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Der geänderte Bescheid über den gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2007 vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2011 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Hinzuziehung des Klägervertreters zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Strittig ist, ob infolge einer Veräußerung innerhalb der dreijährigen Sperrfrist des § 6 Abs. 5 S. 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 2007 (EStG) rückwirkend im Jahr 2007 ein Übertragungsgewinn in Höhe von 249.537,45 € im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin zu erfassen ist und den vortragsfähigen gewerbesteuerlichen Verlust auf den 31.12.2007 insoweit vermindert.
3Die Klägerin ist eine KG, die aus der A-GmbH (A-GmbH) als Komplementärin und der inzwischen verstorbenen Frau B als Kommanditistin bestanden hat. Alleinige Gesellschafterin der A-GmbH, die am Betriebsvermögen der KG nicht beteiligt ist und lediglich eine Haftungsvergütung erhält, war ebenfalls Frau B. Gesamtrechtsnachfolger von Frau B ist ihr Ehemann, Herr C. Die Klägerin ist auf dem Gebiet der Grundstücksvermietung tätig.
4Die Kommanditistin übertrug der Klägerin am 21.12.2007 unentgeltlich ein im Sonderbetriebsvermögen gehaltenes, bebautes Grundstück, dessen Buchwert zu diesem Zeitpunkt 75.462,55 € betrug. Zum 31.12.2007 wies die Klägerin das Grundstück mit dem Teilwert von 325.000 € in der Gesamthandsbilanz aus. Für die Kommanditistin wurde eine negative Ergänzungsbilanz mit dem Ansatz des Differenzwertes von 249.537,45 € erstellt.
5Mit Kaufvertrag vom 16.12.2008 veräußerte die Klägerin das Grundstück an einen fremden Dritten. Nach dem Übertragungsvertrag sollten Nutzen und Lasten mit Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen. Der Kaufpreis von 325.000 € wurde am 19.01.2009 entrichtet.
6Mit Bescheid vom 30.06.2009 über die gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 setzte der Beklagte den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf 955.819 € fest. Dabei berücksichtigte er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin mit 5.906,75 €. Die Grundstücksübertragung vom 21.12.2007 behandelte der Beklagte, wie von der Klägerin erklärt, als eine steuerneutrale Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG.
7Am 28.12.2010 erließ der Beklagte einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften für das Jahr 2007 sowie einen gemäß § 35b Abs. 2 S. 2 und 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007. In den Änderungsbescheiden erhöhte der Beklagte den Gewinn der Klägerin um 249.537,45 €. Infolge der Veräußerung innerhalb der dreijährigen Sperrfrist sei die Übertragung des Grundstücks von Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG, R 6.15 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) rückwirkend mit dem Teilwert anzusetzen. Die vorhandene negative Ergänzungsbilanz sei entgegen des Wortlautes des § 6 Abs. 5 S. 4, 2. HS. EStG unbedeutend, da eine Einmann-GmbH & Co. KG vorliege und durch die Übertragung des Grundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen keine Änderung des Anteils der Kommanditistin (Einmann-Gesellschafterin) an dem übertragenen Grundstück eingetreten sei. Den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte der Beklagte auf 706.281 € fest.
8Die Klägerin legte am 13.01.2011 Einspruch gegen den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 03.08.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
9Die Klägerin hat am 02.09.2011 Klage erhoben.
10Zur Begründung trägt die Klägerin vor, die Regelung in R 6.15 EStR zu § 6 EStG, auf die der Beklagte seine Rechtsauffassung stütze, laufe der gesetzgeberischen Absicht zuwider und sei nicht anwendbar. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG sei eine Missbrauchsklausel zu den Regelungen in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle S. 4 verhindern, dass Wirtschaftsgüter zur Vorbereitung einer anschließenden Veräußerung zum Buchwert und unter Verlagerung von stillen Reserven auf andere Steuerrechtssubjekte übertragen werden könnten. Zweck der Regelung sei es, die Möglichkeit steuerneutraler Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern auf einen anderen Rechtsträger zum Buchwert – typisierend – auf die Fälle zu beschränken, in denen die Übertragung ausschließlich zum Zwecke der Unternehmensumstrukturierung und Fortsetzung des unternehmerischen Engagements in anderer Form erfolge. Bei Veräußerung oder Entnahme des übertragenen Wirtschaftsguts werde widerlegbar vermutet, dass die Übertragung nicht der Umstrukturierung diene. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG sehe eine Sanktion nur für den Fall vor, dass eine ohnehin beabsichtigte Veräußerung oder Entnahme durch die Übertragung der stillen Reserven auf einen oder mehrere Mitgesellschafter steuerlich günstiger gestaltet werden solle.
11Bei der vorliegenden Beteiligungssituation sei ein derartiger Missbrauch von vornherein ausgeschlossen, da alleine eine Gesellschafterin am Vermögen und Gewinn beteiligt sei. Die stillen Reserven des Grundstücks seien der Kommanditistin sowohl im Sonderbetriebsvermögen als auch im Gesamthandsvermögen allein zuzurechnen. Von daher sei die Versteuerung der stillen Reserven bei demjenigen, bei dem sie entstanden seien, im vorliegenden Fall sichergestellt. Der Gesetzeszweck werde im Fall einer Einmann-GmbH & Co. KG sogar ohne Aufstellung einer Ergänzungsbilanz erreicht. Erforderlich würde die Aufstellung einer Ergänzungsbilanz nur für den Fall, dass sich innerhalb der Sperrfrist die Beteiligungsverhältnisse an der Personengesellschaft änderten und somit eine Verschiebung der stillen Reserven denkbar sei.
12Mit Beschluss vom 16.08.2012 wurde das Verfahren im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren I R 44/12 ruhend gestellt. Über das Verfahren entschied der BFH durch Urteil am 31.07.2013 (s. BFH/NV 2013, 1855), das vom Bundesministerium der Finanzen bisher nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde.
13Die Klägerin beantragt,
14den geänderten Bescheid über den gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2007 vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2011 ersatzlos aufzuheben und
15die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16Der Beklagte beantragt,
17das Verfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren IV R 31/12 auszusetzen,
18hilfsweise, die Klage abzuweisen und
19hilfsweise, die Revision zuzulassen.
20Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Begründung in den Einspruchsentscheidungen vom 03.08.2011.
21Die Klägerin hat zu dem Antrag des Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens ausgeführt, dass die in dem Revisionsverfahren IV R 31/12 zu klärende Rechtsfrage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidend sei. Wie der Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz zu entnehmen sei, liege die Besonderheit des Revisionsverfahrens darin, dass zwischen Abgabe der Steuererklärung und Erlass des ersten Feststellungsbescheides noch eine Ergänzungsbilanz eingereicht worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
22Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 03.04. und 04.04.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23Der weitere Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte und den Steuerakten, die das Gericht zum Verfahren hinzugezogen hat, zu entnehmen.
24Entscheidungsgründe:
25I. Das Gericht konnte trotz des Antrags des Beklagten, das vorliegende Verfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren IV R 31/12 auszusetzen, sachlich entscheiden. Der Senat hält eine Aussetzung des Klageverfahrens im Hinblick auf das Revisionsverfahren IV R 31/12 nicht für geboten. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, darf ein Rechtsstreit nicht allein deshalb nach § 74 FGO ausgesetzt werden, weil beim BFH ein Revisionsverfahren anhängig ist, das eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 24.09.2012 VI B 79/12, BFH/NV 2013, 70 m.w.N.).
26Ebenso war kein Ruhen des Verfahrens nach § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) anzuordnen, da dies nicht von beiden Beteiligten beantragt worden ist.
27II. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
28III. Die Klage ist begründet.
29Der geänderte Bescheid über den gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2007 vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht rückwirkend auf den 21.12.2007 den Teilwert des Grundstücks im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin angesetzt und den gewerbesteuerlich maßgeblichen Gewinn um 249.537 € erhöht (§ 7 S. 1 Gewerbesteuergesetz, § 6 Abs. 5 S. 1, 3 Nr. 2 EStG). Die Sperrfristregelung des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG, auf die der Beklagte den rückwirkenden Teilwertansatz stützt, ist auf die vorliegende Fallkonstellation der Einmann-GmbH & Co. KG nicht anwendbar.
30Die Kommanditistin konnte das bebaute Grundstück nach § 6 Abs. 5 S. 1, S. 2 Nr. 2 EStG ohne Aufdeckung der stillen Reserven auf die Klägerin übertragen. Nach der im Streitjahr anzuwendenden Bestimmung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG ist bei Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen der Wert anzusetzen, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Gemäß § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG gilt Satz 1 - und damit die in dieser Vorschrift angeordnete Buchwertfortführung - u.a. dann entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft übertragen wird. Diese Voraussetzungen waren vorliegend unstreitig erfüllt. Die Kommanditistin hat ein einzelnes Wirtschaftsgut, das bebaute Grundstück, unentgeltlich aus ihrem Sonderbetriebsvermögen (bei der Klägerin) in das Gesamthandsvermögen der Klägerin übertragen.
31Der Teilwert des Grundstücks ist auch nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung (20.12.2007) gem. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin anzusetzen. Nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ist der Teilwert rückwirkend anzusetzen, wenn das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 S. 4, 2. HS EStG veräußert wird. Die Regelung des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, auf die Einmann-GmbH & Co. KG von vornherein nicht anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 31.07.2013 I R 44/12, DStR 2013, 2165). Die Regelung ist im Wege der teleologischen Reduktion auf solche Vermögensübertragungen zu beschränken, bei denen – ohne einen gegenläufigen Ergänzungsbilanzansatz – der während der Sperrfrist erzielte Veräußerungs- oder Entnahmegewinn nicht nur dem Einbringenden zuzurechnen wäre, sondern auch den anderen am Vermögen der Personengesellschaft beteiligten Gesellschaftern. Die Regelungen des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG sollen nicht jede zeitnahe Aufdeckung stiller Reserven (Veräußerung, Entnahme) sanktionieren, sondern lediglich Vorsorge dagegen treffen, dass innerhalb der Sperrfrist die Gewinne (Verluste) aus der Veräußerung oder Entnahme der übertragenen Wirtschaftsgüter den Mitgesellschaftern unter Verletzung des Subjektsteuerprinzips zugeordnet werden (vgl. BFH-Urteil vom 31.07.2013 I R 44/12, DStR 2013, 2165). Im vorliegenden Fall wird dieser Gesetzeszweck nicht berührt, denn die Kommanditistin (Einbringende) ist sowohl im Zeitpunkt der Übertragung des Wirtschaftsguts auf die Klägerin als auch zum Zeitpunkt der späteren Gewinnrealisierung (Veräußerung des Grundstücks durch die Klägerin) alleine am Vermögen und Gewinn der Klägerin beteiligt, d.h. die individuelle Zuordnung der stillen Reserven bleibt durchgängig gewahrt.
32Die ausführliche Begründung ist dem BFH Urteil vom 31.07.2013 I R 44/12, DStR 2013, 2165 zu entnehmen.
33IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
34V. Die Hinzuziehung der Klägervertreter zum Vorverfahren ist gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.
35VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
36VII. Die Revision war aufgrund der Entscheidung des BFH im Verfahren I R 44/12 weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO). Ein Revisionsgrund ergibt sich nicht aus dem noch anhängigen Verfahren IV R 31/12, da eine Entscheidung zu der streitentscheidenden Frage, ob § 6 Abs. 5 S. 4 EStG auch in Fällen der Einmann-GmbH & Co KG anzuwenden ist, bereits im Urteil I R 44/12 getroffen worden ist.