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Zu den Voraussetzungen des Tarifmerkmals der „qualifizierten Übersetzung" in EG 13 (teilweise parallel zu LAG Köln, 11.01.2018 - 7 Sa 412/17)
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 28.03.2018 – 2 Ca 1480/17 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung der Klägerin.
3Die im Jahr 1960 geborene Klägerin ist seit dem 01.07.1986 bei der Beklagten beschäftigt und als Übersetzerin für die russische und englische Sprache beim B tätig. Sie verfügt über eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung mit Diplom der Universität Mainz vom 20.03.1982 für die Sprachen Englisch und Russisch.
4Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.07.1986 nimmt Bezug auf die für die Beklagte geltenden Tarifverträge. Die Klägerin ist im Referat SDM 11 eingesetzt und erhält derzeit eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 der EntgO (Bund).
5Ausweislich der zwischen den Parteien unstreitigen Tätigkeitsdarstellung für Angestellte vom 21.07.1986 (Bl. 10 ff. d. A.) besteht die Tätigkeit der Klägerin im Übersetzen aus einer Ost- und einer Westsprache und zwar im Einzelnen im Beraten der Fachdokumentare in ostsprachigen und westsprachigen Texten, im Anfertigen von Inhaltsangaben und Kurzfassungen für die Fachdokumentare, im Fertigen von Volltextübersetzungen schwieriger russischer und englischer Texte sowie im terminologischen Auswerten deutscher, ost- sowie westsprachiger Fachzeitschriften. Dabei entfallen bei einer 40-Stunden-Woche 20 Wochenstunden auf den Arbeitsvorgang „9.1 Übersetzen schwieriger Texte aus dem Russischen ins Deutsche“, auf den Arbeitsvorgang „9.2 Übersetzen schwieriger Texte aus dem Englischen ins Deutsche“ 17 Stunden sowie auf den weiteren Arbeitsvorgang „9.3 Terminologisches Auswerten von Fachzeitschriften“ drei Wochenstunden. Die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt ausweislich der vorgelegten Bezügeabrechnung Mai 2017 zuletzt 34 Wochenstunden. In dem Bewertungsteil der vorgenannten Tätigkeitsdarstellung heißt es zum Ergebnis der tariflichen Bewertung wie folgt:
6„Die Arbeitsvorgänge aus Feld 13 Nr. 9.1 und 9.2 erfüllen mit 92,5% das qualifizierende Tarifmerkmal: Angestellte, die sich dadurch aus der VergGr IVb Fallgruppe 3 herausheben, dass sie in nicht unerheblichem Umfange schwierige Texte einwandfrei und zuverlässig übersetzen.“
7Mit Schreiben vom 21.04.2017 beantragte die Klägerin ihre Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV EntgO Bund rückwirkend zum 21.10.2016. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 17.05.2017 ab.
8§ 12 TVöD Bund hat folgenden Wortlaut:
9„Eingruppierung
10Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach dem Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund). Die/der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
11Die/der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.“
12In dem zum 01.01.2014 in Kraft getretenen TV EntgO Bund sind die hier streitigen Entgeltgruppen 11 und 13 wie folgt geregelt:
13„Entgeltgruppe 11
14Ziffer 1
15Beschäftigte mit einschlägiger abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, die
16a) schwierige Texte in zwei Sprachrichtungen übersetzen und
17b) dabei gründliche Kenntnisse auf mindestens einem Fachgebiet des Ressorts oder auf einem wissenschaftlichen oder wissenschaftlich technischen Fachgebiet zur Geltung bringen.
