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Der Anspruch auf eine Sozialplanabfindung entfällt aufgrund entsprechender Regelungen der Betriebsparteien nicht dadurch, dass ein Arbeitnehmer ein angemessenes Angebot auf Weiterbeschäftigung im Konzern ablehnt, wenn der Arbeitgeber die von ihm in der Betriebsvereinbarung selbst mitbestimmten Form- und Fristvorgaben für das Weiterbeschäftigungsangebot nicht einhält, insbesondere wenn das Weiterbeschäftigungsangebot nicht in Form eines dreiseitigen Vertrages unterbreitet wird.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 31.10.2018 (3 Ca 579/18) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren noch über einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung.
3Die Beklagte stellte Abwasserpumpen her. Sie unterhielt einen Betrieb in L , der zwischenzeitlich zum 31.12.2017 stillgelegt wurde. Dort waren regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt, wobei die Beklagte insofern behauptet, dass es rund 180 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gewesen seien. In dem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet, der derzeit das sog. Restmandat ausübt. Die Beklagte ist zudem in eine Konzernstruktur eingebunden. Die Beklagte hat im Jahre 2018 ihren Sitz von L nach B verlegt.
4Die S W , die eine weitere konzernangehörige Gesellschaft ist, hat ebenfalls in B einen Betrieb.
5Die Klägerin, geboren am 1987 und wohnhaft in L , war bei der Beklagten ab dem 01.08.2006 zunächst als technische Zeichnerin (bis zum Abschluss ihrer Ausbildung) und seit dem 01.01.2016 – aufgrund einer Zusatzvereinbarung vom 22.01.2016 (Bl. 99, 234 d.A.) – als (Entwicklungs-)Ingenieurin in der Abteilung Konstruktion tätig. Bezüglich des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 29.06.2009 wird auf Bl. 231 - 233 d.A. Bezug genommen. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 4.938,45 Euro. Im Jahre 2017 erhielt die Klägerin ein Weihnachtsgeld iHv. 2.716,15 Euro brutto und ein Urlaubsgeld iHv. 3.358,08 Euro brutto, was zusammen ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt iHv. 5.261,67 Euro ergibt.
6Die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat schlossen angesichts der beabsichtigten Betriebsstilllegung – ausgehend von einem sog. Eckpunktepapier vom 31.07.2017 (Bl. 212 - 214 d.A.) – in der Einigungsstelle, die ab dem 15.06.2017 insgesamt sieben Mal tagte, am 11.10.2017 eine „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan“ (nachfolgend auch: „BV“) ab. Bezüglich deren vollständigen Wortlauts – ohne Anlagen – wird auf Bl. 8-27 d.A. Bezug genommen. Diese Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
7„…
8I.
9BV-Interessenausgleich
10…
112. Maßnahme
12Der Standort … L wir zum 31.12.2017 stillgelegt.
133. Umsetzung der Maßnahme
14…
153.2 Umsetzung der Maßnahme im Einzelnen
163.2.1 Angebote auf „Weiterbeschäftigung im Konzern“
17[Absatz 1] Die in Anlage 2a namentlich genannten Mitarbeiter erhalten das Angebot, ab dem 01.01.2018 die dort jeweils genannte Position der ebenfalls jeweils genannten Gesellschaft auszuüben („Weiterbeschäftigung im Konzern“). Das Angebot wird spätestens zum 16.10.2017 mit dem als Anlage 2b beigefügten Schreiben ausgesprochen und muss bis spätestens zwei Wochen nach Zugang schriftlich angenommen werden (Ausschlussfrist).
18[Absatz 2] Für den Fall, dass einer der Mitarbeiter nach Ziffer 3.2.1 ein Angebot wegen fehlender Angemessenheit zurückweisen sollte, besteht insoweit ein Nachverhandlungsanspruch des Betriebsrats. Kommt es nicht zu einer Einigung, entscheidet über die Berechtigung der Ablehnung des Vertragsangebots die Einigungsstelle gemäß Ziffer 1.2.3. des Sozialplans in ihrer bisherigen Besetzung.
19[Absatz 3] Erfolgte die Ablehnung des Angebots wegen dessen fehlender Angemessenheit berechtigt, gilt Ziffer 3.2.4. bzw. 3.2.8 entsprechend. Der betroffene Mitarbeiter hat ausschließlich einen Anspruch auf eine Abfindung gemäß Ziffer 6 des Sozialplans. Dieser wird nicht aus dem Budget gemäß Ziffer 7 des Sozialplans finanziert, sondern vom Arbeitgeber gesondert geleistet.
20[Absatz 4] Mitarbeiter, die ein Angebot nach Maßgabe dieser Vorschrift erhalten, sind im Falle der unberechtigten Ablehnung nicht abfindungsberechtigt nach Ziffer 6 des Sozialplans.
21….
223.2.8 Betriebsbedingte Kündigungen
23Gegenüber Mitarbeitern, die das Angebot nach Ziff. 3.2.1 nicht annehmen ..., spricht das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen … aus. …
244. Sozialplan
25Zum Ausgleich bzw. der Milderung der sich aus der Umsetzung der in Ziff. 2 beschriebenen Maßnahmen ergebenden sozialen Härten vereinbaren die Betriebsparteien einen Sozialplan. Dieser bildet den Teil II. dieser Betriebsvereinbarung.
26…
27II.
28Sozialplan
291. Geltungsbereich
301.1 Sachlicher Geltungsbereich
31Der Sozialplan dient der Erfüllung der in Ziff. 4 des Interessenausgleichs (Teil I. dieser Betriebsvereinbarung) begründeten Verpflichtung.
321.2 Persönlicher Geltungsbereich
331.2.1 Der Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten. Er gilt jedoch nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits vor dem 01.08.2017 mit der Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag geschlossen haben. …
341.2.2 Voraussetzung für Ansprüche nach dem Sozialplan ist, dass die Mitarbeiter am 01.08.2017 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden haben. …
35Für Mitarbeiter, die nach Ankündigung der Betriebsänderung vor dem 01.08.2017 durch Eigenkündigung/Aufhebungsvertrag ihr Arbeitsverhältnis beendet haben, gilt die Sonderregelung in Ziffer 6.6.
36…
371.2.3 Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen nach Ziffer 3.2.1 des Interessenausgleichs ein Wechsel in ein Arbeitsverhältnis im S Konzern in B angeboten wird, gilt dieser Sozialplan nur für den Fall, dass die nach Ziffer 3.2.1 des Interessenausgleichs gebildete Einigungsstelle dies gesondert entscheidet.
38…“
39Die Klägerin ist – neben anderen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen – in der Anlage 2a zu dieser Betriebsvereinbarung namentlich genannt. Insofern wird Bezug genommen auf Bl. 263, 284 d.A., wobei die Parteien unterschiedliche Fassungen dieser Anlage zur Akte gereicht haben. Allerdings ist die Klägerin in beiden Fassungen der Anlage 2a genannt.
40Das „als Anlage 2b beigefügte Schreiben“ im Sinne von Ziffer I.3.2.1, Absatz 1 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 wurde erst am 05.12.2017 von der damit befassten Einigungsstelle fertig gestellt. Die Anlage 2b enthält einen sog. Musterüberleitungsvertrag, d.h. einen 3-seitigen-Vertrag, der zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer bzw. der betroffenen Arbeitnehmerin, der Beklagten und der S W abgeschlossen werden muss (siehe Anlage B9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.08.2018, Bl. 141 - 142 d.A.).
41Die BV enthält – im Teil II, d.h. im Sozialplan – im Falle des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung wegen der Betriebsstilllegung in Ziffer 6 eine Regelung zur Zahlung von Abfindungen durch die Beklagte, wobei diese Abfindung im Falle der Klägerin rechnerisch unstreitig 89.531,51 Euro brutto beträgt. Insofern wird bzgl. der einzelnen Faktoren und der Berechnung der Sozialplanabfindung durch die Klägerin auf Bl. 131 d.A. Bezug genommen.
42Die Beklagte ließ der Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2017 (siehe Bl. 236 d.A.) ein undatiertes Angebot auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit ihr (Bl. 237-238 d.A.) zukommen.
43In einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der S W am 24.10.2017 teilte die Klägerin dieser mit, dass sie ein Übernahmeangebot dieser Gesellschaft nach B ablehnt.
44In einem Telefonat des „Director Human Ressources“ der S W H, Herrn S H , mit der Klägerin am 25.10.2017 wurde das Angebot abermals erläutert und das Angebot bis zum 03.11.2017 aufrechterhalten.
45Auf eine E-Mail des Herrn H vom 06.11.2017 (Bl. 273 d.A.) reagierte die Klägerin nicht.
