Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
1. Mit der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts ist das Bühnenschiedsgerichtsverfahren verbraucht. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 110 ArbGG ist das vor dem Schiedsgericht anhängig gemachte Sachbegehren. Dies gilt auch dann, wenn der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung vollständig abgefasst und unterschrieben worden ist.
2. Eine Nichtverlängerungsmitteilung nach § 61 NV Bühne kann wegen Verstoßes gegen ein Diskriminierungsverbot nach § 134 BGB iVm. §§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG unwirksam sein.
3. Unmittelbare, geschlechtsbezogene Benachteiligung: Eine Schwangerschaft ist als der hauptsächliche Grund für eine Entlassung anzusehen ist, wenn eine Arbeitnehmerin aufgrund von Fehlzeiten gekündigt wird, die sich aus ihrer durch die Schwangerschaft bedingten Arbeitsunfähigkeit ergeben. Entsprechendes gilt für
Ausfallzeiten infolge einer In-Vitro-Fertilisation.
I. Auf die Berufung der Aufhebungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.09.2013 (Az. 8 Ha 13/12) abgeändert:
Die Aufhebungsklage wird abgewiesen.
II. Die Aufhebungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten im Rahmen einer Aufhebungsklage nach § 110 ArbGG über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses infolge Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011.
3Die Aufhebungsbeklagte ist seit dem 01.08.2003 als Solotänzerin mit Gruppenverpflichtung, zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt i.H.v. 2.549,00 EUR bei der Aufhebungsklägerin beschäftigt. Sie ist Mitglied in dem bei der Aufhebungsklägerin gewählten Betriebsrat. Der Arbeitsvertrag der Parteien nimmt Bezug auf den Tarifvertrag „Normalvertrag Bühne“ (NV Bühne) in der jeweils geltenden Fassung. Er war zunächst auf ein Jahr befristet und verlängerte sich danach jeweils nach den Regelungen des NV Bühne um ein weiteres Jahr. Die hierfür maßgebliche Tarifvorschrift des NV Bühne lautet:
4§ 61
5Nichtverlängerungsmitteilung – Solo
6(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt.
7(2) Ein mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit, dass sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungs-mitteilung). Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muss die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein. […]
8(4) Bevor der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht, hat er das Solo-Mitglied – auf dessen schriftlichen Wunsch auch den Sprecher der Sparte, der das Solomitglied angehört oder das von dem Solomitglied benannte Vorstandsmitglied des Orts-Lokal-Verbandes einer der vertragsschließenden Gewerkschaften, das an der gleichen Bühne beschäftigt ist – zu hören. Das Solomitglied ist fünf Tage vor der Anhörung zur Anhörung schriftlich einzuladen. […]
9(8) Klagen gegen Nichtverlängerungsmitteilungen sind innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach den in Absatz 2 genannten Terminen zur Nichtverlängerungsmitteilung zu erheben.
10Mit Schreiben vom 27.05.2011 lud die Aufhebungsklägerin die Aufhebungsbeklagte zu dem nach § 61 NV Bühne vorgesehenen Anhörungsgespräch am 20.06.2011 ein. Nach einem von der Aufhebungsklägerin vorgelegten Protokoll verlief das Gespräch – in Auszügen - wie folgt:
11„Herr G hat sich gemeinsam mit der Ballettdirektorin die Frage gestellt, ob [die Beklagte] am Landestheater eine Zukunft als Tänzerin hat, da sie sich nicht mehr 100% in ihren Beruf einbringt. Die Ballettdirektorin braucht jedoch die Sicherheit, dass [die Beklagte] ihre Aufgabe als Ballettsolistin des Landestheaters zu 100% erfüllt. Frau T [Ballettdirektorin] versteht nach eigener Aussage [die] private Situation [der Beklagten] und respektiert deren dringlichen Kinderwunsch. Sie sei jedoch in der aktuellen Spielzeit mehr ab- als anwesend gewesen, wenn sie anwesend war, musste sie stets nachstudieren, um den Anschluss an die Company zu halten. Frau T erwähnt, dass [die Beklagte] körperlich nicht so schnell ins Training einsteigen kann und so belastbar ist wie deren Kollegen, was für ein weiteres Verweilen im Ensemble nicht ausreichend sei. [Die Beklagte] wirft ein, sie sei nur zwei Wochen im vergangenen Oktober nicht voll belastbar gewesen, habe aber sonst immer voll mitgearbeitet. Frau T entgegnet, 75% der benötigten Arbeitskraft stünden nicht zur Verfügung, zu Beginn der Spielzeit habe man mit [der Beklagten] die Partie der „E " erarbeitet, dann musste die Rolle umbesetzt werden. [Die Beklagte] gibt an, mit der Umbesetzung nicht zufrieden zu sein, sie habe zwei Monate die „E " geprobt und sie dann nicht tanzen können, man habe ihr die Rolle weggenommen. Frau T entgegnet, zu diesem Zeitpunkt sei [die Beklagte] schwanger gewesen und schon aus diesem Grund nicht belastbar. Sie konnte [die Beklagte] unmöglich in der Besetzung lassen, da diese ständig gefehlt habe. [Die Beklagte] führt an, sie habe ihre Behandlungen (zur Erhöhung der Fruchtbarkeit) inzwischen fast beendet und sei danach wieder voll einsatzfähig. Frau T gibt zu bedenken, dass nach den erfolgten Behandlungen ggf. eine Schwangerschaft, in der [die Beklagte] nicht einsetzbar ist, ansteht. Herr D [Gesamtbetriebratsvorsitzender] fragt, ob eine mögliche Schwangerschaft eine Rolle für die angestrebte Nichtverlängerung spielt, was Herr G deutlich verneint. Der Grund für die mögliche Nichtverlängerung liegt in […] mangelnder Verlässlichkeit, Einsatzfähigkeit und professioneller Belastbarkeit [der Beklagten]. [Die Beklagte] wirft ein, am Ende stünde sie ohne Arbeitsvertrag und ohne Kind da, was sie als ungerecht empfindet. Herr G fragt sie, wie sie ihre Zukunft sieht. [Die Beklagte] antwortet, sie wolle unbedingt weiter tanzen. Herr G fragt nach ihrer Leistungsbereitschaft, schließlich habe man in der vergangenen Spielzeit wenn überhaupt mit ihr nur eine halbe Tänzerin gehabt. Frau T wirft ein, dass eine Weiterbeschäftigung im Hinblick auf die Größe des Ballettensembles höchst problematisch sei, da es für Ersatz praktisch keine Kapazitäten gebe. Herr D fragt, ob ein krankheitsbedingter Ausfall nicht Jeden jederzeit treffen kann. Frau T entgegnet, es sei ein Unterschied, ob ein Tänzer kurzfristig verletzungsbedingt ausfällt oder ob er sich einer Behandlung unterzieht, die ihn körperlich so beeinträchtigt, dass er die benötigten Leistungen nicht mehr erbringen kann. [Die Beklagte] will sich beweisen, was sie nach eigener Aussage in der vergangenen Spielzeit nicht konnte. Herr G sieht an genau dieser Stelle das Problem, da nicht absehbar ist, wie [die] Zukunft [der Beklagten] verlaufen wird. [Die Beklagte] stimmt ihm zu. Frau T schätzt ihre Ehrlichkeit. Herr C wirft ein, dass er und Frau T sich aufgrund der schwankenden Leistungen nicht getraut haben, [die Beklagte] in der Besetzungsplanung von „R " zu berücksichtigen, da ihre Leistungen für eine Hauptrolle zu wenig konstant sind. [Die Beklagte] findet eine Nichtverlängerung unangemessen hart, da sie, wie sie betont, in der kommenden Spielzeit wieder 150% geben könnte, wenn man ihren Vertrag nicht verlängere habe keine der Beteiligten etwas davon. Herr G entgegnet, das Landestheater könnte aber dann definitiv zur übernächsten Spielzeit über eine 100% Kraft verfügen. Herr D gibt zu bedenken, dass auch diese Kraft krank werden könnte. Herr G betont, dass es nicht um eine kurzfristige Krankheit geht. Man habe in der vergangenen Spielzeit nur einen Bruchteil der Leistung von [der Beklagten] gesehen, die Defizite gingen durch Nachstudierungen und Umbesetzungen zulasten des Ballettensembles. Es ist absehbar, dass sich daran in der kommenden Spielzeit nichts ändern wird. Herr C ergänzt, dass das Ballett in der kommenden Spielzeit wieder ausgeglichen besetzt sein wird (sechs Tänzer und sechs Tänzerinnen), also nicht wie in der vergangenen Spielzeit, wo fünf Tänzer und sieben Tänzerinnen unter Vertrag standen. Damit werden evtl. fehlende Leistungen einer Einzelnen das Ensemble noch schwerer belasten.
12Herr G gibt an, eine Entscheidung müsse jetzt getroffen werden, aus künstlerischen und wirtschaftlichen Gründen sieht er keine andere Möglichkeit als eine Nichtverlängerung des Vertrags. Da jedoch Niemand in die Zukunft sehen kann und eine freiwerdende Stelle voraussichtlich nicht binnen der nächsten drei Monate besetzt werden würde, könnte es auch sein, dass - bei entsprechender Leistung – [der Beklagten] ein erneutes Engagement angeboten würde, Frau T braucht allerdings die Sicherheit, verlässliche Tänzer im Ensemble zu haben.“
13Mit Schreiben vom 28.06.2011 erklärte die Aufhebungsklägerin, dass sie das Arbeitsverhältnis nicht über den 31.07.2012 hinaus verlängern werde.
14Gegen die Nichtverlängerungsmitteilung hat die Aufhebungsbeklagte am 02.08.2011 vor dem Bezirksschiedsgericht Hamburg Klage erhoben. Sie hat hiergegen unter anderem eingewandt, dass die Aufhebungsklägerin und Beklagte des Schiedsverfahrens sie durch die Nichtverlängerungsmitteilung in ihren durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Rechten verletzte und wegen des Geschlechts diskriminiere.
15Die Klägerin des Schiedsverfahrens hat beantragt:
161. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Nichtverlängerungsmitteilung der Beklagten vom 28.06.2011 nicht beendet worden ist.
172. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2012 hinaus fortbesteht.
18Die Beklagte des Schiedsverfahrens (Aufhebungsklägerin) hat vor dem Bezirksschiedsgericht Klageabweisung beantragt.
19Das Bezirksschiedsgericht hat die Klage mit Spruch vom 05.10.2011 abgewiesen. Es hat die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 für wirksam gehalten. Diese verstoße insbesondere nicht gegen Schutzvorschriften zugunsten der Klägerin des Schiedsverfahrens. Ihr Betriebsratsamt schütze nicht vor dem Auslaufen einer Befristung. Eine etwaige Diskriminierung wegen des Geschlechts berühre jedenfalls nicht die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung, da das AGG bei Diskriminierungen nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich einen Schadensersatzanspruch vorsehe.
20Gegen den ihr am 15.11.2011 zugestellten Spruch des Bezirksschiedsgerichts hat die Aufhebungsbeklagte und Klägerin des Schiedsverfahrens am 06.12.2011 vor dem Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt.
21In dem Verfahren vor dem Bühnenoberschiedsgericht hat sie beantragt:
22Der Schiedsspruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts Hamburg vom 05.10.2011, Reg-Nr. 3/11 wird abgeändert und:
231. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Nichtverlängerungsmitteilung der Beklagten vom 28.06.2011 nicht beendet worden ist.
24hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 zurückzunehmen.
252. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2012 hinaus fortbesteht
26Die Aufhebungsklägerin und Beklagte des Schiedsverfahrens hat beantragt,
27die Klage insgesamt abzuweisen.
28Das Bühnenoberschiedsgericht hat am 22.05.2012 folgenden Schiedsspruch verkündet:
29Auf die Berufung der Klägerin wird der Schiedsspruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts Hamburg vom 05. Oktober 2011 – BSchG 3/11 – abgeändert.
30Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Nichtverlängerungsmitteilung der Beklagten vom 28.06.2011 nicht beendet worden ist und zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2012 hinaus fortbesteht.
31Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
32Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.647,- EUR festgesetzt.
33Zur Begründung hat es in seinem – den Parteien jeweils erst am 08.11.2012 abgesetzt zugestellten - Spruch ausgeführt, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 die Klägerin des Schiedsverfahrens wegen ihres Geschlechts diskriminiere und daher das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31.07.2012 beendet worden sei. Aus dem Protokoll des Anhörungsgesprächs vom 20.06.2011 werde deutlich, dass der Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung letztlich durch die Sorge vor einer Schwangerschaft der Klägerin motiviert gewesen sei. Dies stelle eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, die auch nicht durch betriebliche Gründe gerechtfertigt werden könne.
34Am 20.06.2012 und nach Zustellung des Spruchs des Bühnenoberschiedsgerichts nochmals am 19.11.2012 hat die Beklagte des Schiedsverfahrens und nunmehrige Aufhebungsklägerin (fortan: Klägerin) beim Arbeitsgericht Köln gegen den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main Klage erhoben.
35Sie hat sich auf § 110 ArbGG berufen und die Auffassung vertreten, dass das Bühnenoberschiedsgericht rechtsfehlerhaft die im Anhörungsgespräch vom 20.06.2011 benannten Gründe für die Nichtverlängerung als europarechtswidrig bewertet habe. Außerdem habe das Bühnenoberschiedsgericht verkannt, dass gerichtlich nicht zu überprüfen sei, ob die mitgeteilten Gründe tragfähig sind. Es bedürfe lediglich einer auf die Person des Bühnenmitglieds bezogenen, konkret nachvollziehbaren Begründung. Zu prüfen sei lediglich, ob die Beweggründe der Nichtverlängerung offensichtlich unsachlich oder unzutreffend seien. Das sei nicht der Fall gewesen, da die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin des Schiedsverfahrens und jetzigen Aufhebungsbeklagten (fortan: Beklagten) durch deren mangelnde Einsatz- und Leistungsfähigkeit motiviert gewesen sei und durch ihre häufigen Fehlzeiten. Dadurch habe sie sich nicht mehr in die Tanzgruppe einfügen können, was negative künstlerische Auswirkungen gehabt habe. Die Kunstfreiheit gebiete es, ihr – der Klägerin - bei künstlerischen Bedenken die Entscheidung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu überlassen. Keineswegs sei Beweggrund der Kinderwunsch der Beklagten oder eine befürchtete Schwangerschaft gewesen. Es bestehe auch kein besonderer Schutz gegen die Nichtverlängerung für Betriebsräte. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat die Klägerin gemeint, dass mangels Unterschrift des Obmanns des Bühnenoberschiedsgerichts kein wirksamer Schiedsspruch vorliege, weswegen auch keine wirksame Zustellung des Spruchs vorliege. Das Verfahren vor den Schiedsgerichten sei deshalb noch nicht abgeschlossen. Jedenfalls sei der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts deshalb aufzuheben, weil er nicht binnen fünf Monaten abgesetzt worden sei. Eine rechtsstaatlichen Ansprüchen genügende Urteilsbegründung sei daher nicht erfolgt. Die Klägerin hat zudem die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Bühnenoberschiedsgericht gerügt.
36Die Aufhebungsklägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
37Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main vom 22.05.2012, Az. BOSchG 23/11, wird aufgehoben, soweit er der Berufung der Beklagten gegen den Schiedsspruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts Hamburg vom 05.10.2011, zugestellt am 15.11.2011, Az. BSchG 3/11, stattgegeben hat. Die Klage wird abgewiesen.
38Die Aufhebungsbeklagte hat beantragt,
39Die Aufhebungsklage abzuweisen,
40hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitgeberseitige Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 nicht beendet worden ist und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2012 hinaus fortbesteht.
41Sie hat den Spruch und des Bühnenoberschiedsgerichts verteidigt und die Auffassung vertreten, dass der Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung nur im Rahmen der bestehenden Gesetze erfolgen könne. Aus dem Protokoll des Anhörungsgesprächs vom 20.06.2011 ergebe sich, dass Motiv für die Nichtverlängerungsmitteilung eine von der Klägerin befürchtete Schwangerschaft ihrerseits – der Beklagten - gewesen sei. Damit sei die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 wegen Verstoßes gegen das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung unwirksam. Die Nichtverlängerungsmitteilung sei schließlich auch wegen einer Verletzung ihrer Fortpflanzungsfreiheit rechtsmissbräuchlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei streitentscheidend nicht, ob die Verletzung des Diskriminierungsverbots zu einer – im AGG nicht vorgesehenen - Begründung eines Arbeitsverhältnisses führe. Vielmehr sei Folge der Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung alleine, dass das bestehende Arbeitsverhältnis nicht zu dem in der Nichtverlängerungsmitteilung genannten Zeitpunkt (31.07.2012) beendet werde.
42Mit Urteil vom 26.09.2013 hat das Arbeitsgericht wie folgt erkannt:
43Auf die Aufhebungsklage wird der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt/Main vom 22.05.2012, zugestellt am 08.11.2012, aufgehoben. Der weitergehende Antrag der Aufhebungsklägerin wird abgewiesen.
44Die Feststellungsanträge der Aufhebungsbeklagten werden abgewiesen.
45Die Kosten des Aufhebungsklageverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
46Streitwert: 7.647,00 EUR
47Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts an einem schweren Verfahrensfehler leide und daher nichtig sei. Nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes sei ein Urteil nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden seien. Diese Fristanordnung sei Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und gelte auch für die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit. Es sei davon auszugehen, dass das Bühnenoberschiedsgericht seinen Spruch vom 22.05.2012 nicht innerhalb der Fünf-Monats-Frist abgesetzt habe. Der Spruch sei daher aufzuheben. Eine Sachentscheidung sei allerdings nicht zu treffen, da dem Arbeitsgericht Köln keine über die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs hinausgehende Entscheidungskompetenz auch in der Sache zustehe.
48Gegen das ihr am 28.10.2013 zugestellte Urteil hat die Aufhebungsbeklagte durch anwaltlichen Schriftsatz am 24.11.2013 Berufung eingelegt und diese mit am 23.12.2013 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
49Nach ihrer Auffassung sei im Tatsächlichen wie im Rechtlichen unklar, ob die Fünf-Monats-Frist für die Abfassung des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts versäumt worden sei. Nach gefestigter Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln und des Bundesarbeitsgerichts sei mit der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts zudem das Schiedsverfahren verbraucht und die Arbeitsgerichte zu einer Sachentscheidung berufen. Die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts sei in der Sache nicht zu beanstanden. Zutreffend habe das Schiedsgericht die Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 wegen Geschlechts-diskriminierung angenommen. Zudem sei die Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen des damit verbundenen Verlusts ihres Betriebsratsamts unwirksam. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz biete insoweit keinen den europäischen Vorgaben genügenden Schutz von Betriebsräten im Geltungsbereich des NV Bühne. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG müsse daher richtlinienkonform beschränkt werden. Schließlich habe die Nichtverlängerungsmitteilung auch deshalb nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen können, weil sie zu einem unmittelbaren Eingriff in ihre Fortpflanzungsfreiheit führe.
50Die Aufhebungsbeklagte beantragt,
51Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.09.2013, Az. 8 Ha 13/12 wird abgeändert und die Aufhebungsklagen werden abgewiesen.
52Hilfsweise:
53Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Nichtverlängerungsmitteilung der Aufhebungs-klägerin vom 28.06.2011 nicht beendet worden ist und zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2012 hinaus fortbesteht.
54Die Aufhebungsklägerin beantragt,
55Unter Zurückweisung der Berufung die Anträge der Aufhebungsbeklagten abzuweisen,
56hilfsweise
57festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 zum 31.07.2012 beendet worden ist.
