Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die klageweise Geltendmachung von Feststellungs- und Zahlungsansprüchen aus dem Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag mit der Nummer A bei der Nürnberger Lebensversicherung AG bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Nummer B vom 23.10.2003 für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Einstandspflicht der Beklagten für die Kosten eines von dem Kläger angestrebten Prozesses zur Geltendmachung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
3Die Parteien sind mit einem Rechtsschutzversicherungsvertrag vom 23.10.2003 verbunden, der den Tarif „Kompaktrechtsschutz für Selbstständige gemäß § 28 ARB“ umfasst. Dem Vertrag liegen die ARB 2000/2 1.0 (10.2002) zu Grunde. Der Vertrag sieht in Klausel 4 zu § 28 ARB eine zusätzliche Versicherungsmöglichkeit vor, wonach gegen Zahlung einer erhöhten Prämie nach Vereinbarung auch der Bereich des nicht privaten Vertragsrechts umfasst wäre. Diese zusätzliche Vereinbarung schlossen die Parteien nicht.
4Der Kläger betrieb selbstständig eine Druckerei und unterhält bei der Nürnberger Lebensversicherung AG (im Folgenden Nürnberger AG) eine private Berufsunfähigkeitsversicherung.
5Der Kläger teilte der Nürnberger AG mit, dass bei ihm eine Berufsunfähigkeit auf Grund einer Augenerkrankung vorliege und forderte sie auf, die vertraglich vorgesehene Rente zu zahlen. Dies lehnte die Nürnberger AG mit der Begründung ab, eine Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Sie bot jedoch an, 50% der Berufsunfähigkeitsrente aus Kulanz zu zahlen und dem Kläger die volle Beitragsfreiheit zu gewähren.
6Der Klagevertreter beantragte daraufhin bei der Beklagten eine Deckungszusage hinsichtlich der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs auf volle Berufsunfähigkeitsrente.
7Dies lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die personenbezogene Vorsorge eines Selbstständigen sei nicht von dem geschlossenen Rechtsschutzvertrag umfasst, da es sich hierbei um eine vertragsrechtliche Streitigkeit aus dem nicht privaten Bereich handele.
8Der Kläger behauptet, dass er auf Grund einer Augenerkrankung auf nicht absehbare Zeit berufsunfähig sei. Er ist der Ansicht, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung lediglich der privaten Absicherung diene und somit als rein privater Vertrag einzuordnen sei und die Geltendmachung der Ansprüche deshalb vom Versicherungsschutz umfasst sei.
9Der Kläger beantragt,
10festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, der klägerischen Partei für die klageweise Geltendmachung von Feststellungs- und Zahlungsansprüchen aus dem Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag mit der Nummer A bei der Nürnberger Lebensversicherung AG bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Nummer B vom 23.10.2003 für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren zu gewähren.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Geltendmachung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit des Klägers stehe und deshalb nicht von der Rechtsschutzversicherung umfasst sei. Nach § 28 Abs. 3 ARB sei der Rechtsschutz im vertragsrechtlichen Bereich ausdrücklich nur auf den privaten Bereich und die Ausübung nicht selbstständiger Tätigkeiten beschränkt. Der vorliegenden Berufsunfähigkeitsversicherung komme "Einkommensersatzfunktion" zu, sodass von einer Zuordnung zum Bereich der selbstständigen Tätigkeit auszugehen sei. Darüber hinaus sei der Klageantrag unklar formuliert, da nicht klar sei, ob der beantrage Deckungsschutz nur für die erste oder auch auf die Rechtsmittelinstanzen begehrt werde.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Klage ist begründet.
16I.
17Die Feststellungsklage ist zulässig und statthaft. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten (§ 256 Abs. 1 ZPO), da die Beklagte ihre Einstandspflicht abgelehnt hat, obwohl zwischen den Parteien ein Rechtsschutzversicherungsvertrag besteht. Die Feststellungsklage ist statthaft, sie ist nicht subsidiär zu einer Leistungsklage, da dem Versicherer ein Wahlrecht zusteht, ob er den Versicherungsschutz durch Freistellung von den Kostenforderungen oder Gewährung von Abwehrschutz in einem Prozess gegen den Anwalt des Versicherungsnehmers gewährt. Dieses Wahlrecht würde durch die Leistungsklage in unzulässiger Weise unterlaufen.
18II.
19Die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung durch den Kläger fallen unter den Rechtsschutz für Vertragsrecht im privaten Bereich nach § 28 Abs. 3 ARB. Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger Versicherungsschutz für die Durchsetzung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu gewähren.
20§ 28 Abs. 1 ARB definiert den Bereich, für den im Rahmen des „Kompakt-Rechtsschutz für Selbstständige“, welcher zwischen den Parteien unstreitig vereinbart ist, Rechtsschutz gewährt wird. Nach § 28 Abs. 1 b ARB besteht nach diesem Vertrag auch Rechtsschutz für den Versicherungsnehmer im privaten Bereich, was nach § 28 Abs. 3 auch grundsätzlich den Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht umfasst, wobei hinsichtlich der Definition auf §2 b ARB verwiesen wird, der wie folgt lautet:
21„Rechtschutz im Vertrags- und Sachenrecht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, […]“
22Die Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und deren Geltendmachung sind jedenfalls dem privaten Bereich zuzuordnen und deshalb vom Versicherungsschutz nach § 28 Abs. 3 ARB umfasst.
23Die ARB unterscheiden zwischen dem Bereich der selbstständigen Tätigkeit des Versicherungsnehmers und seinem privaten Bereich. Maßgeblich für die Zuordnung der Interessenwahrnehmung zum selbstständigen Bereich ist, dass ein innerer, sachlicher Zusammenhang von nicht nur untergeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht. Hierbei ist es nicht ausreichend, wenn die Interessenwahrnehmung durch die selbständige geschäftliche Tätigkeit lediglich verursacht oder motiviert ist. Auch ein bloß zufälliger Zusammenhang reicht nicht aus. (BGH Urteil v. 28.6.1978 – IV ZR 1/77, BeckRS 1978, 30399117).
24Hinsichtlich der Zuordnung der Berufsunfähigkeitsversicherung führt das OLG Karlsruhe aus:
25Entscheidend für den Senat ist, daß in der Berufsunfähigkeit nicht die Fähigkeit zur Ausübung eines bestimmten Berufes versichert ist, sondern immer auf den jeweils zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird. Wer als Selbständiger eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, genießt auch dann Versicherungsschutz, wenn er später abhängig tätig ist und umgekehrt. Außerdem liegt Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht notwendig bereits dann vor, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht weiter ausgeübt werden kann; vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß auch zumutbare andere Tätigkeiten nicht ausgeübt werden können. Diese Verweigerungstätigkeiten können aber auch bei einem Selbständigen unter Umständen eine unselbständige Tätigkeit sein. Auch im vorliegenden Fall stützt der Kl. seine Klage gegen die X-Versicherung darauf, daß er aufgrund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auch nicht mehr als angestellter Gerbermeister tätig sein könne, was hingegen drei Jahre zuvor noch möglich gewesen wäre. Der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit wird auch bei einem Selbständigen durch eine Verschlechterung seines geistigen oder körperlichen Zustandes ausgelöst, also durch einen Umstand, der in die Privatsphäre fällt, gleichgültig ob eine schicksalhafte Erkrankung, ein Privatunfall oder ein Berufsunfall zugrundeliegt. Schließlich - und darauf weist das OLG Köln (VersR 1992, 1220) zutreffend hin - soll die Berufsunfähigkeitsversicherung ja gerade dann eintreten, wenn der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, also ein Selbständiger auch in Zukunft nicht mehr als solcher tätig wird. Aufgrund all dieser Umstände fehlt nach Ansicht des Senates der auch vom BGH (VersR 1978, 816) geforderte innere sachliche Zusammenhang von nicht bloß untergeordneter Bedeutung zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und der zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 02-12-1992 - 13 U 83/92, NJW-RR 1993, 539)
26Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Das OLG führt zutreffend aus, dass es an einem inneren Zusammenhang zwischen der selbstständigen Tätigkeit und der Berufsunfähigkeitsversicherung fehlt. Hinzu kommt, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung grade der Abdeckung der privaten Kosten und der Sicherung des privaten Lebensstandards dient und eine Leistung hieraus erst zu einem Zeitpunkt greift, der jenseits der ausgeübten beruflichen Tätigkeit liegt (vgl. LG München I, Urteil vom 3.12.2004, Az. 23 O 300/04, VersR 2005, 1073). Der Versicherer wird bei einer solchen Versicherung erst dann zahlungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer auf Dauer außer Stande ist, seine Tätigkeit weiterhin auszuüben.
27Die Berufsunfähigkeitsversicherung fällt nicht deshalb aus dem privaten Bereich heraus, da mit dieser Versicherung der befürchtete Ausfall des Verdienstes aus selbstständiger Tätigkeit ausgeglichen werden soll („Einkommensersatzfunktion“). Versichert ist die dauerhafte Berufsunfähigkeit, wobei für die Höhe des Anspruchs allein die vereinbarte Versicherungsleistung maßgeblich ist. Schließlich ist nach den Versicherungsbedingungen die Berufsunfähigkeit nur anzunehmen, wenn die versicherte Person auch nicht in der Lage ist, einen Vergleichsberuf auszuüben. Dieser Vergleichsberuf kann aber für einen Selbstständigen auch eine unselbstständige Tätigkeit sein (LG München I, a.a.O.), so dass ein unmittelbarer Zusammenhangmit der Selbstständigkeit nicht besteht.
28Sonstige Gründe, die einem Anspruch des Klägers auf Gewährung von Deckungsschutz entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Interessenwahrnehmung des Klägers gegen die Nürnberger hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
29III.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
31IV.
32Der Streitwert wird auf 14.606,54 EUR festgesetzt.
33Rechtsbehelfsbelehrung:
34Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Düsseldorf statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.