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Die Berufung des Klägers gegen das am 20.05.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Unfall vom 09.05.2007.
3Er ist Halter eines N1 mit dem amtlichen Kennzeichen X. Den Wagen hat der Kläger über die T finanziert. Diese hat den Kläger ermächtigt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Ansprüche aus dem Unfall vom 09.05.2007 geltend zu machen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der T (Bl. 48 d.A.) Bezug genommen.
4Die Zeugin M, die Ehefrau des Klägers, hatte das Fahrzeug des Klägers auf dem Parkplatz der Realschule in Waltrop an der Ziegeleistraße/Bergstraße abgestellt. Die Parkplätze sind rechtwinklig zum davor verlaufenden Gehweg angeordnet. Wegen der Unfallörtlichkeit wird auf die nach dem Unfall von den Parteien jeweils angefertigen Fotos (Bl. 57 ff. d.A. und Hülle Bl. 129 d.A.) Bezug genommen. Die damals 8-jährige Beklagte war mit ihrem Fahrrad auf dem Gehweg unterwegs. Sie stieß unter im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Umständen gegen den PKW des Klägers hinten links.
5Der Kläger war unter Hinweis auf oben genannte Schreiben der Ansicht, dass er aktivlegitimiert sei. Er hat behauptet, zum Unfallzeitpunkt habe das Fahrzeug ordnungsgemäß gestanden und die Beklagte sei gegen das stehende Fahrzeug gefahren. Die Zeugin M habe sich zum Unfallzeitpunkt noch nicht im Fahrzeug befunden. Unfallbedingt seien Schäden i.H. von 890,53 EUR angefallen nebst Kosten für einen Kostenvoranschlag i.H. von 60,00 EUR. Er war der Ansicht, dass das Haftungsprivileg gem. § 828 Abs. 2 BGB zugunsten der Beklagten nicht greife.
6Der Kläger hat beantragt,
71. die Beklagte, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, zu verurteilen, an ihn 950,53 EUR zu zahlen.
82. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von Honorarforderungen des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts L i.H. von 155, 20 EUR gemäß Rechnung vom 18.07.2007 freizustellen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat behauptet, dass die Zeugin M mit dem Fahrzeug rückwärts angefahren sei, als es zum Unfall gekommen sei. Dabei habe die Zeugin sie übersehen. Ferner hat sie die einzelnen von dem Kläger geltend gemachten Schadenspositionen bestritten und sich hierzu mit Nichtwissen erklärt. Der Wagen habe zu ¾ auf dem Gehweg gestanden, als ihr Vater unmittelbar nach dem Unfall zur Unfallstelle gekommen sei.
12Das Amtsgericht hat die Beklagte als Partei und ihren Vater als Zeugen vernommen. Ferner hat es den Zeugen B vernommen. Wegen des Inhaltes der Aussagen wird Bezug genommen auf die Protokolle der Sitzungen vom 08.01.2008 und 22.04.2008 (Bl. 55 d.A. und 81 d.A.). Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei zwar aktivlegitimiert. Ihm stünden aber dennoch keine Schadensersatzansprüche zu. Die Beklagte hafte gem. § 828 Abs. 2 BGB nicht für den Unfall. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass eine Situation vorliege, in der das Haftungsprivileg nicht greife. Die genauen Umstände des Verkehrsunfalls hätten aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht aufgeklärt werden können.
13Gegen dieses Urteil, das ihm am 17.06.2008 zugestellt wurde, wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 07.07.2008 bei Gericht eingegangen und begründet worden ist. Er rügt, das Amtsgerichts sei seinem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass sein Wagen gestanden habe, nicht nachgekommen. Ferner greife zugunsten der Beklagten nicht das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 BGB, da der Wagen ordnungsgemäß geparkt gewesen sei. Insoweit sei entgegen der Beweiswürdigung des Amtsgerichts der Aussage der Zeugin M zu folgen.
14Der Kläger beantragt,
151. das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 20.05.2008, Az. 16 C 222/07 aufzuheben und die Beklagte, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, zu verurteilen, an den Kläger und Berufungskläger 950,53 EUR zu zahlen.
162. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verpflichten, den Kläger und Berufungskläger von der Honorarforderung seines Prozessbevollmächtigten i.H. v. 155 EUR gemäß Rechnung vom 18.07.2007 freizustellen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Berufung ist unbegründet.
21I.
22Die Berufung ist zulässig. Der Kläger hat innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO nach Zustellung des Urteils die Berufung eingelegt. Er hat sie auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet. Auch der Mindestbeschwerdewert des § 511 ZPO ist überschritten.
23II.
24Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz gem. § 823 BGB. Denn zugunsten der Beklagten greift das Haftungsprivileg gem. § 828 Abs. 2 BGB.
25Nach § 828 Abs. 2 BGB haftet ein Kind, das das siebte Lebensjahr, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, für Schäden, die es bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug einem anderen zufügt, nicht. Dem Wortlaut nach ist § 828 Abs. 2 BGB auch auf einen Unfall eines bis zu 10 Jahre alten Minderjährigen mit einem parkenden Auto anzuwenden. Nach inzwischen gesicherter BGH-Rechtsprechung ist aber eine teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 BGB geboten (vgl. z.B. BGH vom 21.12.2004 Az VI ZR 276/03, NJW-RR 2005, 327). Die Einführung des Haftungsprivilegs beruhte auf der Erwägung, dass die mit der Motorkraft möglichen Geschwindigkeiten zusammen mit den Schwierigkeiten eines Kindes, Entfernungen einzuschätzen, eine Privilegierung der bis zu 10-jährigen gebieten. Vor diesem Hintergrund hat der BGH (a.a.O.; BGH vom 11.03.2008 Az. VI ZR 75/07) entschieden, dass bei einem Zusammenstoß mit einem ordnungsgemäß geparkten Auto keine haftungsrechtliche Privilegierung eines unter 10-jährigen geboten ist.
26Nicht ausdrücklich entschieden hat der BGH, ob das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 BGB eingreift, wenn der PKW nicht ordnungsgemäß geparkt ist. Es handelt sich dann um eine Beschädigung im ruhenden Verkehr bei dem grundsätzlich die Überforderungssituation nicht vorliegt. Allerdings hat der Gesetzgeber bewusst nicht zwischen fließendem und ruhenden Verkehr differenziert. Der BGH (Urteil vom 21.12.2004 VZ VI ZR 278/03, Rn. 12) hat ausgeführt, dass sich in besonders gelagerten Fällen auch im ruhenden Verkehr eine spezifische Gefahr des motorisierten Verkehrs verwirklichen kann. Hierbei hat der BGH Bezug genommen auf die Fälle BGHZ 29, 163, 166 f. und BGH VersR 1995, 90. Beide Entscheidungen knüpfen an straßenverkehrsrechtliche Haftungsfragen an. In dem Urteil BGHZ 29, 163 ff hat der BGH entscheiden, dass eine die Haftung nach § 7 StVG begründende Auswirkung der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs vorliegt, wenn es auf der Fahrbahn einer dem Schnellverkehr dienenden Straße wegen Motorschadens liegen bleibt. Auf die kürzere oder längere Dauer dieses Zustandes kommt es nicht an. Im Urteil VersR 1995, 90 hat der BGH entschieden, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer einstandspflichtig ist, wenn ein Kraftfahrzeug auf dem (privaten) Gelände einer Trabrennbahn unter Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht so abgestellt wird, dass dadurch ein Pferd zu Schaden kommt.
27Aus Sicht der Kammer liegt dann eine spezifische Gefahr vor, die gegen die teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 BGB spricht, wenn ein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß geparkt ist. Hierfür spricht die Entscheidung des Gesetzgebers, nicht zwischen ruhendem um fließenden Verkehr zu differenzieren. Auch die von dem BGH zitierten Urteile, die an straßenverkehrsrechtliche Haftungsfragen anknüpfen, sprechen für diese Auslegung. Sofern ein nicht ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug zu 2/3 einen Gehweg blockiert, realisiert sich die spezifische Gefahr des PKW. Gerade diese Situation kann ein auf dem Gehweg Fahrrad fahrendes Kind überfordern. Es kann gerade nicht sicher abschätzen, ob das Fahrzeug tatsachlich steht oder evtl. im Ausparken begriffen ist. Ferner kann es auch nicht sicher abschätzen, ob es gefahrlos an der Engstelle vorbeikommt, ohne abzusteigen. Dies gilt schon, sofern auf der Straße kein Verkehr ist, da für ein Fahrrad fahrendes Kind eine Engstelle zwischen PKW und Bordstein überfordern kann. Die Situation verschärft sich, sobald zusätzlich auf der Straße noch Verkehr dem Fahrrad fahrenden Kind entgegen kommt.
28Entscheidend ist damit die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Wagen des Klägers im Unfallzeitpunkt ordnungsgemäß geparkt war oder nicht. Die Frage der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 828 Abs. 2 BGB ist - soweit ersichtlich – ober- bzw. höchstrichterlich nicht eindeutig entschieden. Die Kammer ist der Auffassung, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Wagen ordnungsgemäß geparkt gewesen ist.
29Aus § 828 Abs. 3 BGB lässt sich für die Frage der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 828 Abs. 2 BGB nichts herleiten. Die Beweislastverteilung zu § 828 Abs. 3 BGB ist zwar eindeutig. Bei § 828 Abs. 3 BGB trägt der Schädiger die Beweislast für seine Unzurechnungsfähigkeit (vgl. z.B. Staudinger-Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 828, Rdn. 44). § 828 Abs. 2 S. 2 BGB ist aber anders formuliert als § 828 Abs. 3 BGB, sodass hierauf nicht zurückgegriffen werden kann. Nach dem Wortlaut von § 828 Abs. 2 BGB spricht vielmehr alles dafür, im Straßenverkehr grundsätzlich davon auszugehen, dass ein bis 10-jähriger nicht haftet und dass der Geschädigte die Voraussetzungen der teleologischen Reduktion darlegen und beweisen muss. In diese Richtung versteht die Kammer auch die Entscheidung des BGH vom 14.06.2005 (Az. VI 181/04).
30Nach Maßgabe dieser Grundsätze muss der Kläger darlegen und beweisen, dass die Zeugin M den PKW ordnungsgemäß abgestellt hat. Dies hat das Amtsgericht nicht als bewiesen angesehen. Konkrete Zweifel an der Beweiswürdigung bestehen nicht, sodass die Kammer an die Beweiswürdigung gebunden ist, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Kläger zeigt auch keine Fehler der Würdigung der Aussagen auf, sondern setzt nur seine eigene an die Stelle des Amtsgerichts. Das reicht für konkrete Zweifel nicht aus.
31Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Zeugin M bekundet hat, dass sie den PKW ordnungsgemäß geparkt hat. Sie habe zum Unfallzeitpunkt noch nicht im Wagen gesessen. Unmittelbar nach dem Unfall habe sie den Wagen noch weiter in den Parkplatz hineingefahren, um auf jeden Fall einen weiteren Unfall zu vermeiden. Diese Angaben hat das Amtsgericht aufgrund der Interessenlage der Zeugin wie Parteivorbringen gewertet. Dies ist nicht zu beanstanden. Es hat weiter ausgeführt, dass diesen Angaben die Angaben der Beklagten entgegen stehen. Zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass das Erinnerungsvermögen der zum Unfallzeitpunkt 8-jährigen Beklagten nicht zuverlässig ist, weswegen von der Richtigkeit der Bekundungen der Beklagten nicht ausgegangen werden kann. Der Vater der Beklagten habe ausgeführt, dass das klägerische Fahrzeug nach dem Unfall ca. zu 2/3 auf dem Gehweg gestanden habe. Er sei unmittelbar nach dem Unfall an der Unfallstelle erschienen. Die Aussagen der Zeugin M und des Vaters der Beklagten widersprächen sich. Ob sich der Unfall entsprechend der Schilderung der Zeugin M oder entsprechend der Aussage des Vaters der Beklagten ereignet habe, könne nicht sicher festgestellt werden. Für die Aussage des Vaters der Beklagten spreche, dass sonst nicht ersichtlich sei, warum die Beklagte an den anderen geparkten Fahrzeugen vorbei gefahren sei und gegen das klägerische Fahrzeug gestoßen sei. Anhaltspunkte für einen Schlenker mit dem Fahrrad seitens der Beklagten gebe es nicht. Das Amtsgericht konnte nicht sicher feststellen, dass das Fahrzeug von der Zeugin M ordnungsgemäß stand.
32Das Amtsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise von einem non liquet ausgegangen. Gegen die Feststellung, dass der PKW des Klägers ordnungsgemäß gestanden hat, spricht auch, dass die Zeugin M selbst bekundet hat, dass sie den PKW weiter nach vorne in die Parklücke hineingefahren hat, um weitere Unfälle zu vermeiden. Ein solches Fahrmanöver ist in Anbetracht der durch die Fotos dokumentierten Unfallstelle nur dann zu erklären, wenn die Zeugin den PKW gerade nicht ausschließlich auf der Parkplatzfläche abgestellt hat.
33Auch die verfahrensfehlerhafte Vernehmung des gesetzlichen Vertreters der Beklagten als Zeugen erfordert keine erneute Beweisaufnahme. Dieser hätte als Partei und nicht als Zeuge vernommen werden müssen. Die Beklagte hätte dagegen als Zeugin und nicht als Partei vernommen werden müssen (vgl. hierzu Zöller-Greger, ZPO 26. Aufl., § 373, Rn 5 ff.). Denn dieser Verstoß ist mit der Berufungsbegründung nicht gerügt worden, § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO. Auch im Hinblick auf die Beweiswürdigung bestehen unter diesem Aspekt keine Bedenken. Denn das Amtsgericht hat eindeutig der prozessualen Rolle der Vernommenen keine Bedeutung zugemessen. Auf die Vernehmung der Beklagten hat es seine Beweiswürdigung nicht gestützt.
34Das Amtsgericht hat auch den vom Kläger angebotenen Sachverständigenbeweis nicht rechtsfehlerhaft übergangen. Durch einen Sachverständigen könnte nur festgestellt werden, dass der Wagen gestanden hat. Nach den obigen Ausführungen schließt dies aber das Haftungsprivileg zugunsten der Beklagten nicht aus.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
36Die Kammer hat die Revision zugelassen, da höchstrichterlich nicht entschieden ist, ob den Geschädigten oder den Schädiger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatsachen trifft, die eine teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 BGB rechtfertigen. Ferner hat der BGH nicht ausdrücklich entschieden, ob eine teleologische Reduktion des § 828 Abs. 2 BGB auch bei einem nicht ordnungsgemäß geparkten PKW in Betracht kommt. Die entschiedenen Fälle verhalten sich, soweit ersichtlich, jeweils über ordnungsgemäß geparkte PKW.