58Sie wiederholt ihre in erster Instanz vorgetragenen Rechtsauffassungen, insbesondere zu der Unwirksamkeit des Spruchs des Bühnenoberschiedsgerichts wegen fehlender Unterschrift, mangelnder Zustellung und Versäumung der Fünf-Monats-Frist. Mangels Vorliegen eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Spruchs sei auch das Schiedsgerichtsverfahren noch nicht verbraucht. Auch materiell-rechtlich sei der Spruch rechtsfehlerhaft. Das Bühnenoberschiedsgericht habe verkannt, dass gerichtlich nicht zu überprüfen sei, ob die in der Nichtverlängerungsmitteilung mitgeteilten Gründe tragfähig sind. Denn die Nichtverlängerungsmitteilung bedürfe keiner sachlichen Rechtfertigung. In der Anhörung hierzu seien lediglich konkrete, nachvollziehbare Gründe zu nennen. Die Befristungspraxis der Bühnen sei Ausfluss der durch Art. 5 Abs. 3 GG verbürgten Kunstfreiheit. Tatbestandlich sei die Annahme des Bühnenoberschiedsgerichts unzutreffend, dass Motiv für die Nichtverlängerungsmitteilung eine befürchtete Schwangerschaft der Beklagten gewesen sei. Beweggrund sei vielmehr die mangelnde Leistungs- und Einsatzfähigkeit der Beklagten gewesen. Aufgrund ihrer häufigen Fehlzeiten habe sie sich nicht mehr in die Tanzgruppe einfügen können, was negative künstlerische Auswirkungen gezeitigt habe. Auch die vom Bühnenoberschiedsgericht angenommene Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sehe bei Verstößen gegen Diskriminierungsverbote lediglich Schadensersatzansprüche vor. Besondere Schutzvorschriften für Betriebsräte bestünden im Zusammenhang mit Nichtverlängerungsmitteilungen nicht.
59Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 23.12.2013, 27.01.2014, 01.04.2014 und 14.04.2014 jeweils nebst Anlagen und das Terminsprotokoll vom 15.04.2014 verwiesen.
60E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
61Die nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c) ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete (§§ 66 Abs. 1 Satz 1-2, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 130 ZPO) Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts war abzuändern. Die zulässige Aufhebungsklage ist unbegründet und daher abzuweisen.
62I. Die gebotene Auslegung (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Oktober 1997 – V B 80/97, BFH/NV 1998, 592, juris-Rz. 22) ergibt aufgrund des identischen Klageantrags und Streitgegenstands, dass es sich in der Sache um eine einheitliche Klage handelt, auch wenn die Klägerin zwei als „Klageschriften“ bezeichnete Schriftsätze eingereicht hat.
63II. Die Aufhebungsklage ist nach § 110 Abs. 1 ArbGG zulässig. Die Klägerin hat sich gegen den nach § 108 Abs. 4 ArbGG bestandskräftigen Spruch eines Schiedsgerichts im Sinne von § 101 Abs. 1 ArbGG gewandt und sowohl Verfahrensmängel (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG) als auch die Verletzung von Rechtsnormen gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG gerügt. Die Klagefrist des § 110 Abs. 3 ArbGG hat sie gewahrt. Zwar beginnt diese erst mit Zustellung des vollständig abgefassten Schiedsspruchs (§ 110 Abs. 3 Satz 2 ArbGG). Jedoch konnte die Klägerin die Klage fristwahrend auch schon vor Zustellung des angegriffenen Schiedsspruchs in zulässiger Weise erheben. Ein Rechtsmittel kann nämlich auch vor dem gesetzlich festgelegten Fristbeginn eingelegt und begründet werden. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist allein, dass die Entscheidung bereits in der Welt ist (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 6 AZR 52/11, NZA-RR 2013, 217, Rz. 18; Beschluss vom 18. Mai 2010 – 3 AZB 9/10, NJW 2010, 2748, Rz. 11; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, 8. Aufl., § 110 ArbGG Rz. 19). Das war bei Klageerhebung am 20.06.2012 der Fall, da der angegriffene Schiedsspruch bereits am 22.05.2012 verkündet worden war.
64III. Die Aufhebungsklage ist jedoch unbegründet. Unabhängig von der Frage, ob die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts formgerecht und verfahrensfehlerfrei zustande gekommen – und insbesondere der Schiedsspruch binnen fünf Monaten nach Verkündung abgefasst worden ist, war über das Klagebegehren in der Sache zu entscheiden. Die eine Sachentscheidung nicht enthaltende Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Aufhebungsklage in der Sache insgesamt abzuweisen.
651) Es liegt kein Aufhebungsgrund iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG vor.
66a) Nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG kann auf Aufhebung des angegriffenen Schiedsspruchs geklagt werden, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren unzulässig war.
67Dass die Beklagte aufgrund der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme des NV Bühne zur Klageerhebung vor den Bühnenschiedsgerichten berechtigt und verpflichtet (§ 53 NV Bühne) war und die Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 ArbGG gegeben waren, steht außer Streit.
68Nach allgemeiner Meinung fallen unter die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG aber auch einzelne Verfahrensfehler (vgl. BAG, Urteil vom 15. Februar 2012 – 7 AZR 626/10, NZA-RR 2013, 154, Rz. 24; Germelmann, 8. Aufl., § 110 ArbGG Rz. 8; GK-ArbGG/Mikosch, § 110 ArbGG Rz. 10; Schwab/Weth-Zimmerling, 3. Aufl., § 110 ArbGG Rz. 13).
69b) Wie im Kammertermin vom 15.04.2014 im Wege der Inaugen-scheinnahme der Originaldokumente festgestellt werden konnte, ist der Schiedsspruch vom 22.05.2012 – wie in § 26 Abs. 1 Satz 1 BSchGO vorgesehen – von allen Mitgliedern des Spruchkörpers unterschrieben worden. Auch die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Zustellung (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BSchGO), welche die Beklagte auf die fehlende Unterschrift des Schiedsspruchs gestützt hatte, geht daher ins Leere. Das schiedsgerichtliche Verfahren ist durch den Spruch vom 22.05.2012 rechtswirksam beendet worden.
70c) Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin gerügte späte Absetzung des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts einen im Sinne von § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG erheblichen Verfahrensfehler darstellt oder nicht (vgl. zur fehlenden Begründung: GK-ArbGG/Mikosch, § 110 ArbGG Rz. 12).
