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Das Versäumnisurteil vom 12.04.2017 wird aufrechterhalten.
Die Klägerin trägt die weiteren Gerichtskosten, die weiteren außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und ihre eigenen, weiteren außergerichtlichen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) zuvor Sicherheit gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
2Die Beklagte zu 1) betreibt seit 2009 ein Franchisesystem: In den C-Studios wird ein so genanntes EMS-Training angeboten, bei dem Muskelpartien durch elektrische Impulse stimuliert werden. Die Beklagte zu 2) betreibt als Franchisenehmerin ein solches C-Studio in Köln. Die Klägerin begab sich am 06.11.2015 in das von der Beklagten zu 2) betriebene Studio und führte ein EMS-Training durch.
3Die Klägerin behauptet, bereits während des Probetrainings habe sie darauf hingewiesen, dass die Stromstöße erhebliche Beschwerden verursachten. Die Beklagte zu 2) habe lediglich erklärt, dass dies so sein müsse. Kopfschmerzen habe sie darauf zurückgeführt, dass die Klägerin zu wenig Wasser getrunken habe. Die Klägerin habe sich am 07. und 08.11.2015 erheblich unwohl gefühlt und über Kopfschmerzen geklagt. Bei einem Arztbesuch am 07.11.2015 sei bei einer Rhabdomyolyse ein CK-Wert von 48.000 U/l festgestellt worden. Es habe die konkrete Gefahr eines akuten Nierenversagens bestanden. Die Klägerin sei deswegen notfallmäßig ins Krankenhaus gebracht worden. Der CK-Wert sei mittlerweile auf 4.000 U/l gesenkt worden, sei aber immer noch besorgniserregend hoch. Sie leide bis zum heutigen Tag unter Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Gliederschmerzen. Diese Beschwerden und der erhöhte CK-Wert seien auf das offensichtlich falsch dosierte EMS-Training zurückzuführen.
4Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein in der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, wenigstens jedoch 5.500,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.12.2015 und vorgerichtliche Kosten der Klägerin i.H.v. 571,44 € zu zahlen. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2017 erging klageabweisendes Versäumnisurteil, das der Klägerin am 24.04.2017 zugestellt worden ist. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin am 24.04.2017 Einspruch eingelegt, der am 02.05.2017 bei Gericht eingegangen ist. In der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2017 hat sie den Einspruch hinsichtlich der Beklagten zu 1) zurückgenommen.
5Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,
6die Beklagte zu 2) unter Aufhebung des Versäumnisurteils zu verurteilen, an die Klägerin ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld, wenigstens jedoch einen Betrag von 5.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2015 zu zahlen und
7die Beklagte zu 2) unter Aufhebung des Versäumnisurteils zu verurteilen, vorgerichtliche Kosten der Klägerin i.H.v. 571,440 € zu zahlen.
8Die Beklagte zu 2) beantragt,
9das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
10Die Beklagte zu 2) behauptet, sie habe das Probetraining der Klägerin ordnungsgemäß dosiert. Sie verweist auf die umfassende Aufklärung der Klägerin. Zu Auffälligkeiten oder Beschwerden sei es während des Trainings nicht gekommen.
11Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Das Versäumnisurteil der Kammer vom 12.04.2017 war aufrechtzuerhalten.
14Aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 12.04.2017 ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch ist zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Beklagten zu 2) des Einspruchs nicht für verlustig erklärt worden ist, ist er ist jedoch unbegründet. Die zulässige Klage ist nämlich unbegründet
15Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Voraussetzung sowohl der §§ 280, 281, 253 BGB als auch gem. §§ 823 Abs. 1, 253 BGB oder § 823 Abs. 2, 253 BGB i.V.m. § 223 Abs. 1 StGB liegen nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagten zu 2) überhaupt eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, der Stromimpuls zu hoch dosiert war und dies ggf. durch eine Einwilligung der Klägerin gerechtfertigt war. Die Klägerin hat jedenfalls nicht bewiesen, dass sie kausal bedingt durch das Training überhaupt gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten hätte. Soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass behauptete Beeinträchtigungen auf das Training zurückgeführt werden können, überschreiten sie die Bagatellgrenze jedenfalls nicht.
16Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass bedingt durch das EMS-Training die Gefahr eines akuten Nierenversagens bestanden hätte, der CK-Wert bis heute besorgniserregend hoch ist, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Beeinträchtigung der Nieren besteht oder die Klägerin bis heute unter Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit oder Gliederschmerzen leidet. Dies haben die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H nicht ergeben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die genannten Beeinträchtigungen nicht durch das EMS-Training verursacht wurden:
17Der Sachverständige hat ausgeführt, die Gefahr eines akuten Nierenversagens habe bei der Klägerin nicht bestanden: Ob eine Rhabdomyolyse zu einem Nierenversagen führe, hänge nicht nur von ihrem Ausmaß sondern auch von ihrer Ursache ab. Eine sportinduzierte Rhabdomyolyse führe in der Regel nur in Kombination mit anderen Risikofaktoren zu einem Nierenversagen. Solche zusätzlichen Risikofaktoren seien vorliegend nicht ersichtlich. Laborwerte, die darüber hinaus ein erhöhtes Risikos des akuten Nierenversagens durch Rhabdomyolyse zu prognostizieren erlaubten, gäben bei der Klägerin hierfür ebenfalls keinen Anhalt. In Studien zur CK-Erhöhung durch EMS-Training würden bei erstmaligem Training durchschnittliche CK-Erhöhungen von ca. 28.000 U/l mit Maximalwerten von >60.000 U/l beschrieben. Die höchsten Werte träten dabei am 3. bis 4. Tag nach dem Training auf. Der am 09.11.2015 bei der Klägerin gemessene CK-Wert habe 41.400 U/l betragen. Kurze oder langfristige gesundheitliche Schäden durch EMS-Training, insbesondere eine Schädigung der Nieren, würden in diesen Studien nicht beschrieben. In Zusammenschau der Aktenlage und dem typischen Verlauf der CK-Erhöhung nach erstmaligem EMS-Training, unauffälligen Nierenparametern und keinem Anhalt für einen Risikofaktor bestehe kein Anhalt für die Gefahr eines akuten Nierennierenversagens oder einer Nierenschädigung.
18Der CK- Wert der Klägerin sei heute auch nicht mehr besorgniserregend hoch: Der aktuellste vorliegende CK-Wert vom 27.04.2017 befinde sich mit 51 U/l im Normbereich.
19Schließlich sei auszuschließen, dass die Klägerin bedingt durch das Training bis heute unter Kopfschmerzen, Gliederschmerzen oder Schlafstörungen leide. In der Literatur fänden sich keine Beschreibungen, dass chronische Kopfschmerzen durch Sport, insbesondere EMS-Training ausgelöst würden. Chronische Gliederschmerzen träten häufig im Rahmen von Infektionen, chronischen rheumatischen Entzündungen, Osteoporose etc. auf. Auch im Rahmen eines Muskelkaters könne es zu Gliederschmerzen kommen: In der Literatur werde indes nicht beschrieben, dass solche Gliederschmerzen über den Zeitraum des durch Sport aufgetretenen Muskelkater hinaus anhielten. Die "Leitlinien zum nicht erholsamen Schlaf und zu Schlafstörungen" von 2017 gäben schließlich auch keinen Anhalt dafür, dass eine chronische Schlafstörung durch Sport insbesondere EMS-Training ausgelöst werden könnten.
20Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach kritischer Überprüfung vollumfänglich an. Die umfangreichen Ausführungen sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei: Sie beruhen auf einer umfassenden, und plausiblen Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde. Dabei gelingt es dem Sachverständigen, die ermittelten Ergebnisse nachvollziehbar und in jeder Hinsicht überzeugend zu medizinischen Erkenntnissen ins Verhältnis zu setzen. An der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen bestehen keine Zweifel.
21Allerdings hat der Sachverständige ausgeführt, es sei nachvollziehbar, dass sich die Klägerin bis zum 08.11.2015 unwohl fühlte und über Kopfschmerzen klagte: Aus Studien sei bekannt, dass in den Tagen nach einem erstmaligen EMS-Training ein Muskelkater auftreten könne. Dadurch dass die Muskulatur der Klägerin durch das erstmals durchgeführte Training einer für sie ungewohnten Belastung ausgesetzt worden sei, sei zu vermuten, dass sie in den darauffolgenden Tagen einen Muskelkater verspürt und sich durch die notwendige Regeneration nach dem ungewohnten Training abgeschlagen gefühlt habe. Auch die Behauptung der Klägerin, unter Kopfschmerzen gelitten zu haben, sei nachvollziehbar: Insbesondere erscheine ein sogenannter Belastungskopfschmerz plausibel, wie er bei jeder Art körperlicher Belastung auftreten und zwischen fünf Minuten und 48 Stunden andauern könne. Diese Ausführungen allein genügen jedoch nicht den Anforderungen, wie sie an den von der Klägerin zu erbringenden Vollbeweis gemäß § 286 ZPO zu stellen sind. Die vom Sachverständigen konstatierte Plausibilität des Unwohlseins und der Kopfschmerzen allein belegt nicht deren tatsächliches Vorliegen. Objektivierbare Anhaltspunkte, die über die bloßen Behauptungen der Klägerin hinausgingen, liegen nicht vor. So stellt auch der Sachverständige fest, dass sich Anhaltspunkte für Kopfschmerzen allein aus anwaltlichen Schreiben ergäben.
22Selbst wenn man aber aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen davon ausginge, dass die Klägerin bis zu 48 Stunden unter Kopfschmerzen litt und sich bis zum 8. November aufgrund eines Muskelkater unwohl fühlte und diese Beeinträchtigungen kausal auf eine Überdosierung des Stromimpulses zurückführen wollte, ergäbe sich kein Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld: Der Anspruch auf Schmerzensgeld entfällt bei unbedeutenden Eingriffen, wenn das Wohlbefinden des Verletzten nur kurzfristig und unerheblich beeinträchtigt worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Ein im schlimmsten Fall zweitägiger Kopfschmerz und ein mehrtägiger Muskelkater sind nicht nur von unbedeutender Dauer. Es handelt sich zudem um Beeinträchtigungen, wie sie nach jeder Art sportlicher Betätigung zu erwarten sind und üblicherweise von Sport treibenden hingenommen werden.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gem. §§ 91, 708 Nr. 11 ZPO.
24Gegenstandswert: 5.500,- €.
25Rechtsbehelfsbelehrung:
26Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
271. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
282. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
29Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
30Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
31Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
32Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.