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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 28.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger ist Kunde bei der Beklagten. Er unterhält bei ihr ein Girokonto, zu dem ihm von der Beklagten eine EC-Karte ausgestellt und überlassen worden ist.
2Am 02.04.2015 belastete die Beklagte das Konto des Klägers mit einem Sollbetrag in Höhe von 600,00 € wegen eines Zahlungsvorgangs am Nachmittag des 31.03.2015 bei einem Geldautomat der E-Bank (im Folgenden: Streitverkündete) am G-Platz in B-Stadt. Für den Kläger bestand dort bedingungsgemäße die Möglichkeit zur kostenlosen Bargeldabhebung.
3Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Auszahlung eines Betrages von 600,00 € entsprechend der Höhe der Belastungsbuchung vom 02.04.2015 sowie die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten.
4Der Kläger behauptet er habe am Nachmittag des 31.03.2015 zunächst einen Betrag von 800,00 € an dem streitgegenständlichen Geldautomaten der Streitverkündeten abheben wollen. Nachdem dort aber angezeigt worden sei, dass dafür sein Guthaben nicht ausreiche und nur ein Betrag von 600,00 € ausgezahlt werden könne, sei ihm bewusst geworden, dass ein von ihm erwarteter Geldeingang noch nicht auf seinem Konto eingegangen sei. Deshalb habe er dann nicht die 600,00 € gewählt sondern den Vorgang abgebrochen und die Karte sodann entnommen. Das Geldfach habe sich nicht geöffnet und es sei auch nicht das typische Rattern zu hören gewesen.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an ihn 600,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 28.10.2015 zu zahlen,
7hilfsweise,
8die Beklagte zu verurteilen, das Girokonto des Klägers bei der Beklagten mit der IBAN DEXX XXXX XXXX XXXX XX auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang, die Abbuchung in Höhe von 600,00 EUR vom 02.04.2015, befunden hätte, also rückwirkend zum 02.04.2015 eine entsprechende Stornobuchung vorzunehmen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie behauptet, die Auszahlung an den Kläger sei ordnungsgemäß und störungsfrei verlaufen, dem Gerät habe auch im Nachgang keine Differenz vorgelegen. Dies lasse sich anhand der Angaben des Journals/Protokoll des Geldautomaten feststellen. Darüber hinaus habe auch beim nächsten Befüllvorgang des Automaten kein Zuvielbetrag festgestellt werden könne.
12Die Beklagte behauptet weiterhin, der Kläger habe den Automaten verlassen, bevor der Auszahlungsvorgang komplett beendet gewesen sei. Die Auszahlung sei an den Karteninhaber durch eine von ihm vorgenommene autorisierte Verfügung erfolgt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der beigefügten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
14Mit Schriftsatz vom 19.01.2016 hat die Beklagte der Streitverkündeten den Streit verkündet.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht M-Stadt gemäß Beweisbeschluss vom 03.03.2016 (Bl. 72 d. A.) sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. D gemäß Beweisbeschluss vom 22.06.2016 (Bl. 154 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts M-Stadt vom 29.04.2016 (Bl. 136 f. d. A.) sowie auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 06.12.2016 (Bl. 194 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet.
17Dem Kläger steht der geltend gemachte Auszahlungsanspruch in Höhe von 600,00 € aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Girokontovertag zu, da davon auszugehen ist, dass die Beklagte das Konto des Klägers zu Unrecht mit dem genannten Betrag belastet hat.
18Es obliegt dem Kreditinstitut bei einer Inanspruchnahme des Geldautomaten durch den Kunden, nachzuweisen, dass der Geldautomat ordnungsgemäß funktioniert hat und dem Kunden der von ihm begehrte Bargeldbetrag auch tatsächlich zur Verfügung gestellt wurde. Die Beweislast bei Auszahlung mittels eines Geldausgabeautomaten gegenüber dem Berechtigten trägt die Bank. Die Beklagte bedarf als Bank für Fälle einer behaupteten Fehlfunktion des Geldausgabeautomaten keiner entsprechenden Beweiserleichterung (Dazu LG Stuttgart, Beschluss vom 07.10.2008 – 13 S 189/08, AG Schöneberg, Urteil vom 29.01.2004 – 9 C 123/03, NJW-RR 2004,1277). Diese Behauptung der ordnungsgemäßen Auszahlung des Auszahlungsbetrages von 600,00 € hat die Beklagte hier nicht zur Überzeugung des Gerichts ausreichend bewiesen. Die Beklagte ist beweisfällig geblieben.
19Das Gericht konnte sich im Rahmen der ihm nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht davon überzeugen, dass der streitgegenständliche Auszahlungsvorgang durch die Beklagte ordnungsgemäß und fehlerfrei erfolgt ist. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmung in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und vernünftige Zweifel ausgeräumt sind. Die in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO genannte Überzeugung erfordert zwar keine absolute Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“. Erforderlich ist aber ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Diesen Grad an Gewissheit hat das Gericht im vorliegenden Fall nicht erlangt.
20Der Sachverständige Dr. D hat im Rahmen seiner Begutachtung festgestellt, dass ein Fehler nicht bei den Servern der Bank, sondern nur bei dem Geldautomaten vorliegen könne, etwa in der Art, dass er die strittige Transaktion angestoßen, aber nicht ausgeführt habe. Erfahrungsgemäß komme es immer wieder zu Fehlfunktionen. Im vorliegenden Fall sei es jedoch – bei Zugrundelegeung verschiedener denkbarer Szenarien – in jedem Falle erforderlich, dass eine Verkettung von vier Fehlfunktionen hintereinander stattgefunden habe, was sehr unwahrscheinlich sei. Mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit habe der Geldautomat der E-Bank ordnungsgemäß gearbeitet.
21Die Feststellungen des Sachverständigen sind jedoch aus mehreren Gründen nicht geeignet, die nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderliche Überzeugungsbildung hinsichtlich des von der Beklagten behaupteten ordnungsgemäßen Bargeldabhebevorgang zu begründen, denn eine lediglich große Wahrscheinlichkeit für die ordnungsgemäße Funktionsweise des Geldautomaten alleine ist nicht ausreichend. Zwar ist in diesem Rahmen nicht absolute Gewissheit zu verlangen, jedoch reicht weniger als die Überzeugung von der Wahrheit für das Bewiesensein nicht aus. Diese erforderliche Überzeugung hat das Gericht hier nach der durchgeführten Beweisaufnahme insgesamt nicht erlangt.
22Zweifel verbleiben insbesondere deshalb, weil Basis der Begutachtung alleine die von der Beklagten und von der Streitverkündeten vorgelegten Geräte- und Serverprotokolle bilden konnten, nicht jedoch – da sie auch nach mehrfacher Aufforderung durch den Sachverständigen nicht zur Verfügung gestellt worden sind – das lokale Geldautomatenprotokoll. Dies enthält aber ausweislich der Angaben des Sachverständigen einige Zusatzinformationen, zum Beispiel darüber, wann die Geldausgabe geöffnet und geschlossen wurde. Auch werden auf diesem Protokoll interne „Kassenstürze“ des Automaten festgehalten.
23Der Nachweis eines technisch fehlerfreien Auszahlungsvorganges ist daher nicht erbracht. Dies geht zum Nachteil der diesbezüglich beweisbelasteten beklagten Partei.
24Die Pflicht zur Rückzahlung folgt aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag. Bei der vorliegenden rechtlichen Konstruktion im Dreipersonenverhältnis – bei Abhebung von Geldbeträgen bei einer „fremden“ Bank, bestehen geschäftsbesorgungsrechtlichen Ansprüche gegenüber der eigenen Bank.
25Statt der Rücknahme der Belastungsbuchung steht dem Kläger nach seiner Wahl ein Auszahlungsanspruch in entsprechender Höhe gegen die Beklagte zu. Zwar kommt ein Erstattungsanspruch in Form eines Auszahlungsanspruches nach § 675 u BGB nur ausnahmsweise in Betracht. Denn grundsätzlich ist für den Fall, dass der Anspruch als Belastungsbuchung in den Kontokorrent eingestellt wurde, ist der Zahler so zu stellen, als ob die Buchung nicht erfolgt wäre, d.h. die Buchung ist mit einer dem Wertstellungszeitpunkt der Belastung entsprechenden Valutierung zu stornieren, inklusive der Erstattung etwaiger vom Zahler gezahlter Sollzinsen bzw. ihm entgangener Habenzinsen. Ausnahmsweise kann aber Auszahlung verlangt werden, wenn die Kontobeziehung unter Saldoausgleich aufgelöst ist oder soweit das Konto zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch ohne die entsprechende Rückbuchung im Plus steht. Letzteres ist mit auf den gerichtlichen Hinweis erfolgten Schriftsatz des Klägers vom 31.03.2017 ausreichend dargelegt und beklagtenseits nicht bestritten worden. Nach unbestrittenem Vortrag des Klägers befand und befindet sich das Konto des Klägers im Plus; ein Dispositionskredit steht nicht zur Verfügung, so dass ein Zahlungsanspruch ausnahmsweise angenommen werden kann.
26Der Zinsanspruch folgt unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus §§ 280, 286 BGB.
27Die prozessualen Nebenentscheidungen basieren auf § 91, 709, 711, 713 ZPO.
28Streitwert: 600,00 €
29Rechtsbehelfsbelehrung:
30A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
311. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
322. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
33Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
34Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
35Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
36Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
37B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Aachen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
38Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.