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1. Die Verpflichtung zur Aufhebung einer Versetzung hindert den Arbeitgeber nicht, eine erneute, diesmal mitbestimmungskonforme Versetzung vorzunehmen. Einer vorherigen tatsächlichen „Rückversetzung“ des Arbeitnehmers bedarf es dabei nicht, wenn der Arbeitgeber die neue Versetzung aus dringenden sachlichen Gründen vorläufig durchführt.
2. Die zunächst fehlende Ausschreibung der Stelle hindert die Ersetzung der Zustimmung zu einer Versetzung dann nicht, wenn der Arbeitgeber die personelle Maßnahme nur vorläufig durchführt, die Ausschreibung vor Schluss der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht nachgeholt hat und sich kein weiterer Bewerber gemeldet hat (im Anschluss an LAG Berlin, Beschluss vom 26. September 2003 – 6 TaBV 609/03 und 633/03 sowie LAG Köln, Beschluss vom 14. September 2012 – 5 TaBV 18/12).
I. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 05.08.2020 – 3 BV 4/20 – abgeändert.
Die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung des Arbeitnehmers F N von der Abteilung Zielgruppenintelligenz (alt) in die neue Abteilung Quality Services Dialogmarketing als Abteilungsleiter wird ersetzt.
Es wird festgestellt, dass die vorläufige Durchführung der Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers F N sowie über die dringende Erforderlichkeit dieser Personalmaßnahme.
4Die Arbeitgeberin ist ein auf Dialogmarketing, Adress- und Datenmanagement spezialisiertes Unternehmen im Konzern De P D Group. Im Zuge einer Umgestaltung ihrer Betriebsorganisation versetzte sie die von ihr als leitende Angestellte angesehenen Abteilungsleiter M C , F N , R P und A S auf Abteilungsleiterpositionen in anderen Abteilungen, ohne zuvor den bei ihr gebildeten Betriebsrat beteiligt zu haben. Auf Antrag des Betriebsrats verpflichtete das Arbeitsgericht Siegburg die Arbeitgeberin mit Beschluss vom 13.06.2019, die Versetzungen aufzuheben. Gegen diesen Beschluss legte die Arbeitgeberin Beschwerde bei dem Landesarbeitsgericht ein.
5Mit jeweiligen Schreiben vom 10.01.2020 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass sie die Versetzungen zurücknehme und ihn, den Betriebsrat, vor der von ihr beabsichtigten erneuten Versetzung mit der Bitte um Zustimmung beteilige. Zugleich unterrichtete sie den Betriebsrat über die von ihr beabsichtigte Neuversetzung der Abteilungsleiter/innen sowie über die vorläufige Durchführung dieser personalen Maßnahme.
6Mit Schreiben vom 14.01.2020 rügte der Betriebsrat, dass auf diese Weise die betriebsverfassungswidrigen Versetzungen aufrecht erhalten blieben und so rechtsmissbräuchlich versucht werde, seine Rechte auszuhebeln. Zudem verweigerte der Betriebsrat die Erteilung seiner Zustimmungen und begründete dies damit,
7 dass die Arbeitgeberin die Stellen entgegen seinem Verlangen nicht ausgeschrieben habe und dadurch den im Zuge der Neuorganisation zu Teamleitern degradierten Arbeitnehmern An E , L W , G Gö und B J die Möglichkeit genommen worden sei, sich auf die Abteilungsleiterstellen zu bewerben,
8 die Betriebsratsmitglieder E , Gö und J damit zugleich unzulässig benachteiligt würden,
9 dass die Arbeitgeberin nicht geprüft habe, ob die Stellen mit Teilzeitbeschäftigten zu besetzen seien,
10 und dass den Versetzungen offensichtlich nicht mitbestimmte Auswahlrichtlinien zu Grunde gelegen hätten und
11 dass die Arbeitgeberin ihre Pflichten nach § 164 SGB IX nicht erfüllt habe.
12Ferner bestritt der Betriebsrat die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahmen.
13Mit ihrer am 17.01.2020 bei dem Arbeitsgericht Siegburg eingereichten Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu den neuen Versetzungen sowie die Feststellung begehrt, dass diese Versetzungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen seien.
14Am 26.06.2020 schrieb die Arbeitgeberin die Stellen intern aus.
15Im Hinblick auf die Rücknahme der ursprünglichen Versetzungen erklärten die Beteiligten in dem von der Arbeitgeberseite gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.06.2019 eingeleiteten Beschwerdeverfahren, in dem es um die vom Betriebsrat verlangte Aufhebung der Versetzungen ging, das dem Beschwerdeverfahren zu Grunde liegende Beschlussverfahren für erledigt.
16Die Arbeitgeberin hat im vorliegenden Verfahren das Bestehen von Zustimmungsverweigerungsgründen bestritten und behauptet, dass der Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt aufgrund eines ordnungsgemäßen Beschlusses eine Ausschreibung der Stellen verlangt habe. Eine Auswahlrichtlinie sei nicht angewandt worden. Die vorläufigen Versetzungen seien notwendig, da die Leitungsaufgaben nicht kommissarisch wahrgenommen werden könnten.
17Die Arbeitgeberin hat beantragt,
181. die Zustimmung des Betriebsrats zu den Versetzungen folgender Arbeitnehmer jeweils innerhalb ihres Unternehmens und jeweils am Standort J , T , zu ersetzen:
a) M C von der Abteilung Entwicklung & ITSM (alt) in die neue Abteilung Data Architecture als Abteilungsleiterin,
21b) F N von der Abteilung Zielgruppenintelligenz (eins) die neue Abteilung Quality Services Dialogmarketing als Abteilungsleiter,
22c) R P von der Abteilung Integrierte Datenservices (alt) in die neue Abteilung Data Services als Abteilungsleiterin,
23d) A S von der Abteilung Business Services Dialogmarketing (alt) in die neue Abteilung Business Services Dialogmarketing als Abteilungsleiter.
24e) festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der im Antrag zu 1. genannten Versetzungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
25Der Betriebsrat hat beantragt,
26die Anträge zurückzuweisen.
27Er hat die Auffassung vertreten, dass die Betriebsratsmitglieder benachteiligt worden seien, da ihnen nicht gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen und sie durch den Wegfall ihrer Führungsverantwortung unter Überschreitung des Direktionsrechts degradiert worden seien. Die den Versetzungen zu Grunde liegenden Auswahlentscheidungen würden denklogisch eine Auswahlrichtlinie voraussetzen. Zudem sei es - so seine Behauptung - gelebte Praxis, dass Stellen auszuschreiben seien, weil er, der Betriebsrat, schon mehrfach wegen fehlender Ausschreibung seine Zustimmung zu personellen Maßnehmen verweigert habe.
28Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin mit einem am 05.08.2020 verkündeten Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat nicht fristgemäß und nicht ordnungsgemäß zu den Versetzungen angehört. Die betreffenden Arbeitnehmer seien nämlich ohne zeitliche Zäsur ununterbrochen weiter beschäftigt worden. Soweit die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mitgeteilt habe, dass sie die ursprünglichen Versetzungen zurückgenommen habe, liege darin keine Rückgängigmachung der Maßnahmen im Sinne tatsächlicher Arbeitsplatzwechsel. Zu welchem Zeitpunkt eine solche Rücknahme erfolgt sein solle, erschließe sich auch dann nicht, wenn man dafür eine logische Sekunde ausreichen lassen würde. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Stellen erst im Juni 2020 ausgeschrieben worden seien, was die Unsicherheit darüber, wann die Arbeitgeberin von den bisherigen Personalmaßnahmen Abstand genommen habe, noch verschärfe. Ließe man für das Ablassen von den Personalmaßnahmen eine logische Sekunde ausreichen, würde dies dem Betriebsrat die Möglichkeit nehmen, auf die Missachtung seiner Mitbestimmungsrechte effektiv zu reagieren. Dem stehe nicht entgegen, dass die vollständige Rücknahme der Versetzung Betriebsstrukturen voraussetze, die so nicht mehr vorhanden seien.
29Der Beschluss ist der Arbeitgeberin am 01.09.2020 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde ist am 29.09.2020 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und mit einem am 02.11.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
30Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet zu haben. Bei den Versetzungen vom 25.05.2018 und vom 10.01.2020 handele sich um unterschiedliche Maßnahmen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne. Zwar verfolge sie mit den zweiten Zustimmungsersetzungsverfahren dasselbe Rechtsschutzziel; jedoch beträfen ihre streitgegenständlichen Anträge nicht denselben Vorgang und Lebenssachverhalt, sondern ein neues Zustimmungs-ersetzungsersuchen. Vorgänge auf individualrechtlicher Ebene seien für die betriebsverfassungsrechtliche Ebene ohne Bedeutung.
31Sie habe die Arbeitnehmer M C , F N , R P und A S am 25.05.2018 nicht vorläufig, sondern endgültig als Abteilungsleiter eingesetzt, ohne den Betriebsrat zuvor unterrichtet zu haben, weil sie davon ausgegangen sei, dass es sich bei ihnen um leitende Angestellte handele. Mit Wirkung zum 10.01.2020 habe sie die Arbeitnehmer zwar ebenfalls als Abteilungsleiter, jedoch diesmal nicht endgültig, sondern nur vorläufig eingesetzt. Dies habe sie durch die Rücknahme der ursprünglichen Versetzungen deutlich gemacht. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe es dazu weder eines tatsächlichen Wechsels des Arbeitsplatzes der betroffenen Arbeitnehmer noch einer entsprechenden Kommunikation ihnen gegenüber bedurft. Auch der Betriebsrat scheine dieser Auffassung gewesen zu sein, weil er ansonsten im Beschwerdeverfahren bezüglich des Beschlusses des Arbeitsgerichts Siegburg vom 13.06.2019, mit der ihr die Aufhebung der Versetzungen aufgegeben worden sei, keine Erledigungserklärung abgegeben hätte.
