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Die einstweilige Verfügung wird bestätigt.
Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
T a t b e s t a n d
2Beide Parteien bieten Telekommunikationsdienstleistungen an. Unter anderem erbringen sie für private Endkunden Telefonie- und Internetzugangsdienste, die über Festnetzanschlüsse realisiert werden. Außerdem vertreiben sie dafür geeignete Endgeräte. So können von beiden Parteien Router bezogen werden, mit denen sich WLAN-Netzwerke aufbauen lassen, deren Reichweite durch Einbindung von Repeatern vergrößert werden kann.
3Gegen Ende des Jahres 2020 bewarb die Antragsgegnerin in mehreren Werbemitteln – es handelt sich um einen Fernsehwerbespot, ein Youtube-Video, eine in Printmedien erschienene Werbeanzeige und Darstellungen auf zwei verschiedenen Webseiten ihrer Internetpräsenz – ihren WiFi 6 Router „HomeServer+“. Wegen der Einzelheiten der sich inhaltlich unterscheidenden Werbemaßnahmen wird auf die von der Antragstellerin als Anlagen K1 (Fernsehwerbespot) und K2 (Youtube-Video) vorgelegten Storyboards, die als Anlage K3 vorgelegte Ablichtung der Werbeanzeige und die als Anlagen K4 und K5 vorgelegten Screenshots von den Darstellungen aus der Internetpräsenz der Antragsgegnerin Bezug genommen. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin wegen dieser Werbemaßnahmen aus verschiedenen Gründen mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Januar 2021 (Anlage K10) vergeblich ab.
4Auf einen von ihr daraufhin gestellten Antrag ist mit Beschluss vom 15. Januar 2021 eine einstweilige Verfügung erlassen und der Antragsgegnerin die beanstandete Werbung untersagt worden. Wegen der Einzelheiten des Verbots wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen, gegen den die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt hat.
5Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
6die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
7Die Antragsgegnerin beantragt,
8selbige aufzuheben und den zugrundeliegenden Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
9Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und verteidigt ihre Werbung in der Sache.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11Die einstweilige Verfügung ist gemäß §§ 925 Abs. 2, 936 ZPO zu bestätigen.
12I.
13Der Antrag auf ihren Erlass ist zulässig. Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 14 S. 2 S. 2 UWG örtlich zuständig.
141. Die angegriffenen Handlungen sind im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf begangen worden.
15a) Unter dem von § 14 Abs. 2 S. 2 UWG erfassten Begehungsort ist nach dem zu § 32 ZPO entwickelten und für § 14 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. gleichermaßen geltenden überkommenen deutschen zivilprozessualen Verständnis ebenso wie nach den für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugÜ I und LugÜ II anzuwenden Maßstäben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – C-12/15 – Universal Music International Holding/Schilling u.a. [Rn. 28]; Urteil vom 30. November 1976 – 21/76, Handelskwekerij G. J. Bier B.V. u.a. ./. Mines de potasse d'Alsace S.A. [Rn. 8/12 bis 24/25]; BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03 – Arzneimittelwerbung im Internet [unter II 1]; Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09 [unter II 1]) sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (vgl. auch §§ 9 Abs. 1 StGB; 7 Abs. 1 OWiG). Letzterer ist bei unlauteren Wettbewerbshandlungen überall dort belegen, wo sich die Handlung bestimmungsgemäß (zumindest auch) auswirken soll und wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Marktteilnehmer verletzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 2 a]; Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 1/11 – Parfumflakon III [unter II 3 b, c und e aa und bb]; Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 131/12 – englischsprachige Pressemitteilung [unter B II 2 und 3]; EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – C-360/12, Coty Germany GmbH/First Note Perfumes NV [Rn. 56 ff.]). Demgemäß ist bei im Internet begangenen unlauteren Wettbewerbshandlungen – bei gerügten Verletzungen etwa von Urheber-, Kennzeichen- und Persönlichkeitsrechten kann das anders liegen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 – C-509/09 und C-161/10, eDateAdvertisingGmbH/X und Martinez/MGN Ltd [Rn. 48 ff.]; BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 1 a bb (2)]; Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16 [unter B I 1]; s.a. Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09 [unter II 2 b und c]) – die gerichtliche Zuständigkeit an einem bestimmten Ort nicht schon deshalb gegeben, weil dort der rechtsverletzende Inhalt über das Internet abgerufen werden kann.
16b) Der in diesem Sinne zu verstehende Begehungsort liegt unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsorts für alle von der Antragstellerin angegriffenen Handlungen im Bezirk des von ihr angerufenen Landgerichts. Sämtliche Handlungen der Antragsgegnerin sind bestimmungsgemäß an hier ansässige Verbraucher gerichtet. Beide Parteien sind bundesweit tätig und bieten ihre Leistungen im hiesigen Gerichtsbezirk an. Dementsprechend sollen die angegriffenen Handlungen (unter anderem) die hier ansässigen Verbraucher in ihrer Willensbildung bei Marktentscheidungen beeinflussen und wirken sich auf diese Weise auf die hiesigen Wettbewerbsbedingungen der Parteien aus.
172. Der Gerichtsstand des Begehungsortes ist wegen der über das Internet verbreiteten Werbemaßnahmen nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für einige der angegriffenen Handlungen ausgeschlossen. Das Youtube-Video und die Darstellungen in der Internetpräsenz der Antragsgegnerin werden von ihr zwar über das Internet verbreitet. Bereitstellen und Verfügbarhalten dieser Inhalte sind aber keine „Zuwiderhandlung im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG.
18a) Unter den von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen sind nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen.
19aa) Diese Sichtweise hat die Kammer bereits in mehreren Verfahren eingenommen und in zwei – beiden Parteien bekannten – Entscheidungen näher begründet. Auf die dort entfaltete Argumentation (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 38 O 3/21, WRP 2021, 395 = GRUR-RS 2021, 402 und bei juris [unter I 1 b aa = Rn. 8 ff.] und Beschluss vom 26. Februar 2021 – 38 O 19/21, WRP 2021, 688 = GRUR-RS 2021, 4044 [unter I 1 = Rn. 3 ff.]) wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
20bb) Die Antragsgegnerin sieht in dem Kammerbeschluss vom 15. Januar 2021 und weiteren gegen sie ergangenen Entscheidungen, in denen die Kammer unter Verweis auf diesen Beschluss ihre Zuständigkeit ebenfalls angenommen hat, den Versuch, sie unter Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. In diesem Zusammenhang ist das von ihr in diesem Verfahren mehrfach – zuletzt mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 – geäußerte Fazit zu sehen, es gebe „niemanden, der dogmatisch argumentativ die vorläufige Auffassung des Gerichts zur Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 UWG teilt“. Tatsächlich deckt sich dieses von der Antragsgegnerin wiederholt gezogene Resümee nicht mit dem sich aus der derzeit verfügbaren Rechtsprechung und Literatur ergebenden Befund.
21Schon vor Erlass des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 wurden Äußerungen mit Tendenzen zu einer Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG veröffentlicht. Diese beziehen sich nicht nur auf in diesem Verfahren nicht einschlägige Problemstellungen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 14 UWG Rn. 21, der unter Berufung auf nur rein „virtuelle“ Verstöße erfassende Schutzzweckerwägungen den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Rechtsverletzungen beschränkt sieht, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden), sondern gehen bereits in die Richtung des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 (vgl. Rätze, WRP 2020, 1519 [1524 Rn. 69], der in der Neuregelung eine nicht nachvollziehbare „Einschränkung auf Verstöße gegen Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien“ sieht). Ferner wurden – zeitlich parallel zu dem Erlass des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 – Argumente für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG in Richtung eines Gleichklangs mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG diskutiert (vgl. Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 [158 Rn. 36 f. und 159 Rn. 41], die eine solche Auslegung für „sicherlich wünschenswert“ halten [Rn. 37]).
22Die Kammerbeschlüsse vom 15. Januar und 26. Februar 2021 selbst sind bald nach ihrem Erlass Gegenstand einer kontrovers geführten Diskussion geworden. Darin sind sie einerseits auf unterschiedlich stark akzentuierte Ablehnung gestoßen (wohl am deutlichsten OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter III]; Beyer, jurisPR-ITR 6/2021 Anm. 5; Rüther, WRP 2021, 726 [727 ff.] und Wettig/Kiparski, CR 2021, 177; ebenfalls kritisch, aber auf die abzuwartende Meinungsbildung der Landgerichte verweisend Feddersen, WRP 2021, 713 [717 f. Rn. 28 ff. und 34 f.] und Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 [704 Rn. 39 f.]; in der Tendenz eher kritisch, aber ohne abschließende eigene Festlegung Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 Fn. 79]; kritische Anmerkungen finden sich ferner bei Alber, IPRB 2021, 112, der allerdings der Sache nach den in den Kammerbeschlüssen vertretenen Gleichklang von § 13 Abs. 4 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für einen „praktikablen und wirkungsvollen Kompromiss zwischen effektivem Rechtsschutz und Verhinderung von Rechtsmissbrauch“ hält [116] und ebenfalls auf die abzuwartende Entwicklung der erstinstanzlichen Spruchpraxis verweist [117]). Auf der anderen Seite haben die Kammerbeschlüsse ausdrückliche Zustimmung erfahren, die – was die Antragsgegnerin in ihrem schriftsätzlichen Vortrag freilich konsequent ausblendet – mehrfach argumentativ unterlegt ist (vgl. LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. Mai 2021 – 3-06 O 14/21 [bislang n.v.]; Dissmann, GRUR-Prax 2021, 268; Isele, MMR 2021, 334; Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II]; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5 [unter C II bis IV]; Löffel, GRUR-Prax 2021, 158; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]; Spoenle, jurisPK-UWG, § 14 UWG [Stand: 8. Februar 2021] Rn. 51; ders., jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5; vgl. außerdem Hohlweck, WRP 2021, 719 [725 Rn. 42], der selbst zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht abschließend Position bezieht, sondern es bei der Feststellung belässt, dass der Kammer keine willkürliche Annahme ihrer Zuständigkeit vorgehalten werden könne, und hierzu anmerkt, dass sich die systematische Begründung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zwar schlüssig lese, die Auslegung anhand der Systematik aber, da sie einen logischen Aufbau des Gesetzes voraussetze, angesichts des wenig stringent formulierten UWG in seiner seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung nur von eingeschränkter Überzeugungskraft sei).
23cc) Die gegen eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vorgebrachten Argumente schlagen, wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 26. Februar 2021 festgestellt hat, nicht durch (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2021, a.a.O. Rn. 3 ff.; ebenso Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]; Spoenle, jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5 sowie – jeweils vertiefend und anschaulich zur Auslegungsbedürftigkeit des Wortlauts von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, der Regelungssystematik, in die sie eingebettet ist, und dem von ihr verfolgten Zweck – Isele, MMR 2021, 334 [unter 1 bis 3 und 5] und Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II]; vgl. in diesem Zusammenhang auch Hohlweck, a.a.O. Rn. 42). Diese Feststellung bezog sich naturgemäß auf den damaligen Stand der Diskussion. Sie hat aber vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erschienenen Veröffentlichungen weiterhin Bestand.
24Alber (IPRB 2021, 112) hält, wie bereits erwähnt, der Sache nach einen Gleichklang von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für sinnvoll, meint aber, einen solchen dem Gesetz nicht entnehmen zu können. Die hierfür vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. So bezweifelt Alber, „dass der Gesetzgeber sich bei der Neugestaltung der Zuständigkeitsregeln im UWG über die Tragweite insbesondere der weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für die besonders häufig im elektronischen Geschäftsverkehr begangenen Wettbewerbsverstöße im Klaren gewesen ist“ (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [116]), möchte den Gesetzgeber aber gleichwohl an dem (verunglückten) Wortlaut festhalten. Insoweit erkennt Alber an (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [115]), dass eine wortlautgetreue Anwendung von § 14 UWG „deutlich über das hinausgeht, was für eine wirksame Eindämmung […] der […] Missbrauchsauswüchse erforderlich gewesen wäre“, bezieht sich zur Ermittlung des (nach seiner Sicht wohl mit dem Wortlaut übereinstimmenden) Willens des Gesetzgebers aber auf die Begründung für die ursprünglich geplante, nahezu vollständige Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands. Diese Begründung freilich ist durch die Änderung des Gesetzentwurfs überholt und bezieht sich nicht auf die erst später im Gesetzgebungsverfahren entwickelte und verabschiedete, nun lediglich noch eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands für bestimmte Fälle vorsehende Regelung. Die Begründung des Regierungsentwurfs für den ursprünglichen Regelungsansatz gibt deshalb keinen Aufschluss darüber, wie die am Ende des Gesetzgebungsverfahrens verabschiedete Regelung auszulegen ist. Sie kann allenfalls als Beleg dafür angeführt werden, welches Ergebnis letztlich vermieden werden sollte.
25Eine solche, die Gefahr von Fehlschlüssen hervorrufende Vermengung der während des Gesetzgebungsverfahrens für grundsätzlich verschiedene Regelungsziele gegebenen Begründungsansätze (die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung betonen auch Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 f. Rn. 72 f.], ziehen daraus Schlüsse allerdings nur für „gemischte“ Fallgestaltungen) findet sich ebenso bei den beiden weiteren, sich gleichfalls ausschließlich mit der Neuregelung der örtlichen Zuständigkeit befassenden Aufsätzen von Rüther und Wettig/Kiparski (vgl. Rüther, WRP 2021, 726 [727 Rn. 9]; Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 25]). Davon – und von den in sie eingestreuten, mehr oder weniger verbrämten bzw. subtilen unsachlichen Anwürfen und Unterstellungen (vgl. Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 24]; Rüther, WRP 2021, 726 [726 Rn. 1 und 729 Rn. 19]) – abgesehen, verbleibt in diesen beiden Aufsätzen eine Argumentationslinie, die inhaltlich in den Kernpunkten nicht über diejenige hinausgeht, die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 16. Februar 2021 vertreten und von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren ausführlich vorgetragen worden ist. Wesentliche neue oder bislang unberücksichtigt gebliebene Gesichtspunkte zeigen beide Aufsätze nicht auf (vgl. zu Wettig/Kiparski auch Laoutoumai, CR 2021, 343 [345 f.]). Das in ihnen und in dem von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren gehaltenen Vortrag zum Ausdruck kommende tiefe Misstrauen gegenüber dem Gerichtsstand des Begehungsortes und die verzerrte Darstellung von dessen Reichweite lassen es allerdings angezeigt erscheinen, den Gesamtkontext, in dem die zu betrachtende Vorschrift des § 14 Abs. 2 UWG steht, noch einmal in Erinnerung zu rufen.
26Festzuhalten ist zunächst, dass die Reichweite des Gerichtsstands des Begehungsortes für im Internet begangene Wettbewerbsverletzungen keineswegs so groß und uferlos ist, wie das die Antragsgegnerin und die beiden Aufsätze nahelegen (vgl. Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [Rn. 3]: „Erfolgsort das gesamte Bundesgebiet“; Rüther, WRP 2021, 726 [728 Rn. 13] sieht für „Zuwiderhandlungen im Zusammenhang mit Internet“ grundsätzlich keine besonderen Gründe um „für jeden Gerichtsstandort in Deutschland“ eine Zuständigkeit anzunehmen). Wie bereits eingangs unter I 1 a aufgezeigt, genügt alleine die Abrufbarkeit einer Wettbewerbsrechtsverletzung über das Internet nicht zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit. Deshalb begründen beispielsweise Wettbewerbsrechtsverletzungen im Internetauftritt eines lokalen Pizzabringdienstes mit Angabe eines beschränkten Liefergebietes oder eines sonstigen Anbieters von Leistungen, die typischerweise nur an dessen Sitz oder unweit davon erbracht werden, allein wegen ihrer bundesweiten Abrufbarkeit keinen bundesweiten Gerichtsstand (vgl. Mühlberger, WRP 2008, 1419 [1423]; LG Karlsruhe, Beschluss vom 13. März 2020 – 18 O 23/20, GRUR-RS 2020, 4592). Liegen hingegen Anknüpfungspunkte für eine Relevanz der Rechtsverletzung am Ort eines abseits der Niederlassung des Unternehmers angerufenen Gerichts vor, ist es sachgerecht, dessen örtliche Zuständigkeit anzunehmen (so lag es im Übrigen in den Fällen, die Rüther, WRP 2021, 726 [728 Rn. 13 bei und in Fn. 37 und 38] lobend als Versuche einer Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung anführt, die allerdings durchweg nicht das Wettbewerbsrecht betrafen und bei denen in der Berufungsinstanz jeweils die örtliche Zuständigkeit mit überzeugender Begründung bejaht worden ist, vgl. LG Hamburg, Urteil vom 19. September 2014 – 324 S 1/14, bei juris, und LG Berlin, Urteil vom 7. April 2011 – 27 S 20/10, bei juris, jeweils für Persönlichkeitsrechtsverletzungen sowie LG Frankfurt/Main, Urteil vom 5. November 2009 – 2/3 S 7/09, bei juris, für eine Urheberrechtsverletzung). Das entspricht im Übrigen – worauf sogleich noch zurückzukommen ist – international anerkannten Grundsätzen.
27Historisch gesehen bedeutet das Inkrafttreten von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einen Schritt in die Vergangenheit. Die Vorschrift fällt – und das ausgerechnet für den gesamten „modernen“ Bereich des Handelns in der „virtuellen“ Welt, sofern man in ihr einen generellen Ausschluss des fliegenden Gerichtsstands für die „Internet-Fälle“ erblickt (so Fritzsche, WRP 2020, 1367 [1375 Rn. 55 f.]) – noch hinter den durch das UWG von 1896 geschaffenen Zustand zurück. Mit § 2 UWG 1896 wurde eine (als § 24 in das UWG 1909 übernommene) Sondervorschrift geschaffen, durch welche die an sich gegebene Zuständigkeit der Gerichte des Begehungsortes nach § 32 CPO (heute § 32 ZPO) verdrängt und wettbewerbswidrig handelnde Unternehmer in gewissem Maße vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme auch durch Mitbewerber geschützt wurden. Die so bewirkte Konzentration der Zuständigkeit am Ort der gewerblichen Niederlassung schloss allerdings – und insoweit reicht § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG noch weiter – den Gerichtsstand des Begehungsortes nur für Hauptsacheklagen aus, während gemäß § 3 S. 2 UWG 1896 (= § 25 S. 2 UWG 1909) Anträge auf einstweilige Verfügungen am Gericht des Begehungsortes erwirkt werden konnten. Außerdem hatte das Reichsgericht schon 1931 in ständiger Rechtsprechung die Privilegierung des wegen wettbewerbswidrigen Handelns in Anspruch genommenen Unternehmers – deren Sinn der Bundesgerichtshof später vornehmlich darin sah, den Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht auf die nach Wettbewerbsrecht klagebefugten Verbände auszudehnen (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1964 – Ib ZR 73/63 – Lavamat, GRUR 1964, 567 [unter 2]) – bei einer Inanspruchnahme durch Mitbewerber zurückgedrängt und in solchen Fällen einen Rückgriff auf Vorschriften des UWG durch das nach § 32 ZPO zuständige Gericht zugelassen (vgl. RG, Urteil vom 18. September 1931 – II 462/30, MuW 1931, 571; Urteil vom 6. Oktober 1931 – II 495/30, GRUR 1931, 1299 [unter 1]). Diese Rechtsprechung des Reichsgerichts setzte der Bundesgerichtshof fort (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1954 – I ARZ 233/54, NJW 1954, 1932; Urteil vom 30. November 1954 – I ZR 143/52 – GEMA, GRUR 1955, 351 [unter B III b]; Urteil vom 14. Mai 1974 – VI ZR 48/73, GRUR 1975, 150 [unter II 1]; s.a. Urteil vom 20. März 1956 – I ZR 162/55 – Olivin, GRUR 1956, 297 [unter II und unter III 1]; Urteil vom 24. April 1964 – Ib ZR 73/63 – Lavamat, GRUR 1964, 567 [unter 1]; zu der Frage, ob und inwieweit neben § 14 Abs. 2 UWG in der seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung auf § 32 ZPO zurückgegriffen werden kann vgl. Feddersen, WRP 2021, 713 [718 Rn. 33]; Hohlweck, WRP 2021, 719 [725 Rn. 43]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C III]). Die auf diese Weise für Mitbewerberklagen in der Wettbewerbsrechtspraxis schon mehrere Jahrzehnte gelebte Rückkehr zum Prinzip des § 32 ZPO wurde 1969 allgemein in das UWG übernommen, und zwar durch die Einfügung von § 24 Abs. 2 („Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“, s. dazu OLG Köln, Beschluss vom 17. Dezember 1969 – 6 W 73/69, NJW 1970, 476). Diese Regelung ist seit dem UWG 2004 inhaltsgleich in § 14 Abs. 2 S. 1 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung enthalten und findet sich nunmehr – mit leichten Änderungen im Wortlaut – in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG.
28Die zum 2. Dezember 2020 mit § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für Mitbewerber erstmals (für Verbände wurde der Gerichtsstand des Begehungsortes schon 1994 erneut ausgeschlossen) seit mehr als 100 Jahren wieder eingeführte Beschneidung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten greift nun abermals in den – vielen Rechtsordnungen bekannten und als wichtiger Pfeiler neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten stehenden – deliktischen Gerichtsstand ein. 1877 wurde das forum delicti, das seinerzeit „den meisten Gesetzgebungen“ entsprach (vgl. Entwurf einer Civil-Prozeß-Ordnung für das Deutsche Reich, Vorlage für den Reichstag mit Motiven und Anlagen, 1874, S. 414), in § 32 CPO übernommen. Seit 1968 ist der dem besonderen Gerichtsstand des Tatorts zugrundeliegende einfache Gedanke, dass der durch eine unerlaubte Handlung Verletzte die Gerichte dort anrufen kann, wo das entsprechende Unrecht begangen wurde, sich ausgewirkt hat oder sich auszuwirken droht, im europäischen Justizraum verankert und steht dort dem Kläger als Regelung der internationalen und zugleich örtlichen Zuständigkeit gleichrangig neben dem beklagtenfreundlichen allgemeinen Gerichtsstand zur Wahl (vgl. Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Paulus, Art. 7 EuGVVO Rn. 138, 142 und 144; s.a. EuGH, Urteil vom 30. November 1976 – 21/76, Handelskwekerij G. J. Bier B.V. u.a. ./. Mines de potasse d'Alsace S.A. [Rn. 8/12 bis 24/25]), wobei sich die europarechtlichen Normen (zunächst Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und heute Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugÜ) nicht auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit beschränken, sondern die örtliche Zuständigkeit mit einschließen („vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“; ob sich daraus, wie Fritzsche, WRP 2020, 1367 [1375 Rn. 56] meint, eine durch § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bewirkte Inländerdiskriminierung ergibt, erscheint allerdings fraglich, da für die Anwendbarkeit von Art. 7 EuGVVO mit Blick auf den einleitenden Wortlaut der Vorschrift ein qualifizierter Auslandsbezug dergestalt erforderlich sein dürfte, dass der Beklagte außerhalb seines Wohnsitzstaates verklagt werden soll, vgl. Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr/Paulus, Vorbemerkung zu Art. 7 ff. EuGVVO Rn. 11; Art. 7 EuGVVO Rn. 12 und 152).
29Der von der Bundesregierung im Sommer 2019 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs sah vor, von diesem Rechtsregime und dem sich aus ihm – im Einklang mit den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 Rom II VO zur Ermittlung des anwendbaren Sachrechts – ergebenden allgemeinen Grundsatz, wonach ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich wettbewerbswidrig verhält, vernünftigerweise damit rechnen muss, vor den Gerichten des Ortes verklagt zu werden, an dem seine Verhaltensweisen die Regeln eines gesunden Wettbewerbs verfälscht haben (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-451/18, Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft. / DAF Trucks NV [Rn. 34 f.]; Urteil vom 9. Juli 2020 – C-343/19, Verein für Konsumenteninformation/VW AG [Rn. 36 ff. und 39]; s.a. Urteil vom 5. September 2019 – C-172/18, AMS Neve Ltd., Barnett Waddingham Trustees, Mark Crabtree ./. Heritage Audio SL, Pedro Rodriguez Arribas [Rn. 47 ff. und 57 ff.]), für das deutsche Wettbewerbsrecht nahezu vollständig abzurücken. Die dafür angeführten Gründe (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 35 f.) konnten im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens allerdings nicht überzeugen. Der Rechtsausschuss des Bundestages wollte den im Regierungsentwurf beabsichtigten weitgehenden historischen Rückschritt (sozusagen über die Grenzen von zwei Jahrhunderten hinweg zurück in das Jahr 1896) nach intensiven Beratungen nicht mitgehen. Stattdessen schlug er vor, den Gerichtsstand des Begehungsortes mit der für Verbände seit 1994 wieder geltenden Einschränkung beizubehalten und um eine weitere Einschränkung für die „besonders missbrauchsanfälligen Verstöße“ zu ergänzen.
30Diese besonders missbrauchsanfälligen Konstellationen aber sind genau jene, die in einem früheren Stadium des Gesetzgebungsverfahrens für die Kodifizierung des Abmahnkostenausschlusses in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG identifiziert worden waren. Eine andere (größere) Fallgruppe wurde im weiteren Verlauf der Beratungen nicht herausgearbeitet und wird in der Beschlussempfehlung nicht benannt. Vielmehr sprechen die Gesetzgebungsmaterialien für einen von der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gewollten Gleichlauf zwischen Abmahnkostenausschluss einerseits und Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes andererseits (oder, mit anderen Worten, zwischen § 13 Abs. 4 Nr. 1 und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG). Vor diesem Hintergrund stellen sich die Unterschiede im Wortlaut beider Vorschriften als das Ergebnis eines Redaktionsversehens dar. Wie, wenn nicht durch einen unbeabsichtigten Missgriff bei der Formulierung, soll eine zuvor von den Gesetzgebungsorganen nicht diskutierte, im reinen Normvergleich scheinbar verschiedene Fallgruppen in den Blick nehmende Regelung zur Eindämmung eines einheitlichen, während des Gesetzgebungsverfahrens zunächst im Zusammenhang mit der Einschränkung des Abmahnkostenersatzes diskutierten und später vom Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung mit dem Ziel der Übernahme für eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands in Bezug genommenen Missbrauchsphänomens in das Gesetz gelangt sein (vgl. auch Isele, MMR 2021, 334; Laoutoumai, CR 2021, 343 [345]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5 [unter C II 2 b cc]; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5 [unter C III]; Spoenle, jurisPR-ITR 8/2021 Anm. 5)? Für die von Motejl/Rosenow vertretene gegenteilige These, der Gesetzgeber sei ausdrücklich von einer allgemeinen Missbrauchsanfälligkeit von Rechtsverstößen im Internet ausgegangen, wie die vergleichbare Vorschrift des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG zeige (vgl. Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 [704 Rn. 39]), geben die Gesetzgebungsmaterialien jedenfalls nichts her, da der in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG vorgesehene Ausschluss des Abmahnkostenersatzes auf einen Teilbereich des virtuellen Handelns (nämlich Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten) beschränkt ist und die Gesetzesbegründung hierzu auf die einfache und automatisierte Feststellbarkeit dieser Verstöße verweist. Enthalten aber die Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit einer Neuregelung eine Rechtsänderung beabsichtigt, können Sinn und Zweck einer Vorschrift auch eine von ihrem Wortlaut abweichende Anwendung des Gesetzes rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2002 – VIII ZR 253/99 [unter B I 4]). Entsprechendes gilt für § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, zumal die dort verwandte, dem Vertrags- und Telemedienrecht entnommene, tautologische Begrifflichkeit ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig ist.
31dd) Vor diesem Hintergrund geht es bei einer den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gegenüber dem Wortlaut – sei er nun für sich betrachtet missverständlich oder nicht – einschränkenden Auslegung entgegen den Befürchtungen der Antragsgegnerin nicht darum, die Vorschrift praktisch leerlaufen zu lassen (in diese Richtung auch Rüther, WRP 2021, 726 [731 Rn. 24] und Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 28 f.]) und die Antragsgegnerin ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. Es steht außer Frage, dass bei der Gesetzesauslegung die Entscheidung des Gesetzgebers, einen Sachverhalt in bestimmter Weise zu regeln, hinzunehmen ist, mag man diese auch für unzweckmäßig halten. Dementsprechend ist es nicht das Ziel der hier vertretenen Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, den Anwendungsbereich der Vorschrift so weit zu verengen, dass sie ihren Regelungszweck nicht mehr erfüllen kann, und auf diese Weise die in ihr zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers gleichsam zu korrigieren, selbst wenn diese bei genauerer Betrachtung geeignet sein dürfte, die Aufdeckung von Abmahnmissbrauch nicht zu fördern, sondern eher zu erschweren (vgl. zur insoweit gegebenen Leistungsfähigkeit des Gerichtsstands des Begehungsortes Hohlweck, WRP 2021, 719 [722 Rn. 20 ff., insbes. Rn. 22; s.a. S. 725 Rn. 45 f.]; zu einem denkbaren Alternativmodell siehe Rätze, WRP 2020, 1519 [1524 Rn. 74] und Föhlisch, CR 2020, 796 [801]).
32Rechnung zu tragen ist der von einer gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecksetzung aber nur so weit, wie sie reicht. Da eine über die identifizierten missbrauchsanfälligen Fälle hinausreichende Abschaffung des Gerichtsstands des Begehungsortes für alle Formen online begangener geschäftlicher Handlungen weder beabsichtigt war noch von dem auf eine Einschränkung des Gerichtsstands des Begehungsortes (nur) für besonders missbrauchsanfällige Konstellationen abzielenden Regelungszweck gedeckt ist, verbietet sich eine an dem weiten, nur vermeintlich eindeutigen Wortlaut ausgerichtete Auslegung. Diese nämlich würde der geschaffenen Einschränkung über die adressierte Fallgruppe hinaus eine Vielzahl von Sachverhalten unterwerfen, auf die die Vorschrift weder zugeschnitten ist noch von ihrer Zwecksetzung her passt, und damit ihrerseits zu Ergebnissen führen, die weit außerhalb des von der Norm verfolgten Regelungszwecks liegen. So lassen sich alle von § 4 UWG erfassten Handlungen online – oder, anders gewendet, „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ – begehen. Im Bereich des wettbewerblichen Leistungsschutzes gilt das bei nicht körperlichen Produkten über das in § 4 Nr. 3 UWG genannte „Anbieten“ hinaus sogar für deren „Auslieferung“ als letztem Akt des Inverkehrbringens (beispielsweise bei der elektronischen Übermittlung eines Downloadcodes oder der Freischaltung bestimmter Inhalte zum Abruf von einer Webseite). Ebenso erfasst wäre der gemäß § 3a UWG unlautere, nach Jugendschutzrecht unzulässige online durchgeführte Vertrieb jugendgefährdender Computerspiele. Diese und die weiteren in Rn. 11 des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 angeführten Beispiele zu den § 4a bis § 6 UWG weisen das von der Beschlussempfehlung in den Blick genommene Missbrauchspotential nicht ansatzweise auf.
33b) Angesichts dieses Befundes hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung an ihren Erwägungen in den Beschlüssen vom 15. Januar und 26. Februar 2021 uneingeschränkt fest.
34Klarstellend und ergänzend (im Hinblick auf die kritischen Anmerkungen von Feddersen, WRP 2021, 713 [717 f. Rn. 30]) hinzuzufügen ist, dass mit der von der Kammer gebrauchten Formulierung „Zuwiderhandlungen, bei denen der geltend gemachte Rechtsverstoß tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft“, inhaltlich diejenigen Fälle angesprochen werden sollten, die während des Gesetzgebungsverfahrens als besonders missbrauchsanfällig herausgearbeitet worden waren. Damit sind der Sache nach – wie sich aus dem Zusammenhang der Ausführungen unter I 1 b aa des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 ergibt (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021, a.a.O. [Rn. 8 bis 14, insbesondere 10 und 14]) und wie dieser und der ihn ergänzende Kammerbeschluss vom 26. Februar 2021 in der Diskussion teils ausdrücklich verstanden wurden (vgl. Alber, IPRB 2021, 112 [116]; Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Nr. 5; ders., jurisPR-WettbR 2/2021 Nr. 5; Sosnitza, GRUR 2021, 671 [678]) – vornehmlich diejenigen Fälle gemeint, die in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG als „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangene[…] Verstöße[…] gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ bezeichnet worden sind. Beide Vorschriften zielen gleichlaufend darauf ab, einen während des Gesetzgebungsverfahrens erkannten Missbrauch bei Mitbewerberabmahnungen zu erfassen. Die „in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße“ (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238, S. 18 zu § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG) sahen die Entwurfsverfasser bei „Verstöße[n] gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten auf Telemedien“, da „in diesem Bereich Verstöße durch den Einsatz von Crawlern einfach und automatisiert festgestellt werden können und zahlreiche besondere Informationsverpflichtungen bestehen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 32 zu § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG). Bei diesen Sachverhalten wird es sich (wobei dieser Aspekt während des Gesetzgebungsverfahrens so ausdrücklich nicht gesehen worden sein mag) in den praktisch relevanten Fällen regelmäßig um solche Verstöße handeln, die – wie bei den insoweit im Gesetzgebungsverfahren als „missbrauchsanfällig“ herangezogenen Beispielen der Kennzeichnungs- und Informationspflichten nach § 5 TMG stets und § 312d BGB in der Praxis zumeist der Fall – tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen.
35Vor diesem Hintergrund stellt die tatbestandliche Anknüpfung des Verstoßes an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien ein geeignetes Kriterium zur Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dar (vgl. zu den Abgrenzungsproblemen bei § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG Feddersen, WRP 2021, 713 [715 Rn. 11]; Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [284 f. Rn. 53 ff.]). Allerdings wird das Kriterium der tatbestandlichen Anknüpfung nicht von sämtlichen während des Gesetzgebungsverfahrens beispielhaft als missbrauchsanfällig angeführten Verstöße erfüllt. Das gilt insbesondere für preisangabenrechtliche Zuwiderhandlungen. Insoweit erscheint die Begründung des Regierungsentwurfs indes in sich nicht ganz konsistent. In ihr heißt es einerseits, es müsse sich nicht „um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln“ (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 32 zu § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG). Andererseits aber wurde der Ausnahmetatbestand gerade deshalb geschaffen, weil „in diesem Bereich Verstöße durch den Einsatz von Crawlern einfach und automatisiert festgestellt werden können und zahlreiche besondere Informationsverpflichtungen bestehen“ (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 32 zu § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG). „Besondere“ Informationsverpflichtungen „in diesem Bereich“ sind aber typischerweise solche, die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr anknüpfen (wobei von einer solchen Anknüpfung auch dann ausgegangen werden kann, wenn der elektronische Geschäftsverkehr – wie beispielsweise bei § 312d BGB der Fall – nur einer von mehreren der betreffenden Regelung unterworfenen Kommunikationswege ist). Letztlich wird nur eine kleine Fallgruppe – namentlich Verstöße gegen preisangabenrechtliche Vorschriften – verbleiben bei der sich die Frage stellt, ob sie trotz fehlender tatbestandlicher Anknüpfung der Verbotsnorm an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr als „Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ anzusehen sind (und dann im Gleichklang mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG ebenfalls § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG unterfallen), oder ob es sich hierbei nicht um zwar in der Gesetzesbegründung angeführte, in Wirklichkeit aber schiefe Beispiele handelt, die bei genauerer Betrachtung § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG ebenfalls nicht unterworfen werden sollten (vgl. zu bestimmten Preisangabenrechtsverstößen Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [285 Rn. 53 und 57]; zur Notwendigkeit einer im Rahmen von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG anzustellenden Schutzzweckbetrachtung auch Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 13 UWG Rn. 105e).
36Unabhängig davon, wie diese Frage abschließend zu entscheiden sein wird, bleibt festzuhalten, dass die Notwendigkeit einer am Wortlaut von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht stehenbleibenden Auslegung vornehmlich darauf zurückzuführen ist, dass es – wie aufgezeigt wohl infolge eines Redaktionsversehens – zu einer abweichenden Formulierung von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG einerseits und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG andererseits gekommen ist, und diese Wortlautdifferenz für sich betrachtet (also bei einer Gegenüberstellung nur der beiden Vorschriften) geeignet ist, den Blick auf die von dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs mit § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG eigentlich verfolgte Zielsetzung (nämlich den fliegenden Gerichtsstand für die bereits in einem früheren Stadium des Gesetzgebungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Abmahnkostenersatzes identifizierten besonders missbrauchsanfälligen Verstöße einzuschränken) zu verstellen. Hinzu tritt das weitere Problem, dass bei der im Regierungsentwurf geleisteten Vorarbeit zur Identifizierung der besonders missbrauchsanfälligen Verstöße (auf die, wie ausgeführt, der Rechtsausschuss aufbaute) eine abstrakte Formulierung gewählt wurde, der es an einem tauglichen Abgrenzungskriterium zur Identifizierung der missbrauchsanfälligen Fälle, auf die sie zugeschnitten sein sollte, mangelt (weshalb bereits für die Regelung des Ausschlusses des Abmahnkostenersatzes möglicherweise eine Regelung nach dem Enumerationsprinzip, wie sie die GRUR für eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands vorgeschlagen hatte [vgl. GRUR 2019, 59], vorzugswürdiger gewesen wäre). Beide Umstände haben zur Folge, dass § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG – verstünde man die Vorschrift streng wörtlich – angesichts der heute im Geschäftsverkehr anzutreffenden Dominanz der Vornahme geschäftlicher Handlungen auf elektronischem Wege faktisch doch zu einer am Ende des Gesetzgebungsverfahrens gerade nicht (mehr) gewollten weitgehenden Abschaffung des Gerichtsstands des Begehungsortes führen würde, und zwar auch und gerade in einer Vielzahl von Fällen, die mit dem während des Gesetzgebungsverfahrens diskutierten Abmahnmissbrauch überhaupt nichts zu tun haben.
37Für die deshalb erforderliche, den überschießenden Wortlaut korrigierende und an Sinn und Zweck orientierte Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dürfte die Anknüpfung des materiellen Rechts an den Kommunikationskanal ein praktisch handhabbares Abgrenzungskriterium darstellen. Versteht man die tatbestandliche Anknüpfung in dem oben bereits angedeuteten Sinne dahin, dass die betroffene Norm nicht ausschließlich auf den elektronischen Geschäftsverkehr zugeschnitten sein muss sondern es ausreicht, wenn Telemedien zu den mehreren von der Verbotsnorm speziell adressierten Kommunikationskanälen zählen, wäre den Bedenken, die an die Formulierung „zwingend“ in Rn. 12 des Kammerbeschlusses vom 15. Januar 2021 geknüpft sind (vgl. Feddersen, WRP 2021, 713 [717 f. Rn. 30]; s.a. Rüther, WRP 2021, 726 [731 Rn. 24]; Wettig/Kiparski, CR 2021, 177 [180 Rn. 28 f.]), weitgehend Rechnung getragen. Ob es dann dabei verbliebe, dass preisangabenrechtliche Verstöße der so verstandenen Regelung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht unterfallen, bedarf anhand des hier zu entscheidenden Falles keiner Klärung.
38c) Unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß bei der Anwendung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG (und gleichlaufend § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG) eher auf das Kriterium der Anknüpfung des materiellen Rechts an den Kommunikationskanal zurückzugreifen oder eine Schutzzweckbetrachtung anzustellen ist, greift § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall nicht ein. Die von der Antragstellerin beanstandeten Rechtsverletzungen bei den online verbreiteten Handlungen der Antragsgegnerin knüpfen weder tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien an noch stellen sie sich bei einer Schutzzweckbetrachtung als „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangene[…] Verstöße[…] gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ dar, die geeignet sind, ein hohes Missbrauchspotential und die Gefahr von Massenabmahnungen zu begründen. Die Antragstellerin rügt Verstöße gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot der §§ 5, 5a UWG und damit gegen Vorschriften, die tatbestandlich keinen bestimmten Verbreitungsweg voraussetzen und deren Verletzung – sowohl typischerweise als auch im konkreten Fall – über eher formale und leicht oder gar automatisiert festzustellende Verstöße hinausgehen. Folglich sind sie von dem Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht umfasst und es verbleibt bei der Geltung von § 14 Abs. 2 S. 2 UWG.
39II.
40Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 UWG die Unterlassung des beanstandeten Verhaltens beanspruchen.
411. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen vor. Als Anbieter der im Tatbestand genannten Waren und Telekommunikationsdienstleistungen sind die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, woraus sich gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG die Anspruchsberechtigung der Antragstellerin ergibt. Das von der Antragstellerin beanstandete Verhalten – die Veröffentlichung und Verbreitung von Fernsehwerbespot und Werbeanzeige sowie das Bereitstellen und Bereithalten des Youtube-Videos und der beanstandeten Webseiten zum Abruf über das Internet – erfüllt jeweils die Merkmale einer geschäftlichen Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Diese geschäftlichen Handlungen hat die Antragsgegnerin entweder selbst vorgenommen (§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG) oder von jemandem vornehmen lassen, dessen Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 UWG einen Unterlassungsanspruch auch gegen sie begründet. Die Handlungen erfüllen, wie noch auszuführen ist, einen Unlauterkeitstatbestand und sind deshalb gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig. Ein unzulässiges Verhalten begründet die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Gefahr der Wiederholung entsprechender Verstöße (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 – WarnWetter-App [unter B III 5 a]).
422. Alle angegriffenen Handlungen sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 UWG unlauter.
43a) Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
44aa) Irreführend ist eine geschäftliche Handlung nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, wenn sie entweder (Fall 1) unwahre Angaben oder aber (Fall 2) sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über einen der nachfolgend in der Vorschrift aufgezählten Bezugspunkte enthält. In diesem Sinne irreführend ist eine in einer geschäftlichen Handlung enthaltene Angabe, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt, wobei es auf den von der geschäftlichen Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorgerufenen Gesamteindruck ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 – I ZR 96/19 – LTE-Geschwindigkeit [unter II 2 b]; Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 216/17 – Identitätsdiebstahl [unter II 3 b]; Urteil vom 21. September 2017 – I ZR 53/16 – Festzins Plus [unter III 2 c aa]).
45bb) Richtet sich eine geschäftliche Handlung an das allgemeine Publikum und damit zumindest auch an Verbraucher im Sinne von § 2 Abs. 2 UWG in Verbindung mit § 13 BGB, ist für ihre Beurteilung auf das Verständnis eines normal informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, der einer geschäftlichen Handlung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, wobei der Begriff des Durchschnittsverbrauchers nicht auf statistischen, sondern auf normativen Maßstäben beruht und einen fiktiven typischen Verbraucher bezeichnet, dessen mutmaßliche Reaktion von den Gerichten regelmäßig aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer Verbraucherbefragung unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren durch Anwendung speziellen Erfahrungswissens festzustellen ist (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt [UGP-Richtlinie]; EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 – Rs. C-210/96, Gut Springenheide GmbH und Rudolf Tusky ./. Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt [Rn. 31 f., 35 f. und 37]; Urteil vom 26. Oktober 2016 – Rs. C-611/14 Canal Digital Danmark A/S [Rn. 39 f.]; Urteil vom 7. Juni 2018 – C-44/17, Scotch Whisky Association/Michael Klotz [Rn. 45, 47, 52 und 56]; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – I ZR 167/97 – Orient-Teppichmuster, GRUR 2000, 619 [unter II 2 b]; Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 – Marktführerschaft [unter II 2 a]; Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 – Biomineralwasser [unter II 2 c aa und unter II 3 a aa]; Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 202/10 – Marktführer Sport [unter II 3 c bb]; Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 34/12 [unter II 2]; Urteil vom 24. Januar 2019 – I ZR 200/17 – Das beste Netz [unter B II 2 a]).
46Letzteres gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 – Marktführerschaft [unter II 2 b]; Urteil vom 29. März 2007 – I ZR 122/04 – Bundesdruckerei [unter III 1]; Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 34/12 [unter II 2]; Beschluss vom 28. Mai 2020 – I ZR 190/19 [unter III 2 a]; s.a. EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – C-428/11, Purely Creative Ltd. u. a./Office of Fair Trading [Rn. 53 und 56]).
47b) Der Fernsehwerbespot ist in diesem Sinne in mehrfacher Hinsicht irreführend.
48aa) In dem Werbespot stellt der von K… dargestellte Repräsentant der Antragsgegnerin deren neuen WiFi 6 Router vor. „Mit ihm wird“, erläutert er dem Zuschauer, „Ihr WLAN nicht nur besser, es richtet sich auch ganz von selbst ein.“ Mit den Worten: „Einfach einstecken…“ führt er vor, wie der WLAN-Router an die Stromversorgung angeschlossen wird und hochfährt. Danach fährt der Repräsentant fort: „Und schon erleben Sie rasante DSL-Geschwindigkeit…“ – währenddessen sieht man Vater und Sohn auf der Couch beim Fernsehen – „einen riesigen Speicher für Fotos und Filme…“ – bei diesen Worten schwenkt die Kamera hinüber zur Mutter, die am Esstisch sitzt und Fotos auf dem Tablet auswählt – „sowie Internet im ganzen Haus“. Diesen letzten Halbsatz flüstert der Repräsentant dem Zuschauer hinter vorgehaltener Hand zu. Währenddessen steht er in einem anderen Zimmer, in dem die Tochter mit einem Laptop bei der Teilnahme am Distanzunterricht zu sehen ist. „Das alles“, so lautet sein anschließend wieder neben einem Sideboard mit dem HomeServer+ stehend gezogenes Fazit, „gibt´s im besten Netz zum besten Preis mit dem besten WLAN-Router für € 0“.
49Während des Spots werden mehrfach runde gelbe Störer eingeblendet. Sie tragen die Aufschrift „2.400 MBit/s“ (zu sehen während der Worte „rasante DSL-Geschwindigkeit“), „1 TB Cloud-Speicher“ (während der Worte „riesigen Speicher für Fotos und Filme“) und „MESH-WLAN“ (während der Worte „sowie Internet im ganzen Haus“).
50bb) Diese Darstellung ist zunächst insofern irreführend, als sie den unzutreffenden Eindruck hervorruft, der Einsatz des beworbenen Routers „HomeServer+“ sorge ohne weiteres für den beworbenen WLAN-Empfang „im ganzen Haus“.
51(1) Bei unbefangener Betrachtung des Werbespots wird der Zuschauer den Eindruck gewinnen, mit dem beworbenen Router ein Mittel für eine flächendeckende WLAN-Versorgung jedenfalls für normale bis gehobene familiäre Wohnsituationen in die Hand zu bekommen.
52Diese Vorstellung transportiert die in dem Spot dramaturgisch hervorgehobene Aussage, Dank des durch den beworbenen Router geschaffenen besseren WLANs erlebe man „Internet im ganzen Haus“. Von Einschränkungen oder der Notwendigkeit, die Reichweite des von dem Router aufgebauten Funknetzes durch Zusatzgeräte vergrößern zu müssen, ist in dem Spot keine Rede. Im Gegenteil wird mit der vorgeführten einfachen Inbetriebsetzung des Routers die Vorstellung verstärkt, der Nutzer habe allein mit dem Einstöpseln des Routers (nach dem sich das WLAN laut Repräsentant „ganz von selbst einrichtet“) die technischen Voraussetzungen für den WLAN-Empfang „im ganzen Haus“ geschaffen.
53Unerheblich ist, dass sich aus dem Werbespot – anders als dies bei den Werbemitteln der Fall war, die die Antragsgegnerin der Antragstellerin in den mit umgekehrtem Rubrum geführten Verfahren 38 O 73/20 und 103/20 hat verbieten lassen – mangels Außenaufnahme des Hauses keine genaueren Rückschlüsse auf die Größe und architektonische Gestaltung der mit dem Router zu versorgenden Wohnimmobilie ziehen lassen. Bereits die gewählte Formulierung „im ganzen Haus“ weist den Zuschauer – anders als das bei einschränkenden (etwa „in der ganzen Wohnung“) oder inhaltlich erkennbar unbestimmten (wie „im ganzen Zuhause“) Formulierungen der Fall sein könnte – auf im bundesdeutschen Gesamtvergleich der Haushalte eher großzügige Wohnverhältnisse hin. Dieser Eindruck wird durch die dargestellten Szenen verstärkt, die eine vierköpfige Familie in gehobenen Wohnverhältnissen zeigen. Während sich die Eltern mit dem Sohn in einem großzügigen, elegant eingerichteten Wohn- und Essbereich bestehend aus mit einem Wanddurchbruch verbundenen Zimmern aufhalten, befindet sich die Tochter (an der Schräge erkennbar) im Dachgeschoss in ihrem geräumig wirkenden Jugendzimmer.
54Zwar wird ein durchschnittlicher Verbraucher mutmaßlich nicht davon ausgehen, mit jedem WLAN-Router ausnahmslos jeder Wohnsituation gerecht werden zu können. Vielmehr wird er aufgrund eigener Erfahrungen oder Berichten Dritter in Rechnung stellen, dass sich deutlich überdurchschnittlich große Häuser oder sehr weitläufige Wohnungen mit einem Router oftmals ebenso wenig flächendeckend mit WLAN werden versorgen lassen wie Gebäude, die zwar nur durchschnittlich groß sind, aber ungewöhnliche bauliche Besonderheiten wie etwa überdurchschnittliche Wand- und Deckenstärken aufweisen oder bei denen einzelne Räume teils sehr weit voneinander entfernt liegen. Ungeachtet solcher in Ausnahmefällen bestehender Erschwernisse einer heimischen WLAN-Versorgung darf und kann der Verbraucher aufgrund der Werbung aber erwarten, dass es mit dem ausweislich des Spots durch den beworbenen neuen Router „besser“ gewordenen WLANs unter normalen Umständen möglich ist, eine Wohnimmobilie, die – wie im Spot zu sehen – vier Personen geräumiges Wohnen gestattet, flächendeckend („ganz“) mit WLAN-Empfang zu versorgen. Das gilt umso mehr, als die Reichweite von Routern nicht allein von den Einsatzbedingungen abhängt, sondern durch ihre technische Ausstattung – etwa Anzahl, Positionierung und Qualität der verbauten Antennen – bestimmt wird, und sich der neue Router unter anderem dadurch auszeichnet, dass mit ihm das WLAN „besser“ werden soll.
55Der eingeblendete Störer mit der Aufschrift „MESH WLAN“ verändert die Erwartungshaltung des Verkehrs nicht. Zwar mögen einige – besonders technikaffine – Verbraucher wissen, dass unter dem Begriff „Mesh-WLAN“ Geräte vermarktet werden, mit denen (bei Bedarf) das von einer regelmäßig auch für sich alleine voll funktionsfähigen Zentraleinheit aufgebaute WLAN räumlich erweitert werden kann. Aus diesem Wissen können diese Verbraucher aber nur ableiten, dass der beworbene Router die Möglichkeit bietet, verschiedene Geräte in ein solches Netzwerk einzubinden. Nicht erkennen können selbst technikaffine Verbraucher, dass eine solche Einbindung zusätzlicher Geräte (von der in dem Spot keine Rede ist) bei dem vorgestellten Router zur Versorgung des ganzen Hauses bei normalen Wohnsituationen erforderlich ist. Davon abgesehen kann nicht angenommen werden, dass den Verbrauchern in ihrer Gesamtheit der Begriff Mesh-WLAN vertraut ist. Diejenigen Verbraucher, die mit dem Begriff keine Vorstellungen verbinden, haben aber erst Recht keinen Anlass anzunehmen, die in dem Spot beworbene Funktionalität des über WLAN ermöglichten Internetzugangs „im ganzen Haus“ in vielen Fällen nicht mit dem beworbenen Router, sondern nur durch Einsatz weiterer, gesondert zu erwerbender Komponenten erreichen zu können, der Router mit anderen Worten in vielen normalen Wohnsituationen nur den Grundstock des heimischen WLANs bildet und zur Versorgung des ganzen Hauses durch Zusatzgeräte ergänzt werden muss.
56(2) Die geweckte Erwartung, allein mit dem beworbenen Router könne ein für die dargestellten Wohnverhältnisse geeignetes WLAN-Netzwerk aufgebaut werden, trifft nicht zu.
57Das hat die Antragstellerin durch die als Anlage K7 vorgelegte eidesstattliche Versicherung und den Verweis auf den von der Antragsgegnerin in ihrem Internetauftritt bereit gehaltenen „1&1 WLAN-Planer“ mit den durch ihn erzeugten Empfehlungen glaubhaft gemacht. Die von dem WLAN-Planer angezeigten Konfigurationen sehen für mehrere Wohnsituationen, die als für Vierpersonenhaushalte in Häusern im durchschnittlichen bis leicht gehobenen Bereich liegend (und damit als „normal“) anzusehen sind, den Einsatz zusätzlicher Repeater vor. So liegt es etwa bei den in der mündlichen Verhandlung durchgespielten Kombinationen „Wohnfläche bis 120 qm“ bei „drei und mehr Etagen“ sowie „Wohnfläche über 120 qm“ bei „zwei Etagen“. Demzufolge ist „Internet im ganzen Haus“ in vielen normalen Wohnsituationen nicht mit dem beworbenen WLAN-Router, sondern nur verfügbar, wenn zu diesem Router ein oder mehrere Repeater anschafft werden um mit diesen Zusatzgeräten die Reichweite des von dem Router aufgebauten WLANs zu erhöhen.
58Der Vortrag der Antragsgegnerin, die in dem WLAN-Planer für mehrere Szenarien erzeugte Empfehlung, zusätzliche WLAN-Repeater zu kaufen, bedeute nicht, dass deren Einsatz technisch immer notwendig wäre, erschüttert die Glaubhaftmachung der Antragstellerin nicht. Zwar mag es sein, dass Unternehmen Kunden immer wieder Dinge zum Kauf vorschlagen, die sie aus technischen Gründen nicht unbedingt brauchen. Das Verbrauchern als „Ihr individueller WLAN-Planer“ vorgestellte, von der Antragsgegnerin in ihrem Internetauftritt bereitgehaltene Tool erweckt jedoch den Eindruck, den Kauf von Zusatzgeräten (nur) dann zu empfehlen, wenn ihr Einsatz angesichts der abgefragten Daten zu Wohnverhältnissen und Nutzungsverhalten typischerweise erforderlich erscheint, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Die Antragsgegnerin macht weder geltend, in Wirklichkeit ein planmäßig auf den Absatz von nicht benötigten Produkten abzielendes Geschäftsgebaren an den Tag zu legen, noch hat sie vorgetragen, in welchen normalen Wohnsituationen eine Kaufempfehlung ausgeworfen werde, obwohl ein zusätzlicher Repeater typischerweise nicht erforderlich ist.
59cc) Die Gefahr einer weiteren Irreführung wird durch die Erwähnung der „rasanten DSL-Geschwindigkeit“ bei gleichzeitiger Einblendung des Störers mit der Aufschrift „2.400 MBit/s“ hervorgerufen.
60(1) Beide Aussagen wird der Zuschauer einander inhaltlich zuordnen und davon ausgehen, die Antragsgegnerin biete eine DSL-Geschwindigkeit von 2.400 Mbit/s. Sprechtext und Störer sind typischerweise aufeinander bezogen. Ebenso ist es in dem angegriffenen Werbespot. Das belegt die nachfolgende Sequenz, in der von einem „riesigen Speicher für Fotos und Filme“ die Rede ist. Zeitglich wird der Störer mit der Aufschrift „1 TB Cloud-Speicher“ eingeblendet. Ebenso wie damit zum Ausdruck gebracht wird, dass der „riesige Speicher“ über eine Kapazität von einem TB verfügt, wird der Verbraucher annehmen, dass sich die „DSL-Geschwindigkeit“ auf 2.400 Mbit/s beläuft.
61Anzeichen für ein abweichendes Verständnis bestehen nicht. Der Spot mag sich schwerpunktmäßig mit dem Router und seinen Vorzügen befassen. Mit „DSL-Geschwindigkeit“ ist aber – das stellt auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede – nicht die innerhalb eines WLANs zwischen für den Datenaustausch zwischen den darin eingebundenen Geräten zur Verfügung stehende Bandbreite gemeint, sondern die Datenübertragungsrate, die über den Festnetzanschluss – die „digital subscriber line“ (kurz „dsl“ oder „DSL“ genannt) – realisiert werden kann. Vor dem Hintergrund dieses allgemeinen Sprachverständnisses liegt die Annahme, der Zuschauer werde bei der angesprochenen DSL-Geschwindigkeit an den innerhalb des WLANs möglichen Datentransfer denken, fern.
62(2) Die solcherart von dem Spot vermittelte Vorstellung einer DSL-Geschwindigkeit von 2.400 Mbit/s trifft nicht zu. Die angegebene Datenübertragungsrate mag bei dem innerhalb des von dem HomeServer+ aufgebauten WLANs abgewickelten Datenaustausch realisierbar sein. Die in der von dem Router nach außen hin (gleichsam „zum Internet“) aufgebauten Verbindung mögliche maximale Datenübertragungsrate liegt bei DSL-Anschlüssen erheblich unter den angegebenen 2.400 Mbit/s (nämlich bei der Antragsgegnerin bei bis zu 250 Mbit/s).
63dd) Irreführend ist der Spot schließlich wegen der Bewerbung des Geräts als des „besten WLAN-Router[s]“.
64(1) Aufgrund dieser Anpreisung wird der angesprochene Verkehr erwarten, dass es sich bei dem vorgestellten Gerät um den besten derzeit erhältlichen WiFi 6 Router handelt, die Antragsgegnerin also mit ihrem Produkt eine Spitzenstellung im Markt einnimmt. Ein solches Verständnis leitet sich zwanglos aus dem Wortsinn der einen Superlativ enthaltenden Wendung „mit dem besten WLAN-Router“ ab.
65(a) Den Bezugspunkt für das Wort „besten“ innerhalb der Wendung „mit dem besten WLAN-Router für € 0“ wird der Verkehr in dem „WLAN-Router“ sehen. Den angefügten Zusatz „für € 0“ wird er naheliegend als Preisangabe für diesen Router wahrnehmen.
66Das von der Antragsgegnerin entwickelte Verständnis, das Adjektiv „besten“ beziehe sich nicht auf „WLAN-Router“, sondern auf die Wendung „WLAN-Router für € 0“ als Ganzes, weshalb diese Wendung die maßgebliche Gattungsbezeichnung darstelle (die Werbeaussage folglich dahin verstanden werde, dass das beworbene Modell nur der beste aller am Markt für € 0 erhältlichen Router sei), liegt demgegenüber fern. Eine Gattung von Routern in der Preisklasse von € 0 existiert nicht, weil am Markt keine Router für diesen Preis erhältlich sind. Zwar werden immer wieder von verschiedenen Anbietern Router im Rahmen von Koppelungsangeboten als Zugabe bei dem Abschluss von Laufzeitverträgen gewährt. Dadurch werden diese Router aber nicht zu einer umgrenzten Kategorie zusammengefasst, innerhalb derer die zugehörigen Produkte (wie das etwa bei Notebooks der Klasse bis € 999 der Fall ist) miteinander verglichen und ein bestes Modell ermittelt werden kann.
67Selbst wenn man das anders sähe, lässt sich aus der Möglichkeit, die Wendung in dem von der Antragsgegnerin für richtig gehaltenen Sinne zu verstehen, keine im Ergebnis der Antragsgegnerin günstigere rechtliche Beurteilung ableiten. Um die Gefahr einer Irreführung auszuschließen genügt es nicht, wenn eine Aussage auch so verstanden werden kann, dass sie zutrifft. Für die Annahme einer Irreführung ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die geschäftliche Handlung geeignet ist, irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise hervorzurufen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 – I ZR 200/17 – Das beste Netz [unter B II 2 a]; Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 202/10 – Marktführer Sport [unter II 3 c bb]). Der Maßstab des durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers verlangt nicht, dass eine Angabe geeignet sein muss, jeden durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten irrezuführen, weil auch durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher geschäftliche Handlungen unterschiedlich auffassen können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 252/01 – Mindestverzinsung [unter II 2]). So muss im Falle der Mehrdeutigkeit oder Missverständlichkeit einer Aussage deren Verwender die verschiedenen Bedeutungen – und damit die ihm ungünstigere Inhaltsangabe – gegen sich gelten lassen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 – I ZR 88/15 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur [unter B II 3 c]; Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 202/10 – Marktführer Sport [unter II 3 c aa]; Urteil vom 18. Februar 1982 – I ZR 23/80 – Betonklinker, GRUR 1982, 563 [unter II 1]). Maßgeblich ist letztlich, ob ein bestimmtes, zu einem Verbot des untersuchten geschäftlichen Handelns führendes Verständnis mutmaßlich von einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs eingenommen werden wird (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 252/01 – Mindestverzinsung [unter II 2]; Urteil vom 26. Februar 2009 – I ZR 219/06 – Thermoroll [unter II 2 b aa]), wobei die hierfür erforderliche normative Bewertung maßgeblich von der Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles und nicht von festen Prozentsätzen abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 202/10 – Marktführer Sport [unter II 3 d]). Sind mithin rechtlich beachtlich nur diejenigen von mehreren Verständnismöglichkeiten, die mutmaßlich von einem nicht unerheblichen Teil des Verkehrs geteilt werden, so haben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber eher fernliegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind, auszuscheiden, weil sie nach der Lebenserfahrung allenfalls von einem nicht erheblichen Teil des Verkehrs eingenommen werden. Die Gefahr, dass ein Teil des Verkehrs eine Fehlvorstellung entwickeln könnte, rechtfertigt kein Verbot, wenn ein solches Verständnis nur aufgrund einer Überinterpretation der beanstandeten Aussage gewonnen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 – I ZR 41/00 – Schachcomputerkatalog [unter II 4 b]).
68Eine solche, rechtlich nicht maßgebliche Überinterpretation stellt das von der Antragstellerin für richtig gehaltene Verständnis (also die Vorstellung, der von der Antragsgegnerin angebotene Router sei der beste aller am Markt erhältlichen Router und er koste noch dazu nur € 0) nicht dar. Es handelt sich im Gegenteil um eine naheliegende Verständnismöglichkeit, die sich ohne gedankliche Zwischenschritte unmittelbar aus dem Wortsinn der gesamten Wendung „mit dem besten WLAN-Router für € 0“ ableitet. Naheliegende Verständnismöglichkeiten aber werden von einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs mutmaßlich auch eingenommen werden. Das gilt – wie gerade ausgeführt – unabhängig davon, ob es weitere naheliegende Verständnismöglichkeiten geben sollte, die Aussage also mehrdeutig ist.
69(b) Der Wendung „mit dem besten WLAN-Router“ werden erhebliche Teile des Verkehrs eine Spitzenstellungsbehauptung entnehmen.
70Ob solches bei Aussagen, in denen ein Superlativ gebraucht wird, der Fall ist, hängt davon ab, ob nach der Verkehrsauffassung in der Werbeangabe eine jedenfalls in ihrem Kern konkret fassbare und einer Nachprüfung zugängliche Tatsachenbehauptung liegt (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1989 – I ZR 125/87 – Raumausstattung, GRUR 1989, 608 [unter II]; Urteil vom 15. Januar 1965 – Ib ZR 46/63 – Fertigbrei, GRUR 1965, 363 [unter II 2 a]). Während Begriffe, die keinen Superlativ enthalten, nicht besagen, dass es sich um das in dieser Hinsicht (annähernd) an der Spitze stehende Produkt handelt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – I ZR 100/00 – Sparvorwahl [unter II 1]), wird einer Superlativwerbung entsprechend ihrem Wortsinn erfahrungsgemäß eine Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung entnommen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 – I ZR 318/98 – Das Beste jeden Morgen [unter II 1 a]). Anders liegt es, wenn der angesprochene Verkehr erkennt, dass der Inhalt der Aussage und damit die Frage, worauf sich der Superlativ eigentlich bezieht, letztlich offenbleibt, und statt dessen gezielt subjektive, sich einer objektiven Nachprüfbarkeit weitgehend entziehende Einschätzungen und Wertungen angesprochen werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 – I ZR 318/98 – Das Beste jeden Morgen [unter II 1 a und b]), oder wenn ein Wort, das in eine Reihe von Sachangaben zu dem Werbenden und seinen Leistungen eingebettet ist, aufgrund des Kontextes, in den es gestellt ist, nicht als ein dem Vergleich mit den Leistungen von Mitbewerbern dienender Superlativ empfunden wird (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 – I ZR 202/02 – Optimale Interessenvertretung [unter II 2 b cc]).
71Danach handelt es sich um eine Alleinstellungsbehauptung. Mit dem WLAN-Router ist ein sachlicher Bezugspunkt für den Superlativ vorhanden. Der Anpreisung „mit dem besten Router“ wird deshalb ohne weiteres die Aussage entnommen, dass der bei der Antragsgegnerin erhältliche Router der beste aller am Markt angebotenen Router sei, wobei die Antragsgegnerin angesichts ihrer allgemein auf den Router bezogenen und nicht auf bestimmte Eigenschaften des Geräts verengten Spitzenstellungsbehauptung aus Sicht des angesprochenen Verkehrs für sich in Anspruch nimmt, mit ihrem Produkt das Angebot der Mitbewerber in jeder in Betracht kommenden Hinsicht zu überragen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1984 – I ZR 187/82 – Größtes Teppichhaus der Welt“, GRUR 1985, 140 [unter A II 1 und A II 2 a]; s.a. Hanseatisches OLG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 15 U 129/19, GRUR-RS 2020, 41806 [Rn. 67 und 69]).
72Das Umfeld, in das die Wendung „mit dem besten WLAN-Router“ gestellt ist, verändert das aufgezeigte Verständnis nicht. Insbesondere erscheint die Wendung dem Verkehr nicht als Teil einer Aneinanderreihung offensichtlich subjektiver Wertungen. Die Wendung tritt ihm vielmehr entgegen als eine von mehreren, je für sich einer objektiven Nachprüfbarkeit zugänglichen Sachaussagen. So wird der Verkehr den ersten der abschließenden Hinweise des Repräsentanten, alles Gezeigte gebe es „im besten Netz“, als Werbung mit einem Testergebnis wahrnehmen, da der Repräsentant während dieser Äußerung auf das groß und gut lesbar eingeblendete Testsiegel zeigt, ausweislich dessen die Antragsgegnerin als Sieger aus dem von der Zeitschrift Connect veranstalteten „Festnetztest bundesweite Anbieter“ hervorging. Bei den folgenden Worten „zum besten Preis“ zeigt der Repräsentant auf die groß eingeblendete Preisangabe von € 9,99 monatlich für den 1&1 DSL-Tarif. Diese Angabe wird der Verkehr als die Behauptung verstehen, dass die Antragsgegnerin für ihren Internetzugangsdienst den „besten Preis“ (im Sinne von niedrigsten Preis) berechnet. In diese Aufzählung objektiv nachprüfbarer Eigenschaften reiht sich der abschließende Hinweis „mit dem besten Router“ ein. Von daher mindert der Gesamtzusammenhang des Werbespots den sich bei isolierter Betrachtung der Wendung „mit dem besten WLAN-Router“ ergebenden Eindruck einer Spitzenstellungsbehauptung nicht, wie die Antragsgegnerin geltend macht, sondern verstärkt ihn im Gegenteil noch.
73(2) Das hervorgerufene Verkehrsverständnis trifft nicht zu.
74Die Antragsgegnerin macht selbst nicht geltend, dass der von ihr angebotene Router allen übrigen am Markt erhältlichen Modellen in jeder Hinsicht überlegen sei und dieser Vorsprung deutlich und von gewisser Stetigkeit ist. Nur unter solchen Voraussetzungen wäre eine Alleinstellungsbehauptung zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2017 – I ZR 160/16 – Knochenzement II [unter B IV 1 b]; Urteil vom 13. Februar 2003 – I ZR 41/00 – Schachcomputerkatalog [unter II 4 c]; Urteil vom 11. Juli 1991 – I ZR 5/90 – Spielzeug-Autorennbahn, GRUR 1991, 850 [unter II 1]; Urteil vom 17. Oktober 1984 – I ZR 187/82 – Größtes Teppichhaus der Welt“, GRUR 1985, 140 [unter A II 1]; Hanseatisches OLG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 15 U 129/19, GRUR-RS 2020, 41806 [Rn. 69]).
75Der Umstand, dass sich der Markt für Router beständig und schnell wandeln mag, steht dem nicht entgegen. Wenn aufgrund der Schnelllebigkeit eines Marktes jeder Vorsprung nur eine Momentaufnahme darstellt, hat das regelmäßig für dieses Marktsegment nicht die Zulässigkeit von Alleinstellungsbehauptungen trotz fehlender Aussicht auf Beständigkeit des Vorsprungs zur Folge, sondern die Unzulässigkeit der Alleinstellungsbehauptung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 – I ZR 5/90 – Spielzeug-Autorennbahn, GRUR 1991, 850 [unter II 3 b]; Hanseatisches OLG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 15 U 129/19, GRUR-RS 2020, 41806 [Rn. 71 ff.]). Anderes gilt, wenn der angesprochene Verkehr eine Alleinstellungsbehauptung aufgrund ihrer konkreten Formulierung oder aufgrund bei ihm vorhandener Kenntnis der Marktverhältnisse ohne weiteres als bloße Momentaufnahme wahrnimmt. Letzteres kann in Bezug auf Router nicht angenommen werden und der Formulierung der Alleinstellungsbehauptung der Antragsgegnerin sind keine Einschränkungen zu entnehmen.
76c) Die übrigen Werbemittel sind ebenfalls irreführend. Auch sie rufen den unzutreffenden Eindruck hervor, der Einsatz des beworbenen Routers „HomeServer+“ sorge (von gewissen Ausnahmen abgesehen) für den beworbenen WLAN-Empfang „im ganzen Haus“ und lassen nicht erkennen, dass dieser WLAN-Empfang in vielen Fällen nur erreicht wird, wenn das durch den Router aufgebaute WLAN durch den Einsatz von Zusatzgeräten erweitert wird.
77aa) Das Youtube-Video zeigt ähnlich wie der Fernsehspot mehrere Personen, die in einem eher gehoben und großzügig wirkenden Wohnambiente über ihr heimisches WLAN Internetzugangsdienste in Anspruch nehmen. In den von einem Sprecher im Hintergrund gegebenen, teils mit Worteinblendungen verstärkten Erläuterungen ist die Rede von „uneingeschränkte[m] Surfspass im ganzen Haus“, „zuverlässige[r] Leistung bis in den letzten Winkel“ und „beste[r] Reichweite im ganzen Haus“. Hinweise darauf, dass außer dem beworbenen HomeServer+ bei vielen im Normalbereich liegenden Wohnverhältnissen weitere Zusatzgeräte erworben und betrieben werden müssen, um – wie der Sprecher zusammenfasst – „das alles“ erleben zu können, finden sich nicht. Vielmehr soll es „das alles“ bei der Antragsgegnerin inklusive geben, und zwar „im Komplettpaket für nur € 9,99 im Monat“.
78In der Gesamtschau vermittelt diese Darstellung ebenfalls den Eindruck, mit dem Komplettpaket aus Router und DSL-Anschluss für eine WLAN-Versorgung „im ganzen Haus“ sorgen zu können. Der Gedanke, dass dieses „Komplettpaket“ in vielen normalen Wohnsituationen nur den Grundstock bildet, um die beworbene WLAN-Abdeckung für das ganze Haus aufbauen zu können, liegt fern. Dem steht der Umstand, dass in dem Youtube-Video – anders als in dem Fernsehwerbespot – nicht direkt der Eindruck hervorgerufen wird, dass alle gezeigten Personen demselben Haushalt angehören, nicht entgegen.
79bb) Die Werbeanzeige vermittelt mit der in ihr enthaltenen einschränkungslosen Aussage „Mesh-Technologie für beste Reichweite im ganzen Haus“ jedenfalls den Verbrauchern, die mit dem Stichwort „Mesh-Technologie“ keine näheren Vorstellungen verbinden, den Eindruck, mit dem Router „das ganze Haus“ mit WLAN versorgen zu können. Dabei werden sie ohne weiteres davon ausgehen, dass diese Aussage – was jedoch tatsächlich nicht zutrifft – für normale Wohnsituationen zutrifft. Der Anzeige ist nicht ansatzweise ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin selbst ihren Router in vielen normalen Wohnsituationen nur als eine von mehreren benötigten Komponenten zum Aufbau eines das ganze Haus abdeckenden WLANs ansieht und sich deshalb die beworbene Wirkung in vielen normalen Wohnsituationen nur mit dem Einsatz zusätzlicher Geräte erreichen lässt. Der Router wird in der Anzeige als das einzige Mittel zum Aufbau eines WLANs für „das ganze Haus“ präsentiert und nicht als ein Grundstock, der in vielen normalen Wohnsituationen um Zusatzkomponenten ergänzt werden muss, um das beworbene Ziel des WLANs im ganzen Haus erreichen zu können.
80cc) Vergleichbares gilt für die Darstellungen auf den von der Antragstellerin beanstandeten, von der Internetpräsenz der Antragsgegnerin abrufbaren Webseiten. Auf ihnen wird der Router jeweils vorgestellt mit den Worten: „Ihre WLAN- und Smart Home-Zentrale fürs ganze Haus. Ausgestattet mit neuester WiFi 6-Technologie und innovativen Smart Home-Funktionen, erhalten Sie ein flächendeckendes Funknetz mit größtmöglicher Reichweite und eine komfortable Telefonanlage in einem Gerät.“ Damit wird nicht anders als in den bereits behandelten Werbemitteln der Eindruck erweckt, mit dem Router werde WLAN in das ganze Haus geholt. Weder dieser Beschreibung noch den weiteren auf den beiden Seiten dargestellten Informationen ist zu entnehmen, dass es sich bei dem HomeServer+ in vielen normalen Wohnsituationen nur um eine von mehreren benötigten Komponenten handelt, die zur WLAN-Versorgung des ganzen Hauses benötigt werden.
81d) Die Relevanz der gegebenen Irreführung, die sich jeweils auf (vermeintliche) Vorteile der von der Antragsgegnerin angebotenen Leistungen bezieht, ist gegeben. In der Regel kann aus dem Hervorrufen einer Fehlvorstellung auf die notwendige Eignung der Irreführung, die geschäftliche Entscheidung der Marktgegenseite zu beeinflussen, geschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 216/17 – Identitätsdiebstahl [unter II 4 a]; Urteil vom 30. Juli 2015- I ZR 250/12 – Piadina-Rückruf [unter B I 2 b bb (1) und (2)]; Urteil vom 17. Juni 1999 – I ZR 149/97 – Last-Minute-Reise, GRUR 2000, 239 [unter II 2 a]). Ein Ausnahmefall, der in Betracht kommt, wenn die betroffenen Umstände für das Marktverhalten der Gegenseite nur eine unwesentliche Bedeutung haben oder sich der Irrtum auf die geschäftliche Entscheidung nicht zugunsten, sondern zu Lasten des irreführend handelnden Unternehmers auswirkt, liegt nicht vor.
82III.
83Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, da sich die Vollstreckbarkeit eines Urteils, mit dem eine einstweilige Verfügung bestätigt wird, bereits aus der Natur des auf sofortige Vollziehung ausgerichteten einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. §§ 936, 929 ZPO) ergibt.
84Streitwert: € 130.000