71aa) Zwar sind die Bühnenschiedsgerichte nach § 26 Abs. 2 d) und e) BSchGO verpflichtet, ihre Entscheidungen mit einer Darstellung des Sach- und Streitstands zu versehen und zu begründen, sofern nicht die Parteien gemäß § 26 Abs. 3 BSchGO auf eine Begründung verzichtet haben (GK-ArbGG/Mikosch, § 110 ArbGG Rz. 12; Germelmann, § 108 ArbGG Rz. 15; Schwab/Weth-Zimmerling, § 110 ArbGG Rz. 13). Wie die Klägerin zutreffend vorträgt, ist nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen aber eine Entscheidung, welche nicht innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung in vollständiger Form unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben wird, als nicht mit Gründen versehen anzusehen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. März 2001 – 1 BvR 383/00, NJW 2001, 2161, juris-Rz. 21; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92, BVerwGE 92, 367, Tenor; BAG, Urteil vom 09. Juli 2003 – 5 AZR 175/03, juris-Rz. 9), weil ein nach einem solch langen Zeitraum abgesetztes Urteil die Beurkundungsfunktion nicht mehr erfüllt und aufgrund des abnehmenden Erinnerungsvermögens der Richter die Gefahr besteht, dass die Verhandlungs- und Beratungsergebnisse nur unzutreffend wiedergegeben und eher rekonstruiert als reproduziert werden (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92, BVerwGE 92, 367, juris-Rz. 17).
72bb) Die Kammer lässt offen, ob die Verletzung des tariflich vorgesehenen Begründungserfordernisses trotz der bloß tarifvertraglichen Verankerung im Rahmen des § 110 ArbGG erfolgreich gerügt werden kann, weil es unmittelbar rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze wiedergibt (vgl. BAG, Urteil vom 15. Februar 2012 – 7 AZR 626/10, NZA-RR 2013, 154, Rz. 24 allg. zur Erheblichkeit der Verletzung tarifvertraglicher Vorschriften über das schiedsgerichtliche Verfahren).
73Eine Entscheidung hierzu konnte ebenso dahinstehen wie die Klärung der tatsächlichen Frage, ob der vollständig abgefasste Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main vom 22.05.2012 vor oder nach Ablauf von fünf Monaten an die Geschäftsstelle des Bühnenoberschiedsgerichts übermittelt wurde. Denn ein Verstoß gegen entsprechende Verfahrensregelungen würde jedenfalls nicht die Aufhebung eines Spruchs der Bühnenschiedsgerichte rechtfertigen.
74Zwar richtet sich die Klage nach § 110 ArbGG auf die Aufhebung eines im Verfahren nach den §§ 101 ff. ArbGG zustande gekommenen Schiedsspruchs. Das bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 15. Februar 2012 – 7 AZR 626/10, NZA-RR 2013, 154, Rz. 26; Urteil vom 12. Januar 2000 – 7 AZR 925/98, NZA 2000, 1345, juris-Rz. 24) wie auch des Landesarbeitsgerichts Köln (vgl. nur Urteil vom 11. September 2013 – 5 Sa 93/13, NZA-RR 2014, 124, juris-Rz. 31; Urteil vom 14. Juli 2011 – 13 Sa 356/11, juris-Rz. 22) indes, dass die schiedsgerichtliche Entscheidung in der Sache - und nicht die über die Eröffnung eines weiteren Instanzenzugs im schiedsgerichtlichen Verfahren oder über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines diesbezüglichen Rechtsmittels - einer Aufhebung zugänglich sein soll. Mit der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts ist das Bühnenschiedsgerichtsverfahren verbraucht. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 110 ArbGG sind damit nicht die vom Bühnenschiedsgericht und Bühnenoberschiedsgericht getroffenen Entscheidungen, sondern das vor dem Schiedsgericht anhängig gemachte Sachbegehren (BAG, Urteil vom 15. Februar 2012 – 7 AZR 626/10, NZA-RR 2013, 154, Rz. 26; Urteil vom 12. Januar 2000 – 7 AZR 925/98, NZA 2000, 1345, juris-Rz. 24; GK-ArbGG/Mikosch, § 110 ArbGG Rz. 1). Die Kammer sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen (so schon Urteil vom 28.01.2014 – 12 Sa 679/13, juris-Rz. 102).
75d) Eine nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 105 Abs. 1 ArbGG erhebliche Rechtsverletzung ergibt sich schließlich nicht aus der Rüge der Klägerin, das Bühnenoberschiedsgericht hätte sie in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
76Es ist schon nicht ersichtlich, dass das Bühnenoberschiedsgericht mit Blick auf den aus seiner Sicht streitentscheidenden Gesichtspunkt der Diskriminierung der Beklagten aufgrund ihres Geschlechts dem Anhörungserfordernis des § 105 Abs. 1 ArbGG nicht genügt hätte. Eine Überraschungsentscheidung im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. November 2008 – 2 BvR 1012/08, BVerfGK 14, 455, juris-Rz. 6; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 – VII ZR 22/10, NJW-RR 2011, 487, Rz. 6) konnte die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts schon deshalb nicht darstellen, weil die hiesige Beklagte (und Klägerin des Schiedsverfahrens) die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und die daraus folgende Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung schon seit der ursprünglichen Klageerhebung vor dem Bezirksschiedsgericht Hamburg zu einem zentralen Angriffspunkt erhoben hatte. Dass das Bühnenoberschiedsgericht sich insoweit der Auffassung der Klägerin angeschlossen hat und insoweit zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als das Bezirksschiedsgericht, verletzte die Klägerin nicht ohne Weiteres in ihrem Recht auf rechtliches Gehör. Ein Gericht ist nicht grundsätzlich verpflichtet, die Parteien vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. November 2008 – 2 BvR 1012/08, BVerfGK 14, 455, juris-Rz. 6; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 – VII ZR 22/10, NJW-RR 2011, 487, Rz. 6; BAG, Urteil vom 08. Dezember 2010 – 5 AZR 95/10, BAGE 136, 263, Rz. 17).
77Unabhängig von der Frage der ausreichenden Anhörung nach § 105 Abs. 1 ArbGG ist jedoch das Bühnenschiedsgerichtsverfahren mit der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts verbraucht. Die Arbeitsgerichte sind zur Entscheidung über das schon vor den Schiedsgerichten verfolgte Sachbegehren berufen [vgl. oben unter cc)]. Der Klägerin ist rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu gewähren.
782) Die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts beruht auch nicht auf der Verletzung einer Rechtsnorm im Sinne von § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Zutreffend hat das Bühnenoberschiedsgericht erkannt, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien daher zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2012 hinaus fortbestand.
79a) Die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2012 ist nicht schon wegen Versäumung der Klagefrist des § 61 Abs. 8, 2 NV-Bühne rechtswirksam (vgl. zur Rechtsfolge der Fristversäumung: Bolwin/Sponer, § 61 NV Bühne Rz. 132.1). Die Beklagte hat gegen die am 28.06.2011 ausgesprochene Nichtverlängerungsmitteilung bereits am 02.08.2011 und damit innerhalb der tariflichen Frist Klage beim zuständigen Bezirksschiedsgericht Hamburg eingereicht.
80b) Die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2012 ist wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts nach § 134 BGB iVm. §§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Sie konnte daher die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 NV Bühne über den 31.07.2012 hinaus nicht hindern.
81aa) Zwar ist der Klägerin grundsätzlich dahingehend Recht zu geben, dass eine gerichtliche Überprüfung einer Nichtverlängerungsmitteilung auf ihre sachliche Rechtfertigung nicht stattfindet (vgl. BAG, Urteil vom 18. August 1986 – 7 AZR 418/85, juris-Rz. 20; Urteil vom 18. August 1986 – 7 AZR 418/85, juris-Rz. 39). Doch bedeutet das nicht, dass die Nichtverlängerungsmitteilung nicht den für Rechtsgeschäfte allgemein geltenden gesetzlichen Regelungen unterworfen wäre.
82Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung in Hinblick auf entgegenstehende gesetzliche Verbote zu prüfen (BAG, Urteil vom 23. Oktober 1991 – 7 AZR 56/91, BAGE 69, 1, juris-Rz. 34). Zwar wird hinsichtlich der Anwendbarkeit spezieller Kündigungsschutzvorschriften allgemein der unterschiedliche Rechtscharakter einer Nichtverlängerungsmitteilung im Verhältnis zu einer Kündigung betont (BAG, Urteil vom 23. Oktober 1991 – 7 AZR 56/91, BAGE 69, 1, juris-Rz. 35; Meinel/Heyn/Herms, 2. Aufl., § 7 AGG Rz. 12; Bolwin/Sponer, § 61 NV Bühne Rz. 23). Aus der Funktion einer Nichtverlängerungsmitteilung, welche die tariflich sonst eintretende Vertragsfortsetzung hindern soll (vgl. BAG, Urteil vom 15. Mai 2013 – 7 AZR 665/11, ZTR 2014, 40, Rz. 25; Urteil vom 23. Oktober 1991 – 7 AZR 56/91, BAGE 69, 1, juris-Rz. 37), folgt aber, dass es sich um eine Willenserklärung und damit um ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 134 BGB handelt (offen gelassen in: BAG, Urteil vom 23. Oktober 1991 – 7 AZR 56/91, BAGE 69, 1, juris-Rz. 39; aA Opolony „rechtsgeschäftsähnliche Handlung“, NZA 2001, 1351 [1353]).
83Die Klägerin verkennt auch die Reichweite der gesetzlichen Vorschriften zum Diskriminierungsschutz. Diese verbieten nicht nur diskriminierende Willenserklärungen. Das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG findet vielmehr umfassend auch auf Realakte und tatsächliche Handlungen Anwendung (Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt, 4. Aufl., § 7 AGG Rz. 5; Meinel/Heyn/Herms, 2. Aufl., § 7 AGG Rz. 16).
84bb) Der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist eröffnet. Die Frage der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund tariflicher Befristung infolge wirksamer Nichtverlängerungsmitteilung betrifft ebenso „Entlassungsbedingungen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 AGG wie die Frage der Wirksamkeit einer individualvertraglichen Befristungsabrede (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 06. April 2011 – 7 AZR 524/09, NZA 2011, 970, Rz. 28). Ebenso wie diese bezieht sie sich auf das „Ob“ und „Wie“ der Beendigung (vgl. Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt, § 2 AGG Rz. 9; Meinel/Heyn/Herms, § 7 AGG Rz. 27).
85cc) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe - hierzu gehört auch das Geschlecht - benachteiligt werden. Die Beklagte wurde durch die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 in unzulässiger Weise wegen ihres Geschlechts unmittelbar benachteiligt.
86(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen. Der Nachteil besteht in einer Zurücksetzung. Die Zurücksetzung muss wegen eines der in § 1 erwähnten Merkmale erfolgt sein. Die benachteiligende Maßnahme muss also durch eines (oder mehrere) dieser Merkmale motiviert sein bzw. der Benachteiligende muss bei seiner Handlung hieran anknüpfen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/1780, S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (BAG, Urteil vom 18. Februar 2014 – 3 AZR 833/12, NJW 2011, 2458, Rz. 32). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12, juris, Rz. 22).
87Nach der gesetzlichen Beweisregelung in § 22 AGG genügt es, dass im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Dabei geht es unter anderem um die Darlegung von Tatsachen, die den Rückschluss auf eine unerlaubte Motivation erlauben (Bauer/Göpfert/Krieger, § 22 AGG Rz. 6). Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
88(2) Aus den Äußerungen des Intendanten und Geschäftsführers der Klägerin und der Ballettdirektorin im Anhörungsgespräch vom 20.06.2011, wiedergegeben in dem unstreitigen Gesprächsprotokoll, ergeben sich ausreichende Indizien dafür, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis aus Sorge vor erneuten Ausfällen der Beklagten aufgrund einer Schwangerschaft oder infolge des Versuchs einer In-Vitro-Fertilisation nicht verlängern wollte. Hierin liegt eine unmittelbare Diskriminierung der Beklagten aufgrund ihres Geschlechts. Diese ist nicht nach § 8 AGG gerechtfertigt. Im Einzelnen:
89(a) Die Äußerungen der Arbeitgebervertreter im Anhörungsgespräch vom 20.06.2011 lassen nach Auffassung der Kammer nur den Schluss zu, dass die Klägerin den Nichtverlängerungsentschluss wegen befürchteter weiterer Ausfälle bzw. Beeinträchtigungen der Beklagten infolge Schwangerschaft oder einer Behandlung zur künstlichen Befruchtung gefasst hat. Die entsprechende Motivation der Klägerin hat sich darin gezeigt, dass schon unmittelbar zu Beginn des Gesprächs der dringliche Kinderwunsch der Beklagten von der Ballettdirektorin Frau T thematisiert wurde. Dies geschah unmittelbar im Zusammenhang mit der Frage, ob sich die Beklagte noch zu 100% in den Beruf einbringe bzw. zu 100% ihre Aufgabe als Ballettsolistin erfülle. In der vergangenen Spielzeit sei die Beklagte schwangerschaftsbedingt zu 75 % nicht einsetzbar gewesen. Auch der Intendant warf die Frage nach der Leistungsbereitschaft der Beklagten in Hinblick auf die tatsächliche Einsetzbarkeit der Klägerin in der vergangenen Spielzeit auf. Es zeigt sich, dass Hintergrund der entsprechenden Zweifel auf Arbeitgeberseite Arbeits- und Probenausfälle waren, zu denen es infolge des Versuchs der Beklagten, schwanger zu werden, kam bzw. die auf einer tatsächlichen, später abgebrochenen Schwangerschaft beruhten. Hieraus lässt sich indes keine negative Prognose hinsichtlich der Einsatz- und Leistungsfähigkeit der Beklagten ableiten, die unabhängig von einer versuchten Schwangerschaft bestünde. Vielmehr lassen die entsprechenden Bedenken des Intendanten und der Ballettdirektorin nur den Schluss zu, dass sie eine fortdauernde Beeinträchtigung der Einsatz- und Leistungsfähigkeit der Beklagten gerade aufgrund weiterer Schwangerschaften bzw. Behandlungsversuche befürchteten. Dies wurde durch die Ballettdirektorin auch recht eindeutig zum Ausdruck gebracht, indem sie zu bedenken gab, dass nach erfolgter (Fruchtbarkeits-) Behandlung ggf. eine Schwangerschaft anstehe. Dass der Intendant eine entsprechende Nachfrage des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden zur Schwangerschaft als Motiv der Nichtverlängerung sodann verneinte, vermag das zuvor geschaffene Indiz nicht zu entkräften, zumal auch der Intendant nachfolgend die schwangerschaftsbedingten Ausfälle zur Begründung seiner Bedenken gegenüber der Leistungsbereitschaft der Beklagten heranzog. Entsprechend benannte er gerade die unklare Zukunft der Beklagten als „das Problem“ – was sich offensichtlich auf ihren Kinderwunsch und dessen Erfüllung bezog. Ebenso stellte er ausdrücklich klar, dass es nicht um das Risiko einer kurzfristige Erkrankung ging, woraus wiederum geschlossen werden muss, dass er gerade das Risiko einer – mit längeren Ausfällen einhergehenden – Schwangerschaft der Beklagten scheute.
