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1. Der Aussetzungsantrag des Beklagten wird abgelehnt.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des ArbG Detmold vom 15.10.2021, Az. 3 Ca 696/20 teilweise – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte (ursprünglich Beklagter zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 41.192,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.09.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 89% und der Beklagte (ursprünglich Beklagter zu 1) zu 11 %. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten der ursprünglichen Beklagten zu 2) (A GmbH) trägt die Klägerin. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten des Beklagten (ursprünglich Beklagter zu 1) trägt die Klägerin zu 79%. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte (ursprünglich Beklagter zu 1) zu 10,5%. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten selbst zu tragen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter und dritter Instanz tragen die Klägerin zu 2 % und der Beklagte zu 98%.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 15.06.2020, wobei Ansprüche der Klägerin ab dem 15.03.2020 mit Ausnahme eines Urlaubsentgeltdifferenzanspruchs für 6 Tage im Mai 2020 bereits rechtskräftig abgewiesen worden sind.
3Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in B, der unter anderem C-Kurse verschiedener Richtungen des C sowie Meditations- und D-Seminare anbietet, C lehrer ausbildet, ca. 80-100 Stadtcenter betreibt und vier E (in B, im F, an der G und im H) unterhält. Er nimmt für sich in Anspruch, eine Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 4 und 140 des Grundgesetzes zu sein, was zwischen den Parteien streitig ist.
4Der Beklagte ist Alleingesellschafter der A GmbH, die über einen Internet-shop verschiedene Produkte vertreibt und ihre Gewinne an den Beklagten abführt. Für die bei der A GmbH anfallenden Tätigkeiten werden auch I des Beklagten eingesetzt. Die A GmbH war erstinstanzlich Beklagte zu 2), bis die Klage gegen sie zurückgenommen wurde.
5Die Satzung des Beklagten lautete im streitgegenständlichen Zeitraum auszugsweise wie folgt:
6„Präambel
7„A", die „Wissenschaft des A", hat sich in Indien in vielen Jahrhunderten entwickelt.
8Die Weisheit, Übungen und Techniken des C können gerade im Leben des modernen westlichen Menschen sehr wertvoll sein. Die Wissenschaft des C in ihrem gesamten Spektrum umfasst Techniken auf den Gebieten der Gesundheitsvorsorge, Heilung, Körper- und Energie-Arbeit, Psychologie, Selbstfindung, Selbstverwirklichung und der spirituellen und religiösen Entwicklung für ein Leben in Harmonie mit den kosmischen Gesetzen.
9Der A e.V. steht in der Tradition des indischen Arztes und C Meisters J und bezieht in seiner Arbeit C in seinem ganzen Spektrum sowohl klassischer wie auch moderner Entwicklungen, mit ein. C ist ein ganzheitliches, offenes Übungssystem, das mit Techniken, Weisheitslehren, Philosophiesystemen und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen verbunden werden kann und wird. Dazu gehören insbesondere, aber nicht nur, D, K (indische Wohnraumlehre) und andere vedische Wissenschaften; tibetische Medizin, Thai Medizin, Shiatsu, Tai Chi, westliche Schulmedizin, Naturheilkunde und andere Medizinsysteme; Ernährungskunde; Massage, Wellness-Wissenschaften; westliche Psychotherapie und Psychologie einschl. Sterbebegleitung; westliche und östliche Philosophie; Tanz, bildende Kunst, Literatur, Theater und Musik aus verschiedenen Kulturen; spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen; Sport, fernöstliche Selbstverteidigungskünste; Ethnologie, Anthropologie, Geschichtswissenschaft und andere universitäre Wissenschaften. Durch diese Verbindungen kann C auch einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Dialog der Kulturen leisten. Im Zeitalter der Spezialisierung kann C zur Verbindung und Integration beitragen.
10Wie im klassischen Indien kann die Übung des C auch mit beruflicher Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung, Erlernen von Fremdsprachen und anderen beruflichen Fähigkeiten verbunden werden.
11Die im A e.V. vereinigten Mitglieder fühlen sich verpflichtet, den Menschen durch die Verbreitung der Wissenschaft des C und verwandter Übungssysteme zu dienen.
12[…]
13§2 Zweck des Vereins
14Der Zweck des Vereins ist die Volksbildung durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des C und verwandter Disziplinen sowie die Förderung der Religion. […] Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch
15(1) Errichtung von Zentren, in denen C und verwandte Disziplinen gelehrt werden (2) Errichtung von C Seminarhäusern
16(3) Schaffung von A I Gemeinschaften, in denen, in alter indischer religiöser E- und Kloster-Tradition Menschen in Lebensgemeinschaften zusammenleben, die sich ganz der spirituellreligiösen Praxis widmen im Sinne von L (spirituelle Übung), M (gemeinsame Meditation, Mantrasingen, Lesung, Lichtzeremonie), N (spiritueller Lebensstil) und O (uneigennütziger Dienst). Durch solche funktionierende I Gemeinschaften werden friedvolle geschützte Orte geschaffen und gewahrt, an denen auf Grundlage gemeinsamer Werte, Prinzipien und gelebter E regeln die uralte spirituell-religiöse Tradition von C Pa praktiziert und gelehrt wird.
17(4) Durchführung von Kursen, Workshops, Wochenenden, Seminaren, Veranstaltungen und Vorträgen, in denen die verschiedensten Aspekte des C und verwandter Disziplinen gelehrt werden, sowohl im In- wie auch im Ausland
18(5) Durchführung von Ausbildungen. Weiterbildungen und Fortbildungen, auch im Hochschulbereich, auf dem Gebiet des C und verwandter Disziplinen
19(6) Durchführung von Kursen, Workshops, Wochenenden, Seminaren, Veranstaltungen, Vorträgen, Ausbildungen, Weiterbildungen und Fortbildungen auf gesundheitlichen, psychologischen, kulturellen, beruflichen, spirituellen, philosophischen, religiösen und anderen Gebieten, die auch von Volkshochschulen und anderen volksbildnerisch gemeinnützigen Bildungsträgern durchgeführt werden könnten, sofern diese Veranstaltungen in Zusammenhang mit C im weiteren Sinn stehen oder C Übungen ein wichtiger Teil der Veranstaltungen ausmachen
20(7) Durchführung von spirituellen und religiösen Übungen, religiösen Ritualen, Studium der klassischen C und P Schriften, spirituelle Unterweisung, Klausuren, Re-treats, Kasualien, spirituellen und religiösen Ausbildungen
21(8) Durchführung von Forschungsarbeiten, die sich mit der Wirkung der C-Übungen (auch im Zusammenhang mit verwandten Disziplinen) beschäftigen
22(9) Einladung von Gastreferent/innen, Lehrer/innen und Meister/innen aus dem In- und Ausland
23(10) Organisierung von Kongressen auf dem Gebiet des C und verwandter Disziplinen
24(11) Aufbau von C-Bibliotheken sowie eines C-Museums
25(12) Verbreitung von Schriften und Veröffentlichungen über C und verwandte Disziplinen
26[…]
27§ 6c A I
28(1) A I sind solche Mitglieder, die in den A E und Zentren in spirituellen Gemeinschaften (religiösen Gemeinschaften) in der indischen religiösen E- und Kloster-Tradition zusammenleben und ihr Leben ganz der Übung und Verbreitung der A Lehren widmen. Die A I haben zum Ziel, die religiös-spirituellen Lehren von C P in der Tradition von J zu leben, sich spirituell zu entwickeln, um R - die Befreiung/Erleuchtung - zu erreichen. Sie richten ihr Leben im Sinne einer religiösen, spirituellen Gemeinschaft an den 4 großen „S", also L (spirituelle Praxis), M (gemeinsame Meditation/Mantrasingen/Lichtritual), N (reiner spiritueller Lebensstil), O (uneigennütziges Dienen) aus.
29(2) Die I sind dabei im Sinne des uneigennützigen Dienens für die Aufrechterhaltung und den Ausbau der Gemeinschaften, für die spirituelle Unterweisung sowie für die Verbreitung des C tätig. Die I regeln ihr Zusammenleben demokratisch und abschließend. Die demokratisch getroffenen früheren Beschlüsse sind auch für das neue Mitglied gültig und sind in der A S festgehalten.
30(3) Die A S enthält die Grundlagen des spirituellen Lebens der A I sowie die in demokratischen Abstimmungen zustande gekommenen Regelungen für das Gemeinschaftsleben.
31(4) Der A e.V. kümmert sich im Sinne einer umfassenden Daseinsfürsorge um die Unterkunft, Verpflegung, soziale Absicherung und ein Taschengeld der aktiven I.
32(5) Der Antrag auf Aufnahme ist schriftlich an die örtliche I Gemeinschaft zu richten, die ihn auch an den Vorstand weiterleitet. Die Aufnahme als I Mitglied geschieht nach Bewerbung und Kennenlernen des Gemeinschaftslebens durch die örtliche I Versammlung. Bei der Aufnahme ist insbesondere die tiefe spirituelle Intention und die Bereitschaft, sich auf die Prinzipien des I Gemeinschaftslebens einzulassen, zu berücksichtigen. Ein Anrecht auf Aufnahme besteht nicht.
33[…]
34§ 11 Die A I Versammlungen
35(1) Die A I Versammlungen sind für Entscheidungen im Alltag zuständig, insbesondere alle Entscheidungen, die nicht von der allgemeinen Mitgliederversammlung getroffen werden.
36(2) Die A I Versammlungen entscheiden insbesondere über
37• den O-Dienst,
38• die konkrete Ausgestaltung all dessen, was zur umfassenden Daseinsfürsorge gehört,
39• die konkrete Ausgestaltung des spirituellen Lebens in der C P Tradition nach J und
40• die Bestimmung von Leitungspersonen und speziellen Gremien.
41(3) Die jeweilige örtliche I Versammlung ist für die Entscheidungen im betreffenden Standort zuständig.
42[…]
43(6) Näheres regelt die A S.“
44Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Satzung (Bl. 238ff d. A., zugleich Anlage HKLW 4, Bl. 3077ff d. A., nachfolgend Satzung), Bezug genommen.
45Die Mitgliedschaft bei dem Beklagten steht Menschen aller Religionen offen. Die I gehören zu mehr als 50% dem christlichen Glauben an. Die Anzahl von I lag nach – von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittenen - Angaben des Beklagten in den Jahren 2017 bis 2020 zwischen 233 und 248, die der Mitglieder insgesamt zwischen 1.428 und 3.269. Die I verfügen in den E über Unterkünfte für sich und ihre Familien. Am Vereinssitz in B befinden sich zudem Seminarräume, Gemeinschaftsräume (z.B. zur Einnahme der Mahlzeiten) und Unterkünfte für Gäste, die an den kostenpflichtigen Seminaren sowie Schulungen für C lehrer teilnehmen.
46Die für I geltenden Regeln sind in der sog. A S niedergelegt, die nach Beschlüssen der I-Versammlung weiterentwickelt wird. In deren Teil A (unwiderrufliche Regeln) sind mit der „möglichst weiten Verbreitung des C, der Ermöglichung schnellen spirituellen Wachstums für ernsthafte Aspiranten durch Schaffung von I Gemeinschaften („geistliche Genossenschaften“) in E und C-Zentren sowie der Vergrößerung der Kräfte des Friedens und des Verständnisses auf der Erde durch Aufbau weiterer Lichtpunkte im Lichtnetz der Erde in Verbundenheit mit anderen spirituellen und ökologischen Traditionen“ die Hauptziele des Beklagten bezeichnet. Für die spirituelle Entwicklung der I gelten die sog. „vier großen S“, nämlich M (regelmäßige Teilnahme an gemeinsamer Meditation, Mantra-Singen, Arati), L (tägliche oder fast tägliche Praxis von Asanas und Pranayama), O (selbstloser Dienst im E/C-Zentrum) und N („reiner“ Lebensstil ohne Fleisch, Fisch, Tabak, illegale Drogen, Alkohol sowohl in als auch außerhalb der C A Gemeinschaft). In Teil B der S werden die allgemeinen Grundsätze aus Teil A konkretisiert. Teil C enthält ergänzende Empfehlungen.
47Die S enthielt im streitgegenständlichen Zeitraum unter anderem folgende Regelung:
48„B.3.1. O/Karma C: O Inhalt und Aufgabenbereich
49Was heißt O und I?
50O heißt uneigennütziges Dienen. O öffnet das Herz, reinigt, vermindert das Ego, bereitet so die notwendige Voraussetzung, dass höhere spirituelle Erfahrung und zügige spirituelle Entwicklung möglich wird. Du bist O Mitglied des gemeinnützigen A., kein „Arbeitnehmer". Die O bilden einen großen und wichtigen Teil des Vereins. A setzen ihre Kraft, ihr Können und ihren guten Willen dafür ein, in der C P Tradition nach J und J spirituell zu praktizieren und diese Lehren zu verbreiten. Wir leben und wirken hier — anders als sonst in den meisten Teilen der Gesellschaft - mit Ausrichtung auf das spirituelle Leben.
51a. Damit der Vereinszweck erfolgreich umgesetzt und die E gemeinschaften existenzfähig sind, gibt es vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Die O leisten ihren selbstlosen Dienst (O) innerhalb dieser Erfordernisse. Um einen geregelten Ablauf des Lebens und Lehrens von C und Spiritualität zu gewährleisten, ist jeder O einem Team zugeordnet, in dem er bestimmte Aufgaben verantwortlich übernimmt. Das Team wird in gemeinsamer Absprache mit dem O und nach den Erfordernissen der Gemeinschaft und des Vereins gefunden - z.B. Küche, Haushalt, Garten, Gebäudeunterhalt, Werbung, Buchhaltung, Boutique usw. Im Sinne des uneigennützigen Dienens und der eigenen spirituellen Entwicklung hilft jeder O auch dort mit und springt dort ein, wo es notwendig ist.
52b. Jeder O hat Verantwortung für seinen Bereich. Verantwortung heißt, dass Du Dich darum kümmerst, dass die anstehende Aufgabe stets erledigt wird.
53c. Dein Teamleiter ist Dein direkter Ansprechpartner. Die Teamleiter sind dafür verantwortlich, dass die Aufgaben in ihrem Zuständigkeitsbereich richtig, zuverlässig und termingerecht ausgeführt werden. Sie koordinieren und verteilen die Aufgaben.
54d. Dein O kann neben dem Haupt O bereich auch bestehen aus: z.B. vor allem der C unterricht, die Leitung von Seminaren und diverse Nebenaufgaben als O (selbstloser Dienst), z.B. P richten, Reinigungsarbeiten, Altäre pflegen, Autos reinigen, P und Rituale durchführen, Mantrasingen für den Weltfrieden, usw. Alle diese Aufgaben werden als O gewertet, da sie der Gemeinschaft, den Teilnehmern und den Vereinszielen der spirituellen Entwicklung und Verbreitung des ganzheitlichen C dienen. So bereicherst du dein Leben in der spirituellen Gemeinschaft und wächst auf allen Ebenen.
55[…].
56f. Das Wohl der Gäste steht im Mittelpunkt; ihre Anliegen haben immer Priorität vor allem anderen. So lernst Du selbstlosen Dienst, Herzensöffnung und lernst, über die Grenzen des Egos hinauszuwachsen.
57[…]“
58Zur O und zum Urlaub enthielt die S mit Stand 2015 (Anlage K81, Bl. 1403ff d. A., nachfolgend S 2015) folgende Regelungen:
59„B.3.2. O-Zeit
60a. Normal-O-Zeit 42+: Wöchentlich mindestens 42 Stunden (bei 6 Tagen also tägl. Mindestens 7 Stunden).
61b. Es gibt auch die Modelle „36+“ und „45+“, was zu Unterschieden im Taschengeld führt. Um eines dieser Modelle nutzen zu können, muss das schon vor deiner Aufnahme ins Team mit O-Team, Team- und Bereichsleitung so abgesprochen sein. Nachträgliche Änderungen bedürfen der Genehmigung von Team- und Bereichsleiter/in. Ein Anspruch besteht nicht.
62c. Da Dein Essen für Dich gekocht wird, die Küche für Dich aufgeräumt wird, für Dich mit eingekauft wird, Toiletten und C raum für Dich sauber gemacht werden, Du Dich um Mietabrechnungen, Waschmaschinen etc. nicht zu kümmern brauchst und lange Fahrwege entfallen, hast du auch bei einer O- von 42 Stunden mehr Zeit für L und Freizeit als bei den meisten sonstigen Berufen. Falls Kochen, Geschirr spülen etc. zu Deinem O gehört, gilt das ja als O.
63d. Normalerweise wird die O auf 6 Tage pro Woche verteilt. […]
64[…]
65h. Zur O-Zeit zählen neben dem eigenen Aufgabenbereich und den zusätzlich übernommenen Arbeiten auch die Zeiten, in denen Seminare vorbreitet und gegeben werden, Unterrichten von Asanastunden, Ausführen von Pujas, Om Namo Narayanaya-Singen 19-20h, M-Leitung, u.ä.
66[…]
67k. Normalerweise hast Du einen festen freien Tag in der Woche. […]
68B.3.4. Urlaub
69a. Du hast maximal 5 Wochen (d. h. 30 Arbeitstage pro Jahr bei einer 6-Tage-Woche, 25 Tage bei einer 5-Tage-Woche) Urlaub. […]“
70Die Regelung unter B.3.2 lit a. zur Ozeit wurde nachfolgend angepasst; zunächst wurde Ende 2015 eine Richt-O-Zeit von 7-8 Stunden angegeben (S vom 20.12.2015, Anlage K135, Bl. 4527ff d. A.); jedenfalls ab dem 01.01.2017 wurde in der S kein Richtwert mehr angegeben. Stattdessen enthält B.3.2 der S vom 18.05.2018 (nachfolgend S 2018, Anlage B7, Bl. 1590ff d. A.) ebenso wie die S vom 11.06.2020 (nachfolgend S 2020, Anlage K5, Bl. 47ff d. A.) ein Zitat von J zum O dienst. Im Protokoll der O Versammlung vom 13.12.2016 (Anlage K103, Bl. 1486ff d. A.) heißt es zur vorgeschlagenen Streichung der Richt-O-Zeit-Regelung: „Bei Vorschlag 2 und 3 soll sich nichts ändern in Bezug auf das O, wie es bisher ausgeübt wird, es sollen dadurch also die O zeiten weder mehr noch weniger werden.“ Die S 2018 und 2020 enthalten zudem weiterhin Regelungen, wonach Eltern mit Kindern und Rentner weniger Stunden als die anderen O leisten brauchen.
71Die Urlaubsregelung wurde in der S 2018 und 2020 wie folgt angepasst:
72„B.3.4 O freie Zeit
73„… Dienst am Nächsten, an Gott und spirituelle Transformation kennen keinen „Urlaub" im herkömmlichen Sinn. Daher bringen sich alle O-Mitglieder in der spirituellen A Gemeinschaft so viel und so gut ein, wie es ihnen möglich ist. Normalerweise brauchen Körper und Psyche aber natürlich ab und zu eine Regenerationszeit, insbesondere, wenn du dich über längere Zeit sehr im O engagiert hast.
74Es gibt einen Richtwert von 5 O freien Wochen pro Jahr. Individuelle Regelungen sind nach Absprache im Team möglich. Geeignete Zeiten für die O freie Zeit wird im Team/E abgestimmt. Jeder E hat dabei eigene Vorgehensweisen zur Koordinierung der O freie Zeiten, um die Erfüllung der E aufgaben zu gewährleisten.
[…]
77[…] Wenn es Phasen gibt, wo viel Aufgaben da sind und es wichtige Dinge sind, die nicht warten können, kannst du auch ruhig mal länger als 7 Stunden O machen.“
Auf die vorgelegten Fassungen der S der Jahre 2015, 2018, 2020 und 2022 wird ergänzend Bezug genommen (Anlage K81, Bl. 1403ff d. A., Anlage K135, Bl. 4527ff d. A., Anlage B7, Bl. 1590ff d. A., Anlage K5, Bl. 47ff d. A.; Anlage HKLW 5, Bl. 3085ff d. A.).
80Die am 08.01.1975 geborene Klägerin ist gelernte Kunsthistorikern und Romanistin, spricht fließend Englisch, Französisch, Deutsch und Rumänisch. Bis zu ihrem Eintritt bei dem Beklagten war sie als selbstständige Lektorin und Übersetzerin tätig. Sie bewarb sich im Mai 2012 bei dem Beklagten für ein Praktikum an der Rezeption. Ihr Interesse begründete sie damit, von morgens bis abends C leben, einen sinnvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten und für C stehen zu wollen.
81Unter dem 29.07.2012 unterzeichneten die Parteien einen „Vertrag über die Mitarbeit als O-Mitglied in der A E Gemeinschaft“ (Anlage K1, Bl. 26ff d. A.), wonach sie ab dem 01.09.2012 als O-Mitglied in die A E Gemeinschaft aufgenommen und im Bereich der Seminarplanung am Standort B eingesetzt wurde. Der Vertrag lautete auszugsweise wie folgt:
82„Präambel
83Dieser Vertrag dient keinem Erwerbszweck, er ist Vereinbarung über die Mitgliedschaft in einer freien Vereinigung im Sinne des Grundgesetzes Artikel 9 (Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit) und angelehnt an die Grundlagen für die Ausübung der Religionsfreiheit im Sinne des Artikels 18 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte' der Vereinten Nationen (UNO)
84[…]
85Vergleichbar mit einer religiösen Gemeinschaft, sind alle Personen, die sich unserer Gemeinschaft anschließen, Mitglieder, die ihre Kraft, ihr Können und ihren guten Willen dafür einsetzen, die Lehre des C in der Tradition von J und J zu verbreiten.
86Das Mitglied der A E Gemeinschaft (O) ist sich bewusst, dass seine/ihre Motivation ist, sich durch spirituelle Praxis in der Tradition von J und J geistig zu vervollkommnen sowie uneigennützigen Dienst zu leisten.
87Er/sie wird O beim A e.V., weil er sich persönlich entwickeln will und nicht, um einer Erwerbstätigkeit im Sinne eines rein materiellen Zugewinns nachzugehen.
88[…]
89§ 3 Regeln für O, die Mitglieder der A Gemeinschaft – A S
90Das spirituelle Zusammenleben und die demokratischen Grundsätze haben die Erstellung von weiteren Regeln innerhalb der Gemeinschaft nötig gemacht Diese Regeln sind in der AS, den A Regeln, zusammengefasst
91(1) Dem Mitglied wurden die A-Regeln (AS) ausgehändigt. […]
92(2) Teil A & B der AS in der jeweils geltenden Fassung sind stets fester Bestandteil dieses Vertrages. Das Mitglied versichert durch Unterschrift, die AS gelesen, verstanden und insbesondere den Teil A & B in der jeweils geltenden Fassung als bindenden vertraglichen Bestandteil zu akzeptieren und sich an dessen Vorschriften zu halten.
93§ 4 Die „vier großen S"
94(1) Das Leben in einer A-Gemeinschaft ist durch die 4 großen „S“ gekennzeichnet. Damit die geistige und persönliche Entwicklung optimal unterstützt und die bewährte Tradition gewährt bleibt, verpflichtet sich derldie O insbesondere zu:
95- M:[…]
96- L:[…]
97- N:[…]
98- O: Uneigennütziger Dienst im Rahmen der spirituellen Gemeinschaft für die Verbreitung des C und der Verbreitung von spirituellem Wissen. Dienen statt Erwerbsarbeit.
99§9 Direktionsrecht
100(1) Im Rahmen des O hat das Mitglied dienstliche Vorgesetzte (z.B. E- und Zentrumsleiter, Teamleiter und Bereichsleiter). Obwohl das Mitglied bei wichtigen Entscheidungen in der SV [O-Versammlung], oder GSV [Gesamt-O-Versammlung] gleichberechtigtes Stimmrecht (siehe § 5) hat, verpflichtet es sich, im O-Bereich den Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten. [...]
101(2) […]
102§10 Aufgabenbereich und Standort
103(1) Das Mitglied verpflichtet sich den eigenen klar umrissenen Aufgabenbereich zur Umsetzung der gemeinnützigen Ziele von A und zum Erhalt der spirituellen Gemeinschaft nach besten Kräften zu übernehmen, und zu erfüllen.
104[…]
105§ 11Taschengeld, Kosten für Verpflegung und Unterkunft
106(1) Das Mitglied erhält ein Taschengeld plus Sozialversicherung, Unterkunft und Verpflegung. Dies ist ein gemäß den A Regeln (AS) beschlossener Nettobetrag nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Der genaue Betrag ergibt sich aus den Bestimmungen der AS Teil B.
107(2) […]
108(3) Das Mitglied ist sich bewusst, dass aus diesem Vertrag kein Anspruch auf ein für das Aufgabengebiet marktübliches Gehalt, einen üblichen Lohn entsteht.
109[…]
110§14 O
111Die regelmäßige O beträgt grundsätzlich 42 Stünden wöchentlich, wobei der Unterricht und andere Dienste auch an Wochenenden und Feiertagen stattfinden und geleistet werden. Die A Gemeinschaft hat hiervon abweichende O zeitmodelle und Regelungen (z. B. für Rentner, Eltern, Führungskräfte, etc.) geschaffen, um mehr Flexibilität zu ermöglichen. Genaueres hierzu ist in der jeweils gültigen Fassung der A Regeln (A Teil B) geregelt.
112§ 17 Urlaub
113Der O hat 30 O tage Urlaub pro Kalenderjahr. […]
114§ 19 Nebentätigkeit
115Um sich ganz der spirituellen Entwicklung widmen zu können, darf das Mitglied grundsätzlich keiner anderen bezahlten Tätigkeit (Nebentätigkeit) nachgehen. Ausnahmen hiervon sind der AS Teil B geregelt.
116§ 21 Anspruchsfristen
117Grundsätzlich ist ein Anspruchsdenken nicht im Sinne dieser Vereinbarung. Will eine Partei dieses Vertrages jedoch dennoch Ansprüche geltend machen, muss sie dies innerhalb von spätestens sechs Monaten nach Fälligkeit dieser Ansprüche oder — bei Beendigung dieses Vertrags drei Monate nach Vertragsbeendigung — tun, ansonsten verfallen die Ansprüche. Werden die Ansprüche von der anderen Seite zurückgewiesen, müssen sie innerhalb von weiteren drei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden, sonst verfallen sie ebenfalls.“
118Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 29.07.2012 (Bl. 26ff d. A.) Bezug genommen.
119Unter dem 22.08.2015 unterzeichnete die Klägerin – wie die übrigen O – eine vom Beklagten vorformulierte „Bestätigung der Mitgliedschaft als A im A e.V. und Zustimmung zur Ordnung der AE O-Gemeinschaft“ (Bl. 417 d. A.). Die „Ordnung der A Gemeinschaft“ mit Stand vom 14.07.2015 (Bl. 418ff d. A., nachfolgend O-Ordnung) benennt die drei Hauptziele des Beklagten sowie die vier großen „S“ als Grundlage des Lebens in der Gemeinschaft wie in der S und verweist auf Teil A & B der AS in der jeweils geltenden Fassung als feste Bestandteile der O-Mitgliedschaft. Im Übrigen lautet sie auszugsweise wie folgt:
120(6) Ausbildung
121Die ersten 3-5 Jahre der O Mitgliedschaft sind eine grundlegende Ausbildung:
122Das Mitglied wählt einen der in der AS festgelegten Studiengang (z.B. die Ausbildung zum A, Therapie Y, Ayurveda Y oder APurohita). Der/die O entwickelt sich persönlich und spirituell über den gewählten Studiengang, welcher das AO Gemeinschaftsleben, die tiefgehenden Seminare, Aus- und Weitenbildungen, persönliche Schulungen und die eigene Praxis umfasst. Er/sie lernt dabei auch, das spirituell-religiöse Wissen der C P Tradition in besonders tiefer und qualifizierter Weise weiter zu geben. Zur persönlichen spirituellen Entwicklung haben die O auch über den gewählten Studiengang hinaus die Möglichkeit, an Seminaren, Aus- und Weiterbildungen und an weiteren Veranstaltungen und Workshops des A e.V. teilzunehmen. Näheres hierzu ist in der A S Teil B geregelt.“
123Für die weiteren Einzelheiten der O-Ordnung wird auf Bl. 418ff d. A. Bezug genommen wird.
124Die Klägerin lebte vom 01.09.2012 bis zum 15.06.2020 als O im E des Beklagten in B. Sie nahm einen spirituellen Namen („T“) an, der ihr in einer Zeremonie verliehen und bei der internen Kommunikation verwendet wurde. Sie erwarb Zertifikate als C- und Meditationslehrerin. Im Mai 2019 wurde ihr der Titel einer C-Meisterin (A) verliehen.
125Die Klägerin erbrachte für den Beklagten im Rahmen ihrer O verschiedene Tätigkeiten. Im streitgegenständlichen Zeitraum war sie zunächst bis Juli 2018 zu 50% im Bereich Socialmedia/Onlinemarketing und zu 50% im Hauptunterrichtenden-Team (sog. HUM-Team) tätig. Die Aufgaben der Klägerin im HUM-Team bestanden insbesondere im Unterrichten von C stunden, der Ausbildung von C Lehrern, Dolmetschen und dem Leiten von Seminaren. Im Bereich Socialmedia/Onlinemarketing war sie insbesondere mit der Erstellung und Veröffentlichung von Ebooks auf Amazon und Xinxii, der Pflege der A Apps, der Erstellung von Blogartikeln und der Konzeption von Fotoshootings befasst. Ab August 2018 bis September 2019 wurde ihr die stellvertretende Teamleitung im Webteam übertragen, wobei sie weiterhin zur Hälfte dem HUM-Team zugeordnet war. Im Webteam war die Klägerin primär für das Redaktionsteam zuständig und insbesondere mit der Gestaltung der A-Webseiten, u.a. dem Meditationsportal, befasst, um diese für Google interessanter zu machen. Hierzu nutzte sie das Programm Typo3. Zudem dokumentierte sie Aufgaben im Programm J Sie entwarf auch einen SEO-Leitfaden und schulte andere Mitglieder des Beklagten sowie zahlreiche Leiter der Stadtcenter. Zudem war sie im Webteam noch weiter mit ihren Aufgaben im Bereich Ebooks und Apps befasst, leitete Teammeetings und führte Erstgespräche mit Bewerbern für das Webteam. Anschließend war sie bis zum 15.04.2020 zu 75% dem HUM-Team und zu 25% dem Center of Excellence (CoE) Sanskrit zugeordnet, ab dem 16.04.2020 zu 100% dem HUM-Team. Im CoE Sanskrit ging es um die Erstellung einer Vorlage der Bhagavad Gita auf Devanagari für die Rezitation und für den Druck. Seit 2017 war sie für den Beklagten zudem als C Therapeutin tätig. Vom 29.10.2017 bis zum 17.11.2017, vom 28.10.2018 bis zum 16.11.2018 sowie vom 27.10.2019 bis zum 15.11.2019 nahm die Klägerin jeweils an einer vom Beklagten organisierten Reise nach Rishikesh (Indien) teil, während derer die Klägerin als Assistentin des Gruppenleiters sowie als Dolmetscherin fungierte.
126Die Klägerin hatte regelmäßig donnerstags, teilweise – von der Klägerin im Schriftsatz vom 02.01.2024 dargestellt - auch an anderen Tagen ihren O freien Tag.
127Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum wie folgt arbeitsunfähig erkrankt:
12816.-18.01.2017 (3 Tage)
12921.02. und 23.-25.02.2018 (4 Tage)
13023.-25.11.2018 (3 Tage)
13130.04.2018 (1 Tag)
13201.05.2018 (1 Tag)
13323.-25.09. und 27.-28.09.2019 (5 Tage)
13425.-26.10.2019 (2 Tage)
13518.12.2019 (1 Tag)
13613.-14.01.2020 (2 Tage)
13706.-07.03.2020 (2 Tage)
138O freie Zeit/Urlaub hatte sie unstreitig wie folgt:
13904.-08.01.2017 (4 Tage)
14018.-22.03.2017 (5 Tage)
14124.-30.06.2017(5 Tage)
14201.-23.07.2017 (20 Tage)
14321.-29.11.2017 (7 Tage)
14430.01.2018 (1 Tag)
14524.-25.03.2018 (2 Tage)
14614.-22.04.2018 (8 Tage)
14704.-06.05.2018 (3 Tage)
14822.-30.06.2018 (8 Tage)
14913.-18.08.2018 (5 Tage)
15020.-21.11.2018 (2 Tage)
15128.-31.12.2018 (4 Tage)
15211.-17.03.2019 (6 Tage)
15327.-31.05.2019 (4 Tage)
15401.-02.06.2019 (2 Tage)
15506.-07.07. und 22.-28.07.2019 (8 Tage)
15617.-30.08.2019 (12 Tage)
15709.-15.09.2019 (6 Tage)
15828.-31.12.2019 (4 Tage)
15925.-31.05.2020 (6 Tage)
160Weitere Urlaubstage sind zwischen den Parteien streitig.
161Der Beklagte erteilte der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum monatliche Abrechnungen über Brutto-Netto-Bezüge, auf welche für die Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 69ff d. A.). Die dort ausgewiesenen Nettobeträge entsprachen nicht den an die Klägerin tatsächlich gezahlten Nettobeträgen. Insoweit wird auf die Aufstellungen in der Klageschrift, Seite 15-18 (Bl. 15-18 d. A.), Bezug genommen. Die monatlichen Überweisungen des Beklagten erfolgten bis März 2017 mit dem Verwendungszweck „Gehalt“, ab April 2017 mit dem Verwendungszweck „Taschengeld“. Die den tatsächlich gezahlten Nettobeträgen entsprechenden Bruttobeträge stellen sich- wie im erstinstanzlichen Urteil berechnet und von den Parteien nicht bestritten, wobei der Beklagte moniert, dass die Berechnungsweise für März 2020 und Mai 2020 nicht im Urteil dargelegt worden sei - wie folgt dar:
162Monat |
Jahr |
Zahlung brutto |
Jan |
2017 |
494,14 € |
Feb |
2017 |
494,14 € |
Mrz |
2017 |
494,14 € |
Apr |
2017 |
562,68 € |
Mai |
2017 |
562,68 € |
Jun |
2017 |
494,14 € |
Jul |
2017 |
494,14 € |
Aug |
2017 |
494,14 € |
Sep |
2017 |
562,68 € |
Okt |
2017 |
494,14 € |
Nov |
2017 |
494,14 € |
Dez |
2017 |
414,54 € |
Jan |
2017 |
532,60 € |
Feb |
2018 |
560,81 € |
Mrz |
2018 |
493,82 € |
Apr |
2018 |
493,82 € |
Mai |
2018 |
559,40 € |
Jun |
2018 |
492,58 € |
Jul |
2018 |
492,58 € |
Aug |
2018 |
530,47 € |
Sep |
2018 |
600,76 € |
Okt |
2018 |
530,47 € |
Nov |
2018 |
530,47 € |
Dez |
2018 |
617,58 € |
Jan |
2018 |
551,55 € |
Feb |
2019 |
621,82 € |
Mrz |
2019 |
551,55 € |
Apr |
2019 |
551,55 € |
Mai |
2019 |
620,93 € |
Jun |
2019 |
550,86 € |
Jul |
2019 |
545,67 € |
Aug |
2019 |
615,63 € |
Sep |
2019 |
525,33 € |
Okt |
2019 |
507,55 € |
Nov |
2019 |
507,55 € |
Dez |
2019 |
574,32 € |
Jan |
2019 |
532,85 € |
Feb |
2020 |
532,85 € |
Mrz |
2020 |
476,67 € |
Apr |
2020 |
350,67 € |
Mai |
2020 |
360,13 € |
Jun |
2020 |
266,44 € |
Am 15.06.2020 kündigte die Klägerin das Rechtsverhältnis mit dem Beklagten fristlos. Der Beklagte erteilte ihr unter dem 10.07.2020 eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III mit einer ausgewiesenen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden.
164Mit ihrer am 14.09.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 17.09.2020 zugestellten Klage hat die Klägerin den Beklagten und die A GmbH gesamtschuldnerisch auf Zahlung von 195.740,66 Euro brutto zzgl. Prozesszinsen in Anspruch genommen.
165Die zwischenzeitlich zurückgenommene Klage gegenüber der A GmbH hatte die Klägerin damit begründet, dass beide Beklagten einen gemeinsamen Betrieb unterhielten und sie ihre Arbeitsleistung auch zugunsten der A GmbH erbracht habe.
166Die Klägerin hat geltend gemacht, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis mit dem Beklagten um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe; dafür sprächen schon zahlreiche Regelungen in dem Vertrag vom 29.07.2012. Die im Jahr 2015 unterzeichnete Erklärung habe an der Qualität des Vertragsverhältnisses nichts geändert; der Beklagte habe sich lediglich aufgrund einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch ein ehemaliges Mitglied veranlasst gesehen, die im Arbeitsrecht gebräuchlichen Begriffe auszutauschen; an der tatsächlichen Durchführung habe sich nichts geändert. Ihre Tätigkeiten, die sie von den Team- und Bereichsleitern zugewiesen bekommen habe, könnten nicht als Mitgliedsbeitrag angesehen werden. Der Beklagte habe tatsächlich eine wirtschaftliche Zwecksetzung mit dem Ziel der Vermarktung von C. Es handele sich bei ihm auch nicht um eine Religionsgemeinschaft. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit habe sich gemäß § 14 des Vertrages vom 29.07.2012 auch im streitgegenständlichen Zeitraum auf 42 Wochenstunden belaufen. Sie habe mindestens 42 Wochenstunden, und zwar an sechs Tagen pro Woche mindestens 7-8 Stunden, für den Beklagten gearbeitet. Spirituelle Handlungen hätten ebenso wie der Erwerb der Kenntnisse zur Erlangung des C meister-Titels außerhalb dieser Zeit stattgefunden. Sie mache auch keine Vergütung für Gemeinschaftsdienste wie Tätigkeiten in der Küche, der Essenausgabe oder in der Putzkolonne geltend.
167Der Beklagte schulde nach § 612 Absatz 2 BGB die übliche Vergütung; insoweit sei die Entgeltgruppe 13 des TVöD Bund anwendbar. Daraus ergebe sich für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch in Höhe von 195.740,66 Euro brutto. Das gezahlte Taschengeld sei darauf nicht anzurechnen.
168Sollte der TVöD nicht einschlägig sein, dann stünde ihr jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn zu. Insoweit seien von dem Beklagten, monatlich aufgeschlüsselt, je Arbeits-/Urlaubstag 7 Stunden zu vergüten. Auf die Aufstellungen in der Klageschrift, Seite 19-21 (Bl. 19-21 d. A.), wird Bezug genommen. Selbst wenn die Zahlungen des Beklagten anzurechnen sein sollten, so sei der gesetzliche Mindestlohn erheblich unterschritten worden. Der Wert der Sachbezüge könne nach § 107 GewO nicht in Abzug gebracht werden.
169Die Klägerin hat erstinstanzlich - nach Klagerücknahme gegenüber der A GmbH - beantragt,
170den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 195.740,66 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.
171Der Beklagte hat beantragt,
172die Klage abzuweisen.
173Der Beklagte hat geltend gemacht, dass die Klage schon unschlüssig sei, weil die Klägerin nicht konkret dargelegt habe, welche Tätigkeiten sie für ihn und welche Tätigkeiten sie für die A GmbH erbracht haben wolle. Soweit Leistungen gegenüber der A GmbH erbracht worden seien, erfolge dies durch ihn, den Beklagten, als Auftragnehmer, der dann der GmbH die Leistungen in Rechnung stelle. Ein Gemeinschaftsbetrieb liege nicht vor. Zudem finde das Mindestlohngesetz keine Anwendung. Die Klägerin sei keine Arbeitnehmerin, sondern Mitglied in einem vereinsrechtlich organisierten Kloster des C P-Bekenntnisses als Strömung des Hinduismus gewesen. Es gebe keinen Grund, die O anders zu behandeln als Mönche oder Nonnen. Insoweit hat der Beklagte u.a. auf ein religionswissenschaftliches Gutachten von Prof. Dr. U vom 09.10.2018 (Anlage B3, Bl. 249ff d. A.) Bezug genommen. Er dürfe sich kraft freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung geben. Zudem habe die Klägerin keinerlei Weisungen unterlegen und habe sie sich ihre O zeiten frei einteilen können. Die Entgeltzahlungen seien zunächst nur mangels anderer Möglichkeiten als „Gehalt“ bezeichnet worden. Weiter hat der Beklagte geltend gemacht, dass die Klägerin nicht in dem behaupteten Umfang für ihn tätig gewesen sei. Die Klägerin habe ausweislich des Unterrichtsplans bis Ende 2019 nicht mehr als zwischen 1,5 und 25 Stunden wöchentlich unterrichtet. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit im CoE Sanskrit sei unbekannt. Vermutlich habe die Klägerin bis zum pandemiebedingten Lockdown etwa 15 Wochenstunden O im Zweckbetrieb (kostenpflichtige Dienstleistungen wie Ausbildungen, Seminare, Kurse einschließlich Unterricht, Broschüren, Internetseiten, Rezeption, Zahlungsverkehr etc.) geleistet, im Vorjahr evtl. etwas mehr. Im Team Socialmedia/Onlinemarketing habe die Klägerin auch Tätigkeiten erbracht, die er als Auftragnehmer für die GmbH erbracht habe; dies könne monatlich allenfalls 10-15 Stunden ausgemacht haben. Im Webteam habe sich die Klägerin ihre Aufgaben, die aus der Teilnahme am wöchentlichen Teammeeting, dem wöchentlichen Gespräch mit dem Teamleiter und einem wöchentlichen Gespräch in Vertretung des Teamleiters mit einem anderen Teammitglied bestanden hätten, frei einteilen können. Insgesamt habe die Klägerin maximal 20 bis 25 Stunden pro Woche O geleistet. Mit dem Lockdown ab dem 15.03.2020 habe die Klägerin bis auf eine gelegentliche Hilfe in der Essensausgabe gar keinen O dienst mehr geleistet. Sollten der Klägerin Vergütungsansprüche zustehen, so gebe es keinen Grund, die der Klägerin gewährten Zahlungen und Sachwerte nicht darauf anzurechnen.
174Mit Urteil vom 15.10.2021 hat das Arbeitsgericht den Beklagten - unter Abweisung der Klage im Übrigen - verurteilt, an die Klägerin 42.074,26 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.09.2020 zu zahlen, im Wesentlichen mit folgender Begründung:
175Der Klägerin stehe der Anspruch in Höhe von 42.074,26 Euro brutto aus § 611a Absatz 1 BGB i.V.m. § 1 MiLoG zu. Den von der Klägerin gegenüber dem Beklagten erbrachten Dienstleistungen habe ein Arbeitsvertrag zugrunde gelegen. Zwar gebe es auch Regelungen in dem geschlossenen Vertrag, die für ein vereinsrechtliches Mitgliedschaftsverhältnis sprechen könnten, allerdings lasse der Vertrag insgesamt letztlich keinen Zweifel daran, dass er gegebenenfalls allein, jedenfalls aber neben vereinsrechtlichen auch arbeitsrechtliche Verpflichtungen begründen sollte. Der Vertrag enthalte zahlreiche arbeitsrechtliche Regelungen, deren Zusammenfassung nicht mehr als bloße Ausprägung von Mitgliedschaftspflichten angesehen werden könnte. Das im Vertrag enthaltene Taschengeld sei als Gegenleistung für die von der Klägerin zu erbringende Dienstleistung zu betrachten. An der Einordnung als Arbeitsverhältnis habe sich auch nichts durch die am 22.08.2015 von der Klägerin getätigte Erklärung geändert. Ob der Beklagte als Teil einer verfassungsrechtlich geschützten Religionsgemeinschaft anzusehen sei, bedürfe vorliegend keiner Entscheidung. Die Klägerin könne daher für den streitgegenständlichen Zeitraum die Zahlung des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns auf Basis von wöchentlich geleisteten 42 Arbeitsstunden verlangen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin in diesem Umfang entweder ihre Arbeitsleistung erbracht habe oder in dem von ihr für jeden Monat angegebenen Umfang Erholungsurlaub gewährt bekommen habe. Die Klägerin sei der ihr obliegenden Darlegungslast nachgekommen, indem sie dargelegt habe, an sechs Arbeitstagen in der Woche mindestens 7 Stunden gearbeitet zu haben und indem sie die Anzahl der in dem jeweiligen Monat erhaltenen Urlaubstage benannt habe. Der Umstand, dass die Klägerin ursprünglich behauptet habe, ihre Arbeitsleistung sei teilweise auch der ursprünglichen Beklagten zu 2) zugutegekommen, führe nicht zur Unschlüssigkeit der Klage, da die Klägerin insofern lediglich rechtlich fehlerhaft aus dem Umstand eines gemeinsamen Betriebs die Vergütungspflicht der ursprünglichen Beklagten zu 2) gefolgert habe. Dem Vergütungsanspruch könne nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin während ihrer Dienstzeit allein ihr zugutekommende spirituelle Handlungen vollzogen hätte; dies habe die Klägerin in Abrede gestellt und sei von dem Beklagten nicht hinreichend dargelegt worden. Sollte die Klägerin ihrerseits Rituale für andere Mitglieder oder auch externe Besucher durchgeführt haben, so dürfe nicht verkannt werden, dass solche Aufgaben auch in Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht erledigt werden können. Zur Bemessung der Ansprüche seien die von der Klägerin jeweils für die Monate angegebenen Arbeitstage zuzüglich der angegebenen genommenen Urlaubstage mit der täglichen Arbeitszeit von 7 Stunden sowie dem jeweils gültigen gesetzlichen Mindestlohn multipliziert worden. Hiervon seien die gegenüber der Klägerin erbrachten Zahlungen des Beklagten zuzüglich auf diese Zahlung anfallende, hochgerechnete Anteile der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern in Abzug zu bringen. Auf die tabellarische Darstellung, Seite 22f des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 1223f d. A.) wird Bezug genommen. Die von dem Beklagten gewährten Sachleistungen in Gestalt von Unterkunft und Verpflegung seien auf die Mindestlohnansprüche der Klägerin nicht anzurechnen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 291, 288 BGB.
176Ein weitergehender Anspruch der Klägerin sei zu verneinen, da die Klägerin weder nach den Bestimmungen des TVöD noch nach § 612 Absatz 2 BGB eine höhere Vergütung als den gesetzlichen Mindestlohn beanspruchen könne. Zudem bestehe für den Zeitraum ab dem 15.03.2020 über die für 6 Tage im Mai 2020 zugesprochene Urlaubsdifferenzvergütung hinaus mangels dargelegter Arbeitsleistung bzw. mangels Darlegung der Voraussetzungen für einen etwaigen Annahmeverzugslohnanspruch kein Vergütungsanspruch. Letztlich habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Vergütung für einen Urlaubstag aus dem Jahr 2017 sowie auf die Vergütung von sechs Urlaubstagen für den Monat Juni 2020. Der Klägerin hätten im Juni 2020 nur noch 4 statt 6 Urlaubstage zur Verfügung gestanden; der diesbezügliche Urlaubsentgeltanspruch sei bereits erfüllt.
177Gegen das ihm am 20.10.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.10.2021 eingelegte und am 20.01.2022 nach Fristverlängerung bis zum 20.01.2022 begründete Berufung des Beklagten. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, ist das Urteil rechtskräftig geworden.
178Der Beklagte hat seine Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines Sachvortrags erster Instanz ergänzend wie folgt begründet:
179Die Klage auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns sei schon unschlüssig, da die Klägerin ihre Ansprüche ausschließlich pauschal anhand der kalendarischen, monatlichen Anzahl von Arbeitstagen unter Einschluss MiLoG-fremder Urlaubsansprüche dargelegt habe, ohne zu den einzelnen Tagen vorzutragen. Zudem könne das Bestehen eines gemeinsamen Betriebs nicht – wies es das Arbeitsgericht getan habe – unterstellt werden, da das Vorliegen eines solchen qualifiziert bestritten worden sei; die Klägerin habe konkret darlegen müssen, wann sie für wen gearbeitet habe.
180Zudem sei ein Mindestlohnanspruch bzw. Urlaubsentgeltanspruch mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zu verneinen. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin bei Begründung des Rechtsverhältnisses keine Erwerbsabsicht gehabt habe. Die Höhe des Taschengeldes hänge von der Dauer der O-Mitgliedschaft ab, da davon ausgegangen werde, dass die neuen O mit Kleidung und Haushaltsausstattung beitreten würden und hierfür nach einer gewissen Zeit Ersatz notwendig sei. Die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben führe – unstreitig - zu einer Taschengelderhöhung, weil diese O in der Öffentlichkeit stünden, bessere Kleidung bräuchten und weniger Zeit hätten, sich darum zu kümmern. Zudem gehe es um Anerkennung. Auch sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die Grundrechtsrelevanz nach Art. 4, 140 GG, 137 WRV zu berücksichtigen. Die O bildeten eine Religionsgemeinschaft im Sinne des GG und der WRV, was durch das bereits vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. U sowie durch das nun vorgelegte, weitere Gutachten von Prof. Dr. V aus April 2022 (Anlage B6, Bl. 1559ff d. A.) belegt worden sei. Nach seiner Ansicht könnten mehrere Religionen ausgeübt werden; dies möge der christlichen Auffassung widersprechen, nicht jedoch der von C P. Dass seine religiösen Lehren nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienten, habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.
181Die Klägerin sei zudem aufgrund der Sozialversicherungspflicht von Mitgliedern geistlicher Genossenschaften gemäß der Sozialgesetzgebung sozial abgesichert. Durch umfangreiche Mitbestimmungsrechte, die die O, wie der Beklagte weiter ausführt, bei den Änderungen der S hätten, werde sichergestellt, dass keine Schutzvorschriften umgangen würden.
182Zu berücksichtigen sei zudem § 22 Absatz 3 MiLoG und dass sich die Klägerin in einer Ausbildung i. S. d. § 26 Absatz 1 Nr. 5 SGB III zur A (bis zum 20.05.2019) und zur Meditationslehrerin (bis zum 30.08.2019) befunden habe, wobei sich der Beklagte zuletzt – wie in der Berufungsverhandlung am 14.05.2024 klargestellt - nur noch auf den 23.05.2019 als Ausbildungsende beruft. Die Ausbildung habe auch schon im streitgegenständlichen Zeitraum existiert, wie die O-Ordnung zeige. Zudem habe es auch Schulungen gegeben, die Teil der O gewesen seien.
183Die Berechnung der Klageforderung sei offensichtlich unzutreffend. So gehe die Klägerin für August 2017, Mai 2018 und Januar 2019 jeweils von 27 Arbeitstagen aus; der Monat habe aber jeweils unstreitig 5 – O freie – Donnerstage gehabt, so dass man dann fälschlich auf 32 Tage komme. Für November 2017 gehe die Klägerin von 24 vergütungspflichtigen Tagen aus, so dass sich bei 5 O freien Donnerstagen nur 29 statt 30 Tage ergäben und die Klägerin offenbar einen Tag nicht gearbeitet habe.
184Er habe zudem, soweit möglich, aus den vorhandenen Kursunterlagen und dem sonstigen System noch einmal die erfassten O zeiten der Klägerin zusammengesucht. Danach habe die Klägerin sehr viel weniger O dienste erbracht als behauptet. Bis August 2019 seien nur die Unterrichtszeiten konkret nachvollziehbar. Im Unterrichtsteam habe die Klägerin – wie sich aus der als Anlage B1 beigefügten Einzelaufstellung ergebe - durchschnittlich von November 2017 bis August 2019 nur ca. 9 Stunden wöchentlich geleistet. In den anderen Teams habe sich die Klägerin ihre Zeit so eingeteilt wie sie gewollt habe. Die Klägerin habe ihren täglichen O dienst schon als erfüllt angesehen, wenn sie 2 C-Stunden, d.h. 3,5 Stunden, unterrichtet habe. Ab September 2019 habe die Klägerin bis März 2020, wie sich aus der als Anlage B2 beigefügten Aufstellung ergebe, durchschnittlich 17,67 Stunden pro Woche geleistet.
185Soweit in dem erstinstanzlichen Urteil für März 2020 und Mai 2020 Beträge in die Gesamtberechnung eingestellt worden seien, für deren Berechnung auf dem Urteil nicht beigefügte Anlagen verwiesen worden sei, könne dies seine Verurteilung insoweit nicht tragen.
186Ansprüche auf Urlaubsentgelt seien zudem nach der vertraglichen Verfallklausel verfallen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Klausel unwirksam sein sollte.
187Der Beklagte hat beantragt,
188das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 15.10.2021, Az. 3 Ca 696/20 abzuändern und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.
189Die Klägerin hat beantragt,
190die Berufung zurückzuweisen.
191Sie hat das arbeitsgerichtliche Urteil verteidigt und ergänzend Folgendes angeführt:
192Der ausgeurteilte Anspruch sei weder unschlüssig, weil sie die umfangreich geleistete Mehrarbeit nicht eingeklagt habe, noch weil sie aufgrund des Direktionsrechts des Beklagten in der GmbH eingesetzt worden sei. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die von ihr für die GmbH geleisteten Stunden ihm nicht zuzurechnen seien. Sie sei der GmbH zur Arbeitsleistung überlassen worden, wobei sie eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung – zuletzt in der Berufungsverhandlung am 14.05.2024 klargestellt - nicht mehr geltend macht.
193Bei dem Rechtsverhältnis habe es sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Sie habe auch erwartet, dass ihr die versprochenen Gegenleistungen für ihre Arbeit gewährt würden. Der Beklagte sei nicht berechtigt, sich eine eigene innere Ordnung zu geben. Alle maßgebenden Inhalte würden letztlich nicht demokratisch, sondern vom Vorsitzenden des Beklagten bestimmt. Bei dem Beklagten handele es sich nicht um eine Religionsgemeinschaft. Einer solchen habe sie auch nicht beitreten wollen. Die O bildeten eine spirituelle Gemeinschaft, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion nicht voraussetze. Es sei auch keine Vergleichbarkeit mit Ordensangehörigen christlicher Klöster gegeben. Dem Gutachten von Prof. Dr. U fehle es an jeglichem Praxisbezug. Gleiches gelte für das Gutachten von Prof. Dr. V, das sich auch nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum beziehe.
194In einer Ausbildung i. S. d. § 26 Absatz 1 Nr. 5 SGB III habe sie sich nicht befunden. Einen Ausbildungsplan habe es während ihrer Beschäftigungszeit bei dem Beklagten nicht gegeben; dieses Thema sei erst Ende 2020 aufgekommen. Zudem seien diese Ausbildungen während des Urlaubs oder in der Freizeit, nicht während der hier geltend gemachten täglichen Arbeitszeit von 7 Stunden, durchgeführt worden. § 22 Absatz 3 MiLoG finde keine Anwendung.
195Die von dem Beklagten in der Berufungsbegründung aufgezeigten geringfügigen Berechnungsdifferenzen könnten nicht die Berechnung für 3 ½ Jahre in Frage stellen. Das Vorbringen des Beklagten sei im Übrigen weiterhin unsubstantiiert, zumal die genannten Zeiten – schon nach eigenem Vorbringen des Beklagten und auch – wie von der Klägerin in der Berufungserwiderung näher ausgeführt - tatsächlich - unvollständig seien. Wenn sie so wenig gearbeitet haben sollte, was sie bestreite, dann frage sich, warum der Beklagte die Arbeitszeit nicht genutzt haben sollte; sie habe sich jedenfalls immer zur rechten Zeit am rechten Ort zur Entgegennahme von Arbeitsanweisungen bereit gehalten. Sie mache nur die Mindestarbeitszeit geltend. Es seien, monatlich aufgeschlüsselt, je Arbeits-/Urlaubstag 7 Stunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Auf die – im Vergleich zur Klageschrift hinsichtlich der vergütungspflichtigen Stunden für August 2017, Mai 2018, Januar 2019 und März 2020 geänderten - Aufstellungen in der Berufungserwiderung, Seiten 7 und 8 (Bl. 1341f d. A.), wird Bezug genommen. Zudem sei für die Zeit nach dem 15.03.2020, wie dies vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt worden sei, ein Urlaubsanspruch für 10 Tage hinzuzurechnen.
196Die erkennende Kammer hat das Urteil des Arbeitsgerichts mit Urteil vom 17.05.2022 (Az. 6 Sa 1248/21) abgeändert, die Klage abgewiesen, die Revision zugelassen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Zwar sei die Klägerin in persönlicher Abhängigkeit zum Beklagten tätig gewesen, allerdings habe dem Vertragsverhältnis keine Erwerbsabsicht zugrunde gelegen. Zudem habe der Beklagte umfassende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass es sich um eine Tätigkeit als Vereinsmitglied für eine Religionsgemeinschaft gehandelt habe und das Vertragsverhältnis durch die Religion bzw. Weltanschauung geprägt gewesen sei, die die Klägerin nicht widerlegt habe. Die religiöse Prägung ergebe sich aus dem Vertrag, der S, der Satzung und aus der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses. Dass der Beklagte keinen Exklusivitätsanspruch habe, könne nicht zur Verneinung der Eigenschaft als Religionsgemeinschaft führen. Damit sei der Beklagte seiner Darlegungslast ausreichend nachgekommen. Zwar betätige sich der Beklagte auch erwerbswirtschaftlich, allerdings lägen keine Umstände vor, die darauf schließen ließen, dass die religiösen Lehren nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienten. Eine Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften sei nicht gegeben, so dass auch dahinstehen könne, welche Rechtsfolge eine Umgehung hätte.
197Auf die von der Klägerin eingelegte Revision hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil der erkennenden Kammer vom 17.05.2022 mit Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Klägerin weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Beklagten geleistet habe. Zwar sei rein formal nur eine Vereinsmitgliedschaft begründet worden, allerdings sei nach dem materiellen Vertragsinhalt von einem Arbeitsverhältnis auszugehen. Insbesondere stelle sich der vertraglich geschuldete O dienst als Tätigkeit dar, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild mit arbeitsvertraglichen Tätigkeiten identisch sei. Die vom Beklagten gewährte freie Kost und Logis sowie das Taschengeld stellten sich als Gegenleistung dar. Das Taschengeld habe das einzige Einkommen darstellen sollen und habe damit (auch) der Existenzsicherung gedient. Die Vereinsautonomie gestatte es nicht, den O dienst als Mitgliedsbeitrag zu werten, da ansonsten arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgangen würden. Der Mindestschutz wie die Zahlung des Mindestlohns müsse auch bei Vertragsbeziehungen in Vereinsstrukturen gewahrt werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Religions-/Weltanschauungsgemeinschaften stünde der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Der Beklagte sei keine Religions-/Weltanschauungsgemeinschaft. Zum einen sei kein Mindestmaß an Systembildung erkennbar, denn der Beklagte habe zu den Grundlagen seiner Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen und zur Herkunft und zum Ziel menschlichen Lebens nur formelhaft vorgetragen, und spreche auch die Satzung gegen das Vorliegen eines bestimmten Bekenntnisses. Zum anderen sei eine gemeinsame religiöse/weltanschauliche Zielsetzung nicht das bestimmende Element der Tätigkeit des Beklagten, denn es handele sich nicht um den Zusammenschluss von Personen mit gemeinsamer Anschauung, vielmehr sei der Beklagte multikonfessionell ausgerichtet und könne jedes Mitglied seine Lebensweise aus einer Kombination verschiedener Glaubensrichtungen und Überzeugungen frei ausrichten. Die Es und die Rituale stellten nur den äußeren Rahmen für die Ausübung und Verbreitung von C dar. Ob der besondere Schutz nach Art. 4, 140 GG dem Beklagten wegen einer vorwiegend gewinnorientierten Ausrichtung abzusprechen sei, könne daher dahinstehen. Für die Bejahung eines Arbeitsverhältnisses sei es auch irrelevant, ob die Klägerin für die GmbH als Erfüllungsgehilfin des Beklagten oder in einem gemeinsamen Betrieb tätig gewesen sei, da der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Beklagten davon nicht berührt werde. Der Entgeltanspruch der Klägerin in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns sei nicht verfallen; die Verfallklausel sei hinsichtlich des Mindestlohnanspruchs und des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung in Höhe des Mindestlohns unwirksam; der Anspruch auf Urlaubsentgelt sei aufgrund der Zahlungszusage nicht geltend zu machen gewesen. Die Höhe des Anspruchs könne der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beziffern. Der Sachverhalt sei nicht vollständig aufgeklärt. Der Senat könne nicht beurteilen, in wie vielen Stunden die Klägerin tatsächlich ihre Arbeitsleistung erbracht habe bzw. in welchem Umfang Ausfallzeiten zu vergüten seien. Dies führe zur Zurückverweisung. Im fortgesetzten Berufungsverfahren werde sich das Landesarbeitsgericht – ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien und Erhebung der schon bislang angebotenen Beweise – unter umfassender Würdigung des beiderseitigen Tatsachenvortrags die tatrichterliche Überzeugung bilden müssen, in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin vergütungspflichtige Arbeit für den Beklagten geleistet habe bzw. inwieweit einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (z.B. § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, §§ 2 Absatz 1, 3 Absatz 1 EFZG). Das Bundesarbeitsgericht hat auch zur diesbezüglichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgeführt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des BAG vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, Bl. 1764ff d. A., Bezug genommen.
198Im Nachgang zu den BAG-Entscheidungen vom 25.04.2023 im vorliegenden Verfahren und im Parallelverfahren (Az. 9 AZR 253/22 und 9 AZR 254/22) schrieb der Vorsitzende des Beklagten am 13.05.2023 eine E-Mail an „alle_O_langzeitkarmayogis_mitarbeiter_innen_centerleiter_innen_Sthantivais_aller_Vpga-_Zentren_und_Es@....de“, die auszugsweise wie folgt lautete und auf welche für die weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 1898 d. A.):
199„Wir sind dabei, Stellungnahmen einzuholen von indischen J und Priestern, die unsere E besuchen. Wir sind auch dabei, Gutachten von Religionswissenschaftlern in Auftrag zu geben. Wir sammeln auch Stellungnahmen von anderen, die unser Zusammenleben, unsere Weltanschauung, unser E leben etc. kennen, insbesondere von Hindus, die in Deutschland leben oder auf der Durchreise A kennengelernt haben. Wenn ihr solche Menschen kennt, wären wir euch dankbar. Lasst mich oder J wissen, dann können wir informieren, was da am besten drin stehen sollte.“
200Unter dem 08.08.2023 wurde die Satzung des Beklagten geändert; dort heißt es nun zum Zweck des Vereins unter § 2 „Der Verein verfolgt primär religiöse Zwecke zur Förderung der Religion. Die Förderung der Erziehung, Volks-, Berufs- und Jugendbildung sowie der Jugendhilfe, von Kunst und Kultur durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des C und verwandter Disziplinen, ebenso die Förderung von Wissenschaft und Forschung sind Teil der Lehre und verfolgen damit den Hauptzweck als Dienst an der Menschheit und als praktische Anleitung zu spiritueller Entwicklung.“. Im Übrigen wird auf die Satzung vom 08.08.2023 (Anlage HKLW 6, Bl. 3207ff d. A., nachfolgend Satzung 2023) Bezug genommen.
201Gegen das ihm am 08.09.2023 zugestellte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2023 hat der Beklagte am 20.09.2023 eine Anhörungsrüge eingelegt. Diese hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 17.10.2023 zurückgewiesen. Unter anderem hat das Bundesarbeitsgericht darauf verwiesen, dass es nach gründlichem Studium der Akten zu der Erkenntnis gelangt sei, dass der Beklagte mit seinem tatsächlichen Vorbringen seine Eigenschaft als Religionsgemeinschaft nicht dargelegt habe. Die Satzung und die S des Beklagten seien vollständig gewürdigt worden. Zudem habe der Beklagte auch in der Begründung der Anhörungsrüge nicht verdeutlicht, inwieweit die O dienste, insbesondere soweit diese der Aufrechterhaltung des Beherbergungs- und Seminarbetriebs und dem Vertrieb von C-Produkten dienen, Ausdruck eines gemeinsamen Bekenntnisses sei und außerhalb eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden dürften. Des Weiteren stehe die Regelung in § 6c der Satzung in Widerspruch zu den Äußerungen des Vorsitzenden des Beklagten, wonach anderweitige Religionszugehörigkeiten für O zugelassen würden. Für die Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 17.10.2023, Bl. 1800ff d. A., Bezug genommen.
202Unter dem 09.10.2023 hat der Beklagte gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, wie auch gegen das Urteil im Parallelverfahren vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 253/22, Verfassungsbeschwerde eingelegt mit der Bitte, die Verfassungsbeschwerde aufgrund der noch laufenden Anhörungsrüge zunächst nur im „Allgemeinen Register“ einzutragen. Zur Begründung der Verfassungsbeschwerde hat der Beklagte u.a. ausgeführt, dass der Rechtsweg trotz der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht erschöpft sei, da angesichts der Bindungswirkung keine realistische Möglichkeit bestehe, dass die Klage bereits dem Grunde nach abgewiesen werde. Zudem sei er in seinen Grundrechten aus Art. 4 Absatz 1 und Absatz 2 GG (Religionsfreiheit) und aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Absatz 3 WRV (Selbstbestimmungsrecht als Religionsgemeinschaft) sowie in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Absatz 1 GG) verletzt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde habe nach § 93a Absatz 2 lit a und lit b BVerfGG zu erfolgen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Verfassungsbeschwerde vom 09.10.2023 (Bl. 4375ff d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 06.12.2023 (Bl. 4245f d. A.) hat das BVerfG mitgeteilt, dass die Angelegenheiten unter den Az. 1 BvR 2231/23 und 1 BvR 2244/23 in das Verfahrensregister eingetragen und der zuständigen Richterkammer zur Entscheidung vorgelegt worden seien.
203Der Beklagte trägt im fortgesetzten Berufungsverfahren wie folgt weiter vor:
204Zum einen komme dem BAG-Urteil vom 25.04.2023 keine Bindungswirkung zu. So sei die Zurückverweisung mangels hinreichender Sachverhaltsaufklärung erfolgt. Zudem trage er nun zur Frage der Religionsgemeinschaft – wie nachfolgend - weiter vor, wozu bis zu dem BAG-Urteil keine Veranlassung bestanden habe. Dem BAG sei der entsprechende Sachverhalt nur in Auszügen bekannt gewesen. Aus den neu vorgetragenen Tatsachen ergebe sich eine geänderte Rechtsanwendung. Des Weiteren seien die vom BAG aufgestellten Maßstäbe rechtlich unzutreffend. Insoweit nimmt der Beklagte auch auf den Inhalt der Verfassungsbeschwerde Bezug.
205Der Beklagte macht geltend, dass eine Satzung nicht alle Einzelheiten der Glaubensgrundsätze enthalten müsse. Auch die nach dem Ausscheiden der Klägerin vorgenommenen Satzungsänderungen seien von Bedeutung, da nur das verschriftlicht worden sei, was schon gegolten habe. Der Umstand, dass seine Mitglieder unterschiedlichen Religionen angehören könnten, sofern sie ihren Glauben an den C P-Glauben anpassten, könne nicht begründen, ihm den Status einer Religionsgemeinschaft abzusprechen. Das BAG habe verkannt, dass das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft eine entscheidende Rolle spiele. Sein Glaube habe entsprechend der J C P Tradition einen inklusivistischen, keinen multikonfessionellen Charakter. Zudem zeigten bereits die Regelungen in § 2 und § 6c der Satzung 2015 ein hinreichendes religiöses bzw. weltanschauliches Bekenntnis auf. Der Beklagte trägt zur geschichtlichen Entwicklung des Vereins und zum Lebenslauf seines Vorsitzenden sowie zu seinen Glaubensüberzeugungen umfangreich vor. Hierauf wird Bezug genommen (Seiten 43-101 und 921-961 und des Schriftsatzes vom 12.02.2024, Bl. 1992-2049 und 2870-2910 d. A., Seiten 7-44 des Schriftsatzes vom 06.05.2024, Bl. 4587-4624 d. A., Seiten 4-7 des Schriftsatzes vom 08.05.2024, Bl. 4640-4643 d. A.). Die Glaubensüberzeugungen manifestierten sich nach außen durch die S, das P-Handbuch (1. Auflage 2016; Anlage HKLW 8, Bl. 3297ff d. A.), die O-Ordnung (vom 14.07.2015 (Bl. 418ff d. A.), das C Lehrer-Handbuch (22. Auflage 2023, Anlage HKLW 15, Bl. 3533ff d. A.), das Kirtan-Buch (22. Auflage 2023, Anlage KHLW 3, Bl. 2937ff d. A.) und das Dokument „Unser Glaube - unsere spirituelle Praxis“ (Stand Mai 2023, Anlage HKLW 7, Bl. 3257ff d. A.). Er sei der Auffassung, dass es ein unendliches Göttliches, Brahman, das ewig Absolute, gebe, und dass der Mensch im Innersten eins sei mit Brahman, seine wahre Natur vergessen habe (…), der Maya (Täuschung) unterliege, was zu Duhkha (Leiden) führe. Der Mensch sei dem Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) unterworfen, unterliege dem Gesetz des Karmas (Ursache und Wirkung). Ziel des Lebens sei es, sich von den Zwängen des Karmas, Wünschen und Begierden zu lösen, um Samsara zu überwinden und durch Moksha (Erlösung), die Einheit im Brahman, zu erfahren. Um dieses Ziel des Lebens zu erreichen, gingen Menschen unterschiedliche Wege (Margas). Verschiedene Wege der unterschiedlichen spirituellen Traditionen und Religionen führten zum Heil. Teil des Weges sei aber immer eine C Lebensführung unter Beachtung der "4 S". Auch ein strikt nach christlichen Glaubensvorstellungen ausgerichtetes Leben könne dementsprechend zur Erlösung führen. Andererseits widerspreche ein exklusiv gelebter christlicher Glaube dem aktiv und bekennend gelebten Glauben des Beklagten. Dass er auch Seminare zu Schamanismus anbiete, stehe der Annahme einer Religionsgemeinschaft nicht entgegen. Seine Mitglieder glaubten an die persönliche spirituelle Führung durch J. Die Struktur und Häufigkeit des M belegten ihrerseits die Systembildung, zumal eine Teilnahme aus Sicht der Gemeinschaft zwingend sei. Für ihn sei Spiritualität zudem ein Teilbereich bzw. die Essenz der Religion, weshalb die Begriffe teils synonym verwendet würden. Die historische Entwicklung und das – von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittene - Mitgliederwachstum von 286 Mitgliedern im Jahr 2007 auf 4.156 Mitglieder im Jahr 2023, wobei es im Jahr 2023 278 hauptberufliche O gegeben habe, zeigten, dass eine gemeinsame religiöse oder weltanschauliche Zielsetzung das bestimmende Element seiner Tätigkeit sei. C werde bei ihm immer spirituell-religiös praktiziert; alles sei auf die Verkündigung der C P-Lehre ausgerichtet. C könne mit weiteren Aspekten Teil einer Religion sein. Sollte das Gericht die religionswissenschaftlichen Aussagen nicht übernehmen wollen, so könne es nur in der Sache entscheiden, wenn es selbst über die erforderlichen religionswissenschaftlichen Kenntnisse generell oder bzgl. der Religion des Beklagten verfüge. Ansonsten werde die Einholung eines religionswissenschaftlichen Sachverständigengutachtens angeregt. Dass es sich bei ihm um eine Religionsgemeinschaft bzw. geistliche Genossenschaft handele und die O keine Arbeitnehmer seien, hätten zudem viele näher bezeichnete Gerichte und Behörden sowie die vorgelegten Gutachten, u.a. ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. U vom 08.06.2023 (Anlage HKLW 39, Bl. 3870ff d. A.) und ein Gutachten von Prof. Dr. X vom 12.10.2023 (Anlage HKLW 40, Bl. 3943ff d. A.), und zahlreiche Stellungnahmen/Referenzen, auf welche verwiesen wird, bestätigt. Bei den vorgelegten Gutachten handele es sich nicht um Gefälligkeitsgutachten; substantiierte Einwendungen habe die Klägerin nicht erhoben. Zu berücksichtigen sei auch, dass er zwischenzeitlich - unstreitig - einen Antrag auf Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Anlage HKLW 50, Bl. 4189ff d. A.) gestellt habe. Über diesen wurde noch nicht entschieden.
206Selbst wenn das Rechtsverhältnis wesentlich nach weltlichem Recht zu bewerten sein sollte, so sei dann das Vereinsrecht, nicht das Arbeitsrecht maßgebend, da es nur um ehrenamtliche Tätigkeiten gehe.
207Selbst wenn das Vertragsverhältnis arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterliegen sollte, dann sei ein Mindestlohnanspruch aufgrund der von der Klägerin bis zum 23.05.2019 absolvierten Ausbildung zur … erst ab dem 24.05.2019 gegeben. Die Klage sei schon mangels entsprechenden klägerischen Vortrags als unschlüssig abzuweisen. Zudem beziehe sich die Ausnahmeregelung des § 22 Absatz 3 MiLoG nicht nur auf anerkannte Ausbildungsberufe, sondern auf alle zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Bei der Y-Ausbildung handele es sich um eine strukturierte, in praktische und theoretische Einheiten aufgegliederte Ausbildung, die einer ausführlichen, schriftlich – allerdings unstreitig erst nach Ausscheiden der Klägerin - festgehaltenen Ausbildungsordnung (Anlage HKLW 14, Bl. 3515ff d. A.) mit Ergänzungen im C lehrerhandbuch (22. Auflage 2023, Anlage HKLW 15, Bl. 3533ff d. A.) unterliege. Soweit die Klägerin behaupte, die Voraussetzungen der Ausbildung schon vor 2017 erfüllt zu haben, sei der Vortrag unsubstantiiert. Für den Zeitraum 24.05.2019 bis zum 15.06.2020 ergäben sich nur 764 Stunden und 40 Minuten an O zeiten.
208Zudem bestehe für ehrenamtliche Tätigkeiten als Vereinsmitglied wie das Leiten von M oder anderen Ritualen und die Teilnahme an den O-Versammlungen nach § 22 Absatz 3 Alternative 2 MiLoG kein Mindestlohnanspruch. Auch für genuin-religiöse Tätigkeiten wie die Teilnahme an M und anderen Ritualen oder der Pilgerreise nach Indien sei kein Mindestlohn geschuldet, da die Klägerin dabei keinen Weisungen unterworfen gewesen sei und diese Tätigkeiten Ausdruck des Glaubens gewesen seien.
209Arbeitszeitvorgaben habe es im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr gegeben, wie auch der in der S 2022 dargestellte beispielhafte Tagesablauf (7-8h Mteilnahme, 8h-11h O im N-Team; 11h Brunch, 12-14h O im N-Team; 14.30-16h Reinigung/Bestückung Gemeinschaftsküche; 16.15h Cstunde; 18h Abendessen; 19-20h Leiten des O Namo Narayanaya Singen für den Weltfrieden) zeige. Soweit noch Regelungen zur O zeit enthalten seien, seien diese nur noch nicht angepasst worden. Auch der Wochenplan, der unstreitig noch 42+-Stunden ausweist, werde nur bei Änderungen im Aufgabengebiet angepasst.
210Sofern die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.01.2024 tabellarisch zu Arbeitszeiten vorgetragen habe, habe sie auch damit nicht ihrer Darlegungslast genügt. Es fehle weiterhin an einem substantiierten Vortrag zu Inhalt und Umfang der angeblichen Arbeiten sowie zur Abgrenzung zu ehrenamtlichen bzw. genuin-religiösen Tätigkeiten. Eine Tabelle ohne Erläuterung in einen Schriftsatz zu übernehmen genüge nicht. Ein einfaches Bestreiten seinerseits genüge daher.
211Da, so der Beklagte, dem Bundesarbeitsgericht augenscheinlich an einer umfassenden Darlegung der O zeiten gelegen sei, trage er dazu wie folgt weiter vor: Die Klägerin habe im Jahr 2017 nur 1.020 Stunden und 25 Minuten, im Jahr 2018 926 Stunden und 45 Minuten, im Jahr 2019 916 Stunden und 31 Minuten und im Jahr 2020 243 Stunden und 5 Minuten O zeiten geleistet. Diese O zeiten habe er unter anderem durch einen Abgleich der Daten der Klägerin mit Unterrichtsplänen (Raum- und Einsatzplanungs-/Seminarorganisationstool „Rapla“), Wochenplänen des Shivalaya, Einsatzplänen, abgespeicherten aufgabenbezogenen Unterlagen, Logdaten, Zeugenaussagen und qualifizierten Schätzungen auf fundierter Datenbasis ermittelt. Unstimmig erscheinende Aufgabenzuordnungen seien auf andere Tage umgelegt worden. Bei normalen C stunden seien meistens am selben Tag vor der Stunde 30 Minuten angesetzt worden, bei anderen Unterrichtsstunden ggf. losgekoppelt an anderen Tagen, meistens am Vortag. Zudem habe man die Richtwerte nach der Orientierungshilfe für Vorbereitungszeiten (Anlage HKLW 41c, Bl. 4052 d. A.) berücksichtigt. Die von der Klägerin geleiteten C stunden seien in der Regel von 09.15 Uhr bis 11 Uhr bzw. von 16.15 Uhr bis 18 Uhr gegangen. An den Tagen, an denen die Klägerin als Aufgabe „App“ angegeben habe, seien 25 Minuten angesetzt worden, was eine auf den Angaben des damaligen Teamleiters W basierende Schätzung sei (HKLW 41d, Bl. 4053 d. A.). Bei den Ebooks sei die von der Klägerin angegebene Bearbeitungsdauer unrealistisch, da sie nur elektronische Formatierungen schon digital vorhandener Texte vorgenommen habe. Er habe auf Basis von Analysen geschätzt und insoweit zwischen 5 und 15 Minuten pro Seite angesetzt wie sich aus der Anlage HKLW 41e (Bl. 4054f d. A.) ergebe. Diese Werte seien dann bestimmten Tagen zugeordnet worden. Die Daten für die C therapie entsprächen dem SGP Terminplanungstool. Die Berechnung der O zeiten im Webteam sei durch einen Abgleich der Logdaten des Content-Management-Systems Typo 3 erfolgt. Aus technischen Gründen seien ab dem 18.02.2018 keine Abrufe der Logdaten möglich. Insoweit sei auf Basis der Angaben der Klägerin ein Durchschnitt von 1 Stunde und 10 Minuten errechnet worden, der den entsprechenden Tagen zugeordnet worden sei. Der Berechnung der O zeiten für das Meditationsportal liege eine fundierte Schätzung eines Gesamtaufwands von 76 Stunden zugrunde. Bei 19 Einträgen ergebe sich ein Umfang von 4 Stunden pro Eintrag. Im Bereich CoE Sanskrit sei eine Stunde pro entsprechender Tätigkeitsangabe der Klägerin in Ansatz zu bringen, da das Kopieren, Prüfung und Formatieren eines Verses 10 Minuten benötige, insgesamt 700 Verse enthalten seien und es 123 diesbezügliche Tageseinträge der Klägerin gebe. Er habe bei den Auswertungen entgegen den Behauptungen der Klägerin nichts unterschlagen, nur die Daten aus dem persönlichen E-Mail-Account der Klägerin seien aus Datenschutzgründen mangels bisheriger Einwilligung der Klägerin nicht berücksichtigt worden. Schulungen, Wochengespräche, Teamsitzungen seien – so behauptet der Beklagte mit Schriftsatz vom 08.05.2024 - ebenso bereits berücksichtigt wie mögliche technische Schwierigkeiten, Entwicklungszeiten und unterschiedliche Veröffentlichungsplattformen sowie Blog-Beiträge über Wordpress. Anhand dieser Auswertungen führt der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum tageweise Zeiten an, zu denen die Klägerin O geleistet habe. Zu bestimmten, von der Klägerin uhrzeitlich angegebenen Zeiträumen macht der Beklagte geltend, dass die pauschalen Angaben der Klägerin weder zeitlich noch inhaltlich nachvollziehbar seien und daher insoweit keine berücksichtigungsfähige O vorliege. So heißt es beispielsweise:
212„02. Januar 2017:
213Von 08:00-11:00 Uhr und
21412:00 -16 Uhr
215sind die pauschalen Angaben der Klägerin weder zeitlich noch inhaltlich nachvollziehbar. Insbesondere existiert kein Eintrag im Raum- und Einsatzplanungs-/Seminarorganisationstool „R“. Es liegt daher keine berücksichtigungsfähige O vor.
216Beweis: […]
217Zu berücksichtigen ist jedoch, und dies ohne zeitliche Zuordnung, eine O zeit i.e.S. von 2:00 Stunden für die Bearbeitung von E-Books. Die Klägerin hat vom 1. Januar 2017 bis 30. März 2017 sieben E-Books (unbekannt: Gheranda Samhita, J: Karma C, J: P für Anfänger, Sukadev Bretz: Karma und Reinkarnation, unbekannt: Shiva Samhita, Sukadev Bretz: Die Kundalini Energie erwecken, Sukadev Bretz: C Geschichten) mit einem Gesamtaufwand von 46 Stunden bearbeitet. Der oben genannte Wert ergibt sich bei einer gleichmäßigen Verteilung auf die Tage, an denen die Klägerin nicht oder nur einmal täglich unterrichtet hat und an denen sie selbst „E-Book“ als Tätigkeit angibt.“
218und
219„14. Mai 2018:
220Die Klägerin hat, und dies ist berücksichtigungsfähige O, im Zeitraum von 8:10 Uhr bis 8:25 Uhr ausweislich der Log-Daten in Typo 3 Webseitenbearbeitung vorgenommen: […]
221Von 8:25-11:00 Uhr
22212:00-16:00 Uhr
223sind die pauschalen Angaben der Klägerin weder zeitlich noch inhaltlich nachvollziehbar. Insbesondere existiert kein Eintrag im Raum- und Einsatzplanungs-/Seminarorganisationstool „Rapla“. Es liegt daher keine berücksichtigungsfähige O vor.
224Von 16:00-17:00 Uhr war die Klägerin für einen ihrer Tätigkeitsbereiche als Springerin/Bereitschaft für eine C stunde und damit in Form von O i.e.S. tätig. Weiterhin zu berücksichtigen sind 0:25 Stunden für die App: Bild- und Textarbeit.
225Beweis: […]
226Zu berücksichtigen ist jedoch, und dies ohne zeitliche Zuordnung, eine O zeit i.e.S. von 3 Stunden für die Bearbeitung von E-Books. Die Klägerin hat vom 14. Mai 2018 bis 31. Mai 2018 die E-Books (J: Die Wissenschaft des Pranayama und A : das große A Puja Buch) mit einem Aufwand von 24,75 bzw. 19,00 Stunden bearbeitet. Der oben genannte Wert ergibt sich bei einer gleichmäßigen Verteilung auf die Tage, an denen die Klägerin nicht oder nur einmal täglich unterrichtet hat und an denen sie selbst „E-Book“ als Tätigkeit angibt.“
227Für die weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf die Seiten 107 – 920 des Schriftsatzes des Beklagten vom 12.02.2024 (Bl. 2056-2869 d. A.) sowie auf die Seiten 11 – 14 des Schriftsatzes des Beklagten vom 08.05.2024 (Bl. 4647-4650 d. A.) Bezug genommen. Der Beklagte vertritt die Ansicht, dass sein Vortrag insoweit mangels substantiierten Bestreitens der Klägerin und Beweisantritts als zugestanden zu gelten habe.
228Letztlich begehrt der Beklagte analog § 148 ZPO die Aussetzung des Rechtsstreits bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die in diesem und dem Parallelverfahren zu den Aktenzeichen 1 BvR 2231/23 und 1 BvR 2244/23 von ihm unter dem 09.10.2023 gegen die BAG-Urteile vom 25.04.2023 eingelegten Verfassungsbeschwerden. Der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht innerhalb von 6 Monaten noch keine Entscheidung über die Annahme der Verfassungsbeschwerden getroffen habe, sei Beleg dafür, dass es sich ernsthaft mit den Beschwerden befasse.
229Der Sachvortrag in den dortigen Verfahren sei nicht so umfangreich gewesen wie nun in dem vorliegenden Rechtsstreit. Wenn das Bundesverfassungsgericht auf der Basis des geringeren Vortrags schon eine Religionsgemeinschaft annehmen sollte, dann sei vom Landesarbeitsgericht nicht mehr zu prüfen, ob aufgrund des vorliegend ergänzend geleisteten Sachvortrags eine andere Entscheidung erfolgen müsse. Damit sei dann auch klar, dass kein Mindestlohn geschuldet sei, da die O in Ausübung der Religion bzw. aus religiösen Gründen tätig würden. Eine Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit führe zu keiner zügigeren Rechtsstreiterledigung, da er gegen eine instanzbeendende Entscheidung Rechtsmittel einlegen werde. Ein schützenwertes Interesse der Klägerin an der Fortführung des Rechtsstreits bestehe daher nicht. Es gelte auch kein Beschleunigungsgebot. Letztlich sei auch die zu erwartende Verfahrensdauer nicht überlang i. S. d. § 9 Absatz 2 Satz 2 ArbGG.
230Der Beklagte beantragt,
2311. den Rechtsstreit bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren zu den Aktenzeichen 1 BvR 2231/23 und 1 BvR 2244/23 auszusetzen,
2322. das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 15.10.2021, Az. 3 Ca 696/20 teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.
233Die Klägerin beantragt,
234den Aussetzungsantrag abzulehnen und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
235Die Klägerin nimmt unter Berücksichtigung der Ausführungen der Revisionsentscheidung wie folgt Stellung:
236Dass es sich bei dem Beklagten um keine Religionsgemeinschaft handele, das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei und der Beklagte ihr dem Grunde nach Vergütung in Höhe des Mindestlohns schulde, habe das Bundesarbeitsgericht mit Bindungswirkung festgestellt. Das Bundesarbeitsgericht habe insoweit auch unabhängig von einem unzureichenden Sachvortrag des Beklagten entschieden, dass der Beklagte nach seinen eigenen Regelungen gerade aufgrund der Offenheit für andere Religionen keine Religionsgemeinschaft sei. Das Landesarbeitsgericht habe daher nicht nochmal über die Frage der Religionsgemeinschaft zu entscheiden. Der Vortrag des Beklagten zur Bindungswirkung sei auch widersprüchlich, wenn er einerseits mit der – als verspätet zu rügenden - inhaltlichen Bezugnahme auf die Verfassungsbeschwerde anführe, der Rechtsweg sei aufgrund der bestehenden Bindungswirkung ausgeschöpft, andererseits aber geltend mache, dass keine Bindungswirkung bestehe.
237Die rechtserheblichen tatsächlichen Feststellungen seien unverändert geblieben. Der weitere Vortrag des Beklagten zur Frage der Religionsgemeinschaft führe auch zu keiner anderen Bewertung. Die weiter vorgelegten, nach den BAG-Urteilen erstellten Dokumente seien irrelevant, bildeten auch nicht die Wirklichkeit ab, stellten zum Teil nur auf die späteren schriftlichen Regelungen ab und seien - wie die E-Mail des Vorsitzenden des Beklagten vom 13.05.2023 zeige - auf Bestellung des Beklagten erfolgt. Die Rituale würden als integraler Bestandteil einzelner C wege ausgeführt, nicht aus einer religiösen Überzeugung heraus. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Beklagte - unstreitig - auch schamanische und sonstige naturreligiöse Veranstaltungen anbiete. Es sei letztlich nicht erklärbar, wie jemand, der keiner Religionsgemeinschaft angehöre, zugleich Teil einer solchen sein könne. Aus dem Beklagtenvortrag ergebe sich auch nicht widerspruchsfrei, woran der Beklagte denn glaube und wie viele Götter er habe. C P sei eine Richtung der indischen Philosophie. In den Unterrichtsmaterialien zur C lehrerausbildung finde sich auch nichts zur Religion. Das Purohita-Handbuch habe tatsächlich keine praktische Rolle gespielt; lediglich in den S 2020 werde kurz der Purohita-Studiengang erwähnt, für welchen sich kaum jemand interessiert habe. Zudem handele es sich dabei auch nicht um einen Priester. Die monastische Laufbahn im Hinduismus beginne – wie auch unter C.5 der S vom 2020 ausgeführt - erst ab BrahmY, denn erst das sei der Novize. Die historische Entwicklung des Beklagten und der Lebenslauf des Vorsitzenden des Beklagten seien nicht relevant; von dem Beklagten behauptete Umstände vor dem Zeitpunkt ihres Eintritts bei dem Beklagten, bestreite sie mit Nichtwissen. Soweit sich der Beklagte auf die Entscheidung des BVerwG vom 20.03.1987, Az. 8 C 37/85, wonach ein hauptamtlich tätiger Hindupriester vom Zivildienst befreit sei, berufe, so sei festzuhalten, dass der Vorsitzende des Beklagten von der für die Entscheidung maßgebenden Priesterweihe zwischenzeitlich – unstreitig - wieder entbunden worden sei. Des Weiteren spreche die Verheimlichung des angeblichen Bekenntnisses gegen das Vorliegen einer Religionsgemeinschaft. Noch heute sei auf der Homepage des Beklagten (Ausdruck Anlage K127, Bl. 4458ff d. A.) eine Religionsgemeinschaft kaum erkennbar, hauptsächlich werde der Seminarbetrieb beworben. Zudem laute eine Aussage auf der Homepage „Erfahre mehr über die einzelnen Götter, Meister und Heilige des Hinduismus, Buddhismus, sowie weiterer Weltreligionen, die uns die Welt in ihren religiösen Symboliken näher bringt. Von Mutter Theresa bis ShankarY, Shiva, Rama oder Elefantengott Ganesha.“. Keiner der O sei dem Beklagten mit der Prämisse, hinduistische Überzeugungen teilen zu müssen, beigetreten. Der Glaube an eine spirituelle Führung durch J könne ggf. für einzelne gelten, nicht jedoch für die Allgemeinheit. O sein kein praktizierter Glaube, sondern Ausnutzen von Arbeitskraft.
238Die Ausbildung sei, so stehe es noch in der S 2020, nicht zwingend gewesen. Die Y-Ausbildung sei nicht mit Ausbildungen nach dem BBiG vergleichbar; sie habe die Voraussetzungen auch schon vor Mai 2019 erfüllt. Im Übrigen habe sie die Ausbildung in ihrer Freizeit/im Urlaub absolviert und sei die Ausbildungsordnung - unstreitig - erst 2021 nach Erhalt ihres Zertifikats und nach ihrem Ausscheiden entstanden.
239Die Klägerin präzisiert ihren Vortrag zu den Arbeitszeiten und macht geltend, dass sie ihre Arbeit spätestens um 8.00 Uhr aufgenommen habe. Ab 11.00 Uhr habe sie in der Regel eine Stunde Pause gehabt und dann von 12.00 Uhr bis mindestens 16.00 Uhr weitergearbeitet. Meistens habe sie ihre Arbeit nicht vor 18.00 Uhr beendet. Der Umfang der tatsächlichen Arbeitszeit überschreite die Zahl der hier geltend gemachten Stunden bei weitem, was sie allerdings, ebenso wie Abweichungen von der Regel, insbesondere aufgrund des vom Beklagten verweigerten Zugriffs auf ihren persönlichen E-Mail-Account nicht weiter darlegen könne. Die Klägerin gibt tabellarisch für jeden Tag im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 15.03.2020 an, von wieviel Uhr bis wieviel Uhr sie wie viele Stunden gearbeitet habe und benennt schlagwortartig die jeweilige Aufgabe bzw. kennzeichnet den Tag als „freier Tag“ oder „Urlaub“. Dabei führt sie für jeden gearbeiteten Tag insgesamt bis zu 7 Stunden an, auch wenn die im Einzelnen angegebenen Uhrzeiten mehr als 7 Stunden ergeben würden. Für jeden Urlaubstag gibt sie 7 Stunden an. Insoweit wird vollumfänglich auf die Seiten 4 – 53 des klägerischen Schriftsatzes vom 02.01.2024 (Bl. 1838-1888 d. A.) Bezug genommen. Letztlich habe der Beklagte nicht einmal im Ansatz vorgetragen, welche Arbeiten dieser ihr zugewiesen habe und an welchen Tagen sie, die Klägerin, diesen Weisungen nicht nachgekommen wäre. Der Vortrag des Beklagten sei nur vom Umfang her erheblich. Die – viel zu niedrige - Schätzung von Gesamtbearbeitungszeiten, deren Herunterbrechen auf tägliche Bearbeitungszeiten und Verteilung auf den Bearbeitungszeitraum sowie das bloße, unsubstantiierte Bestreiten der von ihr, der Klägerin, vorgetragenen Arbeitszeiten genüge der Darlegungslast nicht. Der Beklagte berücksichtige in seiner Berechnung auch diverse Aufgaben/Arbeitszeiten nicht. So fehlten sämtliche Termine, Schulungen und Gespräche innerhalb ihrer Aufgabenbereiche. Ihre Aufgaben im Bereich Fotoshooting seien wesentlich aufwendiger gewesen als von dem Beklagten dargestellt. Es bleibe auch unberücksichtigt, dass sie nicht nur mit Typo3, sondern auch – mit dem Wachstum des Webteams immer mehr - mit JIRA gearbeitet habe. Zudem habe sie – unstreitig - mit Word, Drupal, Wordpress, Calibre gearbeitet und sei mit der Öffentlichkeitsarbeit auch im AppleStore, bzgl. der Ebooks befasst gewesen. Sie habe nicht nur gearbeitet, wenn sie in Typo 3 eingeloggt gewesen sei. Auf das klägerische Vorbringen zum Umfang ihrer Aufgaben im Schriftsatz vom 15.03.2021 (Seite 18, Seite 36-48, Bl. 481 und 499-511 d. A.) und im Schriftsatz vom 02.05.2024 (Seiten 38-42, Bl. 4431-4435 d. A.) wird ergänzend Bezug genommen.
240Der Aussetzungsantrag des Beklagten sei zurückzuweisen. Angesichts dessen, dass die Verfassungsbeschwerden schon bei dem Berufungsverhandlungstermin am 27.02.2024, der wegen Ausbleibens eines ehrenamtlichen Richters vertagt werden musste, anhängig gewesen seien, gehe es dem Beklagten offenbar nur um eine Verzögerung des Rechtsstreits. Zudem spreche die bisherige Verfahrensdauer dagegen. Auch handele es sich nicht um eine Bagatellforderung und würde sie im Falle einer Aussetzung in absehbarer Zeit kein zumindest vorläufig vollstreckbares zweitinstanzliches Urteil erhalten. Ein Erfolg der Verfassungsbeschwerden sei zudem unwahrscheinlich; die ausstehende Entscheidung zur Annahme sage nichts zu den Erfolgs-aussichten aus, könne auch am Umfang der Angelegenheiten liegen. Zudem betreffe die Verfassungsbeschwerde nicht - wie in den vom Beklagten zitierten Entscheidungen - einen anderen Rechtsstreit, sondern den vorliegenden Rechtsstreit.
241Der Beklagte hat in der Berufungsverhandlung die Gewährung einer Schriftsatzfrist vor dem Hintergrund beantragt, dass die Klage erst mit der im Termin erfolgten klägerischen Klarstellung einer abschließenden Gesamtklage schlüssig geworden sei. Zudem hat er Schriftsatznachlass hinsichtlich des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.05.2024 beantragt. Der Klägervertreter hat vorsorglich Schriftsatznachlass hinsichtlich der Schriftsätze des Beklagten vom 06.05. und 08.05.2024 beantragt.
242Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von den Parteien zu Protokoll abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
243E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
244Dem Aussetzungsantrag des Beklagten ist nicht stattzugeben. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber auf der Grundlage der rechtlichen Beurteilung, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt ist (§ 72 Absatz 5 ArbGG i. V. m. § 563 Absatz 2 ZPO), nur teilweise, hinsichtlich eines Betrages von 881,81 Euro brutto, begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
245I. Der Antrag des Beklagten, den Rechtsstreit bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren zu den Aktenzeichen 1 BvR 2231/23 und 1 BvR 2244/23 in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen, hat keinen Erfolg.
1. Ist in einem Parallelverfahren eine Verfassungsbeschwerde anhängig, kann in entsprechender Anwendung des § 148 Absatz 1 ZPO eine Aussetzung der Verhandlung erfolgen, wenn dies in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Absatz 1 ArbGG sowie zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Absatz 1 Nr. 4a GG unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und der Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Die Aussetzung kann zeitlich befristet werden (BAG, Beschluss vom 10.09.2020, Az. 6 AZR 136/19 (A), juris). Dabei sind insbesondere die bisherige Verfahrensdauer und der jetzige Verfahrensstand sowie die bei einer Aussetzung zu prognostizierende Verlängerung der Verfahrensdauer zu berücksichtigen, welche einer Einschätzung durch das Gericht bedarf (vgl. BAG, Urteil vom 13.03.2024, Az. 10 AZR 15/21, BeckRS 2024, 6443; BAG, Urteil vom 22.03.2023, Az. 10 AZR 499/20, juris, Rn. 20 m. w. N.).
2. Zugunsten des Beklagten kann eine entsprechende Anwendbarkeit des § 148 Absatz 1 ZPO auf den vorliegenden Fall einer im selben Rechtsstreit eingelegten Verfassungsbeschwerde unterstellt werden. In Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des gerichtlichen Verfahrens (§ 9 Absatz 1, Absatz 2 Satz 2 ArbGG, §§198 ff. GVG) ist eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände nicht angezeigt.
Der Rechtsstreit ist bereits über 3 ½ Jahre anhängig und entscheidungsreif. Zudem geht es für die Klägerin um nicht unerhebliche Beträge. Aus dem bisherigen Zeitablauf der Verfassungsbeschwerden vermag die Kammer des Weiteren nicht abzuleiten, dass die Verfassungsbeschwerden voraussichtlich zur Entscheidung angenommen werden. Es ist ebenso möglich, dass die Verfassungsbeschwerden mangels Rechtswegerschöpfung als unzulässig angesehen werden. Die Dauer der Verfassungsbeschwerdeverfahren ist für die Kammer auch nicht valide abschätzbar. Aufgrund dieser Umstände erscheint eine Aussetzung nicht vertretbar.
252II. Die Berufung des Beklagten ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Absatz 2 lit. b) ArbGG. Sie wurde nach den §§ 519 ZPO, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG am 25.10.2021 gegen das am 20.10.2021 zugestellte Urteil vom 15.10.2021 innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der verlängerten Frist gemäß § 66 Absatz 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Absatz 3, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG am 20.01.2022 begründet. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
III. Die Berufung ist teilweise, soweit der Klägerin ein über 41.192,45 Euro brutto hinausgehender Betrag zugesprochen worden ist, begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage hinreichend bestimmt.
a) Nach § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO) (BAG, Urteil vom 02.08.2018, Az. 6 AZR 437/17, BAGE 163, 205-218, Rn. 15; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.07.2020, Az. 1 Sa 17/20, BeckRS 2020, 23376, Rn.18). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die Klage zusammensetzt (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20, juris, Rn. 11, 12). Richtet sich eine Leistungsklage auf die Zahlung von Vergütung, welche üblicherweise nach Zeitabschnitten bemessen ist (§ 614 BGB), gehört zur erforderlichen Bezeichnung des Streitgegenstands regelmäßig die Angabe, für welche Zeitabschnitte Vergütung in welcher bestimmten Höhe verlangt wird. Nur durch diese Angaben zum Lebenssachverhalt (Klagegrund) kann sichergestellt werden, dass das Gericht entsprechend § 308 Absatz 1 ZPO der klagenden Partei nicht etwas Anderes zuspricht als von ihr beantragt wird (BAG, Urteil vom 29.08.2018, Az. 7 AZR 206/17, juris, Rn. 20; BAG 24.02.2021, Az. 10 AZR 43/19, juris, Rn. 15). Werden im Wege einer „Teilgesamtklage“ mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, hat die Klagepartei dem Grundsatz nach anzugeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen welche Teile einklagt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist die sog. „abschließende Gesamtklage“. Erklärt die klagende Partei, die Klageforderung habe abschließenden Charakter, macht sie weder eine Forderung teilweise noch Teile mehrerer Forderungen, sondern diese sämtlich und in voller Höhe geltend. In einem solchen Falle ist den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO genügt (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20, juris, Rn. 11, 12; BAG, Urteil vom 27.07.2021, 9 AZR 449/20, juris, Rn. 13, m. w. N.).
259b) Die Klägerin macht für die zuletzt angeführten, unstreitigen Krankheitszeiten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, für die zuletzt angeführten bzw. unstreitigen Urlaubszeiten Urlaubsentgelt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns und für die übrigen, erstinstanzlich zugesprochenen Zeiten, in denen sie auch nach ihrem zweitinstanzlichen Vorbringen tatsächlich gearbeitet hat, Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns geltend.
260Die Klägerin hat zwar zweitinstanzlich für einzelne Tage schriftsätzlich mehr Stunden angeführt als ihr erstinstanzlich zugesprochen worden sind und für einzelne Monate mehr zu vergütende Tage/mehr Stunden als die eingeklagte monatliche Gesamttages- bzw. Gesamtstundenzahl. Sie hat die Klage allerdings nicht entsprechend erweitert. Und sie hat auch dann, wenn sie für einen Tag uhrzeitlich mehr Stunden als 7 angegeben hat, für diesen Tag insgesamt nur 7 Stunden ausgewiesen. Der in die Berufungsinstanz gelangte Teil der Klage ist daher für den streitgegenständlichen Zeitraum – wie schon die erstinstanzliche Klage - als abschließende Gesamtklage zu verstehen. Über die erstinstanzlich zugesprochenen Stunden hinaus macht die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren, zu vergütenden Stunden geltend. Dies hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung auch ausdrücklich bestätigt. Damit ist die Klage zulässig.
261Dass die Klägerin die Klage hinsichtlich erstinstanzlich zugesprochener Zeiten, für die sie zweitinstanzlich keine Vergütung mehr verlangt (so für je 7 Stunden im August 2017, Mai 2018 und Januar 2019), nicht zurückgenommen hat, ist für die Zulässigkeit der Klage unschädlich.
262Gegen die Zulässigkeit der Klage hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Einwendungen des Beklagten beziehen sich insoweit auf die für die Begründetheit der Klage relevante Schlüssigkeit.
2632. Die Klage ist, soweit sie nicht bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist, überwiegend, in Höhe von 41.192,45 Euro brutto zzgl. Prozesszinsen, begründet.
a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden gemäß § 1 Absatz 1 MiLoG sowie für Krankheits- und Urlaubstage gemäß §§ 3, 4 EFZG, §§ 1, 11 BUrlG i. V. m. § 1 MiLoG Anspruch auf Zahlung von insgesamt 41.192,45 Euro brutto.
266aa) Nach der Stattgabe der Revision der Klägerin gegen das Urteil der Kammer vom 17.05.2022 steht fest, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich Vergütungsansprüche der Klägerin in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns gemäß §§ 3, 4 EFZG, §§ 1, 11 BUrlG i. V. m. § 1 MiLoG gegeben sind.
267Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22 steht jedenfalls fest, dass
268- die Klägerin weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Beklagten geleistet hat,
269- der O dienst nicht als vereinsrechtlicher Mitgliedsbeitrag gewertet werden kann, da der arbeitsrechtliche Mindestschutz wie die Zahlung des Mindestlohns nicht gewahrt ist,
270- das Selbstbestimmungsrecht der Religions-/Weltanschauungsgemeinschaften der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegensteht,
271- der Beklagte keine Religions-/Weltanschauungsgemeinschaft ist, da – nach dem Vortrag des Beklagten und der Satzung – kein erforderliches Mindestmaß an Systembildung erkennbar ist und eine gemeinsame religiöse/weltanschauliche Zielsetzung aufgrund der multikonfessionellen Ausrichtung nicht das bestimmende Element der Tätigkeit des Beklagten ist,
272- Vergütungsansprüche gegenüber dem Beklagten von der Tätigkeit der Klägerin auch für die A GmbH nicht berührt werden und
273- Vergütungsansprüche in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht verfallen sind.
274An diese rechtliche Beurteilung ist die Kammer bei ihrer neuen Entscheidung nach § 72 Absatz 5 ArbGG i. V. m. § 563 Absatz 2 ZPO gebunden.
275Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Zurückverweisung durch das Bundesarbeitsgericht nicht hinsichtlich des Anspruchs dem Grunde nach, sondern nur hinsichtlich der Höhe der Ansprüche erfolgt. Über den Grund der Ansprüche hat das Bundesarbeitsgericht bindend entschieden. Dies ergibt sich klar aus den Entscheidungsgründen.
276Soweit der Beklagte mit der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Rechtsauffassung nicht einverstanden ist und im Wege der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seiner Grundrechte geltend macht, führt dies nicht zum Entfall der Bindungswirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.2012, Az. VII ZB 42/11, juris, Rn. 19; Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 563 Rn. 7). Insbesondere wurden die bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vorgetragenen Umstände sowie die im streitgegenständlichen Zeitraum gültige Satzung des Beklagten vollständig, auch im Hinblick auf § 6c der Satzung, von dem Bundesarbeitsgericht gewürdigt, wie es im Beschluss vom 17.10.2023 ausdrücklich klargestellt hat.
277Die Bindungswirkung entfällt entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht deshalb, weil neue Tatsachen zu einer anderen rechtlichen Bewertung führten. Zwar ist es zutreffend, dass sich die Bindungswirkung nicht auf einen neuen Sachverhalt erstreckt (vgl. BAG, Urteil vom 14.04.1967, Az. 5 AZR 535/65, AP ZPO § 565 Nr. 12; BGH, Urteil vom 01.06.2017, Az. IX ZR 205/15, NJW-RR 2017, 1020, Rn. 11; LAG Hamm, Urteil vom 23.10.2013, Az. 3 Sa 938/13, juris, Rn. 259, 161). Neuer Sachverhalt in diesem Sinne liegt indes nicht vor. Die vom Beklagten nach der Zurückverweisung vorgelegten weiteren Gutachten/Stellungnahmen/Referenzen stellen keine neuen Tatsachen dar, sondern geben lediglich Rechtsauffassungen wieder. Die erst im Nachgang zu dem BAG-Urteil vom 25.04.2023 verfassten Dokumente wie die Satzung 2023 und die Glaubensordnung sind schon mangels Geltung im streitgegenständlichen Zeitraum vorliegend rechtlich nicht relevant. Dass damit nur zuvor Geltendes verschriftlicht worden sei, behauptet der Beklagte lediglich pauschal. Der Beklagte hat zwar nach der Zurückverweisung auch zu seinen Glaubensüberzeugungen und seiner historischen Entwicklung weiter vorgetragen. Selbst wenn dies ein Mindestmaß an Systembildung begründen können sollte, was hier zugunsten des Beklagten unterstellt werden kann, so ändert dies nichts an der weiteren Feststellung des Bundesarbeitsgerichts, dass es dem Beklagten an einer gemeinsamen religiösen/weltanschaulichen Zielsetzung als bestimmendes Element seiner Tätigkeit fehlt. Ein solches ergibt sich weiterhin nicht. Unstreitig können die O ihre Ansichten anderer Religionen beibehalten. Die Kombination von praktischen Techniken und Disziplinen des C mit den philosophischen Lehren des P sowie weiteren Religionen/Wissenschaften stellt als solches – wie das Bundesarbeitsgericht festgestellt hat - kein religiöses/weltanschauliches Bekenntnis dar. Allein das Ziel, sich von Wünschen und Begierden zu lösen und „spirituelle Erleuchtung“ zu erlangen, vermag keine gemeinsame Religion oder Weltanschauung zu begründen. Dieses Ziel kann selbst nach Vorstellung des Beklagten auch mit einem strikt nach christlichen Glaubensvorstellungen ausgerichteten Leben erreicht werden. Der E und die dort praktizierten Rituale waren – wie das Bundesarbeitsgericht festgestellt hat - nicht Ausdruck eines gemeinsamen Bekenntnisses, sondern der äußere Rahmen für die Ausübung und Verbreitung von C. Der Einholung eines religionswissenschaftlichen Gutachtens bedurfte es insoweit nicht.
278bb) Das Mindestlohngesetz findet entgegen der Auffassung des Beklagten für die hier streitgegenständlichen Stunden auch im Zeitraum bis zum 23.05.2019 Anwendung. Es liegt keine Ausnahme i. S. d. § 22 Absatz 3 Alternative 1 MiLoG vor.
279Insoweit kann dahinstehen, ob von der Ausnahmeregelung des § 22 Absatz 3 Alternative 1 MiLoG nicht nur nach dem BBiG anerkannte Ausbildungen erfasst sind, sondern auch andere hinreichend strukturierte und ausgeformte Aus- und Fortbildungsverhältnisse, wie z. B. journalistische Volontariate (so BeckOK ArbR/Greiner, 71. Edition, 01.03.2024, MiLoG § 22 Rn. 56; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Auflage 2024, § 22 MiLoG, Rn. 3; Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2022, § 22 MiLoG, Rn. 15; a. A. Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 2. Auflage 2017, § 22 Rn. 146; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 5. Auflage 2022, § 22 MiLoG, Rn. 33).
280Dahinstehen kann auch, ob es sich bei der Y-Ausbildung des Beklagten um eine solche vergleichbar strukturierte Ausbildung handelt.
281Die Klägerin macht mit ihrer Klage keine Zeiten als tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung geltend, in denen sie entsprechende Ausbildungszeiten wie die C lehrer-Ausbildung oder A-Schulungen absolviert hat. Für den Zeitraum der C therapie-Ausbildung (25.06.-23.07.2017), einer Weiterbildung vom 13.-22.04.2018, der Ausbildung zum Spirituellen Lebensberater (22.-28.07.2019) sowie der Meditationskursleiterausbildung (16.-30.08.2019), die der Beklagte aber selbst nicht als Bestandteil der Y-Ausbildung wertet, nutzte die Klägerin unstreitig Urlaub bzw. freie Tage. Der pauschale Verweis in der O-Ordnung, wonach die ersten 3-5 Jahre der O-Mitgliedschaft eine grundlegende Ausbildung seien und der Studiengang auch die eigene Praxis umfasse, führt ebenso wie die unsubstantiierten Behauptungen des Beklagten, Os würden den Beruf bzw. die Berufung des O zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes bis zum Lebensende erlernen und es würden teilweise Schulungen in der O zeit absolviert, zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Dass die Klägerin innerhalb der geltend gemachten Zeiten Schulungen im Rahmen ihrer Y-Ausbildung absolviert hätte, hat der Beklagte nicht konkret dargelegt. Zudem waren die 3-5 Jahre bereits im Jahr 2015 bzw. 2017 vollendet. Des Weiteren dienten die Tätigkeiten der Klägerin im Hauptunterrichtenden-Team, dem Socialmedia- und Webteam sowie im CoE Sanskrit nicht dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten mit dem Ziel der Qualifikation als Y, sondern – wie vom Bundesarbeitsgericht bindend festgestellt – Erwerbszwecken. Sie stellten Arbeitsleistungen dar, die dem gesetzlichen Mindestlohn unterfallen.
282cc) Es liegt auch keine Ausnahme nach § 22 Absatz 3 Alternative 2 MiLoG vor. Wie bereits ausgeführt und vom BAG bindend festgestellt, erbrachte die Klägerin ihre streitgegenständlichen Tätigkeiten nicht ehrenamtlich als Vereinsmitglied. Soweit die Parteien unterschiedliche Auffassungen zur Einordnung bestimmter Tätigkeiten vertreten, wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2. a) dd) (2) (d) (gg) der Gründe verwiesen.
283dd) Der Anspruch ist in Höhe von 41.192,45 Euro brutto gegeben. In Höhe von 881,81 Euro brutto ist die Klage unbegründet.
284(1) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Absatz 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeitsvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Erreicht die vom Arbeitgeber in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden tatsächlich gezahlte Bruttovergütung im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Absatz 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn, was vom Arbeitnehmer darzulegen ist, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung (BAG, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, juris, Rn. 22, 24; BAG, Urteil vom 24.06.2020, Az. 5 AZR 93/19, juris, Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts scheiden - da ein Arbeitszeitkonto i.S.d. § 2 Absatz 2 MiLoG vorliegend unstreitig nicht vereinbart wurde - längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus, da mit dem Mindestlohngesetz den in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern ein Monatseinkommen „oberhalb der Pfändungsfreigrenze“ gesichert werden soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; BAG, Urteil vom 17.01.2018, 5 AZR 69/17, juris, Rn. 12; BAG, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, juris, Rn. 25). Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt (BAG, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, juris, Rn. 26).
285Da der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Arbeitsstunde entsteht (§ 1 Absatz 2 i.V.m. §§ 20, 1 Absatz 1 MiLoG), ist die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden erforderlich (BAG, Urteil vom 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16, juris, Rn. 19). Für Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub, vorübergehende Verhinderung nach § 616 BGB) begründet das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine unmittelbaren Ansprüche. Allerdings verlangt das maßgebliche Entgeltausfall- bzw. Referenzprinzip, den Mindestlohn nach § 1 Absatz 2 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungs- und Urlaubsentgeltanspruchs einzustellen (BAG, Urteil vom 13.05.2015, Az. 10 AZR 495/14, juris, Rn. 28ff; BAG, Urteil vom 13.05.2015, Az. 19 AZR 191/14, juris, Rn. 31; BAG, Urteil vom 20.09.2017, Az. 10 AZR 171/16, juris, Rn. 24; BAG, Urteil vom 20.06.2018, Az. 5 AZR 377/17, juris, Rn. 11; BAG, Urteil vom 30.01.2019, Az. 5 AZR 43/18, NZA 2019, 768; BAG, Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, juris, Rn. 56, 57). Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten (BAG, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, juris, Rn. 19).
286Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611a BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (z.B. § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Absatz 1, § 3 Absatz 1 EFZG, § 37 Absatz 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen (BAG, Urteil vom 18.04.2012, Az. 5 AZR 248/11, juris). Seiner Darlegungslast genügt er, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend (BAG, Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, juris; BAG, Urteil vom 04.05.2022, Az. 5 AZR 474/21, juris, Rn. 24; BAG, Urteil vom 16.05.2012, Az. 5 AZR 347/11, juris). Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Absatz 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr, vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, juris; BAG, Urteil vom 04.05.2022, Az. 5 AZR 474/21, juris; BAG, Urteil vom 16.05.2012, Az. 5 AZR 347/11, juris; BAG, Urteil vom 18.04.2012, Az. 5 AZR 248/11, juris).
287Macht der Arbeitnehmer Vergütung für über die Normalarbeitszeit hinausgehende Stunden geltend, so hat er neben der Überstundenleistung zudem darzulegen, inwieweit die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind (BAG, Urteil vom 10.04.2013, Az. 5 AZR 122/12, juris, Rn. 14).
288(2) In Anwendung dieser Grundsätze kann die Klägerin unter Zugrundelegung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 7 Stunden pro Tag bei 6 Tagen in der Woche Ansprüche in Höhe von insgesamt 41.192,45 Euro brutto erfolgreich geltend machen. In Höhe von 881,81 Euro brutto ist die Klage unbegründet.
289(a) Zwischen den Parteien galt im streitgegenständlichen Zeitraum eine reguläre Arbeitszeit von 42 Wochenstunden bzw. 7 Stunden pro Tag bei 6 Tagen pro Woche.
290Nach § 14 des Vertrags vom 29.07.2012 betrug die regelmäßige O zeit regelmäßig 42 Stunden wöchentlich, wobei Genaueres in der jeweils gültigen Fassung der S geregelt sei. In der S 2015 war insoweit geregelt, dass das Normal-O-Zeit-Modell das Modell „42+“ sei mit mindestens 42 Stunden wöchentlich, bei 6 Tagen also täglich mindestens 7 Stunden. Die S vom 20.12.2015 sah dann insoweit stattdessen eine Richt-O-Zeit von 7-8 Stunden pro Tag bei 6 Tagen pro Woche vor. Zwar bestand jedenfalls ab dem 01.01.2017 keine Richt-O-Zeit-Regelung mehr. Allerdings sollte sich mit dieser geänderten Formulierung, wie im Protokoll der O-Versammlung vom 13.12.2016 niedergelegt, an den O zeiten praktisch nichts ändern. Dafür, dass sich praktisch nichts änderte und auch nichts ändern sollte, spricht auch der Umstand, dass die S 2018 und 2020 (sowie auch 2022) weiterhin Regelungen enthalten, wonach Eltern mit Kindern und Rentner weniger Stunden als die anderen O zu leisten brauchen. Auch wurde im Wochenplan weiterhin nach Arbeitszeitmodellen differenziert. Des Weiteren spricht die Regelung unter B.3.4 lit j. der S 2018 und 2020, wonach in Phasen mit vielen Aufgaben und wichtigen Dingen „auch ruhig mal länger als 7 Stunden O“ gemacht werden könne, dafür, dass es sich bei 7 Stunden O pro Tag über den 01.01.2017 hinaus um die regelmäßige Arbeitszeit handelte. Die Behauptung des Beklagten, es habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine O zeit-Vorgaben mehr gegeben, ist somit nicht zutreffend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch im streitgegenständlichen Zeitraum eine regelmäßige O zeit von 42 Wochenstunden, verteilt auf 6 Tage pro Woche, und damit eine tägliche Arbeitszeit von 7 Stunden galt.
291(b) Die Tage, an denen die Klägerin im Rahmen des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt war, sind daher gemäß § 3 Absatz 1 EFZG mit jeweils 7 Stunden und dem jeweiligen gesetzlichen Mindestlohn zu berücksichtigen.
292Die Klägerin war unstreitig an folgenden Tagen arbeitsunfähig erkrankt:
29316.-18.01.2017 (3 Tage)
29421.02. und 23.-25.02.2018 (4 Tage)
29523.-25.11.2018 (3 Tage)
29630.04.2018 (1 Tag)
29701.05.18 (1 Tag)
29823.-25.09. und 27.-28.09.2019 (5 Tage)
29918.12.2019 (1 Tag)
30013.-14.01.2020 (2 Tage)
30106.-07.03.2020 (2 Tage).
302Für diese Tage schuldet der Beklagte der Klägerin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 7 Stunden/Tag.
303(c) Die Tage, an denen die Klägerin Urlaub hatte, sind gemäß § 11 Absatz 1 BUrlG ebenfalls mit jeweils 7 Stunden und dem jeweiligen gesetzlichen Mindestlohn zu berücksichtigen.
304(aa) Insoweit sind für die Berechnung des Urlaubsentgelts folgende Tage zu berücksichtigen:
30504.-08.01.2017 (4 Tage)
30618.-22.03.2017 (5 Tage)
30724.-30.06.2017 (5 Tage, da Sonntag, der 25.06.2017 nach eigenem Vorbringen der Klägerin als „freier Tag“ keine Berücksichtigung findet)
30801.-23.07.2017 (20 Tage)
30921.-30.11.2017 (7 Tage, da Sonntag, der 26.11.2017 nach eigenem Vorbringen der Klägerin als „freier Tag“ keine Berücksichtigung findet)
31030.01.2018 (1 Tag)
31124.-25.03.2018 (2 Tage)
31214.-22.04.2018 (8 Tage)
31304.-06.05.2018 (3 Tage)
31422.-30.06.2018 (8 Tage)
31513.-18.08.2018 (5 Tage)
31605.-07.10.2018 (3 Tage)
31720.-21.11.2018 (2 Tage)
31828.-31.12.2018 (4 Tage)
31911.-17.03.2019 (6 Tage)
32027.-31.05.2019 (4 Tage)
32101.-02.06.2019 (2 Tage)
32206.-07.07.2019 und 22.-28.07.2019 (8 Tage)
32317.-30.08.2019 (12 Tage)
32402.-06.09.2019 (6 Tage)
32528.-31.12.2019 (4 Tage)
32603.-07.02.2019 (4 Tage; soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 12.02.2024 ohne weitere Erläuterung anführt, dass die Klägerin vom 03.-07.02.2020 freie Tage gehabt habe, vermag dies keinen hinreichenden Einwand darzustellen)
32725.-31.05.2019 (6 Tage)
328Der im Juni 2020 gewährte Urlaub hat aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Anspruchs für Juni 2020 keine rechtliche Relevanz mehr.
329Nicht zu berücksichtigen ist zudem der 16.08.2019, den die Klägerin ebenfalls als Urlaubstag anführt, der Beklagte lediglich als „freien Tag“, da die Berücksichtigung dieses Tags zu einem Überschreiten der erstinstanzlich für diesen Monat geltend gemachten und zugesprochenen insgesamt 26 Arbeits-/Urlaubstage führen würde, was nach § 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO nicht zulässig ist.
330(bb) Unbegründet ist der Urlaubsentgeltanspruch der Klägerin hingegen in Höhe von 433,16 Euro brutto für weitere sieben, von der Klägerin zweitinstanzlich angeführte und vom Beklagten bestrittene Urlaubstage am 21.03., 23.03. und vom 26.-31.03.2018, da es insoweit an einem konkreten Vortrag der Klägerin und entsprechendem Beweisantritt fehlt.
331(d) Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen.
332(aa) Die Klägerin hat ihre Arbeitsstunden in der Normalarbeitszeit jedenfalls mit Schriftsatz vom 02.01.2024 substantiiert dargelegt. Sie hat für jeden Tag im streitgegenständlichen Zeitraum angegeben, von wieviel Uhr bis wieviel Uhr sie als Arbeitnehmerin gearbeitet hat. Dass die Zeitangaben im Schriftsatz in tabellarischer Form angegeben wurden, steht einem substantiierten Vortrag nicht entgegen, dient vielmehr der Übersichtlichkeit (vgl. BAG, Urteil vom 04.05.2022, Az. 5 AZR 474/21, juris).
333Weitere Angaben der Klägerin, insbesondere zur konkreten Tätigkeit, waren auf dieser ersten Stufe nach der zitierten, maßgebenden Rechtsprechung des BAG nicht erforderlich. So heißt es auch im Urteil des BAG vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22, Rn. 58 explizit, dass der Arbeitnehmer mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, regelmäßig zugleich behaupte, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben und dass dies für die erste Stufe der Darlegung ausreichend ist.
334Dass die Tätigkeiten der Klägerin auch der A GmbH zugutekamen, führt nicht zu Unschlüssigkeit der Klage gegen den Beklagten. Dies hat das BAG mit Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22 bindend festgestellt. Neue Tatsachen wurden hierzu nicht vorgetragen. Insbesondere beruft sich die Klägerin, wie sie in der Berufungsverhandlung am 14.05.2024 nochmal klargestellt hat, nicht auf eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung und ein zur GmbH begründetes Arbeitsverhältnis.
335(bb) Es oblag somit dem Beklagten, im Einzelnen darzulegen, welche Arbeiten er der Klägerin zugewiesen hat und an welchen Tagen die Klägerin von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Diesen Anforderungen wird der schriftsätzliche Sachvortrag des Beklagten trotz seines Umfangs nicht gerecht.
336Soweit der Beklagte behauptet, die Klägerin habe zu von dieser geltend gemachten Zeiten keine Arbeitsleistung erbracht, da diese nach einem „Abgleich der Daten der Klägerin mit Unterrichtsplänen (Rapla-Tool), Wochenplänen des Shivalaya, Einsatzplänen, abgespeicherten aufgabenbezogenen Unterlagen, Logdaten, Zeugenaussagen und qualifizierten Schätzungen auf fundierter Datenbasis“ nicht nachvollziehbar seien, genügt dies der Darlegungslast des Beklagten nicht. Damit trägt der Beklagte nicht vor, welche Tätigkeiten er der Klägerin zugewiesen hat und von wann bis wann die Klägerin den Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Aus dem Umstand, dass in den Unterrichtsplänen kein Eintrag vorhanden gewesen sein soll, kann ebenso wenig wie aus dem Umstand des Fehlens von Logdaten geschlossen werden, dass die Klägerin nicht gearbeitet hätte. Die Tätigkeit der Klägerin bestand auch aus der Wahrnehmung von Terminen, Gesprächen mit Vorgesetzten/Kollegen/Teammitgliedern, Schulungen von für den Beklagten tätigen Personen und Recherchen bei technischen Problemen. Sie hat auch nicht nur mit Typo3, sondern auch mit anderen Programmen gearbeitet. Dass all dies in den vom Beklagten vorgenommenen Schätzungen berücksichtigt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Die pauschale Behauptung des Beklagten, die Schätzungen seien „auf fundierter Datenbasis“ erfolgt, genügt nicht und ist rechtlich unerheblich. Des Weiteren ordnet der Beklagte bestimmte Aufgaben/Zeiten bestimmten Tagen zu, ohne zu wissen, wann die Klägerin diese Zeiten/Aufgaben tatsächlich erbracht hat. Es handelt sich somit um durchschnittliche Angaben, die keinen Vortrag zu konkreten Arbeitszeiten darzustellen vermögen, worauf der Beklagte selbst hingewiesen hat. Zudem wurden im persönlichen E-Mail-Postfach der Klägerin eingegangene dienstliche Mails – nach Vortrag des Beklagten aus Datenschutzgründen - von dem Beklagten nicht ausgewertet.
337Sofern der Beklagte für die Reisen nach Rishikesh (Indien) vom 29.10.2017 bis 17.11.2017, 28.10.2018 bis 16.11.2018 sowie vom 27.10.2019 bis 15.11.2019, die von der Klägerin als Dienstreisen vermerkt sind und während derer die Klägerin als Assistentin des Gruppenleiters sowie als Dolmetscherin fungierte, weniger als 7 Stunden täglich berücksichtigt haben möchte, ist der Vortrag ebenfalls nicht ausreichend. Der Beklagte behauptet für die Reise im Jahr 2017 insoweit lediglich, dass die Klägerin jeden Tag zwei Stunden O-Zeit i.e.S. erbracht habe als Assistenz des Gruppenleiters (Rückfragen, Begleitung, organisatorische Fragestellungen). Dies stellt keinen substantiierten Sachvortrag nach Maßgabe der BAG-Rechtsprechung dar. Für die Reisen im Jahr 2018 und 2019 führt der Beklagte dann jeweils an, dass es sich um eine spirituelle Pilgerreise und daher um eine religiöse Tätigkeit gehandelt habe, weshalb grundsätzlich keine berücksichtigungsfähige O vorliege. Etwas Anderes gelte nur für je 12 Stunden An- und Abreise sowie an den übrigen Tagen - unter Verweis auf einen generellen Tagesablauf - für je eine Stunde ohne zeitliche Zuordnung für Tätigkeiten der Klägerin als Assistenz des Gruppenleiters (Rückfragen, Begleitung, Organisatorisches) sowie für je eine Stunde ohne zeitliche Zuordnung für das Dolmetschen von Vorträgen. Auch dies stellt – schon wegen der fehlenden zeitlichen Zuordnung - keinen konkreten Sachvortrag dar. Zudem handelt es sich nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nicht um eine im Eigeninteresse der Klägerin durchgeführte Pilgerreise.
338Soweit der Beklagte für den 13.04.2019 einerseits einwendet, dass es sich um einen freien Tag gehandelt habe, andererseits anführt, dass für die Zeiten 08.00 – 11.00 Uhr und 12.00 – 16.00 Uhr kein Eintrag im Rapla-Tool vorhanden sei und daher keine berücksichtigungsfähige O vorliege, erscheint der Vortrag in sich widersprüchlich und zudem nicht substantiiert. Ein Abzug ist für diesen Tag daher nicht vorzunehmen.
339Soweit sich der Beklagtenvortrag auf Zeiten bezieht, die oberhalb von 7 Stunden pro Tag liegen, ist der Vortrag nicht streitentscheidend; maximal kann die Klägerin 7 Stunden pro Tag beanspruchen.
340Die zeitlichen Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 02.01.2024 sind daher grundsätzlich – zu den Ausnahmen siehe nachfolgend unter 2. a) dd) (2) (d) (cc) – (gg) der Gründe - als unstreitig der Berechnung zugrunde zu legen.
341(cc) Soweit die Klägerin an einzelnen Tagen allerdings uhrzeitlich mehr als 7 Stunden angeführt hat, sind die darüber hinausgehenden Zeiten - mangels Vortrags zur Anordnung/Billigung/Duldung/Erforderlichkeit von Überstunden und da die Klägerin selbst nur maximal insgesamt 7 Stunden pro Tag anführt und einklagt - nicht einzuberechnen.
342(dd) Zudem sind Tage, die die Klägerin mit „freier Tag“ gekennzeichnet hat, auch dann nicht einzuberechnen, wenn die Klägerin für diese Tage geleistete Stunden anführt (31.03.2017, 28.04.2017, 05.05.2017, 12.05.2017, 19.05.2017, 04.08.2017, 11.08.2017, 18.08.2017, 25.08.2017, 27.09.2017, 18.01.2018, 06.07.2018, 13.07.2018, 20.07.2018, 24.08.2018, 31.08.2018, 10.02.2019, 12.04.2019, 25.04.2019, 14.06.2019, 02.10.2019, 09.10.2019, 13.10.2019, 27.02.2020), da es sich insoweit um nicht näher dargelegte Überstunden handelt und der Klägerin zudem gemäß §§ 308 Absatz 1 Satz 1, 322 Absatz 1 ZPO nicht mehr Tage pro Monat zugesprochen werden können als erstinstanzlich. Würde man die Stunden dieser „freien“ Tage hinzurechnen, würde der Klägerin mehr gewährt als eingeklagt.
343(ee) Soweit die Klägerin für einzelne Monate zweitinstanzlich mehr zu vergütende Tage à 7 Stunden angibt als erstinstanzlich zugesprochen, sind diese zusätzlichen Arbeitstage gemäß § 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Dies betrifft den Monat Dezember 2017, für welchen die Klägerin nunmehr 22 Tage statt erstinstanzlich 21 Tage anführt, den Monat Oktober 2018, für welchen die Klägerin nunmehr 28 Tage statt erstinstanzlich 27 Tage anführt, und den Monat August 2019, für welchen die Klägerin nunmehr 27 Tage statt erstinstanzlich 26 Tage anführt. Die maximal zuzusprechenden Beträge sind in der nachfolgenden Tabelle grau hinterlegt.
344(ff) Unschlüssig und damit als unbegründet abzuweisen ist die Klage, soweit die Klägerin in ihrer konkreten Darlegung der Arbeitszeiten im Schriftsatz vom 02.01.2024 weniger Stunden pro Monat geltend macht als erstinstanzlich eingeklagt und zugesprochen. Dies macht einen Betrag von insgesamt 448,60 Euro brutto aus.
345Dies betrifft zum einen Arbeitstage, für welche die Klägerin konkret nun weniger als 7 Stunden anführt. Dies gilt für den 01.10.2017, für den die Klägerin nur 3 Stunden anführt, für den 05.04.2019, für den die Klägerin nur O zeiten von 08.00-11.00 Uhr und von 21.00-22.00 Uhr, also insgesamt 4 Stunden, geltend macht, sowie für den 26.05.2019, für welchen die Klägerin O zeiten von 08.00 Uhr-11.00 Uhr, 12.30 Uhr-14.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr und somit insgesamt 6,5 Stunden anführt. Die darüber hinausgehende Klage ist daher für Oktober 2017 im Umfang von 4 Stunden (35,36 Euro brutto), für April 2019 im Umfang von 3 Stunden (27,57 Euro brutto) und für Mai 2019 im Umfang von 0,5 Stunden (4,59 Euro brutto) unschlüssig.
346Zum anderen betrifft dies jeweils 7 Stunden im August 2017 (61,88 Euro brutto), Mai 2018 (61,88 Euro brutto), Januar 2019 (64,33 Euro brutto), Juli 2019 (64,33 Euro brutto), November 2019 (64,33 Euro brutto) und März 2020 (64,33 Euro brutto). Denn insoweit wurden der Klägerin für August 2017, Mai 2018, Januar 2019 und Juli 2019 jeweils 27 Tage x 7 Stunden = 189 Stunden zugesprochen, hat die Klägerin aber jeweils konkret nur 26 Tage x 7 Stunden dargelegt. Für November 2019 wurden der Klägerin erstinstanzlich 26 Tage x 7 Stunden = 182 Stunden zugesprochen, hat die Klägerin aber konkret nur 25 Tage x 7 Stunden = 175 Stunden dargelegt. Für März 2020 wurden der Klägerin erstinstanzlich 13 Tage x 7 Stunden = 91 Stunden zugesprochen und hat sie konkret nur 12 Tage x 7 Stunden = 84 Stunden dargelegt.
347(gg) Hinsichtlich des Einwands des Beklagten, in den von der Klägerin angegebenen Zeiten seien Zeiten mit Tätigkeiten enthalten, die ehrenamtlich oder genuin-religiös seien und daher nicht mit dem Mindestlohn zu vergüten seien, ist Folgendes zu berücksichtigen:
348Da das Rechtsverhältnis der Parteien – wie ausgeführt - als Arbeitsverhältnis zu werten ist, sind grundsätzlich alle in diesem Rahmen ausgeführten Tätigkeiten mindestlohnpflichtig. Sofern man überhaupt die Möglichkeit der Aufspaltung einer Gesamtheit von Leistungen in einen arbeitsvertraglichen und einen ehrenamtlichen Teil anerkennen möchte, was hier dahinstehen kann, darf dies jedenfalls nicht zur Umgehung des Arbeitsrechts führen (Thüsing-Bleckmann, SpuRt 2023, 86 [92]; vgl. Riechert/Nimmerjahn, 2. Auflage 2017, MiLoG § 22 Rn. 156; Peters, Das Weisungsrecht der Arbeitgeber, 2. Auflage 2021, Rn. 413; vgl. auch BAG, Urteil vom 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22). Sofern der Beklagte geltend macht, es habe sich bei einzelnen Tätigkeiten nicht um vergütungspflichtige Tätigkeiten, sondern um eine unentgeltliche, ehrenamtliche oder genuin-religiöse Tätigkeiten gehandelt, trifft ihn daher - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – die Darlegungs- und Beweislast.
349Es ist demnach nicht ersichtlich, weshalb die Übernahme der Leitung des M oder anderer Rituale ebenso wie das Dolmetschen während dieser Rituale (z. B. am 19.09.2018, 25.10.2018, 19.01.2019, 20.01.2019, 03.10.2019) nicht mindestlohnpflichtig sein sollten. Es handelt sich beim Leiten der Rituale auch mangels Eigenschaft des Beklagten als Religionsgemeinschaft nicht um eine religiöse Tätigkeit, die vom Mindestlohn auszunehmen wäre. Das Dolmetschen gehörte zu den Hauptaufgaben der Klägerin. Die Teilnahme der Klägerin an den Okatagen/Okaversammlungen (wie von dem Beklagten für den 16.-17.12.2019 geltend gemacht) ist ebenfalls nicht als ehrenamtliche, nicht mindestlohnpflichtige Tätigkeit zu werten. Die O versammlungen sind nach § 11 der Satzung 2015 für Entscheidungen im Alltag zuständig, insbesondere für alle Entscheidungen, die nicht von der allgemeinen Mitgliederversammlung getroffen werden. Sie entscheiden insbesondere auch über den O dienst. Insofern handelt es sich gerade nicht um die vereinsrechtliche Mitgliederversammlung, sondern um eine Mitarbeiter-/O versammlung, die über dienstliche Angelegenheiten befindet. Die Teilnahme an diesen O versammlungen ist daher als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu werten.
350(3) Für die einzelnen Monate ergibt sich unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze folgende Berechnung:
351 352 353Die vom Beklagten gewährten Sachleistungen wie Kost und Logis sind – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - auf die Mindestlohnansprüche nicht anzurechnen (BAG, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, juris, Rn. 16). Im Übrigen käme eine Anrechnung solcher Sachleistungen gemäß § 107 Absatz 2 Satz 5 GewO nur auf pfändbaren Beträge in Betracht, was vorliegend nicht ersichtlich ist.
354Soweit der Beklagte geltend macht, dass die in dem erstinstanzlichen Urteil für März 2020 und Mai 2020 in die Gesamtberechnung eingestellten Beträge, für deren Berechnung auf dem Urteil nicht beigefügte Anlagen verwiesen worden sei, seine Verurteilung insoweit nicht tragen könne, stellt dies keinen substantiierten Vortrag zur Erfüllung der Ansprüche dar. Erstinstanzlich wurden zugunsten des Beklagten für März 2020 476,67 Euro brutto und für Mai 2020 360,13 Euro brutto berücksichtigt. Nach den allgemein bekannten Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislastverteilung obliegt es dem Beklagten eine umfangreichere Erfüllung des Anspruchs nach § 362 BGB darzulegen. Dies ist nicht geschehen.
355Im Vergleich zur erstinstanzlichen Verurteilung ergibt sich eine Differenz von 881,81 Euro brutto. Diese beruht – wie ausgeführt – in Höhe von 433,16 Euro brutto auf dem insoweit nicht schlüssig dargelegten Urlaubsentgeltanspruch und in Höhe von 448,60 Euro brutto auf den nicht schlüssig dargelegten tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden. Die weitere Differenz von 0,05 Euro brutto ist darauf zurückzuführen, dass sich aus den erstinstanzlich zuerkannten monatlichen Differenzansprüchen tatsächlich ein Betrag von 42.074,21 Euro brutto anstelle der ausgeurteilten 42.074,26 Euro brutto ergibt.
356ee) Soweit der Beklagte vor dem Hintergrund, dass die Klage erst mit der im Termin erfolgten klägerischen Klarstellung einer abschließenden Gesamtklage schlüssig geworden sei, die Gewährung einer Schriftsatzfrist beantragt hat, war diesem Antrag nicht zu entsprechen. Zum einen hat die Klägerin im Termin lediglich das sich anhand der vorherigen Schriftsätze ergebende Auslegungsergebnis bestätigt. Zum anderen betrifft die Erklärung zur abschließenden Gesamtklage die – von dem Beklagten nicht gerügte - Zulässigkeit der Klage, nicht deren Schlüssigkeit. Letztlich hatte der Beklagte die Schlüssigkeit der Klage bereits zuvor gerügt und dennoch inhaltlich vorgetragen. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb aufgrund der bloßen klägerischen Klarstellung einer abschließenden Gesamtklage die Gewährung einer Schriftsatzfrist erforderlich sein sollte.
357Auch im Hinblick auf den klägerischen Schriftsatz vom 02.05.2024 war dem Beklagten kein Schriftsatznachlass zu gewähren, da der Beklagte zum einen bereits mit Schriftsatz vom 08.05.2024 darauf erwidert hat und es zum anderen auf dessen Inhalt nicht streitentscheidend ankam. Gleiches gilt hinsichtlich des von der Klägerin vorsorglich beantragten Schriftsatznachlasses hinsichtlich der Schriftsätze des Beklagten vom 06.05. und 08.05.2024.
358b) Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 2 BGB. Die Klage wurde dem Beklagten am 17.09.2020 zugestellt. Die Klägerin kann daher ab dem 18.09.2020 Prozesszinsen beanspruchen.
359IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Absatz 1 Satz 1, 97 Absatz 1, 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage gegen die ursprüngliche Beklagte zu 2) zurückgenommen hat, hat sie die erstinstanzlichen Kosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen der Beklagten zu 2) zu tragen. Im Übrigen hat jede Partei die Kosten des Rechtsstreits erster, zweiter und dritter Instanz insoweit zu tragen als sie unterlegen ist. Dies führt bei der Klägerin erstinstanzlich zu einer Kostentragungsquote in Höhe von 89% (350.288,87 Euro [195.740,66 gegenüber der Beklagte zu 2 + 154.548,81 gegenüber dem Beklagten zu 1] ./. 391.481,32 Euro). Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten des Beklagten hat die Klägerin zu 79% zu tragen (154.548,81,00 Euro ./. 195.740,66 Euro). Die zweit- und drittinstanzlichen Kosten hat die Klägerin in Höhe von 2 % (881,81 Euro ./. 42.074,26 Euro) zu tragen. Der Beklagte ist erstinstanzlich in Höhe von 11 % unterlegen (41.192,45 Euro ./. 391.481,32 Euro) und im Übrigen in Höhe von 98 % (41.192,45 Euro ./. 42.074,26 Euro).
Gründe für die (erneute) Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG. Auf die Frage, ob es sich bei der Y-Ausbildung um eine Ausbildung i. S. d. § 22 Absatz 3 MiLoG handelt, kam es aufgrund der Einzelumstände schon nicht streitentscheidend an. Die Frage, ob es sich bei dem Beklagten um eine Religionsgemeinschaft handelt und die Klägerin als O Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns hat, kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Diese Frage wurde vom BAG mit Urteil vom 25.04.2023 bereits entschieden. Eine Rechtsfrage hat zudem nicht allein deshalb grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG, weil von ihr mehr als 20 Arbeitsverhältnisse bei dem beklagten Arbeitgeber betroffen sein können (BAG, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 3 AZN 146/11, juris). Der Umstand, dass hinsichtlich der Frage der Religionsgemeinschaft Verfassungsbeschwerden des Beklagten anhängig sind und der Beklagte einen Antrag auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts gestellt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere hat die Kammer allein über den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2017 bis Juni 2020 entschieden; ob zwischenzeitlich eine andere rechtliche Bewertung zur Frage des Vorliegens einer Religionsgemeinschaft gerechtfertigt sein könnte, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Dass die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen über den Verein des Beklagten hinaus das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren würde, ist daher gleichfalls nicht ersichtlich. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde. Vielmehr ist die Kammer den Grundsätzen der BAG-Rechtsprechung gefolgt. Eigene neue Rechtsgrundsätze wurden nicht aufgestellt.
362RECHTSMITTELBELEHRUNG
363Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
364Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.