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1. Einem Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG kann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer eine formale Rechtsposition nach § 8 TzBfG dazu ausnutzt, einen Freistellungsanspruch während der als Urlaubszeit besonders begehrten Schulsommerferien durchzusetzen, ohne sich mit den Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer abstimmen zu müssen.
2. Das in einer Betriebsvereinbarung zur Urlaubsvergabe niedergelegte betriebliche Organisationskonzept zur gerechten Verteilung von Urlaubs- und Freizeitwünschen auf alle Mitarbeiter kann einen betrieblichen Grund im Sinne von § 8 Abs. 4 S.1 TzBfG darstellen.
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2016 in Sachen16 Ca 3940/16 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um einen Antrag des Klägers auf Reduzierung seiner Arbeitszeit auf der Grundlage von § 8 TzBfG.
3Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen und beschäftigt im Bereich des fliegenden Personals mehr als 1200 Mitarbeiter. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 02.12.2013 als Flugzeugführer beschäftigt, zuletzt als Flugkapitän auf dem Flugzeugmuster A 320 mit Stationierungsort Düsseldorf. Sein durchschnittliches Monatsgehalt beträgt 11.845,39 € brutto. Der Kläger hat ein schulpflichtiges Kind sowie ein weiteres Kind, das im Jahre 2018 schulpflichtig werden wird.
4Mit Schreiben vom 03.01.2014, welches der Beklagten am 05.02.2015 zugegangen ist, beantragte der Kläger die Reduzierung seiner Arbeitszeit um7,7 % auf 92,3 % der Vollarbeitszeit ab dem 01.07.2016 durch Freistellung an 28 zusammenhängenden Tagen ab Beginn der jeweiligen Sommerschulferien in Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 25.05.2016 unter Berufung auf betriebliche Gründe ab.
5Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er einen Anspruch auf die beantragte Verringerung der Arbeitszeit und die begehrte Lage der Arbeitszeit habe. Dieser Anspruch ergebe sich jedenfalls aus § 8 TzBfG. Die Beklagte habe entgegenstehende betriebliche Gründe nicht hinreichend dargelegt.
6Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, einer Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit des Klägers um 7,7 % auf 92,3 % der regelmäßigen Vollarbeitszeit ab dem 01.07.2016 durch Freistellung an 28 zusammenhängenden Tagen ab dem Beginn der jeweiligen Sommerschulferien in Nordrhein-Westfalen zuzustimmen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hat sich vor allem auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass das Teilzeitbegehren des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Der Kläger versuche mit seinem Teilzeitantrag, sich einen „Sonderurlaub“ in den Schulferien zu sichern, ohne an das bei der Beklagten bestehende Request-Verfahren gebunden zu sein. Die Nachfrage nach Urlaub sei in den Sommerferien besonders hoch. Es solle eine gerechte Verteilung der Urlaubswünsche der Flugzeugführer gewährleistet werden. Dem diene die Betriebsvereinbarung Urlaubsvergabe vom 21.01.2011. Darin werde ein rollierendes System der Urlaubsvergabe vorgesehen, dass einerseits auf Seniorität, andererseits auf soziale Gesichtspunkte wie z. B. das Vorhandensein schulpflichtiger Kinder abstelle. Eine jährliche Freistellung des Klägers in den Sommerferien würde dazu führen, dass der Kläger anders als seine Kollegen in diesem Zeitraum stets von der Arbeit freigestellt wäre, so dass in diesem Zeitraum noch weniger Kollegen Urlaub angeboten werden könne. Insoweit würde die Stattgabe des Teilzeitantrags in dem begehrten Zeitraum zu einer Benachteiligung der Kollegen führen.
11Zusätzlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten und hierzu näher ausgeführt, dass auch betriebliche Gründe gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG dem Teilzeitwunsch des Klägers entgegenstünden.
12Mit Urteil vom 18.10.2016 hat die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, die sich unter anderem auf die Gründe eines Urteils der 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln vom 28.06.2016 in dem parallel gelagerten Verfahren14 Ca 7821/15 stützen, wird Bezug genommen.
13Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 14.03.2017 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 13.04.2017 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Frist am 14.06.2017 begründet.
14Die Beklagte und Berufungsklägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie konkretisiert, dass im Jahre 2016 am Stationierungsort Nordrhein-Westfalen über 20 primäre, die Sommerferien betreffende Urlaubsanträge von Flugkapitänen aus Kapazitätsgründen abgelehnt worden seien. Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
15unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 18.10.2016, Az. 16 Ca 3940/16, die Klage abzuweisen.
16Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
17die Berufung der Beklagte zurückzuweisen.
18Auch der Kläger und Berufungsbeklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist weiterhin der Meinung, dass betriebliche Gründe im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG dem Teilzeitwunsch des Klägers nicht entgegenstünden und dieser Wunsch auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei. Der Kläger lässt bestreiten, dass im Jahr 2016 im Stationierungsort Nordrhein-Westfalen der Urlaubs-Request von mehr als 20 Kollegen abgelehnt worden sei. Die in der Tabelle der Beklagten aufgeführten Request-Zeiträume stimmten nicht mit dem vom Kläger beantragten Freistellungszeitraum überein. Außerdem erwähne die Beklagte nicht, dass eine große Anzahl der requesteten Urlaubszeiträume von der Schiedsstelle genehmigt worden seien.
19Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 14.06.2017 und der Berufungserwiderungsschrift des Klägers vom 21.07.2017 verwiesen. Ferner wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30.11.2017 Bezug genommen.
20Dem Kläger wurde im Jahre 2016 in den Sommerferien von ihm beantragter Urlaub gewährt.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22I.
23Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2016 in Sachen 16 Ca 3940/16 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formell ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
24II.
25Die Berufung der Beklagten musste zur Überzeugung des Berufungsgerichts auch Erfolg haben.
261.a. Die hier zu beurteilende Entscheidung der 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln lehnt sich in ihrer Begründung in wesentlichen Teilen an ein zuvor ergangenes Urteil der 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln (Urteil vom 28.06.2016, 14 Ca 7821/15) an. Die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat den dem Urteil der 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln zugrunde liegenden Sachverhalt zu Recht als in den entscheidungserheblichen Punkten mit dem Sachverhalt des vorliegenden Falles gleichgelagert angesehen. Der Fall der 14. Kammer betraf den Arbeitszeitreduzierungswunsch eines Flugkapitäns um8,22 % auf 91,78 %. Außerdem war im dortigen Fall der Standort Berlin betroffen, sodass sich der Arbeitszeitverteilungswunsch auf die Block-Freistellung in den ersten 30 Tagen der Schulsommerferien des Landes Berlin bezog.
27b. Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.06.2016 in Sachen14 Ca 7821/15 wurde zwischenzeitlich durch das Urteil des LAG Köln vom 24.05.2017, 3 Sa 830/16 abgeändert und die Klage des dortigen Klägers abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die vom dortigen Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BAG mit Beschluss vom 18.09.2017 in Sachen 9 AZN 627/17 als unzulässig verworfen.
28c. Die im vorliegenden Fall zur Entscheidung berufene Kammer hält das Urteil des LAG Köln vom 24.05.2017 in Sachen 3 Sa 830/16 in jeder Hinsicht für rechtlich zutreffend und schließt sich ihm deshalb an. Dies gilt zusätzlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit.
29d. Insbesondere macht sich die Kammer die überzeugenden Ausführungen des LAG-Urteils vom 24.05.2017 zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des Teilzeitbegehrens zu Eigen. Das Urteil vom 24.05.2017 führt hierzu Folgendes aus:
30„Dem Teilzeitbegehren des Klägers steht darüber hinaus der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.
31Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts enthält § 8 TzBfG zwar keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpft den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit auch nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung. Demgemäß kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben. Deshalb indiziert ein solches nur geringfügiges Arbeitszeitreduzierungsverlangen nicht per se einen Rechtsmissbrauch (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009, 9 AZR 517/08, NZA 2009, 2007).
32Liegen allerdings im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen lassen, der Arbeitnehmer wolle die ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, kann dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Annahme eines gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen (BAG, Urteil vom 11.06.2013, 9 AZR 786/11, NZA 2013, 1074 m. w. N..). Dies hat das BAG im Fall einer Verringerung des Arbeitszeitvolumens eines Piloten um 3,29 % bei einer Verteilung der reduzierten Arbeitszeit dergestalt, dass der dortige Kläger jeweils vom 22. Dezember des Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres nicht zu arbeiten hatte, bejaht.
33Nach Auffassung der erkennenden Kammer gelten diese Grundsätze auch im vorliegenden Fall. Der Umfang der Arbeitszeitverringerung beträgt vorliegend 8,22 % und ist damit ebenfalls noch geringfügig. Der vom Kläger begehrte Freistellungszeitraum von 30 zusammenhängenden Kalendertagen jeweils zu Beginn der Schulsommerferien ist ein Zeitraum, in dem erfahrungsgemäß viele Flugzeugführer der Beklagten ihrerseits von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung urlaubsbedingt freigestellt werden wollen. Eine Freistellung ist regelmäßig allerdings nur im Wege eines Urlaubsantrages zu erreichen. Für die Bewilligung von Urlaub gilt … nach der einschlägigen Betriebsvereinbarung ein komplexes Vergabeverfahren, das eine möglichst gerechte Verteilung des knappen Gutes „Urlaub“ gewährleisten soll. Diesen für alle Arbeitnehmer geltenden Vergabemechanismus würde der Kläger mit seinem Teilzeitbegehren durchbrechen, was ihm eine blockweise Freistellung in den begehrten Sommermonaten garantiert, ohne dass er an das komplexe Urlaubsvergabeverfahren gebunden wäre. Letztlich würde der Kläger also eine nach § 8 TzBfG bestehende formale Rechtsposition nutzen, um einen Freistellungsanspruch durchzusetzen, der als Urlaubsanspruch nicht durchsetzbar wäre. Zusätzlich geschähe dies zu Lasten der anderen Mitarbeiter. Ein solches Vorgehen erachtet die erkennende Kammer als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.“
34e. Diese Grundsätze sind aufgrund des vergleichbaren Sachverhalts uneingeschränkt auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Auch im vorliegenden Fall geht das Teilzeitbegehren des Klägers erkennbar zu Lasten einer größeren Anzahl anderer vergleichbarer Mitarbeiter der Beklagten, die bei ihren Urlaubswünschen in den Sommermonaten noch deutlich stärker eingeschränkt würden als bisher, wohingegen der Kläger zusätzlich zu seinem „normalen Urlaub“ in den Sommermonaten weitere 28 zusammenhängende Kalendertage freigestellt wäre.
35f. Bezeichnenderweise hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründungsschrift auf 20 namentlich gekennzeichnete Fälle verweisen können, bei denen Kolleginnen und Kollegen des Klägers der erste, die Sommerferien 2016 betreffende Urlaubswunsch aus Kapazitätsgründen abgelehnt und durch eine Urlaubszuweisung ersetzt wurde, die in nahezu allen Fällen außerhalb der Sommerferien lag. Die Reaktion des Klägers auf diesen Sachvortrag erscheint widersprüchlich, weil er einerseits die Darlegungen der Beklagten, obwohl namentlich gekennzeichnet, bestreitet, andererseits aber behauptet, dass „eine große Anzahl der requesteten Urlaubszeiträume von der Schiedsstelle genehmigt wurden.“
36g. Andererseits belegt der Umstand, dass der Kläger selbst in den Sommerferien 2016 antragsgemäß Urlaub erhalten konnte, dass der aufgrund seiner familiären Situation grundsätzlich nachvollziehbare Wunsch nach Urlaubsfreizeit während der Sommerferien auch bei Teilnahme an dem für alle geltenden Urlaubsvergabesystem der Betriebsvereinbarung vom 21.01.2011 angemessen berücksichtigt werden kann.
372. Das Urteil der 3. Kammer des LAG Köln vom 24.05.2017 in Sachen3 Sa 830/16 stellt zusätzlich darauf ab, dass dem Teilzeitbegehren des Klägers auch betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG entgegenstünden.
38a. Die Betriebsvereinbarung zur Urlaubsvergabe vom 21.01.2011 sehe für die Vergabe des Urlaubs ein komplexes, im Wesentlichen aus Seniorität und sozialer Auswahl bestehendes Vergabesystem vor. Die so gewährleistete gerechte Verteilung von Urlaubs- und Freizeitwünschen auf alle Mitarbeiter stelle ein betriebliches Organisationskonzept dar, das einem individuellen Teilzeitverlangen eines Mitarbeiters entgegenstehen könne (so auch LAG Köln, Urteil vom 30.06.2014, 2 Sa 977/13). Dieses Organisationskonzept stehe konkret dem vorliegenden Teilzeitbegehren des Klägers auf der zweiten Prüfungsstufe ebenfalls entgegen.
39b. Auch diese Ausführungen im Urteil vom 24.05.2017 (dort Rdnr. 20 ff. bei juris) macht sich die hier zur Entscheidung berufene Kammer zu Eigen.
403. Dementsprechend musste die Berufung der Beklagten Erfolg haben.
41III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
42Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben. Die vorliegende Entscheidung folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen auf den Umständen des Einzelfalls.