90(b) Die durch die genannten Indizien begründete Vermutung hinsichtlich der Motivation der Klägerin bei Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung hat diese nicht zu widerlegen vermocht. Ihre gegenteiligen Beteuerungen, die Schwangerschaft der Beklagten habe keine Rolle für ihre Entscheidung gespielt, haben die Kammer nicht zu überzeugen vermocht (§ 286 Ab. 1 ZPO). Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (BAG, Urteil vom 22. Juli 2010 – 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93, Rz. 65; Urteil vom 17. Dezember 2009 – 8 AZR 670/08, NZA 2010, 383, Rz. 29).
91Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass schwangerschaftsbedingte Ausfälle keine Rolle bei ihrer Entscheidung gespielt hätten. Im Gegenteil bestätigt sie ihre diskriminierende Motivation, wenn sie zur Begründung ihrer Nichtverlängerungsentscheidung auf die fehlende Einsatz- und Leistungsfähigkeit der Beklagten in der vorangegangenen Spielzeit abstellt. Denn da diese unstreitig maßgeblich auf der Schwangerschaft der Beklagten bzw. den in diesem Zusammenhang vorgenommenen Behandlungen beruhten und die Klägerin erkennbar auch aus diesem Grunde entsprechende Beeinträchtigungen in der Zukunft befürchtete, waren auch nach ihrem eigenen Vortrag eine mögliche Schwangerschaft der Beklagten und die damit einhergehenden Arbeitsausfälle Motiv der Nichtverlängerung. Das hat die Erörterung im Kammertermin bestätigt. Die Beklagte verkennt insoweit die Reichweite der durch das AGG inkriminierten Kausalität. Schwangerschaftsbedingte Probleme und Komplikationen, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben können, gehören zu den mit einer Schwangerschaft verbundenen Risiken und damit zu dem, was das Spezifische dieses Zustands ausmacht (EuGH, Urteil vom 08. September 2005 – C-191/03, NZA 2005, 1105, Rz. 46; Urteil vom 30. Juni 1998 – C-394/96, NZA 1998, 871, Rz. 22). Entsprechend hat der Europäische Gerichtshof schon in seiner Entscheidung vom 30.06.1998 erkannt, dass die Schwangerschaft als der hauptsächliche Grund für eine Entlassung anzusehen ist, wenn eine Arbeitnehmerin aufgrund von Fehlzeiten gekündigt wird, die sich aus ihrer durch die Schwangerschaft bedingten Arbeitsunfähigkeit ergeben (EuGH, Urteil vom 30. Juni 1998 – C-394/96, NZA 1998, 871, Rz. 24; ebenso Urteil vom 04. Oktober 2001 – C-109/00, NJW 2002, 123, Rz. 25 ff.). Den Einwand, dass Grund der Entlassung nicht die Schwangerschaft, sondern die (schwangerschaftsbedingten) Leistungsausfälle seien, hat der EuGH zu Recht nicht anerkannt (vgl. Urteil vom 04. Oktober 2001 – C-109/00, NJW 2002, 123, Rz. 20). Entsprechendes gilt für Ausfallzeiten infolge einer In-Vitro-Fertilisation (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2008 – C-506/06 NZA 2008, 345, Rz. 40 ff.).
92(c) Die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer befürchteten Schwangerschaft der Beklagten oder damit verbundenen Arbeitsausfällen bedeutet eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Oktober 2001 – C-438/99, NZA 2001, 1243, Rz. 47; ErfK/Müller-Glöge, 14. Aufl., § 15 TzBfG Rz. 7; APS/Backhaus, 4. Aufl., § 15 TzBfG Rz. 118; Gräfl, 3. Aufl., § 14 TzBfG Rz. 48 und Gräfl/u.a.-Spinner, § 17 TzBfG Rz. 71; zur Entlassung: EuGH, Urteil vom 08. September 2005 – C-191/03, NZA 2005, 1105, Rz. 47; zur In-Vitro-Fertilisation: EuGH, Urteil vom 26. Februar 2008 – C-506/06 NZA 2008, 345, Rz. 50; Urteil vom 04. Oktober 2001 – C-109/00, NJW 2002, 123, Rz. 25). Denn die Folgen von Schwangerschaften betreffen ausschließlich Frauen. Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in älteren Entscheidungen die Wirksamkeit einer Befristung nicht allein deshalb für unwirksam gehalten hat, weil die Arbeitnehmerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwanger gewesen oder es danach geworden ist (vgl. BAG, Urteil vom 06. November 1996 – 7 AZR 909/95 –, juris-Rz. 15 ff.; DB 1997, 1927; Großer Senat, Beschluss vom 12. Oktober 1960 – GS 1/59, BAGE 10, 65, 3. Leitsatz; Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 48). Denn im Falle der Beklagten geht es nicht um die Wirksamkeit einer Befristung, sondern um die Frage, ob die Klägerin aufgrund von Umständen, die unmittelbar mit der (geplanten) Schwangerschaft der Beklagten zusammenhingen, die tariflich vorgesehene Vertragsverlängerung verweigern durfte.
93(d) Für die in der Nichtverlängerung wegen der schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten liegende Benachteiligung der Beklagten aufgrund ihres Geschlechts ist eine Rechtfertigung nach § 8 AGG nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem Gesichtspunkt der von der Klägerin bemühten Kunstfreiheit. Auch die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Kunstfreiheit steht unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze (ErfK/Schmidt, 14. Aufl., Art. 5 GG Rz. 20) und vermag die Diskriminierung der Beklagten wegen des Geschlechts nicht zu rechtfertigen. Daher kann die Klägerin der Beklagten nicht mit Erfolg entgegen halten, dass die schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten den Proben- und Aufführungsbetrieb stören und damit ihre künstlerischen Belange beeinträchtigen würden. Nach Auffassung der Kammer ist nicht deutlich geworden, dass dies zu einem – auch mit Blick auf das entgegenstehende verfassungs- (Art. 3 Abs. 2 GG) und europarechtlich (§ 21 Abs. 1 EU-Grundrechte-Charta) verankerte Benachteiligungsverbot - überwiegenden Interesse der Klägerin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten führen könnte. Dass der Klägerin durch die möglicherweise geminderte Einsatzfähigkeit der Beklagten eine Fortsetzung des Theaterbetriebs insgesamt unmöglich werden oder auch nur der Spielbetrieb wesentlich beeinträchtigt werden könnte, ist nicht erkennbar geworden. Auch in der vorangegangenen Spielzeit hat sich die Klägerin mit der Situation der Beklagten arrangiert. Dies ist ihr auch ebenso zuzumuten, wie die mit Schwangerschaften verbundenen finanziellen Belastungen für Arbeitgeber. Der Klägerin ist es versagt, allein wegen einer befürchteten Schwangerschaft eines Bühnenmitglieds dessen Arbeitsvertrag nicht nach der Tarifregelung des § 61 Abs. 2 NV Bühne zu verlängern.
94dd) Zu dem Ergebnis der Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung gelangt man auch im Rahmen der – auch von der Klägerin für geboten gehaltenen (ebenso etwa Nix/Hegemann/Hemke-Schneider, 2. Aufl., § 61 NV Bühne Rz. 14, Bolwin/Sponer, § 61 NV Bühne Rz. 46) Missbrauchskontrolle. Eine im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 8 AGG diskriminierende Nichtverlängerung ist als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ergibt sich dann aus § 242 BGB (LAG Köln, Urteil vom 17. August 2010 – 12 Sa 164/10, juris-Rz. 44, Urteil vom 14. September 2009 – 5 Sa 246/09, juris-Rz. 20).
95c) Die Kammer lässt dahinstehen, ob der Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 noch aus anderen Rechtsgründen die Wirksamkeit versagt bzw. die tarifliche Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam war.
96d) Ist eine Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam (§ 134 BGB), führt dies dazu, dass die Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis nicht verlängern zu wollen, keine Wirkung entfaltet. Das Arbeitsverhältnis verlängert sich dann nach § 61 Abs. 2 NV Bühne um ein Jahr (BAG, Urteil vom 15. Mai 2013 – 7 AZR 665/11, ZTR 2014, 40, Rz. 25).
97Dem steht nicht entgegen, dass § 15 Abs. 6 AGG die Begründung eines Arbeitsverhältnisses als Rechtsverfolge eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nicht vorsieht. Denn die Verlängerung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ergibt sich bereits aufgrund der tarifvertraglichen Regelung des § 61 Abs. 2 NV Bühne. Es geht mithin nicht um einen – bei Verstoß gegen § 7 AGG entstehenden gesetzlichen - Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern um eine vertragliche Fortsetzungsregelung. Schon aus § 15 Abs. 5 AGG folgt, dass Ansprüche aus anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben (vgl. APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rz. 117; Bauer/Göpfert/Krieger, 3. Aufl., § 15 AGG Rz. 68; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt, § 15 AGG Rz. 86).
98IV. Aufgrund des Erfolgs mit dem Hauptantrag war der von der Beklagten gestellte Hilfsantrag nicht zu bescheiden. Den von der Klägerin in der Berufungsinstanz formulierten „Hilfsantrag“ hat die Kammer nicht als selbständigen Sachantrag, sondern als eine ihren Berufungszurückweisungsantrag inhaltlich klarstellende, unselbständige Antragsergänzung ausgelegt.
99Für die Auslegung von Berufungsanträgen ist nicht allein der Wortlaut der Anträge maßgebend. Vielmehr ist stets die Berufungsbegründung zur Auslegung des Berufungsbegehrens heranzuziehen. Weiter sind sämtliche sonstigen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die dem Gericht bekannt und dem Rechtsmittelgegner zugänglich sind. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2010 – XII ZB 136/09, FamRZ 2011, 31, Rz. 18).
100Hiernach war unter Berücksichtigung der Berufungsbeantwortung der Klägerin und der erkennbaren Interessenlage nicht von einem eigenständigen (hilfsweisen) Berufungsantrag auszugehen. Einen über den Berufungszurückweisungsantrag hinausgehenden Sachantrag hätte die Klägerin wegen Versäumung der Frist für eine selbständige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG) nur im Wege der Anschlussberufung (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 524 ZPO) zur Entscheidung stellen können. In ihrer Berufungsbeantwortung lässt die Klägerin jedoch nicht erkennen, dass sie das Rechtsmittel der Anschlussberufung gegen das erstinstanzliche Urteil ergreifen will. Entsprechend fehlt es auch an einer – für die Zulässigkeit einer Anschlussberufung erforderlichen (§ 524 Abs. 3 ZPO) - Begründung des Rechtsmittels. Der Antrag auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.07.2012 wäre auch in der Sache offensichtlich unzulässig gewesen. Da das kontradiktorische Gegenteil Gegenstand des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts und damit der Berufung der Beklagten war, wäre ein entgegengesetzter Feststellungsantrag der Klägerin schon wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), zumindest aber wegen fehlendem Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) unzulässig gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2000 – III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, juris-Rz. 34). Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin einen unzulässigen und offensichtlich unbegründeten Berufungsantrag stellen wollte. Ein solcher war auch nicht erforderlich: Eine Entscheidung in der Sache war in jedem Fall schon aufgrund des Berufungsantrags der Beklagten gewährleistet. Denn aus der Entscheidung über den Erfolg der Aufhebungsklage folgt bereits unmittelbar, ob die Feststellung des Bühnenoberschiedsgerichts zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.07.2012 hinaus Bestand hat oder die mit diesem Ziel eingelegte Klage der Beklagten (und Klägerin des Schiedsverfahrens) deswegen abzuweisen ist, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge der Nichtverlängerungsmitteilung vom 28.06.2011 mit Ablauf des 31.07.2012 sein Ende gefunden hat.
101IV. Die Klägerin hat nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
102V. Die Revision war nicht zuzulassen. Revisionsgründe im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.
103RECHTSMITTELBELEHRUNG
104Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
105Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.