18…
19Entgeltgruppe 13
20Ziffer 1
21Beschäftigte mit einschlägiger abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung, die schwierige Texte in mindestens zwei Sprachrichtungen qualifiziert übersetzen. (Hierzu Protokollerklärungen Nr. 4 und 5).“
22Die Protokollerklärung Nr. 4 lautet wie folgt:
23„Nr. 4
24Beschäftigte übersetzen qualifiziert, wenn die Übersetzung besonderen qualitativen Anforderungen entspricht, weil sie in druckreife Form zu bringen ist oder keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegt.“
25Die Definition der „druckreifen Form“ befindet sich in Protokollerklärung Nr. 2, die lautet:
26„Eine Übersetzung ist dann in druckreife Form zu bringen, wenn sie unter Wahrung der Stilebene des Originaltextes stilistisch ausgefeilt werden und den für die Abfassung von Gesetzen, Verträgen, Vorschriften, anderen amtlichen Veröffentlichungen oder wissenschaftlichen Arbeiten geltenden Grundsätzen der sprachlichen Gestaltung vollständig entsprechen und höchsten Anforderungen genügen muss. Ob die druckreife Form erforderlich ist, ergibt sich aus dem Verwendungszweck der Übersetzung oder aus einer ausdrücklichen Anordnung im Einzelfall.“
27Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin über die für die Entgeltgruppe 13 erforderliche Qualifikation verfügt und zudem schwierige Texte in mindestens zwei Sprachrichtungen übersetzt.
28Wegen des weiteren erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 21.10.2016 Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 Stufe 6 TV EntgO Bund zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 13 Fallgruppe 3 TV EntgO, da sie unstreitig über die vorausgesetzte einschlägige abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung verfüge und ebenso unstreitig „schwierige Texte“ in „zwei Sprachrichtungen“ übersetze. Außerdem übersetze sie auch „qualifiziert“ im Sinne des Tarifvertrages, da ihre Übersetzungen keiner weiteren Kontrolle unterlägen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 145 ff. d. A.) Bezug genommen.
29Gegen dieses ihr am 09.05.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 11.06.2018 Berufung eingelegt und hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 12.07.2018 begründet.
30Die Beklagte stellt zunächst nochmals ausdrücklich unstreitig, dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV EntgO Bund am 01.10.2014 schwierige Texte aus dem Russischen und dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen hatte und dass sie gründliche Kenntnisse zur Geltung bringe. Gleichwohl erfülle die Klägerin die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 13 nicht.
31Die Beklagte meint, jede Eingruppierung stehe unter der verklammernden Norm des § 12 Abs. 2 TVöD und es komme folglich stets darauf an, welche Tätigkeit „auszuüben“ sei und nicht darauf, welche faktisch ausgeübt werde. Um eine rechtmäßige Höhergruppierung zu begründen wäre es daher notwendig, dass der Klägerin die entsprechenden höherwertigen Tätigkeiten von der personalbearbeitenden Stelle übertragen worden wären, was förmlich durch ein Schreiben dieser Stelle geschehe.
32Hinsichtlich des Merkmals der „weiteren Kontrolle“ komme es – ebenso wie bei der druckreifen Form – darauf an, ob eine Kontrolle vorgesehen sei oder ob sich der Betroffene auf einer Hierarchiestufe befinde, auf der organisatorische keine weitere Instanz mehr vorgesehen sei. Beide Kriterien seien gleichermaßen normativ zu verstehen, so dass irrelevant sei, in wie vielen und in welchen Fällen faktisch eine Kontrolle stattgefunden haben möge. Das tariflich-systematisch richtigerweise nur normativ zu verstehende Merkmal der fehlenden Kontrolle sei nur dann erfüllt, wenn die Übersetzung keinerlei Kontrolle mehr „unterliege“, wenn also eine fachliche Kontrolle – zum Beispiel aufgrund hierarchischer Stellung des Übersetzers oder aus irgendeinem anderen Grund – per se ausgeschlossen sei.
