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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.06.2015 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 02.11.2015 verpflichtet, die Säumniszuschläge zu den Schenkungsteuern in Höhe von 500,50 € (Steuernummer 1) und in Höhe von 2.242,50 € (Steuernummer 2) zu erlassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist der Erlass von Säumniszuschlägen zu Schenkungsteuern aus Billigkeitsgründen streitig.
3Mit einem wiederholt nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – geänderten Bescheid zuletzt vom 01.06.2007 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer für die gemischte Schenkung der Mutter des Klägers, Frau A, vom 16.12.2002 an den Kläger in Höhe von 12.496 € fest (Steuernummer 1).
4Den Bescheid gab der Beklagte an den Kläger persönlich bekannt.
5In der Anlage „Stundung“ zu dem o.g. Bescheid wird die Schenkungsteuer in Höhe von 3.850 € nach § 25 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG – gestundet, da das Grundvermögen „E-Straße ...“ mit einem lebenslänglichen Nießbrauchsrecht zugunsten der Schenkerin, Frau A, belastet war, welches einen Jahreswert von 8.785 € hatte.
6Im Einzelnen heißt es dort:
7II. Stundung
8Die Steuer von |
12.496 € |
wird nach Maßgabe der Berechnung unter IV. gestundet in Höhe von |
3.850 €. |
Die Stundung endet mit dem Erlöschen der Belastung, nämlich
10am
11x mit dem Tod der berechtigten Person.
12Sie endet ganz oder teilweise vorzeitig;
131.-3.….
14Durch die Stundung wird die im Steuerbescheid enthaltene Zahlungsaufforderung nicht berührt.
15III. Anzeigepflicht und Zahlungsaufforderung
16Der/Die Steuerpflichtige hat den Wegfall der Gründe für die Stundung (Abschn. II) unverzüglich dem Finanzamt unter Angabe der Steuernummer anzuzeigen (§ 153 Abs. 2 AO) und die gestundete Steuer innerhalb eines Monat ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Stundung unaufgefordert zu entrichten.
17Anzeige und Zahlung sind auch dann vorzunehmen, wenn die Belastung nur teilweise wegfällt. Vor demjenigen, der seiner Verpflichtung zur Zahlung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, ist ein Säumniszuschlag zu entrichten (§ 240 AO). Geht das belastete Vermögen vor dem Erlöschen der Belastung durch Erbfolge aus einen anderen über, bitte ich, dies dem Finanzamt mitzuteilen.
18IV. Berechnung des Stundungsbetrags
19…“
20In den beigefügten „Erläuterungen zum Abrechnungsteil des Schenkungsteuerbescheides“ heißt es:
21„Der festgesetzte Steuerbetrag in Höhe von 12.496,00 € ist in Höhe von 8.646,00 € bis zum Fälligkeitstag laut Schenkungsteuerbescheid zu entrichten.
22Der Restbetrag in Höhe von 3.850,00 € wird bis zum Wegfall der Belastung zinslos gestundet.
23Der zinslos gestundete Betrag kann bis zum Fälligkeitstag laut Schenkungsteuerbescheid durch Zahlung eines Ablösebetrags von 2.791,00 € abgelöst werden (Barwert gem. § 12 Abs. 3 BewG).
24Berechnung des Ablösebetrags: 3.850,00 € x 0,725 = 2.791,00 €
25Eine Ablösung ist auch nach diesem Zeitpunkt durch schriftlichen Antrag bei der Schenkungsteuerstelle möglich. …“
26Ebenfalls mit wiederholt nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid zuletzt vom 01.06.2007 setzte der Beklagte Schenkungsteuer für die gemischte Schenkung des Vaters des Klägers, Herrn A1, vom 16.12.2002 an den Kläger in Höhe von 62.280 € fest (Steuernummer 2). Auch diesen Bescheid gab der Beklagten an den Kläger persönlich bekannt.
27Die Steuerfestsetzung war ebenfalls mit einer teilweisen Stundung der Schenkungsteuer in Höhe von 17.280 € nach § 25 Abs. 1 ErbStG verbunden, da die Grundvermögen Q-Straße ..., W-Straße ... und E-Straße ... mit lebenslänglichen Nießbrauchsrechten zugunsten des Schenkers, Herrn A1, belastet waren (s. im Einzelnen Anlage „Stundung“ zum Schenkungsteuerbescheid). Im Übrigen war der Schenkungsteuerbescheid inhaltsgleich mit dem Schenkungsteuerbescheid für die Schenkung von Frau A. In den beigefügten „Erläuterungen zum Abrechnungsteil“ berechnete sich der vorzeitige Ablösungsbetrag auf 12.528 €.
28Am ….02.2013 verstarb die Mutter des Klägers und wenige Tage später, am ....02.2013, verstarb sein Vater. Die Erbschaftsteuererklärungen, an deren Erstellung die Prozessbevollmächtigten mitgewirkt hatten, reichte der Kläger am 10.09.2013 beim Beklagten ein.
29Mit Schreiben vom 29.04.2015 forderte der Beklagte den Kläger jeweils auf, die nach § 25 ErbStG a.F. gestundeten Schenkungsteuerbeträge zu entrichten, und berechnete Säumniszuschläge in Höhe von 1.001,00 € zum gestundeten Betrag von 3.850,00 € seit dem 04.03.2013 und Säumniszuschläge in Höhe von 4.485,00 € zum gestundeten Betrag von 17.280,00 € seit dem 13.03.2013.
30Daraufhin beglich der Kläger, der seinen steuerlichen Verpflichtungen im Übrigen – soweit ersichtlich – immer pünktlich nachgekommen war, die rückständigen Beträge am 7.5.2015. Ferner beantragte er am 26.05.2015 den Erlass der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen, da zwischen den Schenkungen in 2002, den letzten Schenkungsteuerbescheiden in 2007 und dem Wegfall des Stundungsgrundes, dem Tod der beiden Schenker, elf bzw. sechs Jahre gelegen hätten. Nach allgemeiner Verwaltungsanweisung sei ein sachlicher Grund für den Erlass von Säumniszuschlägen gegeben, wenn zwischen der Fälligkeit und dem letzten Hinweis des Finanzamtes an den Steuerpflichtigen ein größerer Zeitraum von mehr als einem Jahr gelegen habe.
31Am 12.06.2015 lehnte der Beklagte die Erlassanträge ab und verwies auf die in den Bescheiden enthaltene Anzeigepflicht und Zahlungsaufforderung. Das Schreiben des Klägers vom 16.07.2015, mit dem der Kläger auch persönliche Billigkeitsgründe nach § 227 AO geltend machte, indem er unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 17.01.1994 (IV A4-0062-1/94) darauf hinwies, dass er stets ein pünktlicher Steuerzahler gewesen sei und es sich insoweit nur um ein Versehen gehandelt habe, wertete der Beklagte als Einspruch. Zudem wies der Kläger darauf hin, dass das gesetzliche Ziel der Säumniszuschläge, den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anzuhalten, fehl gehe, da ihm die Fälligkeit der Zahlung mangels Kenntnis vom Wegfall der Stundung nicht bekannt gewesen sei.
32Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 02.11.2015 als unbegründet zurück. Ein Erlass aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO könne nicht gewährt werden. Bei der Sonderform der Stundung nach § 25 ErbStG a.F. bedürfe es weder einer besonderen Zahlungsaufforderung noch zwischenzeitlicher Erinnerungen des Finanzamtes, solange die Stundung bestehe. Den Schenkungsteuerbescheiden sei die Anzeige- und Zahlungsfrist hinreichend deutlich zu entnehmen gewesen. Die Versäumnis des Klägers, die Steuerbescheide aufmerksam zu lesen und den Inhalt zur Kenntnis zu nehmen, stelle kein offenbares Versehen dar. Daher seien keine sachlichen Billigkeitsgründe für einen Erlass der Säumniszuschläge gegeben. Persönliche Billigkeitsgründe, wie Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, lägen offensichtlich nicht vor.
