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Unter Änderung des Bescheides vom 06.08.2009 wird die Beklagte verpflichtet, Kindergeld für den Sohn der Klägerin für Februar bis Juni 2009 festzusetzen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin i. H. v. 30 v. H. und die Beklagte i. H. v. 70 v. H. zu tragen.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin begehrt Kindergeld für den Sohn B, geb. 1974. Der Sohn ist laut ärztlicher Bescheinigungen geistig behindert; er lebt in einer eigenen Wohnung und bezieht seit Juli 2005 Arbeitslosengeld II (ALG II). Die Behinderung besteht nach ärztlicher Bescheinigung vom 6. 6. 2003 mindestens seit 1990; er lebte seit 2002 in einer stützenden Einrichtung. Dementsprechend setzte die Familienkasse ab 2002 Kindergeld fest. Im Februar 2008 teilte die Klägerin mit, der Sohn lebe in einem eigenen Haushalt. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung, wonach der Sohn sich seit Jahren in nervenärztlicher Behandlung befinde und im Rahmen einer Schizophrenia-Simplex nicht in der Lage sei, allein für seinen Unterhalt zu sorgen. Ausweislich ärztlicher Gutachten und einer Mitteilung der Reha-Stelle der Agentur für Arbeit ist er nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit von 3 Stunden täglich auszuüben.
3Am 6. 8. 2009 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für B ab März 2008 auf und begründete dies mit der Höhe der eigenen Einkünfte des Kindes. Diese beliefen sich im streitigen Zeitraum auf
4ALG II:
Jan.-Februar | je 548,00 EUR | 1.096,00 EUR |
März – Juni 2008 | je 672,00 EUR | 2.688,00 EUR |
Juli 2008 | 540,46 EUR | 540,46 EUR |
August – November 2008 | je 676,00 EUR | 2.704,00 EUR |
Dezember 2008 | 541,60 EUR | |
Januar 2009 | 553,60 EUR | |
Februar 2009 | 498,54 EUR | |
März – Juni 2009 | je 676,00 EUR | 2.704,00 EUR |
Juli 2009 | 684,00 EUR | |
Zuz. NK-Nachzahlung | 447,59 EUR | |
August 2009 - April 2010 | je 684,00 EUR | 3.420,00 EUR bis Dez. 2009 |
Nachzahlung Dez. 2008 | 1.240,00 EUR | |
Nachzahlung Januar 2009 | 3.502,00 EUR | |
(Bescheid 30. 12. 08) |
Eigene Einkünfte:
Dezember 2008 | 268,00 EUR |
Januar 2009 | 253,00 EUR |
Februar 2009 | 340,57 EUR |
Juli 2009 | 20,12 EUR |
Oktober 2009 | 100,00 EUR |
November 2009 | 100,00 EUR |
Dezember 2009 | 100,00 EUR. |
Gegen den Aufhebungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte am 31. 5. 2010 zurückwies. Von den Bezügen sei eine Kostenpauschale von 180 EUR (mtl. 15 EUR) abzuziehen, von den Einkünften der Werbungskosten-Pauschbetrag von 920 EUR, so dass diese mit 0 EUR anzusetzen seien. Die Bezüge lägen über dem Grenzbetrag.
9Hiergegen richtet sich die Klage.
10Im Klageverfahren hat die Beklagte einen Änderungsbescheid erlassen, in dem Kindergeld für den Sohn B für die Zeit von März bis Dezember 2008 iHv. 154 EUR mtl. festgesetzt wurde. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
11Die Klägerin trägt vor:
12Die Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 EStG gelte für behinderte Kinder nur sinngemäß; deshalb habe die Vergleichsberechnung monatsbezogen zu erfolgen. Einmalige Nachzahlungen seien daher nicht oder nur in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie anfielen.
13Die Klägerin beantragt,
14den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des
15Bescheides vom 6. 8. 2009 Kindergeld für das Jahr 2009 festzusetzen.
16Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
17Der Beklagte trägt vor:
18Die im Januar 2009 zugeflossene Nachzahlung sei auf die nachfolgenden Monate aufzuteilen mit der Folge, dass in 2009 der Grenzbetrag überschritten sei.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
20Für das Jahr 2008 ist der Rechtsstreit aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten erledigt, nachdem der Beklagte insoweit einen Abhilfebescheid erlassen hat.
21Die Klage betreffend Kindergeld für das Jahr 2009 ist teilweise begründet und im übrigen unbegründet.
22Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und 2 iVm § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG besteht für ein volljähriges Kind ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Dies ist dann der Fall, wenn es seinen gesamten notwendigen Lebensunterhalt nicht mit den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln bestreiten kann (BFH vom 19. 11. 2008 III R 105/07 BStBl II 2010,1057).
23Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein behindertes Kind dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es mit den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf bestreiten kann. Der existentielle Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Hinsichtlich des Grundbedarfs gilt der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Maßstab. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu gehören alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung und typische Erschwernisaufwendungen. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, so kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (BFH-Urteil vom 31. 8. 2006 III R 71/05 BStBl II 2010,1054; vom 22. 10. 2009 III R 50/07 BStBl II 2011,38).
24Zu den zur Verfügung stehenden Mitteln des Kindes zählen neben den Arbeitseinkünften auch Zahlungen von Sozialleistungsträgern als Bezüge (BFH vom 26. 11. 2003 VIII R 32/02 BStBl II 2004,588; FG München vom 29. 3. 2011 13 K 617/10 EFG 2011,1725). Hilfeleistungen der Eltern sind dagegen nicht zu berücksichtigen (FG München aaO.).
25Ob für ein behindertes Kind ein Anspruch auf Kindergeld besteht, ist für jeden Monat gesondert zu prüfen (BFH vom 24. 8. 2004 VIII R 59/01 BStBl II 2010,1048 m.w.N.). Für die zeitliche Berücksichtigung der Einkünfte und Bezüge gilt das Zuflussprinzip (BFH vom 16. 4. 2002 VIII R 76/01 BStBl II 2002,525). Jährlich anfallende Sonderzahlungen, wie z.B. Weihnachtsgeld, sind demgegenüber auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden elf Monate aufzuteilen (BFH vom 24. 8. 2004 VIII R 83/02 BStBl II 2007,248). Die Entscheidung des BFH vom 18. 3. 2009 (III R 95/06 BFH/NV 2009,1614) betrifft die Nachzahlung einer Berufsausbildungsbeihilfe an ein nicht behindertes Kind und ist für den hier zu beurteilenden Fall unergiebig. Für Nachzahlungen nach dem Sozialhilferecht hat das FG Berlin-Brandenburg die Auffassung vertreten (Urteil vom 19. 7. 2010 10 K 10255/07 EFG 2011,155), diese seien unter Durchbrechung des Zuflussprinzips in den Zeiträumen als zugeflossen anzusehen, für die die Nachzahlung erfolgte. Demgegenüber werden Nachzahlungen von ALG II nach Ansicht des FG München (Urteil vom 29. 3. 2011 13 K 617/10 EFG 2011,1725) dem volljährigen behinderten Kind im Monat des tatsächlichen Zuflusses zugerechnet. Für einen Fall wie den Vorliegenden ergibt sich aus diesen Ansichten jedenfalls keine Zurechnung des Nachzahlungsbetrages zu den Folgemonaten Februar bis Dezember 2009. Anders als bei regelmäßig wiederkehrenden jährlichen Sonderleistungen dürfte bei der Nachzahlung von Sozialleistungen eine sozialrechtliche Betrachtung geboten sein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 7. 5. 2009 B 14 AS 4/08 R ZFSH/SGB 2009,740) sind Nachzahlungen von ALG II gerade im Zuflussmonat zu berücksichtigen.
26Damit standen dem Sohn der Klägerin im Januar 2009 Bezüge von 553,60 EUR zuz. der Nachzahlung von 3.502 EUR zu, so dass er in diesem Monat nicht außerstande war, sich selbst zu unterhalten. Im Februar 2009 betrugen die Bezüge 498,54 EUR und lagen unter dem monatlichen Grenzbetrag. In den Monaten März bis Juni betrugen die Bezüge je 676 EUR. Unter Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Mehrbedarf von 25,83 EUR sowie des anteiligen Pauschbetrags von 15 EUR war der Sohn in diesen Monaten außerstande, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Juli erhielt der Sohn neben den laufenden Bezügen iHv 684 EUR eine Nachzahlung von 447,59 EUR, in den Monaten August bis Dezember 2009 lagen die laufenden Bezüge bei monatlich 684 EUR, so dass für diese Monate kein Kindergeldanspruch besteht.
27Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 1, 138 Abs. 2 FGO.