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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 27.000,--
nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Dezember 1993 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von DM 40.000,--.
Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbst-
schuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse zu er-
bringen.
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Unfallversicherungsvertrag in Anspruch, der sich unter anderem auch auf ihren Sohn erstreckt. Am 12. Dezember 1991 wurde dem Sohn der Klägerin beim Spielen mit einer Spielzeugpistole aus nächster Nähe ins Ohr geschossen. Am 16. Dezember 1991 begab sich die Klägerin mit ihrem Sohn zum Kinderarzt Dr. . Dort wurde eine schmerzhafte Schwellung im rechten Trommelfell als Zustand nach einem Knalltrauma festgestellt. Am 29. Februar 1992 war der Sohn der Klägerin gestolpert und mit dem rechten Ohr gegen einen Eisen-Türrahmen gefallen.
3Die Klägerin meldete im Mai 1992 eine Schwerhörigkeit ihres Sohnes bei der Beklagten, die erst bei der Einschulungsuntersuchung im März 1992 aufgefallen ist. In der Folgezeit wurde der Sohn im Universitätsklinikum untersucht. Dort wurde das Gutachten vom 31.08.1993 gefertigt, das zu dem Ergebnis kommt, es könne möglicherweise eine angeborene Schwerhörigkeit bestehen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit den Ereignissen vom 12.12.1991 und 29.02.1992 wird verneint. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 31.08.1993 (Bl. 10 f f. d. A. ) Bezug genommen.
4Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Leistung verpflichtet, da die Schwerhörigkeit des rechten Ohres auf die Unfallereignisse zurückzuführen seien. Sie beziffert ihren Anspruch ausgehend von den allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88), die Bestandteil des Versicherungsvertrages sind und auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 21 ff. d. A.) wie folgt:
5- Verlust des Gehörs auf einem Ohr rechs Invaliditätsgrad 30 %
6- Dies sind nach der Tabelle zur Leistungsberechnung für die Unfallversicherung
7mit progressiver Invaliditätsstaffel 45 % der Versicherungssumme von DM
860.000,-- DM 27.000,-.
9Nachdem die Klägerin ursprünglich irrigerweise von einer Versicherungssumme von DM 66.000,- ausgegangen ist, hat sie zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahl
10ung von DM 29.700,- zu verurteilen.
11Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von DM 2.700,-- zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 27.000,- nebst 4 % Zinsen seit
13Rechtshängigkeit (08.12.1993) zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie bestreitet die Kausalität zwischen der Schwerhörigkeit des Sohnes der Klägerin auf dem rechten Ohr und den Ereignissen vom 12.12.1991 bzw. 29.02.1992.
17Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 10.02.1994 (Bl. 41 f. d. A.), des Beschlusses vom 02.12.1994 (Bl. 90 d. A.), des Ergänzungsbeweisbeschlusses vom 12.01.1995 (Bl. 108 d. A.), des Beweisbeschlusses vom 14.12.1995 (Bl. 174 f. d. A.), des Beweisbeschlusses vom 14.03.1996 ( Bl. 196 d. A.) und des Beschlusses vom 05.08.1996 (Bl. 240 d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 08.08.1994 (Bl. 65 ff. d. A.), das Ergänzungsgutachten vom 19.12.1994 (Bl. 95 ff. d. A.), das Ergänzungsgutachten vom 12.04.1995 (Bl. 119 ff. d. A.) in Verbindung mit dem Gutachten vom 13.03.1995 ( Bl. 122 d. A.), die ergänzende Stellungnahme vom 06.06.1995 (Bl. 132 ff. d. A.), die Anhörung des Prof. im Termin vom 19.10.1995 ( Bl. 161 ff. d. A.), das Protokoll der Sitzung vom 08.02.1996 (Bl. 183 ff. d. A), das Gutachten vom 17.06.1996 (Bl. 206 ff. d. A.), sowie auf das Ergänzungsgutachten vom 15.08.1996 (Bl. 243 ff. d. A.) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
21Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung in Höhe von DM 27.000,-- aus dem Unfallversicherungsvertrag in Verbindung mit § 7 der AUB 88. Nach dem Ergebnis des Obergutachtens der Universitätsklinik N vom 17.06.1996 steht fest, daß die bei dem Sohn der Klägerin festgestellte Taubheit des rechten Ohres Folge des am 12.12.1991 erlittenen Knalltraumas ist.
22Der Sachverständige Prof. 'Dr. hat sich eingehend und sehr gründlich mit den in der Akte befindlichen - sich widersprechenden - Gutachten und Stellungnahmen auseinandergesetzt. Zunächst hat sich der Sachverständige mit einer möglichen angeborenen Schwerhörigkeit des Kindes auseinandergesetzt und kommt zu dem Ergebnis, daß eine angeborene Mißbildung wegen eines nicht bestehenden gleichzeitigen Ausfalls der Gleichgewichtsfunktion auf dem rechten Ohr weniger wahrscheinlich sei. Ferner spreche das Ergebnis der Untersuchung des Kinderarztes Dr. vom 18.04.1991 dafür, daß zum damaligen Zeitpunkt eine Seitendifferenz des Hörvermögens nicht bestanden habe. Unabhängig von der Frage, ob die Prüfung mit oder ohne regelgerechte Vertäubung durchgeführt worden sei, habe sich in jedem Fall eine auffällige Seitendifferenz zeigen müssen, die dann Anlaß gewesen wäre, weitere Untersuchungen anzustellen. Die Hörprüfung vom 18.04.1991 weise jedoch deutlich darauf hin, daß damals eine nennenswerte Seitendifferenz des Hörvermögens nicht bestanden habe. Ausgehend davon, daß eine angeborene Schwerhörigkeit wenig wahrscheinlich sei und die Hörprüfung darauf hinweise, daß der Sohn der Klägerin im April 1991 beiderseits noch normal gehört habe, untersucht der Sachverständige nun weiter, ob zwischenzeitlich erkrankte und diese Erkrankung möglicherweise zu einer einseitigen Taubheit geführt habe. Häufigste Ursache für eine zufällig entdeckte einseitige Taubheit bei einem Kind sei in der Regel eine abgelaufene Erkrankung mit Mumps. Diese sei jedoch aufgrund serologischer Untersuchungen ausgeschlossen. Außerdem sei das Kind regelgerecht geimpft worden. Ausgehend hiervon untersucht der Sachverständige nun den Vorfall vom 12.12.1991 und stellt fest, daß die von ihm in Augenschein genommene Schreckschußpistole bei einem auf dem Gehörgang aufgesetzten Schuß eine ganz erhebliche Knallenergie auf das Trommelfell übertrage. Da Dr. noch vier Tage nach dem Ereignis eine schmerzhafte Schwellung am rechten Trommelfell des Sohnes der Klägerin diagnostiziert habe, müsse daraus geschlossen werden, daß es sich um ein sehr ungewöhnliches Knalltrauma gehandelt habe, welches geeignet gewesen sei, eine schwere Hörstörung zu verursachen.
23Das Ereignis vom 29.02.1992 sei dagegen als Ursache der Hörstörung auszuschließen. Ein möglicherweise durch Stolpern und Fallen des Kindes mit dem rechten Ohr gegen einen eisernen Türrahmen verursachtes Bagatelltrauma sei nicht geeignet, die rechtsseitige Taubhaft zu verursachen. Das Gericht schließt sich dem nachvollziehbaren und sehr ausführlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof Dr. in vollem Umfang an.
24Danach steht fest, daß der Sohn der Klägerin durch das Ereignis vom 12.12.1991 das Hörvermögen auf dem rechten Ohr zu 100 % verloren hat. Der Sachverständige Prof. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.08.1996 festgestellt, daß bei Zugrundelegung verschiedener Untersuchungsmethoden im Ergebnis immer eine vollständige Taubheit des rechten Ohres zu diagnostizieren sei.
25Gemäß § 7 Abs. 2 der AUB 88 führt der Verlust des Gehörs auf einem Ohr zu einem Invaliditätsgrad von 30 %. Ausgehend von diesem Invaliditätsgrad ermittelt sich nach der Hilfstabelle zur Leistungsberechnung für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel die zu zahlende Versicherungssumme in Höhe von 45 % der Grundversicherungssumme (= DM 60.00,--), mithin DM 27.000,--.
26Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von 4 % ab Rechtshängigkeit begründet.
27Die Nebenentscheidungen bezüglich der Kosten beruhen auf § 92 Abs. 2 ZP0, diejenige bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709 Satz 1, 108 ZPO.