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1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,wie nachstehend wiedergegeben mit einer Klimaneutralität ihrer Produkte zu werben:
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2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2021zu zahlen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.·
4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf nterlassung einer We bung und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch. ·
3Die Klägerin ist die Wettbewerbszentrale. Ihr gehören derzeit mehr als 2.000 Mitglieder an, hierunter ca. 1.200 Unternehmen und ca. 800 Verbände, für die sie auch beratend tätig wird. Zu den Mitgliedern der Klägerin gehören nahezu alle Industrie- und Handelskammern Deutschlands.
4Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Produktion von Konfitüren und ähnlichen Lebensmitteln.
5Die Beklagte wirbt damit, dass es sich bei den von ihr hergestellten Marmeladen um klimaneutrale Produkte handelt.
6Diese Aussage findet sich als Aufdruck auf den Marmeladengläsern der Beklagten. Weger:i der optischen Gestaltung wird auf die Anl. K2 und K3 Bezug genommen. Darüber hinaus warb die Beklagte in der Ausgabe der Lebensmittel-Zeitung vom 19.02.20.21 für ihre Marmeladen. Unter den:, blickfangmäßigen Hinweis oben links in der Werbung „MACHTNACHHALTIG EINDRUCK" fand sich der weitere Hinweis:
7,,KlimaneutralerPreis-Leistungs-Klassike".r
8Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Herstellungsprozess der Marmeladen nicht C02-neutral abläuft, die Beklagte aber Aufforstungsprojekte in Südamerika finanziell unterstützt.
9Die Klägerin hält die Werbeaussage für irreführend. Sie ist der Auffassung, die Aussage werde von den angesprochenen Verbraucherkreisen so verstanden, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Gleichesgelte für den Leserkreis der Lebensmittel-Zeitung. Insoweit ist unstreitig, dass die Zeitung sich an ein Fachpublikum richtet, aber auch von Verbrauchern abonniert werden kann. Zumindest müsse die Werbeaussage dahi"ngehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde.
10Vor diesem Hintergrund mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2021 ab und forderte sie unter Fristsetzung auf den 28.04.2021 auf, sich strafbewehrt zu unterlassen. Dies lehnte die Beklagte in der weiteren Korrespondenz ab.
11Der Kläger beantragt,
121. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
13wie nachstehend wiedergegeben mit einer Klimarieutralität ihrer Produkte zu werben:
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23 24 25II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu zahlen
26Die Beklagte beantragt,
27· die Klage abzuweisen.
28Sie ist der Auffassung, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden den Begriff
29„Klimaneutralität" so, dass eine bilanzielle Klimaneutralität gegeben sei. Dies gelte auch für den Verbraucher. Es sei gängiges Konzept in Wirtschaft und Politik, dass Klimaneutralität so hergestellt werde, dass eine Kompensation der C0 2-Emissionen erfolge. Sie verweist insoweit u.a. auf das Kyoto-Protokoll und die Zertifizierung von Unternehmen.
30Die Beklagte behauptet, die von ihr unterstützten Aufforