jüngeren Mitarbeitern mit einer möglicherweise längeren Betriebszugehörigkeit gegenüber älteren Arbeitnehmern, die erst zu einem relativ späten Zeitpunkt in den Betrieb der Beklagten eingetreten sind, eine Kompensationsmöglichkeit gibt. Von der aus Sicht des Klägers völligen Unausgewogenheit des Punktesystems kann somit keine Rede sein.
90c)
91Die Beklagte hat sodann zur Überzeugung der Kammer berechtigterweise gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer in Bezug auf den Kläger die Arbeitnehmer bis zum vollendeten 50. Lebensjahr und ab dem vollendeten 60. Lebensjahr zur Erhaltung einer gegebenen Personalstruktur aus der Sozialauswahl herausgenommen.
92aa)
93Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Frage einer ausgewogenen Altersstruktur als Unterfallgruppe der Personalstruktur im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG anerkannt (vgl. u. a. BAG, Urt. v. 09.11.2006, 2 AZR 509/05).
94Insoweit ist vom BAG auch anerkannt worden, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner ihm bei der Sozialauswahl zustehenden Ermessensspielraum ein 10-Jahresraster auswählen kann (vgl. BAG a a.O.).
95bb)
96Die Bildung der Altersgruppen verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG und führt damit auch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 7 Abs. 2 AGG.
97Die Kammer lässt insoweit offen, ob sie überhaupt berechtigt ist, den eindeutig erklärten gesetzgeberischen Willen nach § 2 Abs. 4 AGG zu ignorieren, dass Kündigungsmaßnahmen allein nach den Vorschriften des besonderen und allgemeinen Kündigungsschutzes überprüft werden sollen und eine Überprüfung aufgrund der Diskriminierungsverbote nach dem AGG ausgeschlossen sein soll.
98Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass auch Kündigungsmaßnahmen des Arbeitgebers entgegen des eindeutigen gesetzgeberischen Willen anhand der Diskriminierungsverbote überprüft werden können, führt dies vorliegend nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
99Zum einen ist für die Kammer schon zweifelhaft, ob durch die Altergruppenbildung überhaupt eine Diskriminierung wegen des Alters vorliegt. Der Kläger ist vorliegend nämlich nicht schlechter behandelt worden, als alle anderen und damit auch die jüngeren Arbeitnehmer. Die Beklagte hat die Arbeitnehmer nach den zulässigerweise gebildeten abstrakten Kriterien des Punkteschemas und ihres Altersrasters beurteilt. Diese Beurteilung betraf die jüngeren Arbeitnehmer im gleichen Umfang wie den Kläger.
100Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass der Kläger wegen der Altersgruppenbildung schlechter behandelt wurde, als dies ohne Altersgruppenbildung der Fall gewesen wäre und dies als ein alleinige Anknüpfung an das Lebensalter des Klägers ansieht, ist die Kammer vorliegend der Auffassung, dass diese Maßnahme der Beklagte auch im Hinblick auf eine sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung des Alters im Sinne des AGG gerechtfertigt ist.
101Das BAG hat mit überzeugender Begründung dargestellt, dass der Arbeitgeber ein anerkennenswertes betriebliches Interesse daran haben kann, eine ausgewogene Altersstruktur im Betrieb zu haben und auch zu erhalten. Insbesondere im gewerblichen Bereich, in dem auch der Kläger tätig ist, ist dies vor dem Hintergrund nachvollziehbar, als das die Lebenserfahrung zeigt, dass die körperliche Leistungsfähigkeit und die Anfälligkeit für Krankheiten mit zunehmenden Lebensalter wächst. Ohne dem Kläger hier konkret Defizite vorwerfen zu wollen, zeigt die tägliche Erfahrung im Gerichtssaal, dass ältere Arbeitnehmer in der Regel mit zunehmenden Lebensalter an Leistungsfähigkeit einbüßen.
102Darüber hinaus ist auch ein anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers gegeben, eine gemischte Altersstruktur im Betrieb zu haben, damit das betrieblich erworbene Erfahrungswissen durch die Generationen der Arbeitnehmer tradiert werden kann. Anderenfalls würde es dazu führen, dass aufgrund von Kündigungsmaßnahmen die Belegschaft überaltert und durch Eintritt der Arbeitnehmer in den Ruhestand innerhalb eines kurzen Zeitraums ein Großteil der Belegschaft ausgetauscht werden würde. Das ein massiver Umbruch der Belegschaft größere Schwierigkeiten in der betrieblichen Organisation hervorruft als ein kontinuierlicher Alterungs- und Austauschprozess, liegt für die Kammer auf der Hand.
103Mithin war die Kammer der Auffassung, dass der Beklagten, selbst wenn man eine Altersdiskriminierung des Klägers aufgrund der Altersgruppen bejaht, ein auch im Hinblick auf den Diskriminierungsschutz sachlich rechtfertigender Grund zur Altersgruppenbildung vorliegt.
104Insbesondere war vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Bereich der Maschinenführer vor Ausspruch der Kündigungsmaßnahme einen Altersdurchschnitt von knapp 45 Jahren aufwies. Dies entspricht ziemlich genau dem möglichen Durchschnitt bei einer Beschäftigungsspanne von 20 65 Jahren. Bei einer Sozialauswahl ohne Altersgruppenbildung hätte der Altersdurchschnitt um fast zwei Jahre nach oben verschoben, wodurch der Altersdurchschnitt deutlich über dem Durchschnitt gewesen wäre.
105Soweit der Kläger rügt, dass die Altersgruppenbildung willkürlich erfolgt ist, da gerade die Vollendung des 50. Lebensjahres eine Altersgruppengrenze darstellt, verfängt dieser Einwand nicht. Bei allen abstrakten und pauschalierten Regelungen, insbesondere auch bei Stichtagsregelungen, gibt es immer Grenzfälle, die gerade innerhalb oder außerhalb eines bestimmten Rahmens- bzw. Zeitfensters liegen. Es mag bei isolierter Betrachtung des Einzelfalls als eine Härte erscheinen, ist jedoch gerade wegen der abstrakten Regelung unvermeidbar.
106Die Beklagte hat sich nach Auffassung der Kammer durch die Altersgruppenbildung auch lediglich die bestehende Personalstruktur in Form der Altersstruktur erhalten. Rechnerisch ergibt sich zwar eine Verbesserung des Altersdurchschnitts um ca. 0,15 Jahre.
107Nach Auffassung der Kammer ist diese Verbesserung jedoch keine erhebliche Veränderung der Altersstruktur, sodass nicht eine neue Altersstruktur geschaffen wurde, sondern die bestehende Altersstruktur noch gewahrt wurde. Das es möglicherweise rechnerisch nicht auf ein Zehntel genau bei der zuvor bestehenden Durchschnittsaltersstruktur bleibt, ist mit rechnerisch Rundungsdifferenzen zu erklären. Nach Auffassung der Kammer hat sich die Beklagte insoweit ausreichend bemüht, den Altersschnitt und damit die bestehende Altersstruktur zu halten.
108cc)
109Geht man davon aus, dass die Beklagte wie oben dargestellt, die Arbeitnehmer bis zum vollendeten 50. und ab dem vollendeten 60. Lebensjahr berechtigterweise aus der Sozialauswahl herausgenommen hat, so hat sie auch die Sozialauswahl im engeren Sinne im Kreise der noch verbleibenden vergleichbaren Mitarbeiter zutreffend durchgeführt.
110Dies gilt auch unabhängig davon, ob dem Kläger noch weitere vier Sozialpunkte wegen der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter zustehen.
111Für den Kläger ergeben sich nach der Berechnung der Beklagten 80 Punkte. Der erste Mitarbeiter in seiner Altersgruppe, der ungekündigt im Betrieb verblieb, der Mitarbeiter A3xx A4xxx, weist dagegen 86 Punkte auf. Selbst wenn man dem Kläger weitere vier Punkte gutschreibt, bleibt er hinter dem Mitarbeiter A4xxx zurück, so dass er auch dann zur Kündigung angestanden hätte.
112Bei Verwendung eines Punktesystems war die Beklagte auch nicht mehr verpflichtet, eine abschließende Einzelfallabwägung vorzunehmen (vgl. BAG, Urt. v. 09.11.2006, 2 AZR 812/05). Vor diesem Hintergrund kann die Kammer allein aufgrund des rechnerischen mathematischen Ergebnisses in der Punkteberechnung feststellen, dass der Kläger hinter dem Mitarbeiter A4xxx zurückgeblieben wäre. Auf die Überlegung, ob bei Kenntnis der Beklagten von der Unterhaltsverpflichtung möglicherweise im Einzelfall eine andere Bewertung vorgenommen worden wäre, obwohl der Kläger weniger Sozialpunkte als der Mitarbeiter A4xxx aufweist, kam es nicht mehr an.
1134.
114Die Kündigung ist auch nicht wegen eines Kündigungsverbots nach § 6 des MTV der Erfrischungsgetränkeindustrie NRW unwirksam.
115Die Kammer lässt insoweit offen, ob dieser Tarifvertrag überhaupt auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Substantiierten Sachvortrag hat der Kläger hierzu nicht gehalten. Es ergibt sich jedoch aus § 6 des MTV kein Kündigungsverbot während der Kurzarbeit. Nach dieser Vorschrift ist lediglich angeordnet, dass die Beklagte berechtigt ist, Kurzarbeit im Betrieb durchzuführen.
116Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
117Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde für den Kündigungsschutzantrag mit drei Bruttomonatsgehältern bewertet.
118Dr. Vierrath