32Der Betriebsrat habe die Ausschreibung zu besetzender Arbeitsplätze nicht ordnungsgemäß und damit nicht wirksam verlangt. Insoweit könne er sich nicht auf einen in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Beschluss vom 04.12.2018 berufen. Denn er habe seine Mitglieder zur Sitzung vom 04.12.2018 nicht rechtzeitig geladen. Zwischen Ladung und Sitzungen hätten gerade einmal ein ganzer und ca. zwei halbe Werktage gelegen, insgesamt also ca. zwei Arbeitstage. Für die Betriebsratsmitglieder habe keine ausreichende Gelegenheit bestanden, sich auf die Sitzung einzurichten, notwendige Vorbereitungen zu treffen und Vorberatungen durchzuführen. In der Sitzung vom 04.12.2018 seien elf Tagesordnungspunkte mit jeweils zahlreichen Unterpunkten behandelt worden. Das Protokoll zu der Sitzung sei 37 DIN-A4-Seiten lang. Eine angemessene Vorbereitung und Vorbesprechung sei angesichts dieses Umfangs nicht innerhalb des kurzen Ladungszeitraums möglich gewesen. So habe sich das Betriebsratsmitglied Frau E erst am 04.12.2018 14 Minuten vor Beginn der Betriebsratssitzung wegen Betriebsratsarbeit abgemeldet. Das Ersatzmitglied Frau K habe sich weder am 30.11.2018 noch am 03.12.2018 wegen Betriebsratsarbeit abgemeldet. Das Betriebsratsmitglied Herr J sei am 30.11.2018 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe sich erst am 04.12.2018 23 Minuten vor Beginn der Betriebsratssitzung wegen Betriebsratsarbeit abgemeldet.
33Aber selbst wenn der Beschluss des Betriebsrats vom 04.12.2018 wirksam sein sollte, könne sich der Betriebsrat nicht auf den Zustimmungsverweigerungsgrund der unterbliebenen Ausschreibung berufen. Hinsichtlich der Versetzung von Herrn N sei dieser Zustimmungsverweigerungsgrund auf Grund der vom 26.06.2020 bis zum 10.07.2020 vorgenommen Ausschreibung entfallen. Denn auf die Ausschreibung für den von ihm derzeit vorläufig besetzten Arbeitsplatz habe lediglich er selbst sich beworben.
34Schließlich sei eine individualrechtliche Rückgängigmachung der Versetzung unmöglich, weil die alten Positionen nicht mehr existieren würden.
35Mit Schriftsatz vom 26.03.2021 hat die Arbeitgeberin die Anträge auf Ersetzung der Zustimmung zu den Versetzungen von Frau Corts, Frau Püthoff und Herrn Schwarz zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 21.04.2021 hat der Betriebsrat den Antragsrücknahmen zugestimmt. Mit Beschluss vom 22.04.2021 ist sodann das Verfahren hinsichtlich der Zustimmung zu den Versetzungen von Frau C , Frau P und Herrn S eingestellt worden.
36Die Arbeitgeberin beantragt,
37den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 5. August 2020 – 3 BV 4/20 – abzuändern und
381. die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung des Arbeitnehmers F N von der Abteilung Zielgruppenintelligenz (alt) in die neue Abteilung Quality Services Dialogmarketing als Abteilungsleiter zu ersetzen;
2. festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der im Antrag zu 1. genannten Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Der Betriebsrat beantragt,
43die Beschwerde zurückzuweisen.
44Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Vertiefung seines Sachvortrags. Dem Sinn des § 101 BetrVG entspreche es, dass die fraglichen Maßnahmen zunächst tatsächlich aufgehoben würden. Dazu sei es erforderlich, dass die Arbeitnehmer auf ihren alten Arbeitsplatz zurückkehrten. Solche Rückversetzungen hätten jedoch nie stattgefunden. Dies bestätige die Arbeitgeberin mit ihrem Vortrag, Rückversetzungen seien wegen der geänderten Betriebsstruktur unmöglich. Dass er, der Betriebsrat, das vorangegangene Beschlussverfahren für erledigt erklärt habe, sei unerheblich. Denn dabei handelte es sich um eine reine Prozesshandlung und nicht um ein materielles Rechtseingeständnis.
45Jedenfalls hätten ihm, dem Betriebsrat, Zustimmungsverweigerungsgründe zur Seite gestanden. Den degradierten Abteilungsleiterinnen und -leitern seien nicht gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen worden. Als einzige Führungskräfte seien sie unter Wegfall ihrer Führungsverantwortung unter Überschreitung des Direktionsrechts degradiert worden. Zudem sei die Arbeitgeberin ihrer klaren Ausschreibungspflicht nicht nachgekommen. Er, der Betriebsrat habe in seiner Sitzung vom 04.12.2018 einen Beschluss gefasst, mit dem er von der Arbeitgeberin gemäß § 93 BetrVG verlangt habe, „dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden.“ Sein Vorsitzender B habe die Mitglieder per E-Mail vom 30.11.2018, 12.17 Uhr, zu der Sitzung am 04.12.2018, Beginn 13.30 Uhr, unter Beifügung der Tagesordnung mit dem Top 8.16 „Erneute Beschlussfassung gemäß § 93 BetrVG über interne Stellenausschreibungen“ eingeladen. Mit E-Mail-Schreiben vom 05.12.2018 habe Herr B dann die Geschäftsleitung über den Beschluss informiert.