33Bereits aus systematischen Gründen könne nicht davon ausgegangen werden, dass jede Übersetzung, die rein faktisch nicht mehr einer Kontrolle unterzogen würde (aus welchen organisatorischen, praktischen oder in der Person des Übersetzers liegenden Gründen auch immer) das Heraushebungsmerkmal der qualifizierten Übersetzung erfülle. Das belege auch der systematische Vergleich innerhalb der einzelnen Alternativen der Entgeltgruppe 13. So könne der Anwendungsbereich des qualifizierten Übersetzers nach Fallgruppe 3 nur dann eröffnet sei, wenn es sich um Übersetzungen handele, die von der Güte an bereits von Überprüfern überprüfte Übersetzungen heranreiche oder bestimmungsgemäß dasselbe Maß an „Endverantwortung“ aufwiesen.
34Die Beklagte trägt weiter vor, dass der Klägerin keinerlei Vorgesetzten- und vor allem auch keine Entscheidungsbefugnisse zustünden. Sie sei nicht berechtigt, die Freigabe einer von ihr angefertigten Übersetzung zur Verwendung oder gar zur Weitergabe an Dritte anzuordnen.
35Im Übrigen meint die Beklagte, auch die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin entspreche keiner Tätigkeit, die eine Eingruppierung in EG 13 rechtfertigen könne, da die Übersetzungen der Klägerin nicht „qualifiziert“ im Sinne der Protokollerklärung Nr. 4 seien. So gebe es bezüglich des Erfordernisses der Druckreife weder konkrete Anordnungen im Einzelfall, noch ergebe sich Entsprechendes aus dem Verwendungszweck der Übersetzungen. Auch das Tarifmerkmal der fehlenden Kontrolle sei nicht gegeben. Die Übersetzungen der Klägerin hätten sowohl der Überprüfung als auch der weiteren Kontrolle unterlegen. Das ergebe sich bereits aus der Einordnung der Klägerin in die Behördenhierarchie des Bundessprachenamts. Die Klägerin sei – unstreitig – u.a. der Referatsleiterin unterstellt, die ihrerseits Verantwortung (auch) für die von der Klägerin angefertigten Übersetzungen trage. Auf eine Stichpunktbetrachtung, wann und wie lange, welche Kontrollen durchgeführt worden seien, komme es nicht an. Insgesamt bestehe das Referat aus der Referatsleiterin, drei nachgeordneten Überprüfern sowie weiteren 19 wiederum nachgeordneten Übersetzern sowie drei Fremdsprachenassistentinnen. Der Arbeitsablauf sei dergestalt, dass die Referatsleiterin nach Sichtung der Arbeitsergebnisse und damit nach „weiterer Kontrolle“ ohne Rücksprache mit der Klägerin über die Weitergabe der Übersetzung an den Auftraggeber entscheide. Das gelte auch dann, wenn die Referatsleiterin – wie im Fall der russischen Sprache – über keine eigenen Sprachkenntnisse verfüge, denn auch hier könne die Referatsleiterin aufgrund des textlichen Zusammenhangs und einer Kontrolle des deutschen Textes prüfen, ob die Übersetzung schlüssig erfolgt sei. Im Übrigen bediene sich die Referatsleiterin im Einzelfall der Unterstützung durch andere Übersetzer oder Überprüfer. Eine Überprüfung der Texte durch einen der Überprüfer/innen finde nur statt, wenn für die inhaltliche Richtigkeit der Texte Gewähr übernommen werden müsse.
36Die Beklagte meint weiter, es müsse deutlich zwischen „Kontrolle“ und „Überprüfung“ im Tarifsinn unterschieden werden. Bei einer Kontrolle unterziehe eine übergeordnete Instanz die Arbeitsergebnisse einer abschließenden Durchsicht, ehe das Arbeitsergebnis tatsächliche Verwendung finde. Im Rahmen einer Überprüfung werde die Übersetzung inhaltlich und fachlich im Detail durchleuchtet.