33Hiergegen hat der Kläger am 02.12.2015 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter verfolgt. Ergänzend trägt der Kläger vor, dass der Ermessensspielraum des Beklagten auf Null reduziert gewesen sei, da der Beklagte an seine Ermessensrichtlinie gebunden gewesen sei, nach der bei einem offenbaren Versehen eines pünktlichen Steuerzahlers ein Erlass der Säumniszuschläge zu gewähren gewesen wäre. Insoweit nimmt der Kläger Bezug auf das Urteil des FG Hamburg vom 30.11.2012 (4 K 70/12, StEW 2014, Heft März, 19). Dem Kläger sei mangels Kenntnis von der Fälligkeit ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich gewesen, so dass ihm keine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden könne. Zudem sei ein sachlicher Billigkeitsgrund immer dann gegeben, wenn zwischen der Fälligkeit und dem letzten Hinweis des Finanzamtes an den Steuerpflichtigen ein größerer Zeitraum liege. Daher sei die Finanzverwaltung in den Fällen des § 25 ErbStG auch nach dem Ländererlass vom 21.06.2012 verpflichtet gewesen, die Beendigung der Stundung im dreijährigen Rhythmus zu überwachen.
34Der Kläger beantragt zuletzt,
35den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.06.2015 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 02.11.2015 zu verpflichten, die Säumniszuschläge zu den Schenkungsteuern in Höhe von 1.001,00 € (Steuernummer 1) und in Höhe von 4.485,00 € (Steuernummer 2) jeweils hälftig zu erlassen.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Der Beklagte ergänzt seine Begründung aus der Einspruchsentscheidung dahingehend, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, den Kläger an ihre Zahlungspflicht zu erinnern. Vielmehr sei der Kläger verpflichtet gewesen, den Wegfall des Stundungsgrundes dem Finanzamt anzuzeigen, § 153 Abs. 2 AO. Daher sei das von dem Kläger angeführte Urteil des FG Hamburg vom 30.11.2012 (4 K 70/12, StEW 2014, Heft März, 19) nicht einschlägig. Im Streitfall habe der Kläger die Zahlungsfrist im erheblichen Maße überschritten. Ein etwaiges Verschulden seines steuerlichen Beraters und jetzigen Prozessbevollmächtigten sei ihm zuzurechnen. Dieser habe ihn durchgehend in der schenkungsteuerlichen Angelegenheit in den Jahren 2003 bis 2005 und der erbschaftsteuerlichen Angelegenheit 2013 beraten. Zudem sei auf ihn eine Empfangsvollmacht ausgestellt. In der Erbschaftsteuererklärung seien die Vorschenkungen ausgewiesen worden ohne einen Hinweis auf das Entfallen der Nießbrauchsbelastungen. Ein Schreiben an die zuständige Stelle für die Vorschenkungen sei ebenfalls unterblieben. Daher seien dem Kläger auch das Verhalten und die Kenntnis seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Außerdem seien in der Zeit vom 11.05.2004 bis zum 01.06.2007 insgesamt sechs Schenkungsteuerbescheide erlassen worden, in denen jedes Mal auf die Stundung und sofortige Fälligkeit der Beträge bei Tod der Schenker hingewiesen worden sei.
39Die im Ländererlass normierten Überwachungspflichten würden dazu dienen, dass keine Zahlungsverjährung nach § 228 AO eintrete. Diese drohe auch bei unterlassener Anzeige des Steuerpflichtigen.
40Schließlich würden die Säumniszuschläge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mangels Verzinsung des Steueranspruchs nach § 233a AO auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung darstellen.
41Entscheidungsgründe
42Die Klage ist begründet.
43Die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Erlass der hälftigen Säumniszuschläge und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Der Beklagte war verpflichtet, die streitgegenständlichen Säumniszuschläge zur Hälfte zu erlassen. Diesen Anspruch des Klägers hat er zu Unrecht abgelehnt.
44I. Nach § 227 der Abgabenordnung - AO - können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören auch die Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen und damit die Säumniszuschläge gemäß § 240 AO (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 4 AO).
451. Die Entscheidung über ein Erlassbegehren aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur ausnahmsweise kann das Gericht eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO), wenn der Ermessensspielraum derart eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null; BFH-Urteile vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11 unter II.1.; vom 14.07.2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 unter II.2. m.w.N.).
46Der Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens wird durch den Begriff "unbillig" i. S. des § 227 AO abgegrenzt (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Eine Unbilligkeit i.S. von § 227 AO kann in der Sache selbst liegen oder in der Person des Steuerpflichtigen, etwa der wirtschaftlichen Lage, ihren Grund haben.
472. In der wirtschaftlichen Situation des Klägers liegende (persönliche) Billigkeitsgründe sind im Streitfall nicht erkennbar, so dass allein sachliche Unbilligkeit in Betracht kommt.
483. Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 unter II.3. m.w.N.). Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber die mit der Einziehung der Steuer verbundene Härte nicht bewusst in Kauf genommen hat. § 227 AO stellt keine Ermächtigung zur Korrektur des Gesetzes dar. Die Billigkeitsmaßnahme darf nicht auf Erwägungen gestützt werden, die die vorgesehene Besteuerung allgemein oder für bestimmte Fallgruppen außer Kraft setzen würde. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit ist nur insoweit durch die Vorschrift gedeckt, wie angenommen werden kann, der Gesetzgeber würde die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne des vorgesehenen Erlasses entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 21.01.2015 X R 40/12, BFH/NV 2015, 719 unter II.1.; vom 14.07.2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 unter II.3.). Billigkeit ist daher die Gerechtigkeit des Einzelfalls (von Groll in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, 236. EGL 01/2016, § 227 AO Rz. 31).
494. Im Streitfall hat der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Eine vollständige Ablehnung des Erlasses der Säumniszuschläge widerspricht den Wertungen des Gesetzgebers.
50a. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sind Säumniszuschläge in Höhe von einem Prozent für jeden angefangenen Monat zu entrichten, falls die Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird. Die Säumniszuschläge entstehen verschuldensunabhängig kraft Gesetzes ohne eine (Ermessens-) Entscheidung des Finanzamtes.
51Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Säumniszuschläge ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (vgl. BFH-Urteil vom 30.03.2006 V R 2/04, BFH/NV 2006, 1381 unter II.2.b.; a.A. zum Zinscharakter: Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 145. EGL 07/2016, § 240 Rn. 1). Sachlich unbillig ist die Erhebung von Säumniszuschlägen u. a. dann, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuern z.B. wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert (vgl. BFH-Urteile vom 16.07.1997 XI R 32/96, BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7; vom 30.03.2006 V R 2/04, BFH/NV 2006, 1381 unter II.2.b.). Ausgehend von den Wertungen des Gesetzgebers, wonach Säumniszuschläge auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands dienen, sind Säumniszuschläge in diesen Fällen allerdings grundsätzlich nur zur Hälfte zu erlassen. Denn ein Säumiger soll grundsätzlich nicht besser stehen als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung oder Stundung gewährt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 18.03.2003 X B 66/02, BFH/NV 2003, 886; BFH-Urteil vom 16.07.1997 XI R 32/96, BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7). Ein weitergehender, vollständiger Erlass der Säumniszuschläge kommt nur ausnahmsweise in Betracht und wird im Streitfall nicht begehrt.
52b. Dem entsprechend ist auch im Streitfall ein hälftiger Erlass der Säumniszuschläge zwingend. Der Senat ist nach den vorliegenden Akten und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon überzeugt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass der Gesetzeszweck der Säumniszuschläge, als Druckmittel zur rechtzeitigen Steuerzahlung zu dienen, im Streitfall nicht erreicht werden konnte. Der Grund liegt in der besonderen Rechtswirkung der Stundungsnorm des § 25 ErbStG a.F. Diese normierte eine besondere Art der langfristigen, teilweisen lebenslangen zinslosen Stundung, die mit dem Eintritt des die Bedingung auslösenden Ereignisses, im Streitfall dem Tod des Nießbrauchers, endet. In einer Vielzahl der Stundungsfällen des § 25 ErbStG a.F wird die gestundete Schenkungsteuer erst nach vielen Jahren fällig, ohne dass während der Stundungsphase an die Zahlung seitens des Finanzamtes erinnert worden ist. Der Senat erkennt daher eine besondere Härte, die zu einer sachlichen Unbilligkeit der Säumniszuschläge führt, darin, dass der Steuerpflichtige, so wie der Kläger, bis zur Zahlungsaufforderung des Finanzamtes sich der Fälligkeit dieser Zahlung über die vielen Jahre hinweg nicht mehr bewusst war. Zahlt der Steuerpflichtige in den Fällen des § 25 ErbStG a.F. sodann aber unverzüglich, nachdem das Finanzamt ihn dazu aufgefordert hat, sind die Säumniszuschläge mitunter über eine erhebliche Anzahl von Monaten hinweg entstanden und nicht mehr zu beeinflussen. In diesen Fällen kann der Zweck, den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Steuerzahlung anzuhalten, nicht mehr erreicht werden. Aus diesem Grund halten einzelne Länderfinanzverwaltungen sogar einen vollständigen Erlass der Säumniszuschläge für ermessensgerecht, wenn zwischen der Fälligkeit und dem letzten Hinweis des Finanzamtes an den Steuerschuldner, im Steuerbescheid oder in einem Anschreiben zur Überwachung der Stundung, ein Zeitraum von mehr als einem Jahr gelegen hat (siehe Erlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg vom 11.01.2016, Az. 36S 3715-2015 001 unter 3.; Verfügung der Thüringer Landesfinanzdirektion vom 23.06.2008, Az. S 3715 A-01-A 1.14, juris).
53Im Streitfall bestehen keinerlei Anhaltspunkte im Einzelfall dafür, dass der Kläger, der seinen steuerlichen Verpflichtungen im Übrigen – soweit ersichtlich – stets pünktlich nachgekommen ist, absichtlich die Schenkungsteuern zum Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlt hätte. Daher hält der Senat das Vergessen des Klägers nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für entschuldbar. Die letzten Schenkungsteuerbescheide datieren vom 01.06.2007. Beide Elternteile des Klägers verstarben innerhalb weniger Tage im Februar 2013, also fast sechs Jahre nach der Bekanntgabe der letzten Schenkungsteuerbescheide an den Kläger. Diese persönliche Belastungssituation und die Tatsache, dass es der Beklagte gegenüber dem Kläger unterlassen hat, während des Stundungszeitraums von nahezu sechs Jahren regelmäßig an die Einhaltung der aufschiebend bedingten Zahlungspflicht zu erinnern, rechtfertigt es, das Vergessen der Fälligkeit als entschuldbar anzusehen. Hierfür spricht auch der Charakter der Schenkungsteuer, deren Besteuerungstatbestand an einen einmaligen Vorgang, die Schenkungshandlung - hier im Jahr 2002 -, anknüpft und die nicht jährlich wiederkehrend zu entrichten ist. Nach der ersten Aufforderung des Beklagten im Jahr 2015 hat der Kläger pflichtgemäß die rückständigen Schenkungsteuern bezahlt.
54Soweit der Beklagte ein Verschulden des steuerlichen Beraters des Kläger diesem zurechnet, kann der Senat ein solches nicht erkennen. Die letzten Schenkungsteuerbescheide vom 01.06.2007 waren ebenso wie die Zahlungsaufforderungen vom 29.04.2015 an den Kläger persönlich adressiert. Eine allgemein aus dem Mandatsverhältnis abzuleitende Überwachungspflicht der steuerlichen Berater in Bezug auf die Stundungsvoraussetzungen ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da die steuerlichen Berater schon zum Empfang der Schenkungsteuerbescheide nicht bevollmächtigt waren. Die Tatsache, dass sie 2013 bei der Erstellung der Erbschaftsteuererklärungen mitgewirkt haben, geht nicht zu Lasten des Klägers.
55Daher konnte im Streitfall der Zweck der Säumniszuschläge, als Druckmittel für eine pünktliche Steuerzahlung zu dienen, nicht mehr erreicht werden. Dieser Gesetzeszweck wirkt auch nicht für die Zukunft, da die Schenkungsteuer an ein einmaliges Ereignis anknüpft. Aus diesen Gründen war der Ermessenspielraum des Beklagten derart eingeschränkt, dass nur die eine Entscheidung in Betracht kam, die Säumniszuschläge zur Hälfte zu erlassen.
56Soweit die Säumniszuschläge dem Zweck als Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern dienen, bleiben sie bestehen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
57II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
58III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.