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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin war Eigentümerin des PKW Peugeot 307 HDi Break 110 Tendence mit amtlichem Kennzeichen #####. Diesen parkte die Klägerin am 08. bzw. 09.06.2014 vor ihrem Wohnhaus. Infolge eines Sturms, der am 08.06.2014 herrschte, fiel eine im Eigentum der Beklagten stehende Scheinakazie auf den PKW der Klägerin, welcher hierdurch einen Totalschaden erlitt.
3Vorprozessual hat die Klägerin ein Gutachten des Landschaftsarchitekten Dipl. Ing. S2 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass am 08.06.2014 ein Sturm mit ca. 145 km/h, somit Windstärke 13 geherrscht habe. Des Weiteren stellte er fest, dass sich im Wurzelraum des Baumes eine Faulstelle mit einer Grösse von ca. 1 qm und einer Tiefe von 1 m befunden habe. Diese Faulstelle sei für den Sturm-Baumunfall verantwortlich, da wegen der Faulstelle der Baum nicht mehr standfest gewesen sei. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
4Die Klägerin behauptet, ursächlich für den Umsturz der Scheinakazie sei die großflächige Faulstelle im Wurzelraum des Baumes gewesen. Das Schadensereignis sei nicht auf „höhere Gewalt“ zurückzuführen, da der Sturm nicht ursächlich für den Umsturz des Baumes gewesen sei. Die Beklagte habe die Pflicht, Sorge für die Standsicherheit der am Straßenrand stehenden Bäume zu tragen, verletzt, da eine ordnungsgemäße Überprüfung der Standsicherheit des Baumes unterblieben sei. Die Wurzelfäulnis der Scheinakazie sei bereits bei einer bloß äußerlichen Besichtigung erkennbar gewesen. Es habe eine erhöhte Sorgfaltspflicht bestanden, weil sich bereits im Jahre 2002 ein nahezu identischer Fall in der Straße der Klägerin ereignet habe. Der Beklagten sei auch die schlechte Bodenstruktur in der Straße bekannt gewesen, welche die Verwurzelung dort gepflanzter Bäume beeinträchtige und die Anpflanzung hochwachsender Bäume daher bedenklich mache. Die Bodenstruktur habe auch zu einem unzureichenden Wasserabfluss geführt, der wiederum den eingetretenen Faulschaden an der Wurzel der Scheinakazie zur Folge gehabt habe.
5Die Klägerin behauptet, dass ihr ein Gesamtschaden von 5.607,11 € entstanden sei, der durch ihre Versicherung nur in Höhe von 4.390 € ausgeglichen worden sei. Den noch offenen Schadensbetrag beziffert sie mit 1.217,11 €.
6Die Klägerin beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.217,11 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.09.2014 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i. H. v. 201,71 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie behauptet, der Umsturz des streitgegenständlichen Baumes sei ausschließlich auf die an diesem Tage aufgetretenen Orkanböen zurückzuführen. Das Schadensereignis sei daher auf höhere Gewalt zurückzuführen, für die die Beklagte nicht einzustehen habe. Außerdem bestreitet die Beklagte, dass der Umsturz des Baumes durch eine Vorschädigung des Baumes begünstigt oder verursacht worden sei. Die Beklagte habe regelmäßige und ordnungsgemäße Kontrollen des Baumbestandes vorgenommen. Der umgestürzte Baum sei bei sämtlichen Kontrollen, zuletzt ca. 5 Monate vor dem Schadensfall, als verkehrssicher eingestuft worden. Im Baumkataster sei zwar eine „leichte Schädigung“ eingetragen; diese habe aber lediglich darauf beruht, dass eine Zwieselbildung und ein Rindenschaden im Wurzelbereich festgestellt worden sei. Die Bodenstruktur im Schadensbereich habe keine verschärften Kontrollen notwendig gemacht. Die Beklagte bestreitet, dass durch die Bodenstruktur die Verwurzelung dort gepflanzter Bäume beeinträchtigt worden sei.
13Die Beklagte bestreitet, dass im Wurzelbereich des Baumes eine Faulstelle im behaupteten Ausmaß vorhanden gewesen sei und insbesondere, dass diese bei einer äußeren Sichtkontrolle erkennbar gewesen sei. Etwaige weitergehende Untersuchungsmaßnahmen seien daher nicht erforderlich gewesen.
14Die Beklagte bestreitet auch die Höhe der geltend gemachten Schäden.
15Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage hat keinen Erfolg. Ein Anspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG und § 9a StrWG NRW besteht nicht.
18Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Vielmehr lag ein Fall „höherer Gewalt“ vor, der jegliche Haftung der Beklagten ausschließt.
191.
20Zur Straßenverkehrssicherungspflicht gehört u.a. die Beseitigung von Gefahren durch Straßenbäume. Der Verkehrssicherungspflichtige muss Bäume entfernen, wenn sie nicht mehr standsicher sind und daher den Verkehr gefährden. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt dabei aber nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen. Der Verkehrssicherungspflichtige muss also nur dann einschreiten, wenn Anzeichen einer von einem Baum ausgehenden besonderen Gefahr vorliegen.
21Ob dies hier der Fall ist, kann letztlich offen bleiben.
22Die Beklagte macht geltend, ihrer Verkehrssicherungspflicht durch jährliche Sichtkontrollen nachgekommen zu sein. Es erscheint dem Gericht zweifelhaft, ob die vom Sachverständigen S2 festgestellte Wurzelfäule äußerlich erkennbar war. Auffällig ist, dass der Sachverständige, der der Kammer seit Jahren als Baumgutachter bekannt ist, in seinem Gutachten nichts dazu sagt, ob der erhebliche Wurzelschaden, den er durch Fotos dokumentiert hat, äußerlich erkennbar war. Dem mit der Materie „Baumkontrolle“ vertrauten Gutachter dürfte bekannt sein, dass eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn Hinweise auf eine mögliche Standunsicherheit bestehen, die Anlass für weitere Maßnahmen zur Verkehrssicherung geben.
232.
24Eine Haftung der Beklagten kommt indes vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil Ursache für das Umstürzen des Baumes „höhere Gewalt“ in Form eines Orkans war. Der Sachverständige S2 hat insofern ausgeführt, dass der Sturm am 08.06.2014 die Windstärke 13 und damit Windgeschwindigkeiten von bis zu 145 km/h erreicht habe. Bei solchen Windstärken handelt es sich um einen Orkan, der unter den Begriff der „höheren Gewalt“ fällt. Auf der Beaufortskala werden Orkane mit der Stärke 12 klassifiziert. Bei höherer Gewalt im Rechtssinne handelt es sich um ein „betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte [...] herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann [...]“ (BGH, Urteil vom 22.02.2004, Az. III ZR 108/03).
25Diese Voraussetzungen lagen hier dem Sturmereignis vom 08.06.2014 selbst nach dem Vorbringen der Klägerin zugrunde.
26Der Einwand der Klägerin, die Beklagte müsse auch im Falle höherer Gewalt darlegen, dass auch ein gesunder Baum in der konkreten Sturmsituation umgefallen wäre, ist nicht zutreffend. Im übrigen ist nach dem Sturmereignis vom 08.06. bzw. 09.06.2014 allgemein bekannt geworden, dass es insbesondere im Rheinland zu erheblichen Schäden durch umstürzende Bäume gekommen ist. Keineswegs kann davon ausgegangen werden, dass diese Bäume zuvor geschädigt waren und allein deswegen umgestürzt sind.
27Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28Streitwert: 1.217,11 €