46Die fehlende Ausschreibung habe die Arbeitgeberin, so die Ansicht des Betriebsrats, nicht mit heilender Wirkung nachholen können. Das gesetzliche Leitbild des Zustimmungsverfahrens widerspreche einer nachträglichen Ausschreibung. Im Rahmen der Durchführung vorläufiger personeller Maßnahmen bestehe eine unverzügliche Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers, die ein ebenso unverzügliches Bestreiten des Betriebsrats herausfordere. Dem besonderen Eilcharakter des Verfahrens würde eine nachträgliche Ausschreibung zum Zwecke der Heilung widersprechen, zumal dem Arbeitgeber ohnehin die Möglichkeit eingeräumt sei, für dieselbe personelle Maßnahme zeitlich aufeinanderfolgende weitere Zustimmungsverfahren einzuleiten. Abgesehen davon erfülle eine nachträgliche Ausschreibung regelmäßig nur eine Feigenblattfunktion. Werde der Wunschkandidat des Arbeitgebers bereits aus Dringlichkeitsgründen auf der zu besetzten Stelle eingesetzt, wären die Chancen nachträglicher Bewerber regelmäßig aussichtslos.
47Aus den vorgenannten Gründen sei die vorläufige Durchführung der Versetzung auch nicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen.
48Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
49II.
50Die zulässige, zuletzt noch auf die Versetzung des Herrn N bezogene Beschwerde der Arbeitgeberin hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung von Herrn N als Abteilungsleiter in die neue Abteilung Quality Services Dialogmarketing ist gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen. Zugleich ist gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG festzustellen, dass die Versetzung von Herrn N aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
511.) Die Arbeitgeberin ist gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gehalten, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung ersetzen zu lassen. Denn sie beschäftigt in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer. Bei Herrn N nicht um einen leitenden Angestellten iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG, auf den das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung fände. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in seinem Beschluss vom 13.06.2019 zu Recht erkannt. Ihre zunächst gegenteilige, auch im Anhörungsschreiben vom 10.01.2020 wiederholte Auffassung hat die Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren nicht weiter vertieft. Bei der Zuweisung der neuen Aufgabe als Leiter der Abteilung Quality Services Dialogmarketing handelt es sich auch um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung iSd. §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, da die Maßnahme sowohl die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet als auch mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Denn die neue Tätigkeit des Herrn N stellt sich vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine „andere“ dar, weil sie mit neuen Arbeitsaufgaben sowie einem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben in einer anderen betrieblichen Abteilung verbunden ist (zum Versetzungsbegriff BAG, Beschluss vom 29. September 2020 – 1 ABR 21/19 –, Rn. 24, juris; BAG, Beschluss vom 17. Februar 2015 – 1 ABR 45/13 –, BAGE 151, 27-34, Rn. 28).
522.) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht der Zustimmungsersetzung nicht entgegen, dass Herr N ohne zeitliche Zäsur ununterbrochen weiter beschäftigt worden war.
53a) Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsrat mit ihrer Mitteilung, die ursprüngliche Versetzung zurückgenommen zu haben, nicht falsch unterrichtet. Denn sie hatte sich gegenüber dem Betriebsrat nicht mehr auf die Wirksamkeit der vorherigen, betriebsverfassungswidrigen Versetzung berufen. Dies als „Rücknahme“ der Versetzung zu bezeichnen, war weder falsch noch irreführend, da die Arbeitgeberin in ihrem Unterrichtungsschreiben vom 10.01.2020 zugleich mitgeteilt hatte, dass sie eine erneute (vorläufige) Versetzung vornehme, diese aber von der Zustimmung des Betriebsrats (und ggf. ihrer Ersetzung) abhängig mache.
54b) Zur Rücknahme der Versetzung bedurfte es weder einer Rücknahmeerklärung gegenüber Herrn N noch einer tatsächlichen „Rückversetzung“ auf seine bisherige Position.
55aa) Bei Versetzungen ist zwischen ihrer betriebsverfassungsrechtlichen und ihrer individualrechtlichen Ebene zu unterscheiden. Auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene geht es bei einer Versetzung um die tatsächliche Zuweisung eines anderen Tätigkeitsbereichs. Die betriebliche Mitbestimmung knüpft an die tatsächliche Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs als Realakt und nicht an die zugrunde liegende schuldrechtliche Versetzungsregelung als Rechtsgeschäft an (LAG München, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 7 TaBV 19/18 -, Rn. 37, juris; Fitting, 30. Aufl. 2020, § 99 BetrVG, Rn. 120). Für die Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung und die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Maßnahme kommt es auf deren individualrechtliche Zulässigkeit und Wirksamkeit nicht an. Insoweit ist es für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, ob die Arbeitgeberin ihre Versetzung auch gegenüber Herrn N „zurückgenommen“ hat. Zwar dient das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung auch dem Schutz des von der Versetzung betroffenen Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 26. Januar 1988– 1 AZR 531/86 –, BAGE 57, 242-256, Rn. 44). Der Arbeitnehmer ist jedoch gehalten, dies ggf. selbst in einem Rechtsstreit gegen seinen Arbeitgeber geltend zu machen. Zudem liefe der Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts aus § 99 BetrVG leer, soweit ein betroffener Arbeitnehmer, der sich, wie hier Herr N, frei für die streitige personelle Einzelmaßnahme entschieden hatte, weil sie seinen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht, gegen seinen Willen geschützt würde (BAG, Beschluss vom 09. Oktober 2013 – 7 ABR 1/12 –, Rn. 53, juris).
