Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Kein Leitsatz
1. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
2. Streitwert 5.600,-- .
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und Beschäftigung.
3Die Beklagte betreibt ein ... Sie beschäftigte die .. geborene Klägerin seit . als ., zuletzt in einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 24 Stunden pro Woche in der Filiale .. bei einer durchschnittlichen monatlichen Vergütung von 1.400,00 .
4Im Zeitraum 1. bis 22. Dezember 2008 ließ die Beklagte nach zuvor beantragter (Schreiben vom 19. November 2008) und sodann erteilter (Schreiben vom 21. November 2008) Zustimmung des Betriebsrats durch die Fa. in der Filiale eine verdeckte Videoüberwachung u.a. im Kassenbereich durchführen. Die Aufzeichnungen und Auswertungsprotokolle wurden dem zuständigen Bezirksverkaufsleiter .. am 12. Januar 2009 ausgehändigt. Daraus war erkennbar, daß die Klägerin am 6. und am 17. Dezember 2008 nach Geschäftsschluß Gegenstände aus den sgn. Zigarettenschütten - abschließbaren Behältnissen, die nur nach vorheriger Öffnung von der Kasse aus zugänglich sind - entnommen hat.
5Am 16. Januar 2009 hörten der Gebietsverkaufsleiter Lange und die Verkaufsleiter und .. die Klägerin zu diesen Vorgängen an und spielten ihr die entsprechenden Videosequenzen vor. Die Klägerin bestritt, Zigaretten entwendet zu haben.
6Im Anschluß an das Gespräch stellte die Beklagte die Klägerin von der Arbeitsleistung frei. Daraufhin hat die Klägerin am 22. Januar 2009 das vorliegende Verfahren eingeleitet, gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten zu ihrer tatsächlichen Beschäftigung.
7Zugleich informierte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 20. Januar 2009 in Ablichtung zur Klageerwiderung angelegt und wegen des Inhalts im Einzelnen in Bezug genommen über ihre Absicht, gegenüber der Klägerin eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Tat- bzw. Verdachtskündigung auszusprechen.
8Mit Schreiben vom 23. Januar 2009, welches am selben Tage um 16:11 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde, kündigte die Beklagte fristlos, hilfsweise fristgerecht.
9Hiergegen hat die Klägerin am 6. Februar 2009 erweiternd Kündigungsschutzklage erhoben.
10Sie bestreitet, Zigaretten entwendet zu haben. Sie habe ihre Aufgaben erledigt, zu denen es gehöre, das Zigarettenregal ein- und auszuräumen und zu ordnen.
11Sie bestreite, daß der Betriebsrat angehört worden sei. Der Betriebsratsvorsitzende habe von einer Kündigung nichts gewußt. Jedenfalls sei das Verfahren nicht ordnungsgemäß. Schließlich heiße es im Anhörungsschreiben, die Klägerin habe einige Schachteln Zigaretten entnommen, während der prozessuale Vorwurf laute, die Klägerin habe gerade mal zwei Zigarettenschachteln entwendet. Auch sei dem Betriebsrat das Videomaterial nicht zur Verfügung gestellt worden, sondern nur das Protokoll.
12Die Klägerin beantragt zuletzt,
131. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als stellvertretende Filialleiterin in deren Niederlassung in Kerpen-Sindorf in vereinbarter Teilzeit bei 24 Stunden pro Woche tatsächlich zu beschäftigen,
142. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 23.01.2009 sein Ende gefunden hat,
153. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristgerechte zum nächst möglichen Termin ausgesprochene Kündigung vom 23.01.2009 sein Ende gefunden hat, sondern zu den Konditionen des geschlossenen Arbeitsvertrages unverändert fortbesteht.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie verweist auf hohe (ca. 7.600,00 pro Monat), durch konventionelle Maßnahmen nicht zu mindernde Inventurdifferenzen in der Filiale .., welche für sie der Anlaß gewesen sei, die auf besonders sensible Filialbereiche beschränkte Videoüberwachung durchzuführen, zunächst mit Blick auf eine andere in Verdacht geratene Mitarbeiterin als die Klägerin, deren Ruf bei der Beklagten bis dahin untadelig gewesen sei.
19Die Aufzeichnungen vom 6. und 17. Dezember 2008 hätten eindeutig den dringenden Tatverdacht gegenüber der Klägerin wegen Zigarettendiebstahls ergeben, weil sie jeweils nach Geschäftsschluß den Kassenbereich aufgesucht, die Zigarettenschütten geöffnet, daraus Zigarettenschachteln entnommen und in offen zugängliche Bereichen der gegenüberliegenden Kasse verstaut habe, von wo sie sie, nachdem sie die Zigarettenschütten wieder verschlossen und zunächst andere Arbeiten erledigt habe, wieder weggenommen habe, um sich in Richtung Aufenthaltsraum zu begeben.
20Die Klägerin habe bei der Anhörung Gelegenheit gehabt, sich zu den ihr vorgespielten Videoaufzeichnungen zu äußern und ihre dabei dokumentierten Handlungen zu erklären. Dies sei nicht in plausibler Weise gelungen. Die Aufzeichnungen widerlegten, daß sie die Zigarettenschütten aufgeräumt oder hieraus etwas zur Entsorgung entnommen habe, auch erkläre dies nicht, weshalb sie Zigarettenpackungen zunächst an anderer Stelle im Kassenbereich versteckt und kurze Zeit später an sich genommen habe.
21Aufgrund der Hinzuziehung des Zeugen . (stellvertretender Betriebsratsvorsitzender) bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen habe der Betriebsrat konkrete Kenntnis von deren Inhalt gehabt. Die erfolgte Zustimmung zur Kündigung sei im Telefonat am 23. Januar 2009 um 12:20 Uhr zwischen der Verwaltungsleiterin Frau und der Zeugin (Betriebsrätin) mitgeteilt worden.
22Wegen des weiteren hier nach § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO nur knapp zusammengefaßt dargestellten Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der umfangreich ausgetauschten rechtlichen Argumentationen wird gemäß § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen verwiesen..
23Die Kammer hat aufgrund Beschlusses vom 10. Dezember 2009 und Ergänzung vom 4. Mai 2010 in der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2010 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen und Frau ., ferner die Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras im Kassenbereich vom 6. Dezember (Kamera 6) und 17. Dezember (Kamera 5) 2008 in Augenschein genommen. Wegen der Beweisthemen wird auf das Protokoll vom 10. Dezember 2009, wegen des Beweisergebnisses auf dasjenige vom 4. Mai 2010 verwiesen.
24Entscheidungsgründe
25Die gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 4 KSchG zulässige Kündigungsschutzklage ist unbegründet, ebenso der auf tatsächliche Beschäftigung gerichtete Antrag. Die Entscheidung der Kammer beruht im wesentlichen auf folgenden hier gemäß § 313 Abs. 3 ZPO zusammengefaßten Erwägungen:
26Die unstreitig in der Form des § 623 BGB erklärte Kündigung der Beklagten vom 23. Januar 2009 hat den Arbeitsvertrag der Parteien bereits aufgrund der primär fristlos ausgesprochenen Kündigung mit sofortiger Wirkung, d.h. gemäß § 130 Abs. 1 BGB mit ihrem Zugang bei der Klägerin aufgelöst.
27Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG mangels vorher durchgeführter Betriebsratsanhörung unwirksam. Der Zeuge als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender - hat bestätigt, daß die Beklagte die in Ablichtung zur Klageerwiderung angelegte schriftliche Anhörung nebst beigefügten Videoauswertungsprotokollen vorgelegt hat, ebenso hat er bestätigt, in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied zuvor Einsicht in die Auswertungen erhalten und die die Klägerin betreffenden Sequenzen vorgespielt erhalten zu haben. Danach war der Betriebsrat über alle maßgeblichen Tatsachen unterrichtet. Die Betriebsratsanhörung erfordert schließlich keinen vorweggenommenen substantiierten Kündigungsschutzprozeßvortrag gemäß § 138 ZPO, sondern die Mitteilung des zugrundeliegenden Sachverhalt und der vom Arbeitgeber bei einem Kündigungsentschluß als maßgeblich angesehenen Erwägungen in einer Weise, daß das Kollektivorgan die Entscheidung ohne weitere eigene Nachforschungen nachvollziehen kann. Nur wenn der Arbeitgeber die Kündigungsumstände bewußt unzutreffend oder unvollständig darstellt und daraus beim Kollektivorgan ein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entstehen kann, führt dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Anhörung und der nachfolgenden Kündigung. Diese Situation war hier nicht gegeben.
28Schließlich hat die Beweisaufnahme auch bestätigt, daß das Verfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG vor Kündigungsausspruch abgeschlossen war. Der Betriebsrat hat, wie das von dem Zeugen Kohler vorgelegte Protokoll belegt, der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich und einstimmig zugestimmt, d.h. keine Bedenken erhoben und auch nicht mehr erheben wollen, welche spätestens in drei Tagen in Schriftform geltend zu machen gewesen wären. Die entsprechende Mitteilung über den vom Betriebsrat gefaßten Zustimmungsbeschlusses konnte danach - ebenso wie die Zustimmung selbst - formlos erfolgen, demgemäß auch in dem Telefonat, welches nach der Bekundung der Zeugin noch am Nachmittag des 22. Januar 2009 oder am Vormittag des Folgetages geführt wurde. Aufgrund des mitgeteilten Zustimmungsbeschlusses war klar, daß der Betriebsrat keine Bedenken mehr äußern werde und das Anhörungsverfahren abgeschlossen war. Die Beklagte konnte danach die außerordentliche Kündigung gemäß dem Schreiben vom 23. Januar 2009 erklären und der Klägerin übermitteln.
29Für diese hatte die Beklagte auch in der Sache hinreichende wichtige Gründe i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB, weil ihr die Fortsetzung des unbefristeten Dienstverhältnisses mit der Klägerin auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden konnte. Eine solche Situation bestand im Verhältnis der Parteien aufgrund der bei der Überwachungsmaßnahme zu Tage getretenen Hinweise darauf, daß die Klägerin im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit Zigaretten aus dem Warenbestand der Beklagten entwendet hat, um sich diese rechtswidrig zuzueignen. Dabei ergibt sich ein den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB genügender wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung bereits aus einem einschlägigen durch Tatsachen begründeten dringenden Verdacht.
30In jedem Arbeitsverhältnis sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen, denn unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz verletzt der Arbeitnehmer hierdurch die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend und mißbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise, was auch dann gilt, wenn die Verletzungshandlung nur Sachen von geringem Wert betrifft. Im vorliegenden Vertragsverhältnis kommt noch hinzu, daß die konkreten arbeitsvertraglichen Aufgaben der Klägerin als . und .. ihr die Möglichkeit und Befugnis geben, über Vermögenswerte der Beklagten zu verfügen, so daß sie diese durch ein Fehlverhalten - sei es durch Nachlässigkeiten, sei es erst Recht durch darüber hinausgehende bewußte Unkorrektheiten - erheblich schädigen könnte. Wesentliche Grundvoraussetzung für das Arbeitsverhältnis bei entsprechenden Funktionen ist ein ungestörtes Vertrauensverhältnis. Daher machen objektiv begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit und Redlichkeit eines mit Kassenzugang beschäftigten Mitarbeiters dem Arbeitgeber im Regelfall eine Fortsetzung der Beschäftigung und der vertraglichen Beziehung schlechthin unzumutbar.
31Dies gilt bereits dann, wenn der durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß der Arbeitnehmer aus den Möglichkeiten, die ihm seine vertragliche Stellung und Tätigkeit bietet, eigenen Nutzen zieht. Denn das Zutrauen in redliches, die Interessen des Arbeitgebers wahrendes Geschäftsgebaren und eine korrekte vertragliche Aufgabenerfüllung geht auch dann schon in einem die Unzumutbarkeit jeglicher Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bewirkenden Maße verloren, wenn keine vollendeten Diebstahls- oder auch Unterschlagungshandlungen, Urkundenfälschungen, Veruntreuungen, Betrügereien oder sonstigen Straftatbestände nachgewiesen werden können, weil bereits der Verdacht solch deliktischen oder auch nur einschlägigen schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Fehlverhaltens, welches unterhalb der Schwelle strafrechtlich relevanter Vorgänge geblieben ist, das notwendige Vertrauen zerstören kann, so daß dieser Verdacht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet ist.
32Die von der Rechtsprechung geforderten starken, auf objektiven Tatsachen gründenden Verdachtsmomente ergaben sich für die Beklagte auf Grund der durch die Überwachungsvideos vom 6. und 17. Dezember 2008 dokumentierten Verhaltensweisen der Klägerin. Die der Klägerin und dem Gericht vorab zur Verfügung gestellten, von der Kammer eingehend als Augenscheinsobjekt überprüften Aufzeichnungen belegen eindeutig, daß die Klägerin an den beiden Tagen nach Geschäfts- und Kassenschluß Zigarettenschachteln aus der hierzu geöffneten Schütte entnommen, anschließend an frei zugänglichen Stellen der gegenüberliegenden Kasse deponiert und, nachdem die Schütte wieder verschlossen wurde, dort wieder herausgeholt und an sich genommen hat. Dabei war eindeutig zu erkennen, daß die Klägerin jeweils mindestens eine Schachtel Zigaretten, im zweiten Fall möglicherweise auch zwei oder mehr davon, in dieser Weise aus der Schütte herausgenommen, zwischengelagert und dann mitgenommen hat.
33Zu Recht wertet die Beklagte die Erklärungsversuche der Klägerin als Schutzbehauptungen, die durch die aufgezeichneten Abläufe widerlegt und zudem nicht plausibel sind. Weder bei dem Vorgang am 6. Dezember noch demjenigen am 17. Dezember 2008 ist auch nur ansatzweise zu erkennen, daß die aufgezeichneten Abläufe Tätigkeiten betreffen, bei welchen die Klägerin ordnungsgemäß Ware in die Zigarettenschütte ein-, um- oder ausgeräumt hat. Ebensowenig erschließt sich, daß die Klägerin, wie sie es im heutigen Termin erstmals anführt, beschädigte Zigarettenschachteln zur Retourlieferung an den Hersteller herausgenommen hat. Die auch unter diesem Gesichtspunkt in Augenschein genommenen Videos belegen solches nicht. Die Kammer konnte in den Vorgängen kein solches "Aufräumen" der Zigarettenschütten erkennen: Es war nicht zu beobachten, daß die Klägerin die Schütten geöffnet, dann den Inhalt zunächst insgesamt zu begutachtet hat, um dann eine Schachtel herauszunehmen, auf Beschädigung zu untersuchen und nach Feststellung einer solchen wegzubringen. Vielmehr hat sie ohne weiteres Betrachten jeweils nur an einer bestimmten Stelle in die geöffnete Schütte hineingegriffen, eine Zigarettenschachtel herausgeholt, auf der gegenüberliegenden Seite an einem unverschlossenen Platz deponiert, an welchem sie, nachdem die Schütte wieder ordnungsgemäß verschlossen war und daher niemand auf eine mögliche Entwendung von Zigaretten achten würde, die Schachteln jeweils später wieder herausgesucht hat.
34Richtig ist zwar, daß das weitere Vorgehen der Klägerin nicht beobachtet bzw. dokumentiert und unklar ist, was sie mit den Zigarettenschachteln nach der Inbesitznahme und dem Herausbringen aus dem direkten Kassenbereich getan hat. Dies ist eine Folge der durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorgegebenen räumlichen Beschränkung des Videoeinsatzes - hier auf den unmittelbaren Kassenbereich unter Herausnahme weiterer nicht "anfälliger" Bereiche sowie des Aufenthaltsraums. Die danach verbleibende theoretische Möglichkeit, daß die Klägerin die Zigarettenschachteln nicht mitgenommen, sondern im Bereich der Beklagten belassen hat, kann den durch ihr dokumentiertes Verhalten entstandenen dringenden Diebstahlsverdacht nicht ausräumen. Vielmehr ergibt sich aus den objektiven Umständen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Klägerin sich die aus den Zigarettenschütten genommenen, zunächst zwischengelagerten und dann aus dem Kassenbereich entfernten Zigarettenschachteln zugeeignet hat, damit der dringende Verdacht ihrer Täterschaft.
35Demnach ergaben die Vorgänge, welche in den von der Kammer in Augenschein genommenen Überwachungsvideos dokumentiert sind, objektive, nicht widerlegte oder auch nur erschütterte Verdachtsmomente im Hinblick auf unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung - erheblich vertragswidriges Verhalten der Klägerin, welche nach Auffassung der Kammer hinreichend schwerwiegend sind, um das zur sinnvollen Fortsetzung des Arbeitsvertrages als und .. notwendige Vertrauensverhältnis unheilbar zu beschädigen und die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Verdachtskündigung zu begründen.
36Der Verwendung der Überwachungsvideos steht entgegen der Auffassung der Klägerin kein Beweisverwertungsverbot entgegen. Die von der Fa. . dokumentierten Erkenntnisse wurden nicht unter Verstoß gegen gesetzliche und betriebsverfassungsrechtliche Vorgaben gewonnen. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Überwachungsmaßnahme erteilt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Betriebsparteien im Rahmen ihrer umfassenden Kompetenzen zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen und von Fragen der Ordnung des Betriebes zur Einführung von Videoüberwachungen im Betrieb befugt sind. Darin liegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG), hier das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild und das informationelle Selbstbestimmungsrecht, sind gegen die schutzwürdigen Belange anderer Grundrechtsträger abzuwägen, hier das auf Arbeitgeberseite eingreifende Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung und Eigentum (Artn. 12, 14 GG). Dies begründet ein rechtlich schützenswertes Interesse an der (repressiven) Aufklärung und der (präventiven) Verhinderung von Diebstählen. Auch das Bundesarbeitsgericht erkennt eine Videoüberwachung als zur Ergreifung und Überführung von Tätern und zur Verhinderung weiterer Diebstähle geeignetes Mittel an. Die hier von den Betriebsparteien aus gegebener Veranlassung geregelte räumlich wie zeitlich beschränkte Maßnahme hält der erforderlichen Angemessenheitsprüfung ohne weiteres stand.
37Auch wenn der Anlaß für die hier durchgeführte Kameraüberwachung die in der Filiale aufgetretenen erheblichen Inventurdifferenzen und ein in diesem Zusammenhang entstandener konkreter Verdacht gegen eine andere Mitarbeiterin mit dem hier in Rede stehenden Kündigungssachverhalt - Verdacht gegen die Klägerin, sie habe in zwei Fällen Zigaretten gestohlen in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht, war die Beklagte nicht verpflichtet, aus mitbestimmungsrechtlichen Gründen vor den bei Gelegenheit der zulässigen und sachlich gebotenen Maßnahme gewonnenen Erkenntnissen die Augen zu verschließen. Erst Recht ergibt sich kein Verbot, entsprechenden Sachverhalt im Kündigungsschutzprozeß einzubringen und sodann durch ein zivilprozessual zulässiges Mittel unter Beweis zu stellen. Diese Folge ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht einmal für Ermittlungsergebnisse, die der kündigende Arbeitgeber unter objektivem Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche bzw. aufgrund einer Betriebsvereinbarung geltenden Regelungen gewonnen hat.
38Ein Verwertungsverbot ergab sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. Der auch am Arbeitsplatz geschützte Privatbereich des Arbeitnehmers bezieht sich nicht auf die unzulässige Ausdehnung seines Privatinteresses in den gleichfalls geschützten Eigentums- und Geschäftsbereich des Arbeitgebers unter Ausnutzung der aufgrund des arbeitsvertraglichen Einsatzes gegebenen Zugriffsmöglichkeiten zum Warenbestand. Im übrigen gilt für die Zulässigkeit der nach zutreffender Abwägung der wechselseitigen Grundrechtspositionen mitbestimmt geregelte Videoüberwachung das bereits ausgeführte.
39Beachtet hat die Beklagte hier auch die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geforderte Wirksamkeitsvoraussetzung für eine auf Verdachtsumstände gestützten Kündigung, bei welcher nach der höchstrichterlichen Bewertung zum Ausgleich der Situation, daß auch ein objektiv "Unschuldiger" getroffen werden kann, der Arbeitgeber die Umstände sorgfältig aufklären muß und nur dann "auf Verdacht" kündigen darf, wenn er zuvor dem betroffenen Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen gegeben hat. Dies ist vorliegend vor dem Ausspruch der streitbefangenen Kündigung im Anhörungsgespräch am 16. Januar 2009 geschehen, in welchem der Klägerin unbestritten auch die Videosequenzen vorgespielt wurden, aus welchen die Beklagte die Verdachtsumstände entnommen hat. Demnach kannte die Klägerin alle aus Sicht der Beklagten kündigungsrelevanten tatsächlichen Vorgänge und konnte sich hierzu äußern, ihre eigene Sachdarstellung zu den in den Videos dokumentierten Vorgängen und ggfs. weiteren Verhaltensweisen abgeben. Damit konnte sie auch, falls es solche dem Arbeitgeber nicht ersichtliche Umstände gab, die geeignet waren, den Verdacht zu entkräften, diese vorbringen und, wie das Bundesarbeitsgericht es ausdrückt, "zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beitragen". Mehr verlangt auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht, als daß der Arbeitnehmer die Gelegenheit erhält, seine Position und die zugrundeliegenden Vorgänge aus seinem Blickwinkel darzustellen.
40Die Beklagte hat auch die bei der außerordentlichen Kündigung zu beachtende Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die außerordentliche Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, eingehalten. Aufgrund der Verpflichtung zur umfassenden Interessenabwägung gemäß § 626 Abs. 1 BGB muß sich der Arbeitgeber die notwendigen Erkenntnisse zu allen Umständen des Einzelfalles verschaffen, die er nach den Vorgaben des Gesetzes berücksichtigen muß, um die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bewerten und über das Für und Wider einer Kündigung entscheiden zu können. Der erforderliche Kenntnisstand ergibt sich bei der Verdachtskündigung regelmäßig mit der abschließenden Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers. Diese hat die Beklagte hier nach ihrer erstmaligen Kenntniserlangung von den Vorgängen aufgrund Übermittlung der Videoauswertungen am 12. Januar 2009 mit dem Personalgespräch am 16. Januar 2009 durchgeführt, damit zugleich das Gebot der zügigen Sachklärung beachtet. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB wurde danach aufgrund des Kündigungszugangs am 21. Januar 2009 zweifelsfrei gewahrt.
41Ein milderes Mittel als die Beendigungskündigung kam nicht in Betracht. Die Beklagte war nicht gehalten, die Verhaltensweisen der Klägerin, aus welchen sich der Tatverdacht ergeben hat, zunächst abzumahnen; dieses Mittel ist grundsätzlich im Leistungsbereich gefordert, in dem es Sinn machen kann, den Mitarbeiter zunächst zur Besserung seines Leistungsverhaltens anzuhalten. Hierum geht es vorliegend nicht, vielmehr ist der Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses betroffen. Es konnte aber sinnvollerweise nicht erwartet werden, daß die Vertrauensbeziehung allein dadurch wiederherzustellen war, daß die Beklagte der Klägerin einen mit einer Kündigungsandrohung verbundenen mißbilligenden Hinweis erteilt hätte wegen ihrer Verhaltensweisen bei der Mitnahme der Zigarettenschachteln aus der Zigarettenschütte. Der Vertrauensschaden, der sich schließlich nicht aus dem entsprechenden unmittelbaren Arbeitsverhalten der Klägerin ergab, sondern aus dem objektiv begründeten dringenden Verdacht, dies sei zur Verwirklichung eines Zueignungsdelikts erfolgt, ist irreparabel. In dieser Situation war der Beklagten, wie es offenbar auch der mit den betriebs- und branchenspezifischen Belastungen vertraute Betriebsrat eingeschätzt hat, die arbeitsvertragliche Weiterbeschäftigung der Klägerin als und . nicht mehr zumutbar, auch nicht für eine nur noch begrenzte Zeit bis zum nächsterreichbaren Auflösungstermin nach der im Arbeitsverhältnis gültigen Frist zur ordentlichen Kündigung, sondern nunmehr die vollständige Vertragsauflösung in der Form der außerordentlichen und fristlosen Kündigung ultima ratio.
42Auch die bei jeder Kündigungsüberprüfung noch gebotene Interessenabwägung im Einzelfall ergibt kein anderes Ergebnis, als die Berechtigung der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung anzuerkennen. Weder aus der langjährigen Beschäftigungszeit noch aus dem Lebensalter und sonstigen persönlichen oder sozialen Umständen der Klägerin sind besondere Aspekte erkennbar, die ihrem Interesse an der Erhaltung des Arbeitsvertrages mit der Beklagten und der sich daraus ergebenden Verdienstmöglichkeiten den Vorrang gegenüber dem Interesse des Beklagten an der Auflösung des Vertrages verschaffen, nachdem dieser nicht mehr sinnvoll fortsetzbar war. Zudem konnte die Beklagte, die sich als Einzelhandelsunternehmen in einem besonders anfälligen Bereich betätigt, auch aus generalpräventiven Erwägungen die außerordentliche Kündigung als die gebotene Reaktion ansehen, damit eindeutig für die Betriebsöffentlichkeit klargestellt wird, daß sie auf keinen Fall einschlägige Unregelmäßigkeiten duldet, vielmehr ein Verhalten, welches auch nur den dringenden Verdacht eines zu ihrem Nachteil begangenen Zueignungsdelikts begründet, prinzipiell die arbeitsrechtlich schwerwiegendste Sanktion auslöst.
43Gibt es danach keine gesetzlichen Gründe, welche die Unwirksamkeit der primär außerordentlich erklärten Kündigung vom 21. Januar 2009 bewirken konnten, hat diese das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits mit fristloser Wirkung beendet und konnten die mit den Anträgen zu 2.) und 3.) begehrten gegenteiligen Feststellungen nicht getroffen, werden.
44Auch der Antrag zu 1.) ist unbegründet. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist beendet, damit gibt es keine rechtliche Grundlage mehr für einen aktuellen Beschäftigungsanspruch der Klägerin.
45Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 5 ZPO.
46Rechtsmittelbelehrung
47Gegen dieses Urteil kann die Klägerin
48Berufung
49einlegen, wenn der Beschwerdegegenstand das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses betrifft oder der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 übersteigt,
50Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
51Die Berufung muß innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein. Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
52Die Berufungsschrift muß von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozeßvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
53Vorstehende Abschrift stimmt mit der Urschrift überein
54gez. Wilmers Richterin am Arbeitsgericht
55Ausgefertigt: Reg.-Beschäftigte
56als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle