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Der Bescheid über die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer für 2008 vom 31.10.2014 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung werden bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung in dem beim erkennenden Senat unter dem Az. 11 K 338/15 geführten Hauptsacheverfahren in Höhe von 7.542 Euro ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die teilweise Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Zinsen für die Einkommensteuer 2008.
4Der Antragsteller ist seit dem 19.12.2009 mit der Antragstellerin verheiratet. Er wurde in den Jahren 2008 und 2009 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte in diesen Jahren als Zahnarzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
5Die Einkommensteuer für 2008 wurde zunächst mit Bescheid vom 28.7.2010 festgesetzt. Diese Festsetzung wurde aufgrund eines Einspruchs des Antragstellers durch Bescheid vom 9.9.2010 geändert. Dabei wurden die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 234.159 Euro und ein aus dem Jahr 2009 zurückgetragener Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 1 EStG in Höhe von 100.251 Euro berücksichtigt.
6Der im Jahr 2009 erzielte Verlust bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit belief sich insgesamt auf 100.251 Euro und beruhte unter anderem auf der gewinnmindernden Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG in Höhe von 158.160 Euro. Die Einkommensteuer für 2009 wurde mit Bescheid vom 20.9.2010 festgesetzt. Ebenfalls mit Bescheid vom 20.9.2010 wurde der zum 31.12.2009 verbleibende Verlustvortrag unter Berücksichtigung des in das Jahr 2008 vorgenommenen Verlustrücktrags auf 0 Euro festgestellt.
7Im Rahmen einer beim Antragsteller für die Jahre 2008 bis 2012 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Antragsgegner unter anderem fest, dass Wirtschaftsgüter, für die im Jahr 2009 ein Investitionsabzugsbetrag gebildet wurde, nicht innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums bis zum 31.12.2012 angeschafft worden waren. Vor diesem Hintergrund ergab sich für das Jahr 2009 eine zwischen den Beteiligten unstreitige Erhöhung des Gewinns aus selbständiger Arbeit um 144.824 Euro auf nunmehr 44.572 Euro, die der Antragsgegner in einem entsprechenden Änderungsbescheid für 2009 vom 31.10.2014 umsetzte.
8Für das Jahr 2008 erließ der Antragsgegner ebenfalls mit Datum vom 31.10.2014 einen an den Antragsteller gerichteten Änderungsbescheid, in dem er den Verlustrücktrag aus dem Jahr 2009 nunmehr mit 0 Euro berücksichtigte. Die festgesetzte Einkommensteuer belief sich auf 84.290 Euro; Zinsen zur Einkommensteuer wurden in Höhe von 10.268 Euro festgesetzt und wie folgt berechnet:
9- festgesetzte Einkommensteuer |
84.290 Euro |
- vorher festgesetzte Einkommensteuer |
42.386 Euro |
- Unterschiedsbetrag zu Ungunsten des Antragstellers |
41.904 Euro |
-Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2011 |
41.904 Euro |
Bei der Zinsberechnung wurde ein Verzinsungszeitraum vom 1.4.2011 bis zum 3.11.2014 (43 Monate) zugrunde gelegt. Mit Blick auf die bisher bereits festgesetzten und zwischen den Beteiligten insoweit unstreitigen Zinsen von 1.260 Euro ergaben sich Gesamtzinsen vom 10.268 Euro (41.900 Euro * 43 Monate * 0,5%/Monat = 9.008,50 Euro zuzüglich 1.260 Euro, Abrundung auf volle Euro).
11Gegen die Festsetzung der Zinsen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 4.11.2014 Einspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die Verzinsung erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem das rückwirkende Ereignis – d.h. die Nichtanschaffung der Wirtschaftsgüter, für die ein Investitionsabzugsbetrag gebildet worden sei – geendet habe. Gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der Vollziehung „der strittigen Beträge“. Weder dem Einspruchsschreiben noch weiteren im Rahmen des Einspruchsverfahrens eingereichten Schreiben sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass neben dem Antragsteller auch die Antragstellerin Einspruch eingelegt oder die Aussetzung der Vollziehung beantragt hätte.
12Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 6.11.2014 ab und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.1.2015 zurück. Die Einspruchsentscheidung war an den Antragsteller und die Antragstellerin als Einspruchsführer gerichtet. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass die Festsetzung der Zinsen rechtmäßig sei. Insbesondere sei der Verzinsungszeitraum zutreffend ermittelt worden. Die Verzinsung beginne nach § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verlust entstanden sei und folglich am 1.4.2011 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2009). Die Änderung der Steuerfestsetzung für das Jahr des Verlustrücktrags (2008) beruhe ausschließlich auf § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG. Für den Beginn des Zinslaufs nach § 233a AO sei es unerheblich, aus welchen Gründen sich die Besteuerungsgrundlagen änderten. Die Änderung einer Steuerfestsetzung wegen der Auflösung eines Investitionsabzugsbetrags habe lediglich Auswirkungen auf den Zinslauf des Jahres, in dem die Änderung des Abzugsbetrags vorgenommen werde (hier: 2009), nicht aber auch auf Zeiträume, für die unter Umständen eine Folgeänderung nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG vorzunehmen sei.
13Über die hiergegen von den Antragstellern beim erkennenden Senat unter dem Az. 11 K 338/15 am 12.2.2015 erhobene Klage ist bisher nicht entschieden.
14Im Rahmen des Klageverfahrens begehren die Antragsteller weiterhin die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich eines Teilbetrags der Zinsen zur Einkommensteuer 2008. Zur Begründung tragen sie unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11.7.2013 (Az.: IV R 9/12, BStBl. II 2014, 609) vor, dass es sich bei der Auflösung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO handele. Bei der Verzinsung des aus der Auflösung resultierenden Unterschiedsbetrags sei § 233a Abs. 2a 1. Alternative AO anzuwenden. Diese Vorschrift habe schon aufgrund ihrer Stellung im Gesetz Vorrang vor der Regelung des § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO. Der Zinslauf beginne auch hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung, der ein wegen des rückwirkenden Ereignisses geänderter Verlustrücktrag zugrunde liege, erst 15 Monate nach dem Eintritt des rückwirkenden Ereignisses und nicht schon 15 Monate nach dem Ablauf des Kalenderjahres der Verlustentstehung.
15Die Antragsteller beantragen,
16den Bescheid über die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer für 2008 vom 31.10.2014 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung in dem beim erkennenden Senat unter dem Az. 11 K 338/15 geführten Hauptsacheverfahren in Höhe von 7.542 Euro auszusetzen.
17Der Antragsgegner beantragt,
18den Antrag abzulehnen.
19Zur Begründung führt er aus, dass der Einkommensteuerbescheid für 2008 nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG geändert worden sei, da für einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 2009 mit Blick auf den nach den Feststellungen der Betriebsprüfung anzusetzenden Gewinn aus selbständiger Arbeit kein Raum mehr gewesen sei. Da die geänderte Steuerfestsetzung für 2008 auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 EStG beruhe, richte sich die Verzinsung nach § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO. Für die Verzinsung sei es ohne Bedeutung, weshalb sich ein bisher gewährter Verlustabzug ändere.
20II.
21Der Antrag ist hinsichtlich der Antragstellerin unzulässig und hinsichtlich des Antragstellers begründet.
22a)
23Hinsichtlich der Antragstellerin sind die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anrufung des Gerichts nach § 69 Abs. 4 FGO nicht gegeben.
24Nach § 69 Abs. 4 FGO ist ein bei Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Dies gilt nach § 69 Abs. 4 Nr. 1 und 2 FGO nur dann nicht, wenn entweder die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht.
25Bei den Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO handelt es sich um sogenannte Zugangsvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht vollständig gegeben sein müssen; andernfalls ist der Antrag unzulässig (vgl. nur BFH-Beschlüsse vom 6.2.2012 IX S 29/11, BFH/NV 2012, 769 und vom 16.12.2003 IX B 203/02, BFH/NV 2004, 650 m.w.N.). Eine Heilung durch den (nachträglichen) Eintritt derVoraussetzungen während des gerichtlichen Verfahrens ist demnach nicht möglich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6.2.2012 IX S 29/11, BFH/NV 2012, 769 und vom 16.12.2003 IX B 203/02, BFH/NV 2004, 650 m.w.N.).
26Die Antragstellerin hat für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens keine vorherige Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner beantragt. Dementsprechend hat der Antragsgegner keinen vorher bei ihm gestellten Aussetzungsantrag (teilweise) abgelehnt. Auch sind keine sonstigen Gründe vorgetragen und glaubhaft gemacht, nach denen ausnahmsweise ein beim Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne die Durchführung eines Vorverfahrens zulässig wäre; solche Gründe sind auch nicht anderweitig ersichtlich.
27Mit Blick auf die Unzulässigkeit des Antrags kommt es nicht mehr darauf an, dass der Antragsgegner durch die ausdrücklich auch an die Antragstellerin gerichtete Einspruchsentscheidung insoweit über einen nicht von ihr erhobenen Einspruch entschieden hat und die hiergegen von der Antragstellerin zulässigerweise erhobene Klage in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung führen wird (vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 27.5.2004 IV R 48/02, BStBl. II 2004, 964).
28b)
29Hinsichtlich des Antragstellers sind die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung gegeben.
30aa)
31Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhaltes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluss vom 10.2.1967 III B 9/66, BStBl. III 1967, 182; vgl. BFH-Beschluss vom 7.1.2015 V B 102/14, BFH/NV 2015, 639). Die Entscheidunghierüber ergeht bei der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 7.1.2015 V B 102/14, BFH/NV 2015, 639 m.w.N.).
32bb)
33Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung bestehen ernstliche Zweifel daran, dass die Zinsfestsetzung des Antragsgegners rechtmäßig ist.
34Die Verzinsung von Steuerforderungen richtet sich nach § 233a AO. Führt die Festsetzung der Einkommensteuer zu einem Unterschiedsbetrag – resultierend aus der festgesetzten Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO) –, ist dieser unabhängig davon, zu wessen Gunsten er ausfällt, nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalender-jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 EStG beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist (§ 233a Abs. 2a AO).
35Im vorliegenden Fall bestehen im Hinblick auf die Auflösung des für den nicht streitbefangenen Veranlagungszeitraum 2009 gebildeten Investitionsabzugsbetrags keine Zweifel an der Anwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO. Der Beginn der Verzinsung richtet sich für den Veranlagungszeitraum 2009 – wovon die Beteiligten zutreffend ausgehen – nach § 233a Abs. 2a 1. Alternative AO, da es sich bei der nachträglichen Auflösung des Investitionsabzugsbetrags um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO handelt (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.2013 IV R 9/12, BStBl. II 2014, 609).
36Nach Auffassung des Senats richtet sich der Beginn des Zinslaufs aber zumindest auch dann nach § 233a Abs. 2a 1. Alternative AO, wenn der Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses (hier: die gewinnerhöhende Auflösung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG) zwangsläufig Folgewirkungen auf die Steuerfestsetzung eines anderen Veranlagungszeitraus hat (hier: Wegfall eines zunächst gemäß § 10d Abs. 1 EStG berücksichtigten Verlustabzugs, wenn aufgrund des Wegfalls des Verlusts im Verlustentstehungsjahr kein rücktragsfähiger Verlust mehr vorhanden ist).
37Denn der Anwendungsbereich des § 233a Abs. 2a 1. Alternative AO bemisst sich für die Frage, ob der nachträglichen Änderung des Sachverhalts eine rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, alleine nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.2013 IV R 9/12, BStBl. II 2014, 609). Der Wegfall der Investitionsabsicht im Rahmen des § 7g EStG hat eine unmittelbare materielle Rückwirkung auf das Jahr der Gewinnminderung (vgl. nur BFH-Urteil vom 11.7.2013 IV R 9/12, BStBl. II 2014, 609). Aber auch wenn im vorliegenden Fall die (zwangsläufig geänderte) Steuerfestsetzung für 2008 selbst nicht unmittelbar auf dem rückwirkenden Ereignis beruht, ist für die nach dem Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses aufgrund zwingender rechtlicher Vorgaben vorzunehmende Folgeänderung (hier: die Aufhebung des Verlustrücktrags) in materiell-rechtlicher Hinsicht weiterhin alleine der Eintritt des rückwirkenden Ereignisses ausschlaggebend; lediglich verfahrensrechtlich wird die Aufhebung des Verlustrücktrags über § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG umgesetzt. Für den Beginn des Zinslaufs im Fall des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses kann es keinen Unterschied machen, ob die materiell-rechtlichen Auswirkungen dieses Ereignisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum unmittelbar oder aber lediglich mittelbar über eine zwingende Folgeumsetzung eintreten. Ansonsten würde dasselbe auslösende Ereignis in mehreren betroffenen Veranlagungszeiträumen zu unterschiedlichen Verzinsungszeiträumen führen können. Da der Nachzahlungsbetrag im vorliegenden Fall materiell-rechtlich auf die Auflösung des Investitionsabzugsbetrags zurückzuführen ist, ist es im Übrigen nicht gerechtfertigt, die Verzinsung schon für solche Zeiträume einsetzen zu lassen, in denen das rückwirkende Ereignis noch gar nicht eingetreten war.
38Diese Überlegung wird durch den Sinn und Zweck des § 233a Abs. 2a AO bestätigt. Denn der unterschiedliche Beginn des Zinslaufs in § 233a Abs. 2 AO einerseits und in § 233a Abs. 2a AO andererseits beruht auf dem Gedanken, dass ein Verlustabzug oder ein rückwirkendes Ereignis zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung noch nicht berücksichtigt werden konnte und daher weder der Steuerpflichtige noch die Finanzbehörde vor dem Eintritt des rückwirkenden Ereignisses bzw. des Verlustes einen Liquiditätsvorteil oder -nachteil erlitten hat, den § 233a AO zu kompensieren bezweckt. Dementsprechend soll ein auf einem rückwirkenden Ereignis oder einem Verlustabzug beruhender Nachzahlungs- oder Erstattungsanspruch nicht schon für den Zeitraum vor dem Eintritt des rückwirkenden Ereignisses oder des Verlustes verzinst werden (vgl. BFH-Urteil vom 17.2.2010 I R 52/09, BStBl. II 2011, 340; siehe auch BT-Drs. 13/5359, S. 130 und BT-Drs. 1313/5952, S. 56).
39Der Beginn des Zinslaufs richtet sich vorliegend nicht nach § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO. Bereits nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift voraus, dass die für die Verzinsung maßgebliche Steuerfestsetzung auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 EStG beruht. Hiervon werden jedoch nach Ansicht des Senats nicht auch solche Fälle erfasst, in denen ein zunächst berücksichtigter Verlustabzug nachträglich mangels eines Verlustes im (ursprünglichen) Verlustentstehungsjahr wieder rückgängig gemacht wird. Denn eine vor diesem Hintergrund nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG geänderte Steuerfestsetzung beruht materiell-rechtlich gerade nicht (mehr) auf einem Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 1 EStG.
40Zudem setzt § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO im Verlustentstehungsjahr einen tatsächlich entstandenen Verlust voraus. Denn die Norm knüpft für den Beginn des Zinslaufs ausdrücklich an den Ablauf des Kalenderjahres der Verlustentstehung an. Fehlt es – wie im vorliegenden Fall – bereits an einem realisierten Verlust, kann § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO für die Berechnung des Zinslaufs mangels eines Anknüpfungspunkts keine Wirkung entfalten. Durch § 233a Abs. 2a 2. Alternative AO sollen vielmehr nur solche Fälle erfasst werden, in denen durch einen Verlustrücktrag eine nachträgliche Verrechnung mit Gewinnen in einem Vorjahr erfolgt und sich dadurch ein Erstattungsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt. Denn der Gesetzgeber wollte durch die Einführung dieser Regelung lediglich verhindern, dass der Staat Erstattungszinsen auch für solche Zeiträume zahlen müsste, in denen der Verlust noch nicht eingetreten war und sich lediglich aufgrund des Verlustrücktrags und der damit verbundenen (nachträglichen) Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen eine Minderung der festgesetzten Einkommensteuer ergeben konnte (vgl. BT-Drs. 13/5359, S. 130 und BT-Drs. 13/5952, S. 56: keine Verzinsung für vor dem Eintritt des Verlustes liegende Zeiträume).
41Der Beginn des Zinslaufs richtet sich schließlich nicht nach der allgemeinen Vorschrift des § 233a Abs. 2 AO, da diese Regelung durch den spezielleren § 233a Abs. 2a 1. Alternative AO verdrängt wird.
42c)
43Im Ergebnis sind die Zinsen mit 1.466,50 Euro zu berücksichtigen (unstreitiger Unterschiedsbetrag von abgerundet 41.900 Euro, Zinsen für 7 Monate vom 1.4.2014 bis zum 3.11.2014) und hinsichtlich des Differenzbetrags in Höhe von 7.542 Euro von der Vollziehung auszusetzen.
44d)
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.