37Für die Beantwortung der Frage, ob eine Arbeitsleistung weiterer „Kontrolle unterliege“, komme es weder sprach- noch tariflogisch darauf an, ob und in welchem Maß jedes einzelne Arbeitsergebnis tatsächlich im Detail durchgesehen werde. Entscheidend sei vielmehr, dass strukturell Kontrollen vorgesehen seien, bei denen darüber entschieden werde, ob das Arbeitsergebnis freigegeben werde. Insbesondere komme es insoweit nicht auf die Intensität der Durchsicht durch den Fachvorgesetzten im Einzelnen an.
38Schließlich behauptet die Beklagte, die Kontrollen würden seit April 2017 als Reaktion auf die Behauptungen zahlreicher Übersetzer nicht kontrolliert zu werden, auch dokumentiert. Unabhängig davon unterliege die Arbeit aber seit jeher der Kontrolle – wie bereits vorgetragen. Als Beleg könnten insoweit zwei kontrollierte Übersetzungen der Klägerin (Bl. 326 ff. d. A.) dienen. Allerdings sei die Klägerin insoweit darlegungs- und beweispflichtig.
39Im Übrigen sei es Sache der Beklagten zu entscheiden, wie die Vorgesetzten ihrer Kontrollfunktion nachkämen. Auch könne die Vorgesetzte der Klägerin als studierte Linguistin die von den Mitarbeitern erbrachten Übersetzungsleistungen jederzeit kontrollieren, auch wenn sie in Sprachen erbracht würden, derer die Vorgesetzte nicht mächtig sei. So kontrolliere die Vorgesetzte die Übersetzungen der Klägerin daraufhin, ob, wann und mit welchem Zeitaufwand sie angefertigt worden seien, ob das Ergebnis den Anforderungen an eine fachgerechte Übersetzung – insbesondere hinsichtlich sprachlicher Qualität und Stringenz – entspreche, ob die Übersetzung vollständig sei und etwaige Besonderheiten des Auftrags berücksichtige.
40Die Beklagte beantragt,
41das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 28.03.2018– 2 Ca 1480/17 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
42Die Klägerin beantragt,
43die Berufung zurückzuweisen.
44Die Klägerin tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und meint, die Beklagte konstruiere rechtsfehlerhaft eine "normative Kontrolle" anstelle der allein tariflich vorgeschriebenen tatsächlich vorgenommenen Kontrolle. Sie ist insoweit weiter der Auffassung, sowohl die zweite als auch die siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln hätten dies in ihren hierzu ergangenen Entscheidungen zutreffend ausgeführt.
45Die Klägerin bestreitet, dass die Referatsleiterin mangels Kenntnis der russischen Sprache und der kyrillischen Schrift überhaupt eine "Kontrolle" der Übersetzungen habe vornehmen können. Richtig sei vielmehr, dass die Russischübersetzungen stets "ungeprüft" die Behörde verlassen hätten. Im Übrigen sei jeglicher Vortrag der Beklagten zur behaupteten Durchführung von Kontrollen unsubstantiiert.
46Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
47E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
48I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
49II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache erfolglos. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung nach Entgeltgruppe EG 13 TV EntGO Bund festgestellt.
50Zutreffend hat das Arbeitsgericht zunächst die Grundsätze der Tarifauslegung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dargestellt. Diese hat es auch richtigerweise angewandt und entschieden, dass die Voraussetzungen einer fehlenden weiteren Kontrolle im Tarifsinn danach im vorliegenden Fall erfüllt sind. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird insoweit verwiesen.
51Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
521. Zunächst ist nochmals grundlegend festzuhalten, dass es für die Erfüllung der Voraussetzungen der qualifizierten Übersetzung nach der Protokollerklärung Nr. 4 auf ein alternatives, nicht aber auf ein kumulatives Verständnis ankommt. Eine Übersetzung entspricht danach dann besonderen qualitativen Anforderungen, wenn sie entweder „in druckreife Form zu bringen ist“ oder „keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegt“. Eine Übersetzung unterliegt immer dann „besonderen qualitativen Anforderungen“ im Sinne der Protokollerklärung Nr. 4, wenn eine der beiden in dem sich anschließenden „weil“-Satz genannten Qualifikationsalternativen zu bejahen ist. Aus der Kausal-Verknüpfung durch das Wort „weil“ geht unmissverständlich hervor, dass auch aus dem Begriff der „besonderen qualitativen Anforderung“ selbst keine zusätzlichen Steigerungsmerkmale mehr abzuleiten sind (so auch zutreffend bereits LAG Köln, Urteil vom 11.01.2018 - 7 Sa 412/17).
532. Die Klägerin erfüllt die tariflichen Voraussetzungen der von der Entgeltgruppe 13 Ziffer 3 geforderten "qualifizierten" Übersetzung, da ihre Übersetzungen aus dem Russischen ins Deutsche, die sie zum überwiegenden Teil ihrer Tätigkeit erstellt, im Sinne der Protokollnotiz Nr. 4 "keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegen".
54a) Das ergibt sich zum einen aus Sinn und Zweck der Tarifnorm. Hierzu hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln in der bereits zitierten Entscheidung vom 11.01.2018 (7 Sa 412/17) Folgendes ausgeführt:
55" ...
56a. Der Sinn und Zweck, warum die Tarifvertragsparteien eine zur Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 13 führende „qualifizierte Übersetzung“ ausweislich der Protokollerklärung Nr. 4 u. a. dann als erfüllt ansehen, wenn die Übersetzung „keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegt“, besteht zur Überzeugung des Berufungsgerichts in folgender Überlegung: Eine Übersetzerin/ein Übersetzer, die/der weiß, dass ihre/seine Übersetzung in aller Regel ohne weitere Qualitätsendkontrolle das eigene Haus verlässt, muss sich bewusst sein, dass das Endprodukt ihrer/seiner Arbeit, genauso wie von ihr/ihm erstellt, dem Auftraggeber zugeht und dort die von diesem vorausgesetzte Funktion zu erfüllen hat. Sie/er muss sich bewusst sein, dass etwaige Mängel des von ihr/ihm erstellten Produkts im Weiteren nicht nur und nicht einmal in erster Linie auf sie/ihn selbst zurückfallen werden, sondern geeignet sind, das Ansehen der gesamten eigenen Behörde in Mitleidenschaft zu ziehen.
57b. Diese Umstände führen dazu, dass Übersetzerinnen/Übersetzer, deren Arbeitsprodukte „keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegen“, bei ihrer Arbeit eine gesteigerte Verantwortung zu tragen haben und diese deshalb mit gesteigerter Sorgfalt ausführen müssen. Dies sind die auf der Hand liegenden Gründe, die die Tarifvertragsparteien offensichtlich dazu bewogen haben, Übersetzungen, die „keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegen“ als besonderen qualitativen Anforderungen entsprechend zu kennzeichnen und als Kriterium für eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 13 Ziffer 3 zu bestimmen.
58c. Dieser Sinn und Zweck des tariflichen Heraushebungsmerkmals „keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegt“ verdeutlicht, dass das Heraushebungsmerkmal auch dann verwirklicht ist, wenn die Arbeiten einer Übersetzerin/eines Übersetzers zwar nicht niemals, aber doch nur gelegentlich und stichprobenartig einer Kontrolle unterzogen werden. Die gesteigerten Anforderungen an Verantwortung und Sorgfalt bei der Erstellung der Übersetzungen liegen auch dann vor, wenn die Übersetzerin/der Übersetzer zwar mit gelegentlichen stichprobenartigen Kontrollen ihrer/seiner Arbeit zu rechnen hat, jedoch weiß, dass im Arbeitsalltag in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle de facto keine Kontrolle stattfindet. In Analogie zu der Eingruppierungsgrundregel in § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund kann die Regel aufgestellt werden, dass das Tarifmerkmal „keiner weiteren Kontrolle mehr unterliegt“ jedenfalls dann erfüllt ist, wenn die Übersetzerin/der Übersetzer weiß bzw. damit zu rechnen hat, dass jedenfalls die überwiegende Zahl der von ihr/ihm zu erstellenden Übersetzungen (vgl. „mindestens zur Hälfte“ in § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund) faktisch keiner hausinternen Kontrolle unterzogen wird. ..."
59Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer vollinhaltlich an.
60b) Hiervon ausgehend haben im vorliegenden Fall keine derartigen "weiteren Kontrollen" stattgefunden. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift vorgetragen, ihre Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche würden stichprobenartig überprüft, eine Kontrolle der aus dem Russischen übersetzten Texte finde jedoch nicht statt. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass weder die Referatsleitung noch Überprüfer die russische Sprache beherrschten. Dementsprechend würden die von der Klägerin aus dem Russischen übersetzten Texte in der Form, in der sie von der Klägerin verfasst worden seien, in die bundeswehrinterne Datenbank eingestellt. Diesen Vortrag hat sie in ihren weiteren schriftsätzlichen Stellungnahmen vertieft und bestätigt und auch zweitinstanzlich ausdrücklich aufrechterhalten.
61Die Beklagte ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Mit der Berufungsbegründung hat sie vorgetragen, die Klägerin habe sehr wohl einer weiteren Kontrolle unterlegen "und zwar sowohl normativ als auch faktisch". Tatsächlich durchgeführte Kontrollen seien vor April 2017 nicht katalogisiert und vermerkt worden. Seit dem 01.04.2017 finde eine lückenlose Kontrolle statt. Zuletzt führt sie mit Schriftsatz vom 10.01.2019 aus, "die Arbeit der Übersetzer unterliege seit jeher der Kontrolle". Mittlerweile - seit April 2017 - würden diese Kontrollen auch dokumentiert. Bezugnehmend auf die beiden Anlagen zu diesem Schriftsatz (Bl. 326 ff. d. A.) führt die Beklagte aus, dass die Referatsleiterin der Klägerin in einem von der Klägerin aus dem Englischen übersetzten Dokument Interpunktionsfehler korrigiert und Formulierungen der Klägerin abgeändert habe. Auch das zweite, von der Klägerin aus dem Russischen übersetzte Dokument habe die Vorgesetzte der Klägerin kontrolliert, wie sich aus dem oben rechts angebrachten elektronischen Stempel ergebe.
62Dies stellt keinen hinreichend substantiierten und damit für die Klägerin einlassungsfähigen Sachvortrag der Beklagten dar. Die Beklagte hätte vielmehr im Einzelnen darlegen müssen, wann wer welche Übersetzungen der Klägerin in der Vergangenheit kontrolliert haben soll. Anders als sie meint, stellt ihr Sachvortrag in beiden Instanzen keine hinreichend substantiierte Erwiderung auf den klägerischen Vortrag dar. Die Beklagte geht auch rechtsirrig davon aus, sie treffe insoweit keine Vortrags- und Beweislast. Wie in der mündlichen Berufungsverhandlung erläutert, ist die Klägerin nach Auffassung der erkennenden Kammer zwar nach den allgemeinen Grundsätzen im Rahmen der Eingruppierungsfeststellungsklage für die Darlegung der Eingruppierungsvoraussetzungen grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Da das Tarifmerkmal der qualifizierten Übersetzung aber nach der Protokollnotiz Nr. 4 durch das negative Merkmal, dass die Übersetzung gerade keiner weiteren Kontrolle unterliege, definiert wird, trifft die Beklagte insoweit eine gesteigerte sekundäre Darlegungslast. Nur wenn die Beklagte im Einzelnen darlegt, wann und durch wen welche Kontrolle durchgeführt worden ist, kann die Klägerin ihrerseits substantiiert zu den Eingruppierungsvoraussetzungen vortragen und muss dies dann ggfl. beweisen. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten offensichtlich nicht.
63c) Gleichermaßen unsubstantiiert ist der Vortrag der Beklagten in Bezug auf die von ihr nach dem 01.04.2017 durchgeführten und nunmehr dokumentierten Kontrollen. Hierzu legt die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 10.01.2019 - sechs Tage vor dem Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung - ein einzelnes Dokument einer Übersetzung der Klägerin aus dem Russischen ins Deutsche vor, das eine Kontrolle der klägerischen Übersetzung durch die vorgesetzte Referatsleiterin beinhalte. Selbst bei unterstellter Richtigkeit dieses Dokuments liegt damit noch kein sachlich und rechtlich erheblicher Vortrag der Beklagten gegenüber dem Höhergruppierungsbegehren der Klägerin vor. Denn wie bereits die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in der zitierten Entscheidung von 11.01.2018 (7 Sa 412/17) ausgeführt hat, genügt eine bloße stichprobenartige Kontrolle den Tarifanforderungen jedenfalls nicht. Mehr als eine solche Stichprobe ist aber mit einer einmaligen Kontrolle keinesfalls dokumentiert.
64d) Hinzu kommt, dass die erkennende Berufungskammer nicht nachzuvollziehen vermag, wie die vorgesetzte Referatsleiterin der Klägerin die von dieser erstellten Übersetzungen im Sinne der tariflichen Vorschriften "kontrollieren" will, ohne die russische Sprache zu beherrschen und ohne überhaupt die kyrillischen Schriftzeichen entziffern zu können. Der Umstand, dass die Vorgesetzte studierte Linguistin ist - wie von der Beklagten ausdrücklich betont - vermag nach Auffassung der Kammer die fehlenden Sprachkenntnisse nicht zu kompensieren. Auch eine Kontrolle hinsichtlich sprachlicher Stringenz und Qualität erscheint der Kammer ohne Sprachkenntnisse zur Beurteilung des Quelltextes nicht durchführbar und eine Beschränkung auf eine Kontrolle des deutschen Textes wenig zielführend. Soweit schließlich die Beklagte vorträgt, die Vorgesetzte der Klägerin bediene sich im Einzelfall der Unterstützung durch andere Übersetzer oder Überprüfer, bleibt der Vortrag der Beklagten zum einen wieder pauschal und nicht einlassungsfähig und zum anderen steht dem die unwidersprochene Vortrag der Klägerin entgegen, dass im Referat der Klägerin weder Übersetzer noch Überprüfer mit russischen Sprachkenntnissen tätig sein.
65e) Entgegen der von der Beklagten auch in der mündlichen Berufungsverhandlung nochmals bekräftigten Rechtsauffassung handelt es sich bei den Voraussetzungen in Entgeltgruppe 13 Ziffer 3 TV EntgO Bund in Verbindung mit der Protokollerklärung Nr. 4 nicht um rein normativ zu verstehende Tarifmerkmale, so dass es - anders als die Beklagte meint - nicht lediglich auf die hierarchische Behördenstruktur und die bloße Möglichkeit zur Kontrolle der Übersetzungstätigkeit der Klägerin ankommt. Auch dies hat die 7. Kammer in der bereits mehrfach angesprochenen Entscheidung vom 11.01.2018 (7 Sa 412/17) überzeugend begründet, so dass auf diese Ausführungen vollinhaltlich Bezug genommen werden kann. Die 7. Kammer hat Folgendes ausgeführt:
66"...
67aa. Zum einen legt schon der Wortlaut der Protokollerklärung Nr. 4 den von der Beklagten für richtig gehaltenen ausschließlich normativen Charakter des Tarifmerkmals nicht nahe. Der maßgebliche Kausalsatz („…weil…sie keiner weiteren Kontrolle unterliegt“) lässt angesichts der Verwendung des Indikativs „unterliegt“ bereits eher auf eine faktische Sichtweise schließen. Die Tarifvertragsparteien haben auch nicht etwa formuliert „weil sie keiner weiteren Kontrollinstanz mehr unterliegt“ o. ä.
68bb. Vor allem aber erscheint die Auffassung der Beklagten, es komme nur auf die hierarchische Einordnung der Klägerin in eine Behördenstruktur und die damit verbundene Möglichkeit zu einer Fachkontrolle an, mit dem oben erörterten Sinn und Zweck der tariflichen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen.
69cc. Behördliche Strukturen sind prägend für den öffentlichen Dienst, ohne dass sie im Zusammenhang mit einer von der Protokollerklärung geforderten „weiteren Kontrolle“ stünden. Jeder Behördenstruktur ist immanent, dass sie verschiedene hierarchisch einander unterstellte Leitungsebenen aufweist, in denen einzelne Personen Vorgesetzten unterstellt sind, die ebenfalls wiederum andere Vorgesetzte haben. Damit geht jedoch nicht eine von der tariflichen Vorschrift geforderte „weitere“ Kontrolle einher, sondern wird lediglich die für jedes Arbeitsverhältnis – auch im öffentlichen Dienst – denknotwendige Weisungsabhängigkeit, die eine der Charakteristika einer Dienstleistung als Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit darstellt, beschrieben.
70dd. Wäre die von der Beklagten angestellte Überlegung zutreffend, könnten Übersetzer im öffentlichen Dienst die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 13 TV EntgO in nahezu keinem Fall erfüllen. Dies würde dazu führen, dass die tarifvertragliche Vorschrift praktisch leer liefe. Ein solches Auslegungsergebnis verträgt sich nicht mit dem Grundsatz, dass die Tarifvertragsparteien eine vernünftige, gerechte, zweckorientierte und vor allem praktisch brauchbare Regelung treffen wollen, sodass im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen des Rechts- und Arbeitslebens am ehesten entspricht (vgl. BAG vom 09.03.1983, 4 AZR 61/80, AP § 1 TVG Auslegung Nr. 128). Den Tarifvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, eine Vorschrift ohne praktischen Anwendungsbereich geschaffen haben zu wollen. Die bloße Existenz einer Behördenstruktur steht darüber hinaus in keinem Zusammenhang zu der besonders gesteigerten Sorgfalt, die der Arbeitnehmer, welcher keiner Kontrolle im Tarifsinne unterliegt, anzulegen hat und die insgesamt für das Tarifmerkmal charakteristisch ist. ..."
71Dem ist aus Sicht der erkennenden Kammer nichts hinzuzufügen.
72f) Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz weiterhin unter Berufung auf § 12 Abs. 2 TVöD argumentiert, es komme für die Eingruppierung nicht auf die faktisch ausgeübte, sondern auf die auszuübende und vom Arbeitgeber an den Beschäftigten übertragenen Tätigkeiten an, kann dies nach Auffassung der Kammer vorliegend dahingestellt bleiben. Denn auch die Klägerin stützt ihr Höhergruppierungsbegehren auf die unstreitige Tätigkeitsdarstellung der Beklagten vom 21.07.1986. Auch die Art der von der Klägerin durchgeführten Übersetzungstätigkeiten ist nicht im Streit, so dass auch der zweitinstanzlich von der Beklagten zuletzt problematisierte vermeintlich fehlende Vortrag der Klägerin zur Übertragung von Tätigkeiten rechtlich ohne Relevanz bleibt. Schließlich geht auch der Einwand der Beklagten ins Leere, dass der Klägerin keine Vorgesetzten- und vor allem keine Entscheidungsbefugnisse zustünden, da diese Voraussetzungen vom Tarifvertrag für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 13 nicht verlangt werden.
73III. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Die Kammer ist der Anregung der Beklagten gefolgt und hat die Revision - ebenso wie bereits zuvor die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 11.01.2018 - wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.