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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 27.12.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2012 verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin für den Zeitraum Juli 2012 bis März 2013 für die Kinder F C (geboren am xx.xx.1994) und Q C (geboren am xx.xx.1996) Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für den Zeitraum Juli 2012 bis März 2013 einen Anspruch auf Kindergeld hat, obwohl ihre Kinder in dieser Zeit in den polnischen Haushalt des Kindesvaters aufgenommen waren.
3Die Klägerin ist die Mutter von F C , geboren am xx.xx.1994 und Q C , geboren am xx.xx.1996. Im Streitzeitraum waren die Kinder in den Haushalt des in Polen lebenden Kindesvaters aufgenommen und besuchten in Polen eine Schule bzw. eine Universität. Die Klägerin wohnt seit Juli 2012 zusammen mit Herrn C D , den sie am 12.04.2014 geheiratet hat, in der A-Str. 6 in X . Ausweislich der Einkommensteuerbescheide erzielte sie Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit von 4.305,00 Euro (2012) und 3.112,00 Euro (2013). Für ihre beiden Kinder zahlte sie im Streitzeitraum monatlich 500,00 Zloty an Unterhalt.
4Mit Bescheid vom 27.12.2012 lehnte die Beklagte den Kindergeldantrag vom 21.11.2012 für die Kinder F C und Q C ab Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, dass bei mehreren Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld erfüllten, dieses nur derjenigen Person gewährt werde, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe, § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dieses sei der in Polen lebende Kindesvater.
5Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 12.03.2013) begehrt die Klägerin mit der am 15.04.2013 eingelegten Klage weiterhin die Zahlung des Kindergeldes für ihre beiden Kinder in voller gesetzlicher Höhe.
6Die Klägerin beantragt,
7unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 27.12.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2013 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für deren Kinder F C und Q C Kindergeld ab Juli 2012 bis einschließlich März 2013 in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10hilfsweise, die Revision zuzulassen.
11Ein Kindergeldanspruch der Klägerin sei nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeschlossen, da die Kinder in den Haushalt des Kindesvaters aufgenommen seien.
12Entscheidungsgründe
13Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senates ohne mündliche Verhandlung, § 79a Abs. 3, Abs. 4; § 90 Abs. 2 der Finanzgerichts-ordnung (FGO).
14Die Klage ist begründet.
15Der Klägerin steht für die Kinder F C und Q C Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe zu, da sie einen Wohnsitz in Deutschland hat (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStG), es ihre leiblichen Kinder sind (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG), diese noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben bzw. für einen Beruf (Studium) ausgebildet wurden (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 32 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und im streitigen Zeitraum einen Wohnsitz in Polen und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben (§ 63 Abs. 1 Satz 4 EStG).
16Der inländische Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Kindergeldes ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.
17Zwar hat der Kindesvater die Kinder im streitigen Zeitraum in seinen Haushalt aufgenommen, jedoch ist er kein Kindergeldberechtigter in dem vorgenannten Sinn. Denn Kindergeldberechtigte im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG können nur solche Personen sein, die selbst die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllen. Die Vorschriften betreffen nur inländische Kindergeldansprüche (vgl. z. B. Urteil des Finanzgerichts – FG – Münster vom 27.08.2013 – 13 K 2409/11 Kg, EFG 2013, 1944). Hiervon ausgehend erfüllt der Kindesvater jedoch nicht die Voraussetzungen für einen inländischen Kindergeldanspruch. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kindesvater einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Streitzeitraum hat, oder, dass er nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wurde.
18Der Anspruch auf die volle Höhe des deutschen Kindergeldes wird auch nicht teilweise nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Nach dieser Norm wird Kindergeld nicht gezahlt, wenn Leistungen für Kinder im Ausland gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären und mit deutschem Kindergeld vergleichbar sind.
19Ein Anspruch auf polnisches Kindergeld stand weder der Klägerin noch dem Kindesvater zu. Dieses ergibt sich zum einen aus der Bescheinigung des städtischen Zentrums für Sozialhilfeunterstützung in B vom 19.10.2012. Darin wird bescheinigt, dass die Klägerin die letzte Familienunterstützung für die Kinder F C und Q C im Monat Oktober 2011 erhalten hat und seit dem kein Antrag zur Feststellung von Familienunterstützung nebst Zulagen für die Kinder eingegangen ist. Da die Familienunterstützung nach polnischem Recht nur gezahlt wird, wenn die Eltern die Einkommensgrenze von 539,00 Zloty (PLN) pro Monat nicht überschreiten, bestand für die Kinder im Streitzeitraum auch kein Anspruch auf eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Familienunterstützung in Polen. Denn die Klägerin erzielte im Streitzeitraum Einnahmen aus Gewerbebetrieb und zwar in Höhe von 4.305,00 Euro in 2012 und 3.112,00 Euro in 2013, so dass damit das monatliche Familieneinkommen deutlich über der maßgeblichen Einkommensgrenze für einen polnischen Kindergeldanspruch lag.
20Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
21Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da bezüglich der Streitfrage, ob § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG auch bei einer Aufnahme der Kinder in einen Haushalt, der außerhalb des Inlandes liegt, anzuwenden ist, Gegenstand einer Vielzahl von Revisionsverfahren ist (insoweit wird auf die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 27.11.2013 benannten Verfahren verwiesen). Die Klägerin hat ausdrücklich einem Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung der benannten Revisionsverfahren widersprochen.