46Die Beklagte ließ der Klägerin mit Schreiben vom 13.11.2017 (siehe Bl. 63 d.A.) ein auf den 11.10.2017 datiertes und von den Geschäftsführern bereits unterzeichnetes Angebot eines Anstellungsvertrages zwischen der Klägerin und der S W in B n zukommen. In dem Schreiben vom 13.11.2017 heißt es allerdings, dass die Beklagte der Klägerin den „Abschluss eines Aufhebungsvertrages“ anbietet (Bl. 63 d.A.). Der Anstellungsvertrag sah für die Klägerin eine Tätigkeit als Ingenieurin im Bereich „Konstruktion und Entwicklung“ ab dem 01.01.2018 in B vor. Das bisherige Bruttoentgelt wurde hierin beibehalten, der Urlaubsanspruch (30 Tage pro Kalenderjahr) blieb unverändert, eine Probezeit entfiel und es sollten weiterhin die bisher in Bezug genommenen Tarifverträge fortgelten. Auch der Vorgesetzte der Klägerin bleibe unverändert. Bzgl. des schriftlichen Angebots des Anstellungsvertrages wird auf Bl. 68 - 72 d.A. Bezug genommen. Der Betrieb der S W in B ist rund 20 km vom Wohnort der Klägerin entfernt. Ein Schreiben gemäß der Anlage 2b zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 war, da dieses Musterschreiben erst am 05.12.2017 erstellt wurde, dem Schreiben der Beklagten vom 13.11.2017 nicht beigefügt.
47In einem Gespräch am 06.12.2017 – im Nachgang zu der Sitzung der Einigungsstelle am 05.12.2017, in der erstmals die Anlage 2b zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 erstellt wurde – zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und der Klägerin, wurde der Klägerin abermals ein Übernahmeangebot der S W in B gemacht. Der Geschäftsführer der Beklagten fasste den Inhalt dieses Gespräch in seiner E-Mail an die Klägerin vom 06.12.2017, 11:48 Uhr (Bl. 74 d.A.) zusammen. Mit E-Mail vom 08.12.2017, 08:21 Uhr, lehnte die Klägerin dieses Angebot ab (Bl. 75 d.A.).
48Den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der Beklagten lehnte die Klägerin ebenfalls ab.
49Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat machte mit E-Mail vom 13.12.2017, 08:15 Uhr geltend, dass das Angebot an die Klägerin nicht angemessen iSv. Ziffer 3.2.1 des Interessenausgleichs sei. Ferner machte er seinen Nachverhandlungsanspruch gemäß Ziffer I.3.2.1, Absatz 2 Satz 1 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 geltend (Bl. 215 d.A.).
50Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin mit Schreiben vom 17.01.2018 aus betriebsbedingten Gründen wegen der Stilllegung des Betriebes mit Wirkung zum 31.05.2018 (Bl. 7 d.A.). Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 08.01.2018 den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört (Bl. 64-65 d.A.) und der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 09.01.2018 der Kündigung widersprochen (Bl. 67 d.A.).
51Am 21.01.2018 rief der Betriebsrat, da keine Einigung mit der Beklagten über die Frage der Angemessenheit des Angebots erzielt werden konnte, die Einigungsstelle nach Ziffer I.3.2.1, Absatz 2 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 an. In der Sitzung der Einigungsstelle am 16.10.2018 entschied diese per Spruch, dass der Antrag des Betriebsrates auf Feststellung, dass die Ablehnung des Angebots wegen dessen fehlender Angemessenheit berechtigt war, zurückgewiesen wurde. Bezüglich des schriftlich abgefassten und begründeten Spruchs der Einigungsstelle, der am 07.12.2018 verkündet wurde, wird auf Bl. 217-225 d.A. Bezug genommen. Der Betriebsrat hat diesen Spruch der Einigungsstelle fristgerecht gerichtlich angefochten. Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Beschluss vom 18.09.2018 (3 BV 76/18) den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat der Betriebsrat fristgerecht Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht Köln hat auf die Anhörung vom 28.05.2020 mit verkündetem Beschluss vom 08.06.2020 (6 TaBV 62/19) die Beschwerde des Betriebsrates zurückgewiesen. Dieser hat keine Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG eingelegt, so dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln rechtskräftig ist.
52Mit ihrer Klage vom 01.02.2018, die der Beklagten am 07.02.2018 zugestellt wurde (Bl. 30 d.A.), hat sich die Klägerin vorrangig gegen die betriebsbedingte Kündigung vom 17.01.2018 gewandt und hat hilfsweise die Zahlung einer Sozialplanabfindung iHv. 89.531,51 Euro brutto begehrt. Die Klägerin hat bzgl. der Kündigung behauptet, dass keine Betriebsschließung vorläge, und die Ansicht vertreten, dass das Prozedere aus der Betriebsvereinbarung nicht eingehalten worden sei. Ferner hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass das Weiterbeschäftigungsangebot im Konzern nicht gleichwertig, da ihr nunmehr Fahrtkosten zu dem Betrieb in B entstehen würden, während der Betrieb in L fußläufig erreichbar gewesen sei. Ferner entstünde durch die Fahrzeiten eine Verkürzung der Freizeit der Klägerin. Schließlich hätte die Klägerin bislang ein größeres Konstruktionsteam geleitet, während das Team in B nur aus drei Personen bestehen würde, wobei insbesondere ein technischer Zeichner fehlen würde. Insgesamt sei das Weiterbeschäftigungsangebot weder persönlich zumutbar noch angemessen.
53Die Klägerin hat insofern erstinstanzlich beantragt,
541. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 17.01.2018 beendet wurde;
2. hilfsweise [für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 1] die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes in Höhe von 89.531,51 Euro zu zahlen.
57Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
58die Klage abzuweisen.
59Die Beklagte hat behauptet, dass die Stilllegung tatsächlich umgesetzt worden sei, d.h. der Betrieb sei eingestellt, das Grundstück geräumt und die Maschinen verkauft worden. Die Abwicklungsarbeiten hätten bis Ende Juli 2018 gedauert. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass das Vertragsangebot der S W in B vom 13.11.2017 angemessen iSv. Ziffer I.3.2.1 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 sei, da die materiellen Arbeitsbedingungen unverändert geblieben seien. Die Klägerin habe zu Unrecht eine zumutbare Weiterbeschäftigung im Konzern nicht angenommen, so dass sie keinen Anspruch mehr auf eine Sozialplanabfindung habe.
60Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.10.2018 den Kündigungsschutzantrag abgewiesen und die Beklagte entsprechend des Hilfsantrages zur Zahlung der Sozialplanabfindung iHv. 89.531,51 Euro brutto verurteilt. Zur Begründung der Abweisung des Kündigungsschutzantrages hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es von einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung ausgehe, da die Beklagte ihren Betrieb tatsächlich stillgelegt habe. Entsprechend des gestellten (echten) Hilfsantrages stünde der Klägerin jedoch ein Anspruch auf die Sozialplanabfindung in der geltend gemachten Höhe zu. Dem stünde insbesondere nicht Ziff. 1.2.3 des Sozialplans entgegen. Diese schließt eine Anwendbarkeit des Sozialplans nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, denen nach Ziff. 3.2.1 des Interessenausgleichs ein Wechsel in ein Arbeitsverhältnis im S Konzern in B angeboten wurde. Ein solches Angebot hat die Klägerin jedoch bereits deshalb nicht erhalten, da es gem. Ziff. 3.2.1 des Interessensaugleichs mit einem Schreiben gem. Anlage 2b der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 unterbreitet werden muss. Dies ist jedoch unstreitig nicht geschehen. Der Beklagten sei zuzugestehen, dass ihr dies auch nicht möglich war, da die Anlage 2b damals noch nicht existierte. Dies würde jedoch nichts daran ändern, dass Ziff. 3.2.1 des Interessenausgleich nicht nur inhaltliche Vorgaben dahingehend macht, dass das Angebot die in Anlage 2a gemachte Position enthalten muss, sondern auch formelle. Hätten die Betriebsparteien diese formellen Vorgaben nicht für wichtig gehalten, wäre eine Aufnahme in den Interessenausgleich nicht erforderlich gewesen. Dass die Anlage 2b für die Betriebsparteien nicht bedeutungslos war, zeigt sich auch daran, dass sie noch am 05.12.2017 die Anlage 2b geschaffen haben, obwohl die Frist zur Verwendung der Anlage längst abgelaufen war. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass das Angebot der Beklagten inhaltlich der später geschaffenen Anlage 2b entsprochen hätte. Diese sieht nämlich vor, dass der Inhalt des neuen Arbeitsverhältnisses mit der S W inhaltlich dem individuellen Arbeitsvertrag mit der Beklagten entsprechen muss. Im Gegenzug sieht die Anlage 2b die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten vor. Es handelt sich mithin um einen dreiseitigen Vertrag. Der Klägerin ist jedoch lediglich ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags unterbreitet worden, nicht hingegen auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrages. Es könne auch nicht angenommen werden, die Klägerin verhalte sich treuwidrig, wenn sie sich auf den Formmangel beruft. Sie war nämlich weder an der Schaffung des Formerfordernisses beteiligt noch hat sie zu verantworten, dass die Beklagte dieses aufgrund der vorgesehenen Frist und des Fehlens der Anlage bei Fristablauf gar nicht erfüllen konnte. Schließlich lasse sich nicht nachvollziehen, inwieweit der der Klägerin vorgelegte Arbeitsvertrag ihrem bisherigen Arbeitsvertrag entsprochen hat. Der Arbeitsvertrag der Klägerin mit der Beklagten wurde erstinstanzlich nicht vorgelegt. Mithin sei davon auszugehen, dass der Klägerin kein Angebot nach Ziff. 3.2.1 des Interessenausgleichs unterbreitet wurde, so dass der Sozialplan anwendbar ist und ein Anspruch der Klägerin auf Abfindung auch nicht nach Ziff. 3.2.1, Absatz 4 des Interessenausgleichs ausgeschlossen ist. Auf die Angemessenheit des der Klägerin unterbreiteten Angebots kommt es daher nicht an. Hierüber hätte ohnehin zunächst nur die Einigungsstelle zu befinden. Der Klägerin, die im Übrigen dem persönlichen Anwendungsbereich des Sozialplans unterfällt, habe daher einen Anspruch auf eine Abfindung gem. Ziff. 6 des Sozialplans in der von ihr bezifferten Höhe, die zwischen den Parteien nicht streitig ist.
61Die Beklagte hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, das ihr am 05.12.2018 zugestellt wurde, mit am 20.12.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und hat diese – nach ordnungsgemäß und fristgerecht beantragter Verlängerung der Frist bis zum 12.02.2019 – mit am 12.02.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
62Die Klageabweisung des Kündigungsschutzantrages der Klägerin durch das Arbeitsgericht ist mittlerweile rechtskräftig, da sie weder eine eigene (Haupt-)Berufung noch eine Anschlussberufung eingelegt hat.
63Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag. Sie ist der Ansicht, dass bereits der Wortlaut des Sozialplans vom 11.10.2017 der Auslegung des Arbeitsgerichts widersprechen würde, so dass der Sozialplan nicht auf die Klägerin anwendbar sei. Nach Ziff. II.1.2.3 der BV vom 11.10.2017 käme es nicht auf ein konkretes Angebot entsprechend der Anlage 2b an, sondern entscheidend sei, dass eine Weiterbeschäftigung im Konzern grdsl. möglich sei. Zudem enthalte Ziffer I.3.2.1 der BV vom 11.10.2017 keine Formvorgaben für das Vertragsangebot. Hierfür würde bereits sprechen, dass die Betriebsparteien ansonsten eine faktisch undurchführbare Betriebsvereinbarung abgeschlossen hätten. Wenn es hingegen auf die Anlage 2b und die Frist bis zum 16.10.2017 ankommen würde, wäre das gesamte Einigungsstellenverfahren und das anschließende gerichtliche Beschlussverfahren überflüssig gewesen. Zudem sei das der Klägerin unterbreitete Angebot inhaltlich mit der – späteren – Anlage 2b identisch. Insbesondere wären die arbeitsvertraglichen Konditionen bei der S s W in B identisch gewesen mit den Konditionen aus dem Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten. Insgesamt sei das Weiterbeschäftigungsangebot daher angemessen gewesen, so dass die Klägerin zurecht von der Abfindung als Sozialplanleistung ausgeschlossen sei. Jedenfalls sei es treuwidrig, wenn sich die Klägerin auf die Versäumung der Frist und der Formvorschriften berufen würde.
64Die Beklagte beantragt zuletzt,
65das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 31.10.2018 (3 Ca 579/18) abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
66Die Klägerin beantragt,
67die Berufung zurückzuweisen.
68Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie weist darauf hin, dass sie unter den Geltungsbereich des Sozialplans fällt und dass die Ausnahmeregelung der Ziffer 1.2.3 des Sozialplans nicht eingreifen würde, da die Beklagte die Voraussetzungen der Ziffer 3.2.1 des Interessenausgleichs nicht gewahrt habe, denn bis zum 16.10.2017 wurde der Klägerin kein Angebot vorgelegt. Auch hätte das (verspätete) Angebot nicht der Anlage 2b der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 entsprochen, denn es sei ihr kein dreiseitiger Vertrag vorgelegt worden. Sie bestreitet zudem, dass ihr in B technische Zeichner zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem bestreitet sie, dass sie in B zu unveränderten Bedingungen bei der S W hätte weiter arbeiten können.
69Die erkennende Berufungskammer hat mit Beschluss vom 27.06.2019 am Ende der mündlichen Verhandlung das vorliegende Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Anfechtungsverfahren bzgl. des Einigungsstellenspruchs vom 16.10.2018/07.12.2018, d.h. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens beim Landesarbeitsgericht Köln (6 TaBV 62/19), wegen Vorgreiflichkeit ausgesetzt (siehe Bl. 287/288 d.A.).
70Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§ 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
71E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
72Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist.
73A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b. ArbGG) und ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist zulässigerweise auf die Entscheidung über den Klageantrag zu Ziff. 2 (Hilfsantrag auf Zahlung einer Sozialplanabfindung) beschränkt, da die Beklagte auch nur insofern durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts materiell beschwert ist.
74B. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist. Die zulässige Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, entgegen der Auffassung der Beklagten begründet. Angesichts des durch das Arbeitsgericht rechtskräftig abgewiesenen Kündigungsschutzantrages (= Klageantrag zu Ziff. 1) liegt die innerprozessuale Bedingung vor, so dass über den hilfsweise gestellten Zahlungsantrag (= Klageantrag zu Ziff. 2) zu entscheiden ist. Die Klägerin hat insofern gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes in Höhe von 89.531,51 Euro brutto gemäß Ziffer 6 des Sozialplans (Teil II der Betriebsvereinbarung) vom 11.10.2017, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
75I. Der sachliche Geltungsbereich nach Ziffer 1.1 des Sozialplans (Teil II der BV) vom 11.10.2017 ist eröffnet, da dieser Sozialplan der Umsetzung der unstreitig durchgeführten Stilllegung des Betriebes der Beklagten in L dient.
76II. Die Klägerin ist vom persönlichen Geltungsbereich nach Ziffer 1.2.1, Satz 1 und Ziffer 1.2.2, Satz 1 des Sozialplans (Teil II der BV) vom 11.10.2017 erfasst. Die Klägerin war eine Arbeitnehmerin der Beklagten, die am 01.08.2017 (Stichtag) in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand. Die Klägerin war auch keine leitende Angestellte. Ferner hat die Klägerin weder einen Altersteilzeitvertrag noch einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen noch eine Eigenkündigung ausgesprochen.
77III. Die Klägerin ist auch entgegen von Ziffer 1.2.3 des Sozialplans (Teil II der BV) vom 11.10.2017 nicht vom persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans ausgenommen, so dass es insofern dahinstehen kann, ob und unter welchen Voraussetzungen ein derartiger Ausschluss rechtlich zulässig ist (vgl. insofern BAG, Urteil vom 6. November 2007 – 1 AZR 960/06, NZA 2008, 232; BAG, Beschluss vom 28. September 1988 – 1 ABR 23/87, NZA 1989, 186).
781. Zwar hat die nach Ziffer 3.2.1, Absatz 2 des Interessenausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 gebildete Einigungsstelle nicht gesondert positiv entschieden, dass der Sozialplan auch für die Klägerin gelten soll, und die Klägerin ist auch – da sie in der Anlage 2a zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 namentlich genannt ist (vgl. Ziffer 3.2.1, Absatz 1 des Interessenausgleichs) – eine Arbeitnehmern iSv. Ziffer 1.2.3 des Sozialplans (Teil II der BV) vom 11.10.2017, der nach Ziffer 3.2.1 des Interessenausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 ein Wechsel in ein Arbeitsverhältnis im S Konzern in B anzubieten war.
792. Die Beklagte hat der Klägerin allerdings entgegen ihrer Verpflichtung nach Ziffer 3.2.1 des Interessenausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 kein frist- und formgerechtes Angebot auf Weiterbeschäftigung im Konzern gemacht, so dass sowohl der o. g. Ausschluss der Klägerin vom persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans als auch die Ausnahmeregelung nach Ziffer 3.2.1, Absatz 4 des Interessenausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 nicht eingreifen. Dies ergibt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – nach dem eindeutigen und insofern nicht weiter auslegungsfähigen Wortlaut der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017.
80a) Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung – ebenso die eines Interessenausgleichs und Sozialplans als Betriebsvereinbarungen eigener Art – richtet sich wegen ihrer normativen Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) nach den Grundsätzen der Tarifvertrags- und Gesetzesauslegung. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 AZR 37/17, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 26. September 2017 – 1 AZR 717/15, Rn. 24, juris; BAG, Urteil vom 13. Oktober 2015 – 1 AZR 853/13, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 5. Mai 2015 – 1 AZR 435/13, Rn. 26, juris).
81b) Die Beklagte hat der Klägerin zunächst entgegen der Regelung in Ziffer 3.2.1, Absatz 1 Satz 2 des Interessenausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 nicht bis „spätestens zum 16.10.2017“ ein Angebot auf Weiterbeschäftigung im Konzern angeboten. Dies ist unstreitig. Diese Abgabefrist haben die Betriebsparteien in der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 ausdrücklich vereinbart. Es sind keine Umstände zu erkennen und von der Beklagten auch nicht dargetan, aus denen sich ergeben könnte, dass es sich mit fünf Tagen um eine versehentlich zu knapp bemessene Frist handeln würde. Hinzu kommt, dass die Betriebsparteien – ausgehend von dem Eckpunktepapier vom 31.07.2017 – während der insgesamt sieben Sitzungen in der Einigungsstelle hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, diese (Angebots-)Frist zu verlängern. Wenn diese (Angebots-)Frist dann dennoch am 11.10.2017 zwischen den Betriebsparteien ausdrücklich vereinbart wird, entspricht diese knapp bemessene Frist dem Willen der Betriebsparteien und damit auch dem Willen der Beklagten. Bezüglich der (Angebots-)Frist war die Betriebsvereinbarung auch durchführbar; die Beklagte hätte sich nur beeilen müssen.
82c) Die Beklagte hat der Klägerin des Weiteren entgegen der Regelung in Ziffer 3.2.1, Absatz 1 Satz 2 des Interessenausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 ebenfalls kein Angebot auf Weiterbeschäftigung im Konzern mittels eines Schreibens, das der Anlage 2b zur Betriebsvereinbarung entspricht, angeboten. Dies ist, soweit es den Zeitraum bis zum 16.10.2017 betrifft, zwischen den Parteien unstreitig. Die anschließend von der Beklagten und der S W erfolgten schriftlichen, mündlichen und per E-Mail erfolgten Angebote und diesbezüglichen Erläuterungen entsprechen – unabhängig von der Frage, ob diese überhaupt von Personen, die zur Vertretung der jeweiligen Gesellschaften befugt waren, vorgenommen wurden – nicht der Anlage 2b zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017. Die Anlage 2b, die durch die hiermit befasste Einigungsstelle erst am 05.12.2017 erstellt wurde, enthält einen 3-seitigen Musterüberleitungsvertrag, der zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer bzw. der betroffenen Arbeitnehmerin, der Beklagten und der S W abgeschlossen werden muss (siehe Anlage B9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.08.2018, Bl. 141 - 142 d.A.). Ein dreiseitiges Vertragsangebot zur Weiterbeschäftigung wurde der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Der Klägerin wurden getrennt Angebote auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der Beklagten und – unabhängig von der Frage, ob die materiellen Bedingungen identisch oder angemessen sind – Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der S W vorgelegt. Diese jeweiligen Vertragsangebote entsprechen weder einzeln noch in einer Gesamtschau der Anlage 2b zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017, da zu keinem Zeitpunkt ein Vertragsangebot vorgelegt wurde, das von allen drei betroffenen Parteien unterzeichnet werden sollte. Aus der Regelung in Ziffer I.3.2.1, Absatz 1 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 ergibt sich, zumal die Worte „Anlage 2b“ sogar im Fettdruck erfolgt sind, dass den Betriebsparteien die formelle Einhaltung des Weiterbeschäftigungsangebots im Konzern wichtig war. Dies haben sie zudem dadurch zu erkennen gegeben, dass sie diese Anlage 2b noch am 05.12.2017 – obgleich fast zwei Monate nach Ablauf der (Angebots-)Frist gemäß Ziffer 3.2.1, Absatz 1 Satz 2 des Interessenausgleichs – in der Einigungsstelle erstellt haben. Die Betriebsparteien hatten ferner während der insgesamt sieben Sitzungen in der Einigungsstelle bis zum 11.10.2017 hinreichend Zeit und Gelegenheit, entweder die (Angebots-)Frist zu verlängern oder die Anlage 2b zu erstellen. Wenn sie dann dennoch am 11.10.2017 ausdrücklich vereinbaren, dass das Weiterbeschäftigungsangebot im Konzern mittels einer noch zu erstellenden Anlage 2b unterbreitet werden muss und hierfür nur noch fünf Tage zur Verfügung stehen, entspricht dies gleichwohl dem Wortlaut und dem damit ausdrücklich erklärten Willen der Betriebsparteien. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Betriebsvereinbarung auch bzgl. der Anlage 2b durchführbar, da der Beklagten zumindest 5 Tage zur Verfügung standen. Wenn dann die Erstellung der Anlage 2b allerdings bis zum 05.12.2017 dauert, ist dies kein Umstand, der zulasten der Klägerin geht. Die Beklagte, die sich selbst durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung am 11.10.2017 insofern gebunden hatte, hätte sodann auf eine zügige Erstellung der Anlage 2b drängen müssen.
83d) Entgegen der Auffassung der Beklagten stelle es auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar, wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass ihr kein Angebot zur Weiterbeschäftigung im Konzern entsprechend der Anlage 2b zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 unterbreitet wurde, so dass sie einen Verstoß gegen die von den Betriebsparteien vereinbarte Formvorschrift zurecht rügen darf.
84aa) Die Berufung auf einen Formmangel durch eine Vertragspartei ist nur ausnahmsweise treuwidrig. Grundsätzlich verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, wenn sich eine Partei nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung beruft oder ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreift (vgl. BAG, Urteil vom 18. Juni 2008 - 7 AZR 214/07, Rn. 32, juris). Dies kann wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens aber ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn der Vertragspartner trotz des Formmangels auf die Gültigkeit des Vertrags vertrauen durfte und die den Formmangel geltend machende Vertragspartei sich dadurch zu ihrem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt. Sie muss durch dieses Verhalten beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt haben, ihr Recht zukünftig nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen (vgl. BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 10 AZB 32/10, Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 26. Juli 2006 – 7 AZR 494/05, Rn. 24, juris). Dies kommt im Hinblick auf die Bedeutung des Formerfordernisses nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Es reicht nicht aus, dass die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft. Für diesen muss das Ergebnis vielmehr schlechthin untragbar sein (BAG, Urteil vom 4. November 2015 – 7 AZR 933/13, Rn. 21 mwN, juris).
85bb) Hieran gemessen ist das Verhalten der Klägerin nicht als treuwidrig zu qualifizieren. Die Klägerin hat sämtliche und jeweils getrennt erfolgte Angebote auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der Beklagten sowie auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der S W abgelehnt. Die Klägerin war zudem nicht an den Verhandlungen der Betriebsparteien in der Einigungsstelle über die Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 und über die Anlage 2b beteiligt. Es fällt nicht in ihre Rechtssphäre, wenn die Beklagte am 11.10.2017 eine Betriebsvereinbarung abschließt, deren Frist- und Formregelungen sie nur unter äußerster Anstrengung und bezüglich der Anlage 2b in Absprache mit dem Betriebsrat einhalten konnte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich in den Verhandlungen in der Einigungsstelle für die Beklagte möglich gewesen wäre, die Zeitvorgabe „spätestens bis zum 16.10.2017“ abzuändern oder die Anlage 2b rechtzeitig zu erstellen. Dass der Verstoß der Beklagten gegen das von ihr selbst (mit-)aufgestellte Formerfordernis dazu führt, dass sie über das bisherige Sozialplanvolumen hinaus eine weitere Abfindung an die Klägerin zahlen muss, kann der Klägerin ebenfalls nicht angelastet werden. Die Klägerin hat sich – selbst wenn nach Auffassung der Einigungsstelle und der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln im Verfahren 6 TaBV 62/19 das Weiterbeschäftigungsangebot bzgl. der ihr angebotenen Position zu Unrecht wegen fehlender Angemessenheit abgelehnt – im Hinblick auf die weiteren Vorgaben der Ziffer 3.2.1 des Interessensausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 rechtstreu verhalten, während die Beklagte dies nicht getan hat.
86e) Da die Beklagte schon die Voraussetzungen von Ziffer I.3.2.1, Absatz 1 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 nicht eingehalten hat, kommt es vorliegend nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen der Angemessenheit des Angebots iSv. Ziffer 3.2.1, Absatz 2 und Absatz 3 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 erfüllt sind.
873. Da die Beklagte die Frist- und Formvorgaben aus Ziffer I.3.2.1, Absatz 1 Satz 2 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 nicht eingehalten hat, hat die Klägerin auch kein „Angebot nach Maßgabe dieser Vorschrift“ iSv. Ziffer I.3.2.1, Absatz 4 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.2017 erhalten, so dass sie weiterhin anspruchsberechtigt im Hinblick auf die Sozialplanabfindung bleibt. Die Formulierung „Angebot nach Maßgabe dieser Vorschrift“ kann sich nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck nur auf die Ziffer 3.2.1 des Interessensausgleichs (Teil I der BV) vom 11.10.2017 beziehen.
884. Die von der Klägerin begehrte Sozialplanabfindung entsprechend der Ziffer 6 des Sozialplans (Teil II der BV) vom 11.10.2017 beträgt der Höhe nach 89.531,51 Euro brutto. Die Klägerin hat die Berechnung der Sozialplanabfindung schlüssig dargelegt. Die Beklagte ist weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren dieser Berechnung durch die Klägerin und den zugrunde gelegten Berechnungsfaktoren – substantiiert – entgegen getreten. Insofern wird Bezug auf die Berechnung der Klägerin auf Bl. 131 d.A. genommen.
89C. Die Kosten der erfolglosen Berufung trägt die Beklagte als Rechtsmittelführerin, § 97 Abs. 1 ZPO.
90D. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Auch weicht die Kammer nicht von anderen Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.