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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.06.2010 verkündete Urteil des Amts-gerichts Arnsberg (AZ: 3 C 126/09) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 2.000,00 Euro sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 402,82 Euro nebst Zinsen aus beiden Beträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2008 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um weiteres Schmerzensgeld für die Folgen einer misslungenen Blondierung.
4Die Klägerin ließ sich am 02.10.2008 im B. Salon der Beklagten zu 1) von der Beklagten zu 2) ihre damals 10 cm langen braunen Haare blondieren. Der Beginn der Behandlung war etwa gegen 10.00 Uhr, um 12.00 Uhr war die erste Blondierungsmaßnahme abgeschlossen, die weiterführende Behandlung endete etwa um 15.30 Uhr. Beim Auswaschen des Blondierungsmittels hatte die Klägerin starke Schmerzen an der Kopfhaut, die zudem stark geschwollen war. Während der Behandlung ließ sich die Klägerin von ihrer Tochter – der Zeugin O. – aus der benachbarten Apotheke Schmerzmittel holen. Am Schluss der Behandlung brach die Klägerin in Tränen aus, die Kopfhaut blutete. Als Farbton zeigte sich statt blond orange. Des Abends hatte die Klägerin an der Kopfhaut nach der Aussage der Zeugin O. offene Stellen.
5Am nächsten Tag hatte sich nach der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen Dr. S. die oberste Schicht der Kopfhaut abgelöst, die Kopfhaut selbst war mehrere Wochen lang feucht und borkig.
6Die Klägerin suchte am 06.10.2008 ihre Hausärztin, die Zeugin Dr. I. , auf. Diese diagnostizierte eine entzündete Kopfhaut und vermutete wegen gleichzeitig geschwollener Lymphknoten eine allergische Reaktion. Zur Therapie verordnete Frau Dr. I. Cortison. Unter dem 10.10.2008 erstellte der Privatgutachter H. für die Klägerin ein schriftliches Gutachten. Nach dessen Inhalt war die Kopfhaut seinerzeit stark geschädigt und verkrustet, die Klägerin litt an Haarausfall und Haarbruch, der Privatgutachter H. ging von einem noch zwei Wochen dauernden Heilungsprozess aus.
7Die Klägerin trug bis April 2009 eine Perücke. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) zahlte unter dem 27.10.2008 an die Klägerin zum Ausgleich des materiellen Schadens einen Betrag von 456,63 € sowie ein Schmerzensgeld von 500,00 €. Im Januar 2009 leistete der Haftpflichtversicherer ein weiteres Schmerzensgeld von 543,37 €.
8Die Klägerin hat behauptet:
9Die Blondierung sei fehlerhaft erfolgt, das Mittel sei zu lange aufgetragen und pflichtwidrig einmassiert worden.
10Die Klägern hat die Zahlung eines weiteren angemessenen Schmerzensgeldes, das sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sowie von 402,82 € vorgerichtlicher Anwaltskosten nach einem Streitwert von 3.500,00 € begehrt.
11Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und behauptet:
12Die Kopfhaut sei anschließend nur gereizt, nicht geschädigt gewesen; evtl. Verletzungen beruhten auf einer Vorschädigung oder auf einer allergischen Reaktion der Klägerin.
13Zu letzterer Behauptung hat das Amtsgericht ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen P. eingeholt, dass dieser unter dem 23.04.2010 erstattet und im Verhandlungstermin mündlich erläutert hat. Der Sachverständige hat danach eine allergische Reaktion ausgeschlossen und ausgeführt, es liege eindeutig eine toxische Reaktion auf die Blondierungsbehandlung vor.
14Mit dem angegriffenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt: Zwar sei dem Grunde nach wegen der körperlichen Schäden, die durch die Blondierungsbehandlung verursacht worden sei, ein Schmerzensgeld der Klägerin berechtigt, dieses reiche aber der Höhe nach nicht über die insgesamt gezahlten 1.043,37 € hinaus; immerhin habe die Klägerin unmittelbar nach der Behandlung noch ein Restaurant besuchen können, zudem seien die Folgen durch das Tragen der Perücke stark abgemildert.
15Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der diese ein weiteres Schmerzensgeld erstrebt und ausführt:
16Die Bemessung des Schmerzensgeldes durch das Amtsgericht sei in Anbetracht der schwerwiegenden Folgen der fehlgeschlagenen Blondierung viel zu gering, das Amtsgericht habe insbesondere den Restaurantbesuch falsch bewertet und das Tragen der Perücke nicht richtig eingeordnet.
17Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter.
18Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und machen geltend:
19Die Klägerin habe die Folgen der Behandlung übertrieben geschildert, zudem liege auf ihrer Seite ein Mitverschulden vor, da sie die Blondierungsbehandlung fortgesetzt habe, statt diese wegen der Schmerzen abzubrechen.
20Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
21II.
22Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist in Höhe eines weiteren Schmerzensgeldes von 2.000,00 € nebst Zinsen sowie hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten von 402,82 € im vollem Umfang begründet.
231.
24Dem Grunde nach folgt der Anspruch auf ein weiteres Schmerzensgeld gegen die Beklagte zu 1) aus der Verletzung vertraglicher Pflichten gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB und gegen die Beklagte zu 2) aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB. Beide Beklagten haften aus fahrlässig fehlerhafter Haarbehandlung bzw. aus fahrlässiger Körperverletzung auf Ersatz des immateriellen Schadens der Klägerin. Die vorgenommene Blondierung war in zweifacher Weise fehlerhaft und pflichtwidrig:
25Die Beklagte zu 2) hat als Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1) das eingesetzte Blondierungsmittel zu lange und zu intensiv aufgetragen. Als Folge der Blondierung erlitt die Klägerin starke Schmerzen, außerdem führte die Blondierung wegen der Ablösung der oberen Kopfhaut zu einer Körperverletzung der Klägerin. Dies wiederum verursachte nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme für mehrere Wochen eine feuchte, sich ablösende und später borkige Kopfhaut. Diese Folgen stehen nach der klaren und glaubhaften erstinstanzlichen Aussage des Zeugen Dr. S. und den Ausführungen des Privatsachverständigen H. zur Überzeugung der Kammer fest. Das Verschulden wird im Hinblick auf die Beklagte zu 1) gem. §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 278 BGB vermutet. Gegenüber der Beklagten zu 2) folgt es im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB aus der Anwendung der Sphärentheorie. Im Verhältnis der Beklagten zu 2) zur Klägerin kommt als Ursache der körperlichen Verletzung der Klägerin nur eine Sorgfaltspflichtverletzung in der Sphäre der Beklagten zu 2) in Betracht.
26Die im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin Dr. med. I. von den Beklagten vermutete allergische Reaktion scheidet als Ursache der Kopfhautverletzung aus. Dies hat der Sachverständige P. klar festgestellt, da er im Versuch keinerlei allergische Reaktionen der Kopfhaut der Klägerin feststellen konnte.
27Für eine Mitverursachung gem. § 254 Abs. 1 BGB, die der Klägerin anspruchskürzend anzulasten wäre, fehlt jeder brauchbare tatsächliche Anhaltspunkt. Allein aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin bereits zu Anfang der Behandlung – nach etwa 2 Stunden – starke Schmerzen verspürte, lässt sich noch kein Vorwurf gegen sie herleiten. Die Klägerin durfte im Gegenteil darauf vertrauen, die Beklagte zu 2) als fachkundige Behandlerin werde schon geeignete Maßnahmen gegen die Schmerzen von sich aus ergreifen oder die Behandlung abbrechen, falls derartige die Schmerzen lindernden Maßnahmen nicht in Betracht kamen. Schließlich wies die Beklagte zu 2) als Friseurmeisterin die weit höhere Fachkunde auf als die Klägerin. Wenn die Klägerin sich auch auf eine fachlich ordnungsgemäße Behandlung durch die Beklagten zu 2) verlassen hat und nicht eingeschritten ist, so kann ihr daraus nicht ernstlich ein Vorwurf gemacht werden.
282.
29Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände, nämlich der schwerwiegenden und schmerzhaften Verletzung der Kopfhaut mit dem dreiwöchigen nicht einfachen Heilungsprozess, dem Zwang die zuvor 10 cm langen Haare auf 6 mm kürzen zu lassen und dem Tragen einer Perücke über mehr als ein halbes Jahr, ist zur Abgeltung der erlittenen Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von insgesamt etwa 3.000,00 € angemessen (§ 253 Abs. 2 BGB). Eine derartige Höhe ist insbesondere deswegen sachgerecht, weil die Klägerin beim Kontakt mit anderen Personen, sei es beruflich oder privat, über ein halbes Jahr lang erhebliche psychische Beeinträchtigungen hat hinnehmen müssen. Diese sind gerichtsbekannt immer mit der Notwendigkeit verbunden, anstelle des zuvor vorhandenen eigenen Naturhaares nunmehr eine Perücke tragen zu müssen. Unter Berücksichtigung des bereits von der Haftpflichtversicherung geleisteten Schmerzensgeldes von gut 1.000,00 € ist deshalb ein Betrag von weiteren 2.000,00 € angemessen.
303.
31Die Klägerin kann aus dem Gesichtspunkt des Verzuges auch die ihr erstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe ersetzt verlangen. Der Verzug begann mit dem Zugang der Mahnung der Klägerin vom 16.10.2008. Ebenfalls ab Verzugsbeginn stehen der Klägerin die geltend gemachten Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 288 Abs. 1 BGB zu.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10 ZPO.