56bb) Der erneuten Versetzung steht ebenfalls nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht die Arbeitgeberin mit Beschluss vom 13.06.20019 verpflichtet hatte, die Versetzung von Herrn N aufzuheben. Der das Verfahren einleitende Aufhebungsantrag diente der Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustands, der dadurch eingetreten war, dass die Arbeitgeberin die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durchführt hatte. Mit der Rechtskraft eines dem Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG stattgebenden Beschlusses wäre die Arbeitgeberin daher verpflichtet gewesen, den betriebsverfassungswidrigen Zustand durch Aufhebung der Versetzung mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BAG, Beschluss vom22. Oktober 2019 – 1 ABR 13/18 –, Rn. 13, juris). Sie hätte die auf der Basis der mitbestimmungswidrig vorgenommenen Versetzung vorgenommene tatsächliche Beschäftigung von Herrn N auf seinem neuen Arbeitsplatz beenden müssen (vgl. Fitting, 30. Aufl. 2020, § 101 BetrVG, Rn. 1; GK/Raab, 11. Aufl. 2018, § 101 BetrVG, Rn. 8; Matthes, FS Richardi, 2007, S. 685, 687).
57(1) Die Arbeitgeberin war jedoch nicht rechtskräftig zur Aufhebung der Versetzung von Herrn N verpflichtet worden. Vielmehr hatten die Beteiligten das entsprechende Beschlussverfahren für erledigt erklärt. Diese Erledigungserklärungen sind als Prozesshandlungen unwiderruflich. Mit der daraufhin erfolgten Einstellung des Verfahrens wurde die im Verfahren ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 13.06.2019 wirkungslos (vgl. GMP/Spinner, 9. Aufl. 2017, § 83a ArbGG, Rn. 14).
58(2) Im Übrigen hätte auch eine rechtskräftige Verpflichtung zur Aufhebung der Versetzung die Arbeitgeberin nicht gehindert, eine neue, diesmal mitbestimmungskonforme Versetzung vorzunehmen. Zwar wäre die Arbeitgeberin auf diese Weise in die Lage versetzt worden, die Verwirklichung ihres faktischen Ziels, nämlich die Versetzung von Herrn N , zu betreiben. Diese Konsequenz ist jedoch in den §§ 99 ff. BetrVG angelegt. Gesetzlich ist es dem Arbeitgeber unbenommen, selbst nach einem (rechtskräftigen) Unterliegen in einem neuen Zustimmungsersetzungsverfahren eine auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten (BAG, Beschluss vom 21. November 2018 – 7 ABR 16/17 –, BAGE 164, 230-238, Rn. 21; BAG, Beschluss vom 28. Februar 2006 – 1 ABR 1/05 –, BAGE 117, 123-129, Rn. 26).
59(3) Nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es zwar grundsätzlich erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolgt, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen worden ist oder doch eine solche noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden kann (BAG, Beschluss vom 21. November 2018 – 7 ABR 16/17 –, BAGE 164, 230-238, Rn. 18). Eine später stattfindende Beteiligung würde dem Zweck des Mitbestimmungsrechts nicht in vollem Umfang gerecht (BAG, Beschluss vom 09. Dezember 2008 – 1 ABR 74/07 –, BAGE 128, 351-357, Rn. 24). So liegt der Fall hier aber nicht. Durch die nunmehrige Beteiligung des Betriebsrats, die Einleitung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens sowie durch die Nachholung der Stellenausschreibung hat die Arbeitgeberin deutlich gemacht, dass sie von ihrer ursprünglichen Maßnahme Abstand genommen und bezüglich der Beschäftigung von Herrn N noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen hat. Insoweit liegen hier zwei unterschiedliche personelle Einzelmaßnahmen vor (vgl. BAG, Beschluss vom 09. Oktober 2013 – 7 ABR 1/12 –, Rn. 28, juris).
60(4) Die vom Arbeitsgericht geforderte tatsächliche „Rückversetzung“ hatte den Betriebsrat damit entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht gehindert, auf die Missachtung seines Beteiligungsrechts effektiv zu reagieren und hätte ihm im Hinblick auf die Sicherung seines Mitbestimmungsrechts keinen wesentlichen Mehrwert gebracht. Die tatsächliche Rückgängigmachung der Versetzung wäre, selbst wenn sie angesichts der durchgeführten Organisationsänderung tatsächlich durchführbar gewesen sein sollte, eine pure Förmelei gewesen, die vom Zweck des § 101 BetrVG, der Einhaltung des personellen Mitbestimmungsrechts nach §§ 99, 100 BetrVG (Richardi/Thüsing, 16. Aufl. 2018, § 101 BetrVG, Rn. 1), nicht gefordert ist, wenn der Arbeitgeber, wie hier die Arbeitgeberin, das Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG einleitet.
613.) Die Zustimmung zur Versetzung des Herrn N ist gemäß § 99Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, weil der Betriebsrat kein Zustimmungsverweigerungsrecht aus § 99 Abs. 2 BetrVG hat.
62a) Der Betriebsrat kann sich insoweit nicht iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darauf berufen, dass die Arbeitgeberin mit der Versetzung des Herrn N gegen ein Gesetz verstoßen habe.
63aa) Insoweit kann dahinstehen, ob die Arbeitgeberin gegen ihre Pflichten aus§ 164 SGB IX verstoßen hat. Nach § 164 SGB IX müssen die Arbeitgeber zwar prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit solchen, die bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind, besetzt werden können. Zweck der Prüfungspflicht ist es, die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Der Betriebsrat kann einer personellen Maßnahme seine Zustimmung gestützt auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG aber nur dann verweigern, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Versetzungen deshalb lediglich dann gegeben, wenn das Ziel der Verbotsnorm allein dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt unterbleibt. Durch die Versetzung eines bereits beschäftigten Arbeitnehmers auf einen frei gewordenen oder neu geschaffenen Arbeitsplatz verwirklichen sich für arbeitslose schwerbehinderte Menschen nicht die mit der Schwerbehinderung verbundenen erhöhten Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Sie konkurrieren nicht mit anderen, nicht schwerbehinderten externen Bewerbern, sondern sind wie diese zugunsten schon beschäftigter Arbeitnehmer von der Stellenbesetzung ausgeschlossen. Die Gruppe der schwerbehinderten arbeitslosen Menschen erfährt keine potentielle, auf ihrer Schwerbehinderung beruhende Benachteiligung. Anders als bei der Einstellung eines nicht schwerbehinderten Menschen besteht für eine solche Vermutung kein Anlass. Der zu vermutende Grund für ihre Nichtberücksichtigung liegt hier nicht in der Schwerbehinderteneigenschaft, sondern in dem Umstand, dass der versetzte Arbeitnehmer bereits beim Arbeitgeber beschäftigt ist und dieser die Versetzung – etwa aus Kostengründen, weil er die Kenntnisse, Leistungen und Fähigkeiten des bereits beschäftigten Arbeitnehmers besser beurteilen kann oder weil er betriebsinternen Auswahlrichtlinien genügen will – einer Neueinstellung vorzieht. Außerdem wird durch die Versetzung eines bereits beschäftigten, nicht schwerbehinderten Menschen dem Arbeitsmarkt kein zur Verfügung stehender Arbeitsplatz zu Lasten der Gruppe der schwerbehinderten Menschen entzogen (BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008 – 1 ABR 20/07 –, Rn. 18 - 26, juris).
64bb) Ebenso wenig kann sich der Betriebsrat auf einen Verstoß gegen § 9 TzBfG berufen. Die Versetzung von Herrn N auf einen anderen Vollzeitarbeitsplatz ist nicht allein aufgrund der Tatsache, dass es möglicherweise Arbeitnehmer gibt, die ihre Arbeitszeit aufstocken möchten, gesetzeswidrig. Zum einen ist nicht erkennbar, ob überhaupt ein freier zu besetzender Arbeitsplatz vorlag. Ein solcher liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/3452, 16/17; BAG, Urteil vom 17. Oktober 2017 – 9 AZR 192/17 –, BAGE 160, 280-290, Rn. 29). Insoweit ist nicht ersichtlich, dass auf Grund der Umorganisation im Betrieb der Arbeitgeberin ein erhöhtes und freies Arbeitszeitvolumen entstanden ist. Zudem könnte § 9 TzBfG der Versetzung nur entgegenstehen, wenn ein Teilzeitbeschäftigter einen Anspruch auf die zu besetzende Stelle - im Sinne einer Aufstockung seines Arbeitszeitkontingents - hätte. Das ist aber ebenfalls nicht festzustellen. Allein die Anzeige eines Aufstockungswunsches löst keinen Anspruch aus (BAG, Beschluss vom 01. Juni 2011 – 7 ABR 117/09 –, Rn. 33, 45, juris).
65cc) Eine gegen § 78 BetrVG verstoßende Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern kann in der Versetzung von Herrn N schon deswegen nicht liegen, weil sich kein Betriebsratsmitglied auf die Leitung der Abteilung Quality Services Dialogmarketing beworben hat.
66b) Dem Betriebsrat steht auch der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG nicht zur Seite. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstößt. Eine solche Auswahlrichtlinie existiert, wenn für beabsichtigte personelle Einzelmaßnahmen Grundsätze aufgestellt sind, nach denen entschieden wird. Sinn und Zweck einer solchen Auswahlrichtlinie ist die Festlegung, unter welchen Voraussetzungen die betreffenden personellen Einzelmaßnahmen erfolgen sollen, um die jeweilige Personalentscheidung zu versachlichen und für die Betroffenen durchschaubar zu machen (BAG, Beschluss vom 14. April 2015 – 1 ABR 58/13 –, Rn. 27, juris). Das Vorliegen einer solchen Auswahlrichtlinie hat aber weder der Betriebsrat vorgetragen, noch ist dies anderweitig ersichtlich oder, wie der Betriebsrat meint, aus Gründen der Denklogik zwingend. Denn die Entschließung der Arbeitgeberin zur Versetzung des Herrn N setzt nicht voraus, dass sie über ein von ihr möglicherweise zu Grunde gelegtes Anforderungsprofil für die Stelle abstrakt-generelle Grundsätze für die Auswahl der geeigneten Person aufgestellt hätte.
67c) Auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG kann sich der Betriebsrat nicht mehr berufen, nachdem die Arbeitgeberin die Ausschreibung der mit Herrn N besetzten Stelle nachgeholt hat.
68aa) Nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG kann der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern, wenn eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung unterblieben ist. Gemäß § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Zweck einer solchen Ausschreibung ist es, die zu besetzende Stelle den in Betracht kommenden Arbeitnehmern zur Kenntnis zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Interesse an der Stelle kundzutun und sich darum zu bewerben (BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008 – 1 ABR 20/07 –, Rn. 32, juris). Ausweislich des vom Betriebsrat vorgelegten Sitzungsprotokolls hat er in seiner Sitzung vom 04.12.2018 einen Beschluss gefasst, mit dem er von der Arbeitgeberin verlangt, „dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden.“ Über diesen Beschluss hat der Betriebsratsvorsitzende die Geschäftsführung der Arbeitgeberin mit einem E-Mail-Schreiben vom 05.12.2018 informiert.
69bb) Gegen die Wirksamkeit der Beschlussfassung bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Der Beschluss ist auch nicht deswegen unwirksam, weil die Einladung zu der Sitzung nicht rechtzeitig erfolgt war.
70(1) Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die Pflicht, zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Die Einhaltung dieser Vorschrift ist unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Beschlusses. Zwar ist im Gesetz keine konkrete Ladungsfrist vorgesehen, jedoch muss der Begriff Rechtzeitigkeit so verstanden werden, dass eine angemessene Frist gewählt werden muss, die so bemessen ist, dass sich die Betriebsratsmitglieder im Vorfeld der Betriebsratssitzung sachgerecht vorbereiten können. Die Frist soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Die Kenntnis der Tagesordnung ist ferner erforderlich, um notwendige Vorberatungen mit den Betriebsratskollegen durchzuführen. Damit wird eine demokratischen Grundprinzipien gerecht werdende Willensbildung des Betriebsrats gewährleistet und der Gefahr einer Überrumpelung einzelner Betriebsratsmitglieder bei der Beratung und anschließenden Abstimmung entgegengewirkt. So kann die Ladungsfrist zu kurz bemessen sein, wenn zwischen der Ladung und der Durchführung der Betriebsratssitzung lediglich zwei Werktage liegen (Hessisches LAG, Beschluss vom 12. März 2015 – 5 TaBV 124/14 –, Rn. 25 - 26, juris; LAG Köln, Beschluss vom 03. März 2008 – 14 TaBV 83/07 –, Rn. 29 - 30, juris).
71(2) Im vorliegenden Fall erfolgte die Ladung per E-Mail-Schreiben vom 30.11.2018, 12.17 Uhr, einem Freitag, zu der Sitzung am 04.12.2018, Beginn 13.30 Uhr, einem Dienstag. Dazwischen lagen zwar, wie die Arbeitgeberin unter Hinweis auf die bei ihr geltende Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit hinweist, nur ein und zwei halbe individuelle Arbeitstage, jedoch insgesamt mehr als vier Kalendertage und drei Werktage. Damit hatten die Betriebsratsmitglieder hinreichend Zeit, sich auf die Sitzung vorzubereiten. Dies gilt insbesondere für den Tagesordnungspunkt 8.16 „Erneute Beschlussfassung gemäß § 93 BetrVG über interne Stellenausschreibungen“. Dieser Tagesordnungspunkt bedurfte keiner besonderen Vorbereitung, zumal das Thema, wie der Betriebsrat unbestritten vorgetragen hat, ein Dauerthema zwischen den Beteiligten war. Zudem existierte eine Betriebsvereinbarung, die interne Stellenausschreibungen vorsah, und die nicht der Betriebsrat, sondern die Arbeitgeberin gekündigt hatte. Schließlich bestätigt das Abstimmungsergebnis mit fünf Ja-Stimmen, keiner Nein-Stimme und keiner Enthaltung, dass sich kein Betriebsratsmitglied bei der Abstimmung unvorbereitet oder gar überrumpelt gefühlt hatte.
72cc) Die Arbeitgeberin hat die unterlassene Ausschreibung jedoch mit heilender Wirkung nachgeholt.
73(1) Unter welchen Voraussetzungen eine erforderliche Ausschreibung nachgeholt und in einem laufenden Beschlussverfahren berücksichtigt werden muss, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.
74(1.1.) Nach einer Auffassung darf der Arbeitgeber nur ausnahmsweise eine erforderliche Ausschreibung in den Fällen nachholen, in denen eine vorläufige Einstellung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sofort vorgenommen werden muss (LAG Bremen, Beschluss vom 05. November 2009 – 3 TaBV 16/09 –, Rn. 72, juris; Fitting, 30. Aufl. 2020, § 99 BetrVG. Rn. 252), wie etwa bei im Fall der Ersetzung des einzigen Kranführers im Betrieb (vgl. Fitting, 30. Aufl. 2020, § 99 BetrVG, Rn. 252). Dies soll auch bedeuten, dass die nach § 93 BetrVG erforderliche nachzuholende Ausschreibung zeitnah zu der vorläufigen personellen Maßnahme erfolgen muss. Ansonsten würde der in § 93 BetrVG zum Ausdruck kommende Schutzzweck, innerbetriebliche Beschäftigungsmöglichkeiten für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer bekannt zu machen, unterlaufen werden (LAG Bremen, Beschluss vom 05. November 2009 – 3 TaBV 16/09 –, Rn. 72, juris)
75(1.2) Nach anderer Auffassung kann die fehlende Ausschreibung bis zum Schluss der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht auch in anderen Fällen nachgeholt werden. Die zunächst fehlende Ausschreibung der Stelle soll die Ersetzung der Zustimmung dann nicht hindern, wenn sich kein weiterer Bewerber gemeldet hat und die personelle Maßnahme nur vorläufig durchgeführt wurde (vgl. LAG Berlin, Beschluss vom 26. September 2003 – 6 TaBV 609/03 und 633/03 –, Rn. 28 - 29, juris; LAG Köln, Beschluss vom 14. September 2012 – 5 TaBV 18/12 –, Rn. 62 - 67, juris; GK/Raab § 93 BetrVG Rn. 37; Richardi/Thüsing, 16. Aufl. 2018, § 99 BetrVG, Rn. 265).
76(2) Für diese Auffassung, der sich die Kammer anschließt, sprechen zunächst verfahrensökonomische Erwägungen. Ein erneutes Beschlussverfahren, in dem die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen wäre, wird vermieden (LAG Köln, Beschluss vom 14. September 2012 – 5 TaBV 18/12 –, Rn. 66, juris). Nach Auffassung der Kammer erfüllt eine solche nachträgliche Ausschreibung auch nicht lediglich eine Feigenblattfunktion. Dass sich ernsthaft an der ausgeschriebenen Stelle interessierte Arbeitnehmer nicht deshalb bewerben, weil bereits ein anderer Stelleninhaber aus Dringlichkeitsgründen auf der Stelle eingesetzt wird, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Die Situation wäre nach Einschätzung der Kammer aber nicht wesentlich anders, wenn die Arbeitgeberin zunächst in dem Zustimmungsersetzungsverfahren wegen der unterbliebenen Ausschreibung unterliegen müsste, um eine versäumte Ausschreibung nachholen zu dürfen.
77(3) Hinzu kommt ein anderer Gesichtspunkt, der für die Berücksichtigung der nachgeholten Ausschreibung spricht. Denn Gegenstand eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung zu einer Versetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist die Frage, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme auf Grund eines konkreten, an den Betriebsrat gerichteten Zustimmungsersuchens des Arbeitgebers angesichts der vom Betriebsrat vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig als endgültige Maßnahme zulässig ist. Verfahrensgegenstand ist nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Arbeitgeber zulässig war (BAG, Beschluss vom 16. Januar 2007 – 1 ABR 16/06 –, Rn. 18, juris). Diese gegenwarts- und zukunftsbezogene Frage ist nach Maßgabe der Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu beantworten. Auch Veränderungen tatsächlicher Art sind dementsprechend jedenfalls bis zum Schluss der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen (LAG Köln, Beschluss vom 14. September 2012 – 5 TaBV 18/12 –, Rn. 67, juris). Steht zu diesem Zeitpunkt fest, dass sich kein anderer Arbeitnehmer um die ausgeschriebene Stelle beworben hat, kann davon ausgegangen werden, dass es keiner weiteren Bekanntmachung der innerbetrieblichen Beschäftigungsmöglichkeit durch eine erneute Ausschreibung mehr bedarf und dem Ausschreibungsverlangen des Betriebsrats Genüge getan wurde.
78d) Schließlich kann der Betriebsrat die Verweigerung seiner Zustimmung nicht iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG darauf stützen, dass mit der Versetzung des Herrn N andere Arbeitnehmer benachteiligt würden. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erfordert die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt wäre. Sonstige Nachteile im Sinne der Vorschrift sind nicht unerhebliche Verschlechterungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers. Dies setzt nicht voraus, dass einem im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer Rechtsansprüche verloren gehen. Es reicht aus, ist aber auch erforderlich, dass eine rechtserhebliche Anwartschaft besteht, die mehr als eine Chance oder bloße Erwartungshaltung darstellt. Der Verlust einer Chance oder die Nichterfüllung der bloßen Erwartung eines Arbeitnehmers, selbst den anderweitig besetzten Arbeitsplatz zu erhalten, genügt nicht. Da Gegenstand eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Frage ist, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig zulässig ist, muss die Besorgnis noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehen (BAG, Beschluss vom 09. Oktober 2013 – 7 ABR 1/12 –, Rn. 55, juris; BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008– 1 ABR 20/07 –, Rn. 29, juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich niemand außer Herrn N auf die Abteilungsleiterstelle beworben hat.
794.) Die vorläufige Versetzung von Herrn N auf die Stelle des Abteilungsleiters war aus sachlichen Gründen dringend erforderlich, so dass entsprechend dem Antrag der Arbeitgeberin gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG eine entsprechende Feststellung zu treffen ist. Die Arbeitgeberin ist darauf angewiesen, dass die wichtige Abteilungsleiterstelle besetzt ist. Ohnehin könnte eine Zurückweisung des Feststellungsantrags nur erfolgen, wenn die Maßnahme „offensichtlich“ nicht dringend gewesen wäre (vgl. Fitting, 30. Aufl. 2020, § 100 BetrVG, Rn. 13), denn die durch die rechtzeitige Stellung des Zustimmungsersetzungsantrages und des Feststellungsantrages erworbene Berechtigung zur vorläufigen Beschäftigung besteht so lange, bis das Arbeitsgericht nicht nur seinen Feststellungsantrag abweist, sondern ausdrücklich feststellt, dass die vorläufige Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Nur wenn eine solche Feststellung rechtskräftig getroffen worden ist, endet mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung die Berechtigung des Arbeitgebers, die Maßnahme als vorläufige aufrechtzuhalten (BAG, Beschluss vom 18. Oktober 1988 – 1 ABR 36/87 –, BAGE 60, 66-71, Rn. 6).
80III.
81Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG.