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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin ist die Tochter und Erbin der am 28.02.1930 geborenen und am 11.07.2013 verstorbenen K (im folgenden: Patientin). Die Patientin wurde vom 09.01.2012 bis zum 19.01.2012 in der Medizinischen Klinik I im Haus der Beklagten wegen einer Synkope bei AV-Block III behandelt. Sie erhielt einen Schrittmacher implantiert, wobei es zu Komplikationen in Form einer Sondendislokation kam, die Revisionsoperationen erforderlich machten. Dieser Eingriff sowie die Folgeeingriffe sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
3Gegenstand des Rechtsstreits ist die Behauptung der Klägerin, infolge von Pflegemängeln sei bei der Patientin ein Dekubitus entstanden, der durch eine ordnungsgemäße Dekubitusprophylaxe in Form von regelmäßigen Umlagerungen und die Verwendung einer speziellen Matratze hätte vermieden werden können. Weiterhin habe die Patientin eine Entzündung im Intimbereich erlitten, die bei ordnungsgemäßer Pflege und Säuberung ebenfalls hätte vermieden werden können. Die Klägerin behauptet, unmittelbar nach der Entlassung am 19.01.2012 hätten bei der Patientin im Bereich des Steißbeins, des Gesäßes sowie im Intimbereich großflächig erheblichste Rötungen, blutende Stellen und Hautschädigungen vorgelegen. Infolge des Dekubitus habe die Patientin größte Schmerzen und erheblichste Beeinträchtigungen erlitten. Sie habe über 4 Monate hinweg täglich nahezu halbstündlich gesäubert und gecremt werden müssen. Regelmäßig habe nekrotisches Gewebe entfernt werden müssen. Dies sei weiter erschwert worden durch einen Infekt, den sie sich im Verlaufe des stationären Aufenthalts zugezogen und der zu persistierenden Durchfällen geführt habe. In Anbetracht dieser Beeinträchtigungen hält die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 € für angemessen, das sie aus übergegangenem Recht geltend macht.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das indes nicht weniger als 10.000 € betragen sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Die Beklagte bestreitet die Behandlungsfehlervorwürfe nach Maßgabe der Klageerwiderung. Sie bestreitet die Entstehung eines Dekubitus und behauptet, die Behandlung der Patientin sei lege artis erfolgt. Bis zur Entlassung der Patientin aus der stationären Behandlung sei die Haut intakt gewesen und es habe lediglich eine Rötung vorgelegen, nicht jedoch ein Hautdefekt. Die in ihrem Haus ergriffenen Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe seien in jeder Hinsicht fachgerecht gewesen. Es habe eine ordnungsgemäße Lagerung und Mobilisation der Patientin stattgefunden. Der Genitalpilz sei vorbestehend gewesen und im Haus der Beklagten fachgerecht mit Salben behandelt worden. Die Beklagte bestreitet den weiteren Behandlungsgang und die Beschwerden der Patientin. Sie hält das geltend gemachte Schmerzensgeld für überhöht.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
10Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 24.07.2014 in Verbindung mit dem Beschluss vom 10.05.2016 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie schriftliche und mündliche Erläuterung desselben sowie Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen M vom 04.03.2015, ihre ergänzende Stellungnahme vom 03.12.2015 sowie das Protokoll der Sitzung vom 10.05.2016 Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht aus dem zwischen der Patientin und der Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrag in Verbindung mit §§ 1922, 280, 253 II BGB bzw. aus §§ 1922, 823, 253 II BGB.
131.
14Die Klägerin hat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur sicheren Überzeugung der Kammer beweisen können, dass die Patientin im Haus der Beklagten fehlerhaft behandelt oder gepflegt worden ist und es dadurch zur Entstehung eines Dekubitus gekommen ist, § 286 ZPO. Die pflegewissenschaftliche Sachverständige M ist in ihrem Gutachten vom 04.03.2015 unter sorgfältiger Aufarbeitung des Verlaufs der stationären Behandlung und unter gründlicher Auswertung der Behandlungsdokumentation zu dem Ergebnis gelangt, dass ausweislich der Dokumentation Pflegemängel, die zu für die Patientin nachteiligen Folgen geführt hätten, aus sachverständiger Sicht nicht festgestellt werden könnten. Zwar hat die Sachverständige festgestellt, dass die von der Klägerin zur Akte gereichten Fotos nicht nur eine bloße Rötung, sondern entweder einen Dekubitus II. Grades oder aber eine inkontinenzbedingte oberflächliche Hautschädigung zeigten. Die Kammer hat auch keinen Zweifel daran, dass diese Fotos entsprechend den Behauptungen der Klägerin vom Tag der Entlassung der Patientin aus der stationären Behandlung datieren. Den von der Klägerin behaupteten Dekubitus III. Grades hat die Sachverständige jedoch auf der Grundlage der Fotos nicht zu erkennen vermocht. Insoweit erscheint der Kammer auch die Vernehmung der klägerseits angebotenen Zeugen zum Grad der Hautschädigung weder geboten noch erforderlich. Denn die Hautschädigung selbst ist auf den Fotos hinlänglich dokumentiert. Die objektive sachverständige Bewertung und Einschätzung des Grades der Hautschädigung obliegt der Sachverständigen. Auf die subjektive Einschätzung der angebotenen Zeugen kommt es demgegenüber nicht an. Die Sachverständige hat ihren gutachterlichen Feststellungen zugunsten der Klägerin zugrunde gelegt und unterstellt, dass die auf den Fotos zu erkennende Hautschädigung einen Dekubitus II. Grades darstellt. Soweit der Zeuge Dr. V einen Dekubitus III. Grades in seiner Patientenkartei dokumentiert hat, datiert diese Eintragung nicht auf den 19.01.2012, sondern auf den 23.01.2012 und steht daher bereits nicht im Widerspruch zu den Feststellungen der Sachverständigen. Es ist bei dem in Rede stehenden Krankheitsbild, wie der Kammer mit ihrer Spezialzuständigkeit für Arzthaftungssachen aus einer Vielzahl ähnlich gelagerter Rechtsstreitigkeiten bekannt ist, gut denkbar, dass sich dieses in einem Zeitraum von wenigen Tagen weiter verschlechtern kann.
15Die Sachverständige hat die auf den Fotos ersichtliche Hautschädigung – gleich, ob es sich dabei um einen Dekubitus oder nur eine inkontinenzbedingte Hautschädigung handelt – jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit auf einen Pflegefehler im Haus der Beklagten zurückführen können. Sie hat insoweit ausgeführt, in der Person der Patientin hätten seinerzeit eine Reihe von Risikofaktoren vorgelegen, die die Gesamtsituation komplex gemacht und es bedingt hätten, dass die Entstehung eines Dekubitus von der Pflege nur begrenzt zu beeinflussen gewesen sei. Medizinisch-pflegerisch habe bei der Patientin bis zum Abend nach der Schrittmacherimplantation der verlangsamte Herzschlag und die stark erhöhten Blutdruckwerte im Vordergrund der Behandlung gestanden. Dazu sei als pflegerisches Problem eine teilweise starke Unruhe sowie Desorientiertheit der Patientin hinzugekommen. Beides sei im Zusammenhang mit der Demenzerkrankung zu sehen und verstärke sich nach ihrer sachverständigen Erfahrung wie auch den Berichten in der Literatur regelmäßig in fremder Umgebung. Die Patientin habe auf der Intensivstation auf einer Spezialmatratze gelegen und sei eigenständig beweglich gewesen. Für die Zeit der Intensivstation fänden sich in den Akten keine Anhaltspunkte für Versäumnisse der Pflege. Zusätzliche Lagewechsel seien wegen der dokumentierten Eigenbeweglichkeit, die von der Pflege als ausreichend eingeschätzt worden sei, nicht erforderlich gewesen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Einschätzung der Pflege seien der Dokumentation und den weiteren ärztlichen Unterlagen ebenfalls nicht entnehmen.
16In der Zeit vom 12.01.2012 bis zum 17.01.2012 habe die Patientin auf der Station C2 gelegen. Für die Zeit direkt im Anschluss an die Schrittmacherimplantation – eine Zeit, in der die Patientin aller Wahrscheinlichkeit nach noch schläfrig gewesen sei – seien Lagewechsel 3-4 stündlich dokumentiert. Die Patientin sei ausweislich der Dokumentation als dekubitusgefährdet eingeschätzt worden, dies vor allem aufgrund ihres trockenen Hautzustandes bei Exsikkose und der gleichzeitig bestehenden Inkontinenz. Die zentralen Dekubitusrisikofaktoren „Beweglichkeit“ und „Aktivität“ seien jedoch als kaum eingeschränkt eingeschätzt worden. In der Pflegemaßnahmenkurve seien mindestens 2 Lagerungen pro Schicht abgezeichnet, teilweise auch nur nachmittags. Für den 14.01.2012 und 15.01.2012 liege ein differenzierter Lagerungsplan vor. In den Tagen vom 12.01.2012 bis zum 14.01.2012 sei die Patientin zudem im Stuhl mobilisiert worden. Der Zustand der Haut sei als intakt beschrieben, die Rötung als Pilzinfektion gedeutet und mit einer antimykotischen Salbe versorgt worden. Die dokumentierten Maßnahmen seien aus pflegewissenschaftlicher Sicht als ausreichend anzusehen. Angesichts des Ruhe- und Schlafbedürfnisses der Patientin sei es in Ansehung der intakten Haut und der Eigenbewegungen im unruhigen Zustand auch gerechtfertigt gewesen, die Patientin, wenn sie geschlafen habe, nicht zu wecken. Unklar und den Behandlungsunterlagen nicht zu entnehmen sei, ob die Patientin auch auf der Station C2 eine Spezialmatratze erhalten habe. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, sei indes nicht ersichtlich, dass eine solche in der gegebenen Situation zwingend erforderlich gewesen sei. Insoweit hat die Sachverständige ausgeführt, die Dekubitusprophylaxe bestehe primär in der Lagerung und Mobilisation der gefährdeten Patienten. Nur wenn diese nicht suffizient möglich sei, sei die Verwendung einer Wechseldruckmatratze erforderlich. Deren Verwendung müsse jeweils sorgfältig abgewogen werden, weil sie für den Patienten nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile berge. Als nachteilhaft sei einerseits bei gleichzeitig bestehender Inkontinenz die hygienische Situation einzuschätzen, andererseits berge die Lagerung auf einer Wechseldruckmatratze gerade bei dementen Patienten häufig die Gefahr, dass diese durch das für sie ungewohnte Liegegefühl weiter verunsichert würden. Sicher verhindern könnten auch Wechseldruckmatratzen die Entstehung eines Dekubitus nicht. Denn Hautdefekte der in Rede stehenden Art seien stets und so auch bei der Patientin multifaktoriell bedingt. Mit Wechseldruckmatratzen werde zwar der Auflagedruck verringert, die übrigen Risikofaktoren wie Feuchtigkeit, Schwerkräfte und mechanische Reizungen infolge des häufigen Reinigens würden indes nicht beeinflusst. Gerade bei der hier vorliegenden konkreten Patientin mit der demenzbedingten Unruhe bei gleichzeitig feuchter Haut durch die Inkontinenz habe aber auf diesen Risikofaktoren der Schwerpunkt und das Hauptproblem gelegen, das pflegerisch nicht oder kaum zu beeinflussen und letztlich für die Entstehung der Hautschädigung entscheidend gewesen sei. Ein pflegerisches Versäumnis sei vor diesem Hintergrund für den Zeitraum des Aufenthalts der Patientin auf der Station C2 nicht festzustellen.
17In der Zeit vom 17.01. bis zum 19.1.2012 sei die Patientin schließlich auf der Station A2 untergebracht gewesen. Aufgrund vermehrter Unruhe sei dort eine Lagerung ausweislich der Behandlungsdokumentation nicht möglich gewesen. Dies sei aus gutachterlicher Sicht nachvollziehbar. Bei dokumentierter Zunahme der Inkontinenz sei am 17.01.2012 ein Blasendauerkatheter gelegt worden, mutmaßlich um die Haut vor weiterer schädigender Einwirkung von Urin und Feuchtigkeit zu schützen. Dies sei aus sachverständiger Sicht nachvollziehbar und richtig gewesen. In Ansehung der komplexen Gesamtsituation seien auch für den Zeitraum des Aufenthalts der Patientin auf der Station A2 keine Versäumnisse der Pflege bei der Dekubitusprophylaxe feststellbar. An dieser Einschätzung hat die Sachverständige auch in Ansehung der klägerseits gegen ihr Gutachten erhobenen Einwendungen in vollem Umfang festgehalten, dies sowohl in ihrer schriftlichen als auch in der mündlichen Gutachtenerläuterung. Das Gutachten der Sachverständigen ist überzeugend und nachvollziehbar, dabei eingehend und fundiert und unter sorgfältiger Auswertung der Behandlungsunterlagen erstellt und begründet. Die Fachkunde der Sachverständigen steht außer Zweifel. Die Kammer beauftragt sie seit Jahren mit der Erstellung pflegewissenschaftlicher Gutachten und hat sie in dieser Zeit als gewissenhafte, dabei ausgewogen und differenziert beurteilende Sachverständige kennen gelernt.
18Die Kammer geht auch davon aus, dass die Behandlungsdokumentation zutreffend ist. Soweit die Klägerin behauptet und unter Zeugenbeweis gestellt hat, dass die dokumentierten regelmäßigen Umlagerungen nicht durchgeführt worden seien, ist dies nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung und der informatorischen Anhörung der Klägerin nicht zur Überzeugung der Kammer bewiesen. Die zeitnah gefertigte und plausible Behandlungsdokumentation aus dem Haus der Beklagten birgt insoweit in prozessualer Hinsicht die Vermutung der Richtigkeit. Den Beweis ihrer Unrichtigkeit hat die Klägerin nicht führen können. Zwar hat die Kammer keinen Zweifel an der Richtigkeit der übereinstimmenden Angabe der Klägerin und des Zeugen Q, dass es von seiten der Pflege im Haus der Beklagten versäumt wurde, die Patientin bei der Nahrungsaufnahme in der gebotenen Art und Weise zu unterstützen. Dieses Versäumnis hat indes keine kausalen Folgen gezeitigt, weil die Klägerin und der Zeuge Q sich nach eigenen glaubhaften Angaben hingebungsvoll um die Patientin gekümmert und diese Unterstützungsmaßnahmen selbst übernommen haben. Dass die Behandlungsdokumentation im Hinblick auf die Dekubitusprophylaxe unzutreffend ist, davon ist die Kammer indes nicht überzeugt. Denn ungeachtet der Frage, wann und wie lange die Klägerin und der Zeuge Q die Patientin jeden Tag besucht haben, konnten sie zu den restlichen Zeiten nachvollziehbar keine Angaben machen. Auch erscheint es für die Kammer durchaus nachvollziehbar und naheliegend, dass Lagerungsmaßnahmen – so wie es auch die Sachverständige in ihrer mündlichen Gutachtenerläuterung hat anklingen lassen – absichtlich dann durchgeführt worden sind, wenn die Klägerin und der Zeuge Q nicht anwesend waren. Auch erscheint es der Kammer nachvollziehbar und plausibel, dass die Patientin zu Essenszeiten niemals auf der Seite gelagert war, weil in Seitenlage eine Nahrungsaufnahme nicht möglich gewesen wäre. Auch der Umstand, dass nach der Aussage des Zeugen Q im Haus der Beklagten keine speziellen Lagerungskissen verwendet worden sind, ist nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht beweisend dafür, dass eine Lagerung gar nicht stattgefunden hat, da insoweit gleichermaßen auch die Bettdecke oder normale Kissen zur Seitenlagerung verwendet werden können. Letztlich dürften auch die zeitlichen Angaben sowohl der Klägerin als auch des Zeugen Q mit Rücksicht auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf nur mit der gebotenen Vorsicht zugrunde gelegt werden.
19Im Hinblick auf die weitere im Raum stehende Problematik der Pilzinfektion im Intimbereich hat die Sachverständige ausgeführt, diese sei im Falle der Patientin wahrscheinlich nicht mikrobiologisch nachgewiesen worden. Es sei nach Aktenlage daher bereits nicht sicher, ob es sich überhaupt um eine solche gehandelt habe. In der Regel besäßen Pflegefachkräfte jedoch hierfür ein geschultes Auge und meist liege auch ein eindeutiger süßlicher Geruch vor, so dass die Sachverständige diese Thematik im Gutachten aufgenommen und das Vorliegen einer Pilzinfektion zugunsten der Klägerseite unterstellt hat. Sie hat insoweit ausgeführt, bei einer Rötung im Intimbereich handele es sich oftmals zunächst um eine sog. Windeldermatitis, die durch ständig feuchte und aufgeweichte Haut infolge einer Inkontinenz entstehe. Dabei breite sich die lokale Rötung meist vom Anus ausgehend in den vorderen Intimbereich aus. Eine durch ständige Feuchtigkeit vorgeschädigte Haut oder Schleimhaut erleichtere es Hefepilzen, einzudringen. Das Trockenhalten der Haut sei daher eine entscheidende Maßnahme, um Pilzinfektionen zu verhindern. Die häufig auftretende Superinfektion mit Hefepilzen werde in der Regel mit lokalen antimykotischen Salben behandelt. Diese hätten sowohl abdeckende als auch austrocknende und antimykotische Eigenschaften. Die Behandlung des Pilzes sei auf der Intensivstation und auf der Station C2 richtigerweise mit Canestensalbe – einer antimykotischen Salbe – erfolgt. Auf der Station A2 sei die Rötung dann offenbar nicht mehr als Pilzinfektion eingeschätzt und daher auf Mirfulansalbe – eine Wund- und Heilsalbe – gewechselt worden. Unter der unbewiesenen Annahme einer (fortbestehenden) Pilzinfektion sei dieser Wechsel fachlich nicht indiziert gewesen. Dies habe aber letztlich keine nachteiligen Folgen für die Patientin und die weitere Entwicklung des Zustandes im Intimbereich gehabt. Denn zu diesem Zeitpunkt habe sich die Situation dahingehend geändert gehabt, dass die Wahl der Salbe zu diesem Zeitpunkt gänzlich überlagert worden sei durch die sich zuspitzende verschlechternde Inkontinenzsituation. Durch sie habe die Reizung der Haut infolge des ständigen Kontakts mit Urin- und Stuhl und insbesondere der notwendigen häufigen Reinigungsmaßnahmen im Vordergrund der Problematik gestanden. Man sei dem durch Anlage eines Dauerkatheters am 17.01.2012 begegnet. Dieser habe die Haut vor weiterem Kontakt mit Urin geschützt und sei damit eine richtige und adäquate Maßnahme gewesen, die jedoch das Fortschreiten der etwa bestehenden Pilzinfektion nicht habe verhindern können. Dies sei jedoch nicht der Pflege anzulasten, sondern der schwierigen komplexen Gesamtsituation geschuldet. Soweit die Klägerin und der Zeuge Q davon gesprochen haben, dass seitens der Pflege in ihrem Beisein eine Inkontinenzversorgung der Patientin nicht erfolgt sei, mag auch dies einerseits dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass eine solche mutmaßlich seitens der Pflege nach Möglichkeit lieber in Zeiten der Abwesenheit von Besuchern durchgeführt worden ist. Dies mag ferner auch auf die personelle Ausstattung im Haus der Beklagten zurückzuführen gewesen sein, ohne dass retrospektiv feststellbar wäre, dass die insoweit nach den Feststellungen der Sachverständigen tolerierbaren zeitlichen Grenzen nachweislich überschritten worden wären. Dass die Versorgung insoweit in einem Krankenhaus nicht gleichermaßen engmaschig erfolgen kann wie dies nach den Angaben in der Klageschrift im häuslichen Umfeld erfolgt ist, kann insoweit der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden.
20Die nach Erschöpfung sämtlicher Beweismittel verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der nach allgemeinen Regeln beweisbelasteten Klägerin. Der Klägerin kommen insoweit auch keine Beweiserleichterungen zugute. Ein voll beherrschbarer Risikobereich liegt auf der Grundlage der Feststellungen der Sachverständigen nicht vor. Denn es kann vorliegend angesichts der komplexen Gesamtsituation und des in der Person der Patientin bestehenden erheblichen Risikos für die Entstehung eines Dekubitus gerade nicht sicher festgestellt werden, dass ein voll beherrschbares Risiko vorgelegen hat. Die Entstehung eines Dekubitus war vielmehr durch pflegerische Maßnahmen nur begrenzt zu beeinflussen und nicht sicher vermeidbar.
21Die Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal der Hauptforderung.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23Streitwert: 10.000 €