Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob die Änderung eines Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 AO möglich ist.
3Am 17.1.2003 ist über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte meldete darauf hin die Umsatzsteuer 2002 in Höhe von 153.959,121 Euro als Forderung zur Insolvenztabelle an. Dieser Betrag beruhte auf einer Schätzung anhand des Umsatzsteuer-Überwachungsbogens (vgl. Inso-Akte GmbH & Co. KG ), da weder die Klägerin noch der Insolvenzverwalter als Vertreter der Klägerin eine Umsatzsteuererklärung für 2002 eingereicht hatten. Die Steuerberechnung datiert vom 4.3.2003.
4Gegen die zur Tabelle angemeldete Forderung hat der Insolvenzverwalter Widerspruch erhoben. Darauf hin erließ der Beklagte am 14.1.2004 einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, in dem die angemeldete Forderung in Höhe von 153.959,12 Euro festgestellt wurde. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
5Am 12.2.2004 legte der Insolvenzverfahren gegen diesen Bescheid Einspruch ein, den er ohne weitere Begründung am 10.3.2004 zurücknahm. Die angemeldete Umsatzsteuerforderung für 2002 wurde darauf hin in voller Höhe anerkannt und in die Tabelle eingetragen. Das Schreiben des Insolvenzgerichts M datiert vom 8.11.2004.
6Der Insolvenzverwalter reichte am 24.8.2004 die Umsatzsteuererklärung für 2002 ein, die er unter dem 23.8.2004 unterschrieben hatte. Er beantragte, die Forderungsanmeldung entsprechend den dort genannten Zahlen zu reduzieren. Der Beklagte fasste diesen Antrag als einen solchen auf schlichte Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO auf. Dieser Antrag wurde durch negativen Feststellungsbescheid vom 22.10.2004 abgelehnt. Gegen diesen Bescheid legte der Insolvenzverwalter am 8.11.2004 Einspruch ein. Dieser Einspruch richtete sich gleichzeitig gegen den Feststellungsbescheid vom 14.1.2004. Er begründete diesen damit, dass die Umsatzsteuerforderung auf einer Schätzung beruhe und die Umsatzsteuererklärung nunmehr vorliege. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung sei der Einspruch auch fristgerecht eingelegt worden.
7Mit Schreiben vom 24.5.2005 begründete das Büro den Einspruch vom 8.11.2004 gegen den Feststellungsbescheid vom 14.1.2004 und den negativen Feststellungsbescheid vom 22.10.2004. Aus ihrer Sicht läge eine Strafschätzung vor, die zur Nichtigkeit des Feststellungsbescheides führe.
8Der Beklagte erließ am 18.8.2006 insgesamt drei Einspruchsentscheidungen. Der Beklagte wies dabei in einer Entscheidung den Einspruch gegen den Bescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO über die Feststellung der Umsatzsteuer 2002 im Insolvenzverfahren als unzulässig zurück (Einspruchsentscheidung 1, Bl. 2ff. d. GA). In einer weiteren Einspruchsentscheidung vom gleichen Datum, die sich mit der Ablehnung des Antrags auf Änderung bzw. Rücknahme des Feststellungsbescheides betreffend Umsatzsteuer 2002 nach § 130 Abs. 1 AO befasste, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung 2, Bl. 5 d. GA). Schließlich wurde in einer dritten Einspruchsentscheidung vom 18.8.2006 ein Einspruch wegen Ablehnung des Antrags auf Änderung der Umsatzsteuer 2002 im Insolvenzverfahren als unbegründet zurückgewiesen, da es an den notwendigen Korrekturvorschriften fehle (Einspruchsentscheidung 3, Bl. 9ff. d. GA).
9Die Klägerin legte am 18.9.2006 gegen alle drei Einspruchsentscheidungen Klage ein. Mit dieser verfolgt sie ihr Ziel fort, eine Änderung der Umsatzsteuerberechnung und Anmeldung der Forderung des Beklagten zu erreichen.
10Im Erörterungstermin vom 19.5.2008 wurde der Rechtsstreit hinsichtlich der Einspruchsentscheidung 1 vom 18.8.2006 von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Diese Einspruchsentscheidung wurde im Anschluss aufgehoben (Bl. 66 d. GA).
11Der Klägervertreter trägt vor, dass die Steuerberechnung vom 4.3.2003 ein Bescheid gewesen sei. Allerdings hätte der Bescheid ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO sein müssen. Da dies nicht der Fall gewesen wäre, wäre der Bescheid nichtig. Zu beachten sei, dass in dem Einspruch gegen den dann erlassenen Feststellungsbescheid auch ein Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO zu sehen sei. Dieser sei bislang nicht entschieden worden.
12Der Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO sei ersatzlos aufzuheben. Die Steuerfestsetzung sei zu ändern und zwingend in Folge dessen auch die lediglich vollstreckungsrechtliche Feststellung gemäß § 251 Abs. 3 AO.
13Dies sei von dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn K , in einem Gespräch vom 3.6.2004 mit einer Mitarbeiterin des Rechtsanwaltsbüros , Frau P , auch zugesagt worden. Ausweislich des Gesprächsvermerks habe er erklärt, dass die Rücknahme/Teilrücknahme der angemeldeten Forderung erfolge, wenn die prüfbaren Steuererklärungen vorlägen. Auf den Hinweis, dass der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen fälschlicherweise anerkannt habe, habe Herr K erklärt, dass dies für die Berichtigung keine Hinderung darstelle. Er würde dann die Anmeldung anhand der korrigierten Berechnung berichtigen.
14Abgesehen von dem bisher Dargestellten sei der durch Einspruch angegriffene Bescheid vom 22.10.2004, mit dem der Änderungsantrag abgelehnt worden sei, schon aufgrund seiner Bezeichnung als "negativer Feststellungsbescheid" nichtig. Ein solcher Bescheid sei in der AO nicht geregelt und der Rechtsprechung und Lehre nicht bekannt. Letztere kennten unter der Bezeichnung "negativer Feststellungsbescheid" nur den Ablehnungsbescheid i.S.d. §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 171 Abs. 1 AO. Dem Bescheid vom 22.10.2004 fehle es folglich an der erforderlichen Bestimmtheit. Werde diese Nichtigkeit festgestellt, so sei im Verfahren des Einspruchs gegen den eventuell neu zu erlassenden Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO die richtige Umsatzsteuerfestsetzung erzwingbar.
15Es läge im vorliegenden Fall keine Schätzungsfestsetzung vor, welche, wenn sie denn vorläge, nach den Verwaltungsanweisungen-AEAO unter dem VdN hätte festgestellt werden müssen. Letztere hätte dazu geführt, dass eine Änderbarkeit möglich sein müsse.
16Die erfolgte Schätzung sei als Strafschätzung anzusehen, da keine Vorsteuer berücksichtigt worden sei.
17Hinsichtlich der Ablehnung der Änderung des Feststellungsbescheides sei zu beachten, dass diese nicht in jedem Fall unter Hinweis auf den Fristablauf abzulehnen sei. Eine Änderbarkeit müsse möglich sein, da ansonsten eine Bevorteilung des Fiskus gegenüber anderen Gläubigern vorliege.
18Eine Änderbarkeit ergibt sich nach Ansicht des Klägervertreters auch aufgrund der im Erörterungstermin aufgehobenen Einspruchsentscheidung. Diese Aufhebung führe dazu, dass der Feststellungsbescheid im Verwaltungsverfahren nun änderbar sei. Das Klageverfahren werde sich dann als Folge dessen erledigen.
19Der Klägervertreter beantragt,
20Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Der Beklagte ist der Ansicht, dass eine Änderung des Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 AO hier nicht möglich ist. Die Gründe für eine Rücknahme hätten mit dem zunächst fristgerecht eingelegten Einspruch geltend gemacht werden müssen. Dieser Einspruch sei zurückgenommen worden. Ein offensichtlicher und schwerwiegender Rechtsverstoß, der es ausnahmsweise geboten mache, dennoch eine Änderung gemäß § 130 AO vorzunehmen, könne aufgrund der Einspruchsrücknahme ebenfalls nicht vorliegen. Die Rücknahme des Einspruchs führe zum alleinigen Verschulden der Klägerseite an der nun fehlenden Berichtigungsmöglichkeit. Entschuldungsgründe hinsichtlich der Rücknahme des Einspruchs seien nicht vorgetragen worden. Eine Strafschätzung sei nicht erkennbar. Die Schätzung sei anhand der Umsätze der Vorjahre erfolgt. Im Hinblick auf die Regelung des § 17 Abs. 2 UStG sei es vertretbar, Vorsteuern nicht anzusetzen.
27Die Anerkennung der geltend gemachten Forderung durch den Insolvenzverwalter wirke wie eine bestandskräftige Festsetzung. Eine Korrektur sei deshalb nur nach den Vorschriften der §§ 172ff. InsO möglich.
28Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 19.5.2008 mit den Beteiligten erörtert. Der ebenfalls anwesende Herr K konnte sich an ein Gespräch am 3.6.2004 nicht erinnern. Er erklärte, dass er sich insbesondere nicht an eine Aussage der Gestalt erinnern könne, dass mit Einreichung der USt-Erklärung eine Änderung möglich sei. Im Rahmen seiner Tätigkeit in der Insolvenzstelle sei er hierfür auch nicht zuständig gewesen. Er schließe eigentlich aus, eine solche Aussage gemacht zu haben.
29Der Klägervertreter überreichte in der mündlichen Verhandlung vom 23.6.2009 eine Gesprächsnotiz der Mitarbeiterin des Rechtsanwaltsbüros über das Gespräch vom 3.6.2004.
30Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
31Entscheidungsgründe:
32Die Klage ist unbegründet. Dies gilt sowohl für den Haupt- wie auch die Hilfsanträge.
33Der Beklagte hat im Rahmen seines Ermessens gehandelt, als er den Bescheid vom 14.1.2004 nicht entsprechend der eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2002 vom 23.8.2004 geändert hat. Eine Verpflichtung zur Änderung aufgrund des Antrags vom 24.8.2004 oder vom 8.11.2004 besteht nicht. Der Bescheid vom 22.10.2004 ist nicht nichtig.
34Es liegt kein Anspruch auf Teilrücknahme des Feststellungsbescheides vom 14.1.2004 vor.
36Der Feststellungsbescheid vom 14.1.2004 ist ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO, der vom Beklagten zu Recht erlassen worden ist, da der Insolvenzverwalter gegen die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung in Höhe von 153.959,12 Euro Widerspruch erhoben hat. Dieser Bescheid ist, wie dort ausdrücklich geregelt, ein schriftlicher Verwaltungsakt. Er unterliegt, da er kein Steuerbescheid ist, nicht den Regelung der §§ 155ff. AO (vgl. nur BFH-Beschluss vom 22.06.1999 VII B 244/98, BFH/NV 1999, 1583; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.4.1993 9 K 403/91, EFG 1993, 763, FG Münster, Urteil vom 21.2.2008 8 K 38/05 U, EFG 919), sondern ist nach den Vorschriften der §§ 129ff. AO änderbar, soweit kein Einspruch eingelegt worden ist.
37Da der Insolvenzverwalter als Vertreter der Klägerin den am 12.2.2004 eingelegten Einspruch am 10.3.2004 gemäß § 362 Abs. 1 Satz 1 AO zurückgenommen hat, ist hier eine Änderung des wirksam erlassenen Feststellungsbescheides aufgrund der nachträglich eingereichten Umsatzsteuererklärung nur nach § 130 Abs. 1 AO möglich.
38Der Bescheid vom 10.3.2004 ist wirksam gemäß §§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO, 124 Abs. 1 Satz 1 AO bekannt gegeben worden. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Bescheid ist nicht nichtig, da er nicht unter einem besonders schwerwiegenden Fehler i.S.d. § 125 Abs. 1 AO leidet. Die Umsatzsteuerberechnung beruht zwar auf einer Schätzung. Diese basiert im vorliegenden Fall auf den Umsatzsteuervoranmeldungen für drei von vier Quartalen des Streitjahres 2002. Der USt-Überwachungsbogen weist für 2002 Umsätze von 497.793 Euro bei Umsätzen von 1.276.275 DM (= 652.549 Euro) im Vorjahr. Es ist zumindest vertretbar, wenn ausgehend von diesen Zahlen für das gesamte Jahr 2002 Umsätze von 850.000 Euro geschätzt werden. Diese übersteigen zwar die bisherigen Zahlen und liegen im oberen Schätzungsbereich. Sie stellen aber keine Strafschätzung, wie von Klägerseite behauptet, dar und führen deshalb nicht zur Nichtigkeit des anschließend erlassenen Bescheides. Vielmehr ist der Beklagte aufgrund der Nichtabgabe der Jahressteuererklärung durch den Steuerpflichtigen und der sich hieraus ergebenden Mitwirkungspflichtverletzung berechtigt, Zuschläge bei den Umsätzen und Abschläge bei den Vorsteuerbeträgen vorzunehmen. Diese Nachteile, die Folge der Unkenntnis der wahren Begebenheiten sind, hat der Steuerpflichtige gegen sich gelten zu lassen (BFH-Beschluss vom 7.4.2009 XI B 115/08, BFH/NV 2009, 1085). Aufgrund der Insolvenz war es insbesondere auch zulässig eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durchzuführen und im Rahmen der erfolgten Schätzung Vorsteuerbeträge nicht anzusetzen.
39Der Feststellungsbescheid vom 10.3.2004 wäre allerdings rechtswidrig, folgte man den mit der Umsatzsteuererklärung vom 28.8.2004 dargelegten Zahlen. Eine Änderungsverpflichtung durch den Beklagten gemäß § 130 Abs. 1 AO kann das Gericht aber aufgrund der begrenzten Nachprüfungsmöglichkeit des Ermessensgebrauchs gemäß § 102 Satz 1 FGO nicht aussprechen.
40Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes steht nach dem Wortlaut des § 130 Abs. 1, Abs. 4 AO im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob Ermessensfehler vorliegen oder eine Reduzierung des Ermessens auf Null gegeben ist. Beides liegt nicht vor.
41§ 102 Satz 1 FGO sieht es als ermessensfehlerhaft an, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zumindest vertretbar eine Änderung gemäß § 130 Abs. 1 AO deshalb abgelehnt, weil es der Klägerin zumutbar war, das Rechtsbehelfsverfahren gegen den Feststellungsbescheid durchzuführen. Es entspricht der BFH-Rechtsprechung, dass die Rücknahme eines fehlerhaften Verwaltungsaktes dann verweigert werden kann, wenn dieses Begehren bereits im Rahmen des Einspruchsverfahrens geltend gemacht werden konnte (BFH-Beschluss vom 22.6.1999 VII B 244/98, BFH/NV 1999, 1583 für den Fall eines Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 AO und BFH-Beschluss vom 4.6.2008 I R 9/07, BFH/NV 2008, 1647 für einen Haftungsbescheid mwN.). Das muss umso mehr gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Einspruchsverfahren durch Rücknahme von Klägerseite beendet worden ist – insbesondere ohne Angabe von Gründen. Der Beklagte kann seine Abwägung zwischen dem durch die Bestandskraft eingetretenen Rechtsfrieden einerseits und der materiellen Gerechtigkeit andererseits so vornehmen, dass er der Bestandskraft den Vorrang einräumt (BFH-Beschluss vom 4.6.2008 I R 9/07, BFH/NV 2008, 1647 unter Hinweis auch auf BVerfG-Beschluss vom 30.1.2008 1 BvR 943/07, Homepage BVerfG).
42Da die Klägerseite ein Einspruchsverfahren begonnen hat, ist im vorliegenden Fall der von der BFH-Rechtsprechung entwickelte Ausnahmefall, dass die Ablehnung der Rücknahme nach § 130 Abs. 1 AO fehlerhaft ist, wenn ein Rechtsbehelfsverfahren nicht durchgeführt werden konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 4.6.2008 I R 9/07, BFH/NV 2008, 1647) nicht zu prüfen.
43Im vorliegenden Fall ergibt sich ein Ermessensfehler auch nicht daraus, dass ein Sachbearbeiter des Beklagten eine Rücknahme gegenüber einer Mitarbeiterin eines Bevollmächtigten des Insolvenzverwalters angekündigt hat. Zugunsten der Klägerseite geht der Senat davon aus, dass am 3.6.2004, also vor Erstellung der Steuererklärung, ein Mitarbeiter des Beklagten eine Rücknahme bzw. Teilrücknahme bei Vorlage einer prüfbaren Steuererklärung in Aussicht gestellt hat. Diese Aussage des Herrn K ist aber weder als Zusage noch als Erklärung im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung anzusehen. Eine Bindungswirkung im Rahmen der noch durchzuführenden Ermessensentscheidung ist selbst dann nicht zu erkennen, wenn man zugunsten der Klägerseite unterstellte, dass der Mitarbeiter im Zeitpunkt des Telefonats für eine solche Rücknahme zuständig gewesen sei. Der Beklagte blieb in diesem Fall verpflichtet, bei Vorlage eines entsprechenden Änderungsantrags in die Ermessensprüfung einzutreten. Diese Ermessensprüfung ist selbst dann voll umfänglich vorzunehmen, wenn im Vorfeld ein mögliches Ergebnis, hier die Änderbarkeit, bestätigt worden ist. Eine Bindungswirkung der Verwaltung im Vorfeld der Ermessensentscheidung kann nicht bestehen, würde dies erkennbar einen Ermessensfehler durch Unterschreitung des eingeräumten Ermessens nach sich ziehen. Eine solche Ermessensunterschreitung liegt nämlich dann vor, wenn die Finanzbehörde ihren Ermessensrahmen nicht ausschöpft, weil ihr das zugestandene Ermessen nicht bewusst ist oder weil sie die Ermächtigungsnorm falsch auslegt (Kruse in T/K, § 5 Rz. 40). Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn die Finanzbehörde nicht alle gebotenen Erwägungen anstellt (FG Münster, Urteil vom 11.12.2001, 1 K 3470/98 E, EFG 2002, 728). Würde man hier der Aussage des Herrn K eine Bindungswirkung zusprechen, läge eine Fall der Ermessensunterschreitung vor. Ausgehend von dem zu den Gerichtsakten überreichten Gesprächsvermerk ist nämlich eine Abwägung des Herrn K mit der eingetreten Bestandskraft nicht erkennbar. Insbesondere wird auch die erfolgte kommentarlose Einspruchsrücknahme nicht problematisiert. Nach dieser Gesprächsnotiz setzt sich Herr K vielmehr ohne weitere Erwägungen über die Tatsache, dass die angemeldeten Forderungen anerkannt worden sind, hinweg und erklärt, dass dies kein Hindernis darstelle. Weitere Erläuterungen werden nicht gegeben. Dieses Verhalten stellt erkennbar eine Ermessenunterschreitung dar. Die Behörde durfte und musste sogar die Möglichkeit nutzen, nach Einreichung der Steuererklärung ihr Ermessen in vollem Umfang auszuüben.
44Folge des Dargestellten ist, dass eine Ermessensreduktion auf Null im Fall der Rücknahme des Einspruchs nicht vorstellbar ist.
45Eine Neubescheidung gemäß § 101 Satz 2 FGO ist im vorliegenden Fall nicht auszusprechen, da ein Ermessensfehler des Beklagten in Bezug auf die angestrebte Änderung des Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 AO nicht vorliegt. Es wird auf die Ausführungen des Senats unter Nr. 1 der Entscheidung verwiesen.
47Eine Änderung gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufgrund des gestellten Änderungsantrags, aufgefasst als ein solcher i.S.d. § 164 Abs. 2 Satz 2 AO, ist nicht möglich. Es fehlt bereits an der hierzu notwendigen Nebenbestimmung des Vorbehalts der Nachprüfung i.S.d. § 164 Abs. 1 Satz 1 AO. Eine solche Nebenbestimmung ist bei einem Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO auch nicht vorgesehen. Zwar lässt § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO es grundsätzlich zu, dass ein Verwaltungsakt unter einer Bedingung ergeht. Ein Vorbehalt der Nachprüfung i.S.d. § 164 Abs. 1 Satz 1 AO ist aber, wie es sich ausdrücklich aus dem Wortlaut ergibt, auf die Steuerfestsetzung und damit auf den Erlass von Steuerbescheiden i.S.d. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO beschränkt. Ein solcher Bescheid liegt, wie bereits unter Nr. 1 dargestellt, bei einem Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO nicht vor. Da der Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO auch nicht ansonsten unter der Bedingung der Geltung bis zur Einreichung einer Umsatzsteuererklärung erlassen worden ist, erübrigen sich weitere Ausführungen zur Änderbarkeit insoweit.
49Der Bescheid vom 22.10.2004 ist nicht nichtig. Vielmehr wird mit diesem zu Recht die Änderung des Feststellungsbescheides gemäß § 251 Abs. 3 AO vom 14.1.2004 abgelehnt. Dies ergibt sich aus dem unter Nr. 1 Gesagten. Folglich fehlt es schon an dem für eine Nichtigkeit notwendigen besonders schweren Fehler gemäß § 125 Abs. 1 AO. Dieser ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Ablehnungsbescheid als negativer Feststellungsbescheid überschrieben ist. Der Bescheid entspricht auch dem Bestimmtheitsgrundsatz aus § 119 Abs. 1 AO. Der Inhalt des Bescheides stellt eindeutig klar, dass durch diesen Bescheid die erstrebte Änderung des Feststellungsbescheides vom 14.1.2004 abgelehnt wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte zunächst von einer Änderungsmöglichkeit gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO ausging. Soweit dieser Bescheid hierdurch überhaupt rechtsfehlerhaft ergangen ist, ist dies in der Einspruchsentscheidung 3 vom 18.8.2006 korrigiert worden, indem dort klargestellt worden ist, dass keine Korrekturvorschrift in Frage kommt.
51Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.