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Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 4.9.2014 – Az.: 14-0800542-0-8 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Beklagten, die im Mahnverfahren entstanden sind.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und der Beklagte dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen des behaupteten Anbietens des Filmwerkes „POV No. 12“ im Rahmen einer Internettauschbörse geltend.
3Die Klägerin behauptet, ihr stünden die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „POV No. 12“ zu. Das Filmwerk sei am 13.1.2012 um 05:02:01 Uhr im Rahmen einer Internet-Tauschbörse von dem Internet-Anschluss mit der IP-Adresse 87.185.234.122 angeboten worden. Die Deutsche Telekom AG habe auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 31.1.2012, 215 O 36/12 am 7.2.2012 mitgeteilt, dass der Internet-Anschluss zum fraglichen Zeitpunkt dem Beklagten zugewiesen worden sei. Der Beklagte sei mit anwaltlichen Schrieben vom 14.2.2012 abgemahnt worden. Wegen der näheren Einzelheiten der Abmahnung wird auf Anlage K 5 Bezug genommen. Der Beklagte habe das Filmwerk im Internet zum Download angeboten. Es werde bestritten, dass die Söhne des Beklagten Zugriff auf den Internet-Anschluss gehabt hätten. Der Beklagte sei der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Der Beklagte hafte als Störer, da der Internet-Anschluss nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen sei. Der Beklagte sei für die Rechtsverletzung verantwortlich, so dass er die berechtigte Lizenzgebühr in Höhe von 446,20 EUR und Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung nach einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR in Höhe von 651,80 EUR zu erstatten habe.
4Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Wedding am 4.9.2014 einen Vollstreckungsbescheid erlassen, durch welchen der Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 1.298,00 EUR zu zahlen. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid hat der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt.
5Die Klägerin beantragt,
6den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 4.9.2014, Az.: 14-0800542-0-8 aufrechtzuerhalten.
7Der Beklagte beantragt,
8den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 4.9.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
9Der Beklagte bestreitet, das Filmwerk im Internet zum Download angeboten zu haben. Er – der Beklagte – betreibe kein Filesharing und habe den Film nicht angeboten. Zur behaupteten Tatzeit um 5 Uhr habe er geschlafen. Der Internet-Anschluss des Beklagten sei im Januar 2012 von dem damals 19-jährigen Sohn XXX selbständig und eigenverantwortlich genutzt worden. Die älteren Söhne des Beklagten XXX und XXX würden in Münster wohnen und hätten den Internet-Anschluss des Beklagten bei regelmäßigen Besuchen genutzt. Der Router des Beklagten, bei dem es sich um eine Fritz Box gehandelt habe, sei mit WPA2 verschlüsselt gewesen. Der Beklagte hafte nicht als Störer. Die Aktivlegitimation der Klägerin werde bestritten. Auch liege keine ordnungsgemäße Ermittlung vor. Der Hash-Wert sei nicht zur Verifizierung geeignet. Auch werde die Schadenshöhe bestritten. Ferner bestehe kein Anspruch auf Abmahnkosten.
10Das Gericht hat durch uneidliche Vernehmung des Zeugen XXX Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 5.2.2015 Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Die zulässige Klage ist nicht begründet.
13Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr von 646,20 EUR sowie auf Zahlung von 651,80 EUR Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung aus §§ 97, 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG.
14Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch auf Grund des behaupteten Zurverfügungstellens des Filmwerkes „POV No. 12“ im Rahmen einer Internet-Tauschbörse am 13.1.2012 zu, da der Beklagte nicht als Täter für die behauptete Rechtsverletzung haftet.
15Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08, Sommer unseres Lebens) soll eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass dann, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet in Haushalten, in denen mehrere Personen selbständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken. Das Aufstellen einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen Internetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert (AG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 - 57 C 3144/13). Dies entspricht auch einer amtlichen Statistik zur Internetnutzung und Verteilung der Anschlüsse, wonach Gemeinschaftsanschlüsse den Regelfall darstellen und somit kein entsprechender Erfahrungssatz existiert, nach welchem ein Internetanschluss allein durch den Anschlussinhaber genutzt wird (Zimmermann, MMR 2014, 368). Dies hat auch der BGH erkannt und daher die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers zwar nicht abgeschafft, ihren Anwendungsbereich jedoch erheblich eingeschränkt. Nach den im BearShare-Urteil aufgestellten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12) ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung reicht es aus, dass der Anschlussinhaber vorträgt, der Internetanschluss sei zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert gewesen oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden. Insoweit trägt nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen nicht der Anschlussinhaber, sondern vielmehr die klagende Partei die Beweislast dafür, dass der Internetanschluss hinreichend gesichert war und nicht anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.
16Den Anschlussinhaber trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, sofern über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird. Dieser Darlegungslast genügt der Anschlussinhaber, sofern er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und damit als mögliche Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Nach Ansicht des BGH ist der Anschlussinhaber insoweit im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet. Der BGH unterlässt es jedoch, nähere Ausführungen dazu zu machen, welche Ermittlungsmaßnahmen im Allgemeinen und welche im Besonderen unter Berücksichtigung verwandtschaftlicher oder enger persönlicher Beziehungen zwischen Anschlussinhaber und Nutzer möglich und zumutbar sind. Aus der Wortwahl („insoweit“ im Leitsatz und „in diesem Umfang“ in den Entscheidungsgründen) ergibt sich zweifelsfrei, dass der Anschlussinhaber nur zu ermitteln hat, welchen anderen Personen bewusst die Möglichkeit zur Mitbenutzung des Internetanschlusses eingeräumt wurde. Hierbei handelt es sich um dem Anschlussinhaber ohne weiteres mögliche und zumutbare Angaben, wobei der Anschlussinhaber die weiteren Nutzer so genau zu bezeichnen hat, dass dem Anspruchssteller eigene Ermittlungen zur Identität des eigentlichen Täters, beispielsweise im Rahmen einer sog. Berechtigungsanfrage ermöglicht werden. Die Nachforschungspflicht geht nicht soweit, dass der Anschlussinhaber ermitteln muss, wer die Rechtsverletzung tatsächlich begangen hat. Eine derart weitgehende Nachforschungspflicht lässt sich auch nicht mit dem Hinweis des BGH auf die Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut (BGH, TranspR 2013, 437) begründen, da dem Frachtführer weitreichende, nicht nur auf die eigene Entlastung beschränkte Auskünfte schon wegen der gegenseitigen vertraglichen Treuepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) zumutbar sind (Neurauter, GRUR 2014, 657, 662). Darüber hinaus fehlt es in diesen Fällen an dem erforderlichen qualifizierten Verschulden, da die Zurverfügungstellung eines privaten Internetanschlusses nicht mit der gewerblichen Tätigkeit eines Frachtführers zu vergleichen ist (Brüggemann, CR 2014, 476).
17Eine Überwachung der Familie bei der Internetnutzung kann vom Anschlussinhaber nicht verlangt werden, da dies mit dem grundrechtlichen Schutz der Familie nach Artikel 6 Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Auch § 101 Abs. 2 UrhG schränkt den Auskunftsanspruch ein, sofern ein Näheverhältnis im Sinne von § 383 ZPO besteht. Dies hat dann jedoch erst recht für eine Nachforschungspflicht zu gelten, sofern zwischen dem Anschlussinhaber und dem potentiellen Täter Zeugnisverweigerungsrechte bestehen. Eine Nachforschungspflicht stößt auch auf tatsächliche Probleme, da bei Urheberechtsverletzungen, die durch unerlaubtes Filesharing begangen wurden, zwischen dem behaupteten Verstoß und der gerichtlichen Geltendmachung in vielen Fällen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt und es dementsprechend nur schwer möglich ist, detailliert zu lange zurückliegenden Vorfällen vorzutragen oder zu ermitteln. Der Anschlussinhaber genügt daher der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast, wenn er weitere Nutzer ermittelt und mitteilt. Eine weitergehende Nachforschungspflicht darüber hinaus besteht nicht. Es ist dem Anschlussinhaber nicht zumutbar und nicht durchsetzbar, den Täter zu ermitteln (LG Bielefeld, Beschluss vom 22.07.2014 – 21 S 76/14).
18Soweit teilweise verlangt wird, dass die beklagte Partei tatzeitbezogene konkrete Angaben zum Nutzungsverhalten der weiteren Nutzer zu machen hat und insoweit Ausführungen zum generellen Nutzungsverhalten zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast nicht als ausreichend angesehen werden (so LG München I, Urteil vom 09.07.2014, 21 S 26548/13), zumindest jedoch zum Nutzungsverhalten der weiteren Nutzer konkret am Tag der Verletzung und generell vorzutragen ist (so AG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 25.08.2014, 57 C 9062/14) oder gar eine Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhaber als nicht erbracht angesehen wird, wenn die weiteren Nutzer zur Tatzeit ortsabwesend waren (so AG Koblenz, Urteil vom 27.11.2014, 152 C 887/14), berücksichtigen diese Ansichten nicht die Funktionsweise der notwendig zu verwenden Tauschbörsensoftware sowie die generellen Besonderheiten des Filesharing. Die Tauschbörsensoftware bietet vielfältige Einstellungsmöglichkeiten, aufgrund derer auch ohne körperliche Anwesenheit des Filesharing-Nutzers ein Download stattfinden kann. Ferner ist auch nach Abschluss des eigenen Downloadvorgangs ein Download für weitere Nutzer des jeweiligen Filesharing-Systems möglich, sofern nicht manuell die Upload-Funktion deaktiviert oder die Datei des entsprechenden urheberrechtlich geschützten Werkes nach Beendigung des Download aus dem der Filesharing-Software zugeordneten Download-Ordner entfernt wird. Andernfalls wird immer dann, wenn ein anderer Client nach einer bestimmten Datei fragt, vom Server, mit welchem der Nutzer des Filesharing-Systems im Online-Betrieb des Computers verbunden ist, der ihm bekannte und verbundene Client geliefert, der diese Datei anbietet. Die Kontaktaufnahme und der Download erfolgen dann direkt von Client zu Client ohne den Server. Dies kann dazu führen, dass auch noch Tage oder gar mehrere Wochen nach Starten des eigentlichen Downloadvorganges die geschützte Datei für weitere Nutzer des Filesharing-Systems zur Verfügung steht, ohne dass dies dem Anbieter jeweils aktuell bewusst ist. Zudem beruhen alle Filesharing-Netzwerke auf dem Prinzip „Geben und Nehmen“, so dass sich zur Vermeidung der Missachtung dieses Prinzips sogenannte „Anti-Leech-Tracker“ etabliert haben, die das Verhalten der Teilnehmer stetig beobachten und Teilnehmer, die nur herunterladen oder dies in unfairem Verhältnis tun, vom Netzwerk ausschließen, sobald gegen vordefinierte Regeln verstoßen wird. Um die sogenannte „file ratio“ zu erfüllen, ist es daher erforderlich, dass die Datei nach Abschluss des eigenen Downloadvorgangs noch auf dem eigenen Computer zum Download für andere Teilnehmer des Filesharing-Systems zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend kann man in den entsprechenden Tauschbörsen auch die „Health“ der angebotenen Datei, d.h. das Verhältnis zwischen Seedern und Leechern erkennen. Die körperliche Anwesenheit des Nutzers während des Download- oder Uploadvorgangs ist daher überhaupt nicht erforderlich und ohne jegliche Bedeutung. Wäre eine körperliche Anwesenheit erforderlich, würde es im Übrigen zur Widerlegung, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, ausreichen, wenn der Anschlussinhaber beispielsweise vorträgt und ggfs. durch eine Arbeitgeberbescheinigung belegt, dass er zum behaupteten Tatzeitpunkt nicht zu Hause war. Insoweit weisen die Vertreter der Content-Industrie - zu Recht - daraufhin, dass eine Nutzung des Internetanschlusses durch entsprechende Einstellungen der Filesharing-Software auch ohne körperliche Anwesenheit des Anschlussinhabers möglich ist. Dies muss dann aber im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch für die weiteren Nutzer des Internetanschlusses gleichermaßen gelten. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welche Relevanz ein Vortrag des Anschlussinhabers zum Nutzungsverhalten der übrigen Anschlussinhaber dahingehend, dass diese täglich oder nahezu täglich das Internet zur Informationsbeschaffung, zum Shoppen, zum Spielen oder zum Besuch von Internetforen oder sozialen Netzwerken nutzen, haben sollte. Relevant im Sinne einer Erheblichkeit in Bezug auf die behauptete Urheberrechtsverletzung wäre ohnehin nur ein Vortrag, nach welchem ein konkret zu bezeichnender Nutzer des Interanschlusses regelmäßig Filesharing betreibt und dabei auch das streitgegenständliche Werk für sich heruntergeladen und damit automatisch Dritten zum Download angeboten hat. Zu diesen Nachforschungen ist der Anschlussinhaber jedoch gerade nicht verpflichtet. Soweit das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 25.11.2014, 17 O 468/14) vom Anschlussinhaber nach Zugang der Abmahnung durch eigene Recherche eine Untersuchung verlangt, ob sich auf den im Haushalt befindlichen Rechnern ein Tauschbörsenprogramm oder das streitgegenständliche urheberrechtlich geschützte Werk befindet, werden damit die Grenzen der Zumutbarkeit deutlich überschritten. Auch die von der Content-Industrie häufig herangezogene Parallele zur Auskunftspflicht des Drittschuldners nach § 840 ZPO ist auf Rechtsverletzungen durch Filesharing nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar, da die Obliegenheitspflichten des Drittschuldners erst aufgrund gerichtlicher Prüfung mit Erlass eines gerichtlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entstehen, während die Abmahnung aufgrund einer behaupteten Urheberrechtsverletzung allein auf privater Ermittlung des Verstoßes beruht. Dementsprechend beginnt die Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers auch nicht mit Zugang der Abmahnung, sondern erst mit Zustellung der Anspruchsbegründung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens, da die Nachforschungspflicht Folge der sekundären Darlegungslast und damit einer prozessualen Rechtsfigur ist. Der Umfang der Nachforschungspflicht wird vom Bundesgerichtshof in der Bear-Share-Entscheidung auf zumutbare Nachforschungen beschränkt. Zumutbar ist nur das, was zum einen tatsächlich möglich und zum anderen rechtlich zu verlangen ist. Die Internetnutzung gehört zum Familienalltag und wird selbstverständlich üblicherweise nicht aufgezeichnet (so AG Freiburg im Breisgau, Urteil vom 03.12.2014, 3 C 1698/14). Es ist daher selbst dann, wenn man für den Beginn der Nachforschungspflicht auf den Zugang der Abmahnung abstellen und insoweit eine relativ kurze Zeitspanne von nur einem Monat zwischen Rechtsverletzung und Zugang der Abmahnung zugrunde legen würde, nicht mehr möglich, dass konkrete Nutzungsverhalten am behaupteten Tattag und einer angemessenen weiteren Zeitspanne vor diesem Zeitpunkt von wenigstens einer Woche nachträglich zu ermitteln. Rechtlich verlangt werden kann eine Ermittlung zum Nutzungsverhalten dann nicht, wenn zu den weiteren Nutzern ein Näheverhältnis im Sinne des § 383 ZPO besteht und der Anschlussinhaber daher aufgrund bestehender Zeugnisverweigerungsrechte nicht zur Mitteilung des Ermittlungsergebnisses verpflichtet ist. Wer aber ein Ergebnis der Ermittlungen nicht mitzuteilen hat, den trifft von vornherein folgerichtig auch keine Ermittlungspflicht. Der Anschlussinhaber erfüllt daher die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast, wenn die Personen, die selbständig und eigenverantwortlich Zugriff auf den Internetanschluss haben, ermittelt und namentlich unter Angabe einer bekannten Anschrift benannt werden. Hingegen genügt es zur Widerlegung der sekundären Darlegungslast nicht, eine bloß mögliche Nutzung des Internetanschlusses durch Dritte, wie z. B. Besucher, die sich möglicherweise Zugang zum frei zugänglichen Computer verschafft haben könnten, vorzutragen. In diesem Fall wird nämlich gerade keine ernsthafte Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person dargelegt, da Filesharing betrieben wird, um das entsprechende urheberrechtlich geschützte Werk für eigene Zwecke zu erhalten. Der Download und die Installation des Filesharingprogramms auf einem fremden Computer, der eigentlichen Download der gewünschten Datei und das Kopieren auf einen portablen Datenträger sind je nach Größe der Datei und Bandbreite des Internetanschlusses mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden. Dieser Gesamtvorgang setzt einen längeren und regelmäßigen Zugang zum Internetanschluss voraus, der gerade bei nur kurzzeitigem Besuch nicht gegeben ist.
19Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vollumfänglich nachgekommen. Der Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass er die behauptete Rechtsverletzung nicht begangen habe und der Internet-Anschluss im Haushalt noch von seinem damals 19-jährigen Sohn XXX eigenständig genutzt wurde. Damit hat der Beklagte einen Sachverhalt vorgetragen, bei dem ernsthaft die Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person in Betracht kommt. Soweit der Beklagte vorträgt, seine älteren Söhne XXX und XXX, die in Münster wohnen, hätten den Internetanschluss des Beklagten bei regelmäßigen Besuchen genutzt, wird damit hingegen nicht die ernsthafte Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person dargelegt.
20Die Klägerin hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den ihr obliegenden Beweis für die von ihr aufgestellte Behauptung, dass keine weiteren Personen Zugang zum Internetanschluss des Beklagten hatten, erbracht. Der Zeuge XXX hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Dem Beweisantritt der Klägerin auf Vernehmung der Zeugen XXX und XXX war nicht nachzugehen, da die Klägerin trotz des gerichtlichen Hinweises im Beschluss vom 08.01.2015 nicht die erforderliche Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel dargelegt hat.
21Die Klägerin hat mithin nicht den ihr obliegenden Beweis dafür erbracht, dass der Beklagte tatsächlich die Urheberrechtsverletzung begangen hat und keine weiteren Personen Zugriff zum Internet-Anschluss des Beklagten hatten.
22Der Beklagte haftet auch nicht als Störer aus § 97 Abs. 1 UrhG auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 555,60 EUR, da der Beklagte nicht Störer ist. Allein der Umstand, dass das behauptete Filesharing über den Internet-Anschluss des Beklagten durchgeführt worden sein soll, führt nicht zu einer Haftung des Beklagten als Störer. Vielmehr setzt die verschuldensunabhängige Haftung als Störer voraus, dass eine Verletzung von Prüfpflichten gegeben ist. Dies ist aber nicht der Fall, weil ohne besonderen Anlass keine Verpflichtung des Anschlussinhabers besteht, die Internetnutzung volljähriger Mitbenutzer, wie vorliegend durch den Sohn, auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen. Auch das Vorbringen der Klägerin, der Internet-Anschluss sei nicht ausreichend gesichert gewesen, ist unerheblich, da die behauptete Urheberrechtsverletzung durch den volljährigen Mitbenutzer begangen worden sein kann.
23Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
24Der Streitwert wird auf 1.298,00 EUR festgesetzt.