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Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG wegen Feststellung der Tariffähigkeit der CGZP (im Anschluss an LAG Baden-Württemberg v. 21.06.2011 - 11 Ta 10/11).
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 31.05.2011 und 04.08.2011 7 Ca 1579/11 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 21.522,60 .
G r ü n d e :
2I. Die Parteien streiten zunächst darüber, ob ihr Rechtsstreit - eine sogenannte Equal-Pay-Klage - nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG wirksam ausgesetzt wurde.
3Der Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichts liegt folgender Rechtsstreit zugrunde: Der Kläger war ab 21.01.2008 bis Ende Februar 2010 bei der Beklagten, die ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung betreibt als CAD-Konstrukteur beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 18.01.2008 enthält unter § 1 Ziffer 3 eine Bezugnahme auf die jeweils gültigen tarifvertraglichen Regelungen zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und des Arbeitgeberverbandes Mittelständiger Personaldienstleister e.V. (AMP). Der Kläger wurde während des gesamten vorgenannten Zeitraums an die Firma A AG in H überlassen. Von diesem Unternehmen wurde er im Anschluss daran, also ab 01.03.2010, übernommen und auf dem gleichen Arbeitsplatz und mit den gleichen Aufgaben weiterbeschäftigt. Die Bruttovergütung während des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten betrug zunächst 2.100,00 und sodann, infolge einer Gehaltserhöhung, ab 01.08.2008 2.300,00 brutto. Seit Übernahme durch die Firma A zum 01.03.2010 erhält der Kläger eine Bruttovergütung in Höhe von 3.100,00 monatlich. Mit der Klage macht er im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 ABR 19/10 Differenzlohn für den Zeitraum 21.01.2008 bis 28.02.2010 unter dem Gesichtspunkt des Equal-Pay geltend in Höhe des Arbeitsentgelts, das er bei der Firma A nach Übernahme ab dem 01.03.2010 auf dem gleichen Arbeitsplatz und mit den gleichen Aufgaben in Höhe von brutto 3.100,00 erhalten hat (21.01. bis 31.01.2008 322,60 , 01.02.2008 bis 31.7.2008 monatlich 1.000,00 , und 01.08.2008 bis 28.02.2010 monatlich 800,00 , insgesamt 21.522,60 brutto).
4Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Beschlüssen vom 31.05.2011 und 04.08.2011 den Rechtsstreit gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG betreffend die Frage der Tariffähigkeit der "Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA" ausgesetzt. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 04.08.2011 (Bl. 122 d. A.) verwiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der der Auffassung ist, das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Beschluss vom 14.12.2010 die fehlende Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft CGZP nicht nur gegenwartsbezogen, sondern auch für die Vergangenheit festgestellt.
5Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
6II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zu Recht ausgesetzt.
71. Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 ArbGG hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des in § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vorgesehen Beschlussverfahren auszusetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist. Die nicht ins Ermessen des Gerichts gestellte Aussetzung ist dem Umstand geschuldet, dass über die Frage der Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung ausschließlich im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 mit dem sich aus § 97 Abs. 1 bis 4 ArbGG ergebenden Besonderheiten mit bindender Wirkung entschieden werden kann, denn der Beschluss über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung erwächst informelle und auch immaterielle Rechtskraft, die sich in subjektiver Hinsicht nicht auf die Verfahrensbeteiligten, sondern auf jedermann erstrecken (BAG, 28.03.2006 1 ABR 58/04; LAG Baden-Württemberg, 21.06.2011 11 Ta 10/11).
82. Die Voraussetzungen der Aussetzungspflicht, dass es im auszusetzenden Verfahren als Vorfrage um die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung geht und diese Frage vorgreiflich ist, sind vorliegend erfüllt. Der Kläger begründet seine Klageforderung mit dem Equal-Pay-Anspruch. Dieser entsteht ihm nur zu, wenn die in seinem Arbeitsvertrag vom 18.01.2008 in Bezuggenommenen Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) eine Rechtswirkung entfalten können, weil sie mangels Tariffähigkeit der CGZP unwirksam sind. Nur in diesem Fall kann der Kläger statt der arbeitsvertraglich/tarifvertraglich vereinbarten Vergütung die eingeklagte Vergütung nach den Bedingungen erhalten, welche in dem Einsatzbetrieb der Firma A AG für die gleiche Tätigkeit am gleichen Arbeitsplatz gezahlt wird und dem Kläger nach dessen Übernahme ab 01.03.2010 auch gezahlt worden ist.
93. Über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP ist, entgegen der Auffassung des Klägers, auch noch nicht rechtskräftig aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 entschieden worden. Das Beschwerdegericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (so auch LAG Rheinland-Pfalz 15.06.2011 6 Ta 99/11; LAG Mecklenburg-Vorpommern 15.08.2011 2 Ta 42/11 und 09.09.2011 2 Ta 45/11) in seiner Entscheidung vom 21.06.2011 (11 Ta 10/11) an:
10Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 14.12.2010 zwar festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist, sie hat diese Feststellung jedoch ausdrücklich gegenwartsbezogen getroffen. Es hat sich dabei orientiert an der Antragstellung der die Feststellung begehrenden Parteien, die es aus Wortlaut und Begründung gegenwartsbezogen ausgelegt hat. Maßgeblich für die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts war deshalb allein die gegenwärtige Tarifunfähigkeit unter Berücksichtigung der Satzung in der Fassung vom 08.10.2009. Das Bundesarbeitsgericht hat den Antrag von ver.di und den Hauptantrag des Landes Berlin ausdrücklich als nicht vergangenheitsbezogen angesehen, weshalb davon auszugehen ist, dass es auch nicht vergangenheitsbezogen entscheiden wollte.
11Die Absicht des Bundesarbeitsgerichts, sich streng an dem von ihm so verstandenen Antragsbegehren der Antragsteller zu orientieren wird auch deutlich an der Eingrenzung des Streitgegenstandes des Verfahren 63 BV 9415/08 des Arbeitsgerichts Berlin, bei dem trotz gleicher Antragstellung wie im vom Bundesarbeitsgericht am 14.12.2010 entschiedenen Verfahren lediglich eine vergangenheitsbezogene Feststellung über die Tariffähigkeit der CGZP gesehen wurde, weil dort die Tariffähigkeit der CGZP nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des dortigen Klägers als entscheidungserheblich erachtet worden ist.
12Das Bundesarbeitsgericht hätte den Gegenwartsbezug seiner Entscheidung nicht so deutlich hervorheben müssen, wenn es ihm nur darum gegangen wäre, eine doppelte Rechtshängigkeit angesichts des Verfahrens 63 BV 9415/08 auszuschließen. Wenn Streitgegenstand des Verfahrens 63 BV 9415/08 die Tariffähigkeit der CGZP bei Abschluss des Entgelttarifvertrags West am 22.07.2003 war und dies vergangenheitsbezogen nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des dortigen Klägers festgestellt werden konnte, wäre ein Vergangenheitsbezug der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses des Klägers beim Arbeitsgericht Berlin möglich gewesen, ohne dass dem die doppelte Rechtshängigkeit entgegengestanden wäre. Wenn demgegenüber aber das Bundesarbeitsgericht den Gegenwartsbezug der Antragstellung und seiner Feststellung betont, kann dem durchaus entnommen werden, dass es eine vergangenheitsbezogene Feststellung eben nicht treffen wollte und damit zur Tariffähigkeit der CGZP im Zeitpunkt des Tarifabschlusses vom 19.06.2006, der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich ist, keine Aussage zu machen beabsichtigte.
13Dem steht auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2006 nicht entgegen. Soweit dort darauf hingewiesen wird, dass die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach §§ 2 a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG die Tariffähigkeit nicht erst begründet oder beendet, sondern die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur feststellt, macht es lediglich klar, dass mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera vom 17.10.2002 auch die Tarifunfähigkeit der CGD zum Zeitpunkt des Tarifvertrags vom 25.01.1999 verneint wurde. Dies liegt schon deshalb nahe, weil das Arbeitsgericht Gera bei seiner Überprüfung der Tariffähigkeit der CGD die Satzung von 1997 und von der CGD geschlossene Tarifverträge in den Jahren 1998 bis 2000 überprüft und zum Beleg der fehlenden Tariffähigkeit herangezogen hatte. Dementsprechend war im Beschlussverfahren des Arbeitsgerichts Gera der Zeitraum streitgegenständlich, für den das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 15.11.2006 den Vergangenheitsbezug herstellte. Im Rechtsstreit 1 ABR 19/10 dagegen ist ein solcher Vergangenheitsbezug zur Feststellung der Tariffähigkeit der CGZP nicht nur nicht erkennbar, sondern durch Betonung des Gegenwartsbezugs von Antragstellung und mithin auch Entscheidung auszuschließen.
14Damit aber steht eine rechtskräftige Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP auch zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses vom 19.06.2006 der Aussetzung des Rechtsstreits nicht entgegen.
152. Zwischenzeitlich hat das Arbeitsgericht Berlin im Verfahren 29 BV 13947/10 am 30.05.2011 die Tariffähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit, insbesondere auch für den 19.06.2006 verneint. Im Hinblick darauf war zur Klarstellung der Beschluss des Arbeitsgerichts neu zu fassen, weil der Kläger angesichts der Rechtskraftwirkung eines Beschlusses nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG für und gegen jedermann nicht selbst nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG ein Beschlussverfahren einzuleiten hat. Es war aber auch nicht eine Beschränkung der Aussetzung auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.05.2011 vorzunehmen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass zuvor ein anderes Beschlussverfahren über die Feststellung der Tariffähigkeit oder -unfähigkeit der CGZP rechtskräftig werden könnte.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert war nach §§ 3 ff. ZPO festzusetzen.
17Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung § 72 Abs. 2, 78 Satz 2 ArbGG) zuzulassen.
18Dr. von Ascheraden