Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
4. Streitwert: 7.434,39 Euro
Tatbestand
2Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach dem AGG.
3Das beklagte Land schrieb Anfang August 2015 Stellen für die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher ab dem 01.01.2016 aus.
4Der Kläger, der einen Grad der Behinderung von 30 aufweist und einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist, bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung bei den zuständigen Präsidenten der Oberlandesgerichte … und …. Zum Vorstellungsgespräch wurde der Kläger jeweils nicht eingeladen.
5Hinsichtlich seiner Bewerbung bei der Präsidentin des Oberlandesgerichts … erhielt der Kläger vom beklagten Land bereits eine Entschädigung von 3.975,- Euro.
6Mit Schreiben vom 14.12.2015 forderte der Kläger das beklagte Land auf, ihm hinsichtlich seiner nicht berücksichtigten Bewerbung beim Präsidenten des OLG … eine Entschädigung nach § 15 AGG in Höhe von 7.434,39 Euro zu zahlen.
7Dieses Ansinnen wies der Präsident des OLG … mit Schreiben vom 22.12.2015 zurück.
8Mit seiner am 11.03.2016 beim Verwaltungsgericht … eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das VG … hat mit Beschluss vom 19.01.2017 den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht … verwiesen.
9Der Kläger beantragt,
10das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 7.434,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2016 zu zahlen.
11Das beklagte Land beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Das OLG … sei mit der hohen Anzahl der eingehenden Bewerbungsemails überfordert gewesen. Das E-Mail-Eingangspostfach sei schnell voll gewesen, so dass man sich entschlossen habe, ein weiteres Postfach einzurichten, in das die bereits ausgedrucken E-Mails verschoben werden sollten. Zuständig seien die Mitarbeiterinnen … und … gewesen. Diese hätten die Absprache getroffen, dass Frau … die ungelesenen Bewerbungsemails ausdruckt, erfasst und in den Geschäftsgang gibt. Frau … sollte dann die in Outlook als gelesen markierten Bewerbungsemails in das neue Postfach verschieben. Da der Mitarbeiter … in Unkenntnis dieser Absprache ebenfalls ein paar E-Mails, u.a. die E-Mail des Klägers, angeklickt habe, sei diese automatisch von Outlook als gelesen markiert worden und dementsprechend von Frau … verschoben worden, ohne dass Frau … diese zuvor ausgedruckt und in den Geschäftsgang gegeben habe. Die Bewerbung des Klägers sei erst nach dessen Geltendmachungsschreiben in dem neuen Postfach gefunden worden und gar nicht in den Geschäftsgang gelangt.
14Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, …-… und ….
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist unbegründet.
18I.
19Der Kläger hat keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 7.434,39 Euro.
20Das beklagte Land hat den einem Schwerbehinderten gleichgestellen Kläger entgegen seiner Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
21Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet grundsätzlich die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (BAG v. 20.01.2016 – 8 AZR 194/14–).
22Dementsprechend trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf der Behinderung beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war (BAG v. 16.02.2012 – 8 AZR 697/10–).
23Dieser Beweis ist dem beklagten Land gelungen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme hat die Kammer keinen Zweifel, dass die Nichtberücksichtigung des Klägers im Bewerbungsverfahren in keinem Zusammenhang mit seiner Behinderung oder seiner Person stand. Vielmehr war sie die Folge einer technisch schlecht ausgestatteten Justiz und der hierdurch ausgelösten Verkettung von unglücklichen Umständen.
24Die uneingeschränkt glaubwürdigen Zeugen haben die Bearbeitungsabläufe der per E-Mail eingegangenen Bewerbungen, die dabei aufgetretenen technischen Probleme und die gefundenen Lösungen glaubhaft geschildert. Ihre Aussagen waren im Wesentlichen widerspruchsfrei und authentisch.
25Die Problematik der vollen E-Mail-Postfächer aufgrund der überaus knappen Bemessung der Speicherkapazität ist der Kammer aus eigener Erfahrung bestens bekannt.
26Bei der Bearbeitung der eingehenden E-Mail-Bewerbungen sind dem beklagten Land Fehler unterlaufen. Zunächst wurden die eingehenden Bewerbungsemails in das allgemeine Dezernatspostfach weitergeleitet, das einer Größenbeschränkung unterliegt. Dementsprechend war es durchaus vorhersehbar, dass das Postfach sehr schnell voll sein wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ausschreibung großangelegt beworben und im Ausschreibungstext ausdrücklich eine E-Mail-Adresse angegeben wurde. Auch war bei Bewerbungen mit größeren Dateianhängen zu rechnen. Die von den Mitarbeitern in bester Absicht gefundene Lösung war fehleranfällig, da sie nicht sicherstellte, dass die archivierten E-Mails tatsächlich zuvor ausgedruckt und in den Geschäftsgang gegeben wurden. Denn Ausdrucken und Archivieren/Verschieben wurden aufgrund von Zugriffsbeschränkungen von verschiedenen Personen vorgenommen, die sich nur auf die „gelesen“-Markierung von Outlook verlassen haben. Dies war jedoch unsicher, da die „gelesen“-Markierung von Outlook teilweise automatisch gesetzt wird, wenn der Scrollbalken lange genug auf der E-Mail steht, selbst dann, wenn sie überhaupt nicht gelesen wurde. Zudem hatten zuviele Personen Zugriff auf das Eingangspostfach, so dass auch ein Dritter die E-Mails lesen und hierdurch die „gelesen“-Markierung verursachen kann.
27Das letzte Risiko hat sich vorliegend verwirklicht, da der Zeuge … ausweislich der Lesebestätigung die E-Mail des Klägers am 03.08.2015 um 07:35 Uhr UTC (9:35 Uhr MESZ) geöffnet hat. Hierdurch wurde die E-Mail in Outlook als gelesen markiert und die Zeugin … ging dementsprechend später fälschlicherweise davon aus, dass die E-Mail schon ausdruckt und in den Geschäftsgang gegeben wurde.
28Auch ein Abgleich zwischen den eingegangenen E-Mails und der erstellten Bewerbungsliste fand nicht statt.
29Die Regelungen des AGG sollen jedoch ausschließlich Benachteiligungen wegen der in § 1 AGG pönalisierten Merkmale sanktionieren. Sie sollen hingegen nicht allgemeine Entschädigungsansprüche für Bewerber statuieren, die bei einem suboptimal ausgestatten und organisierten öffentlichen Arbeitgeber aus anderen Gründen im Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt werden.
30II.
31Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Gründe im Sinne des § 64 Abs. 3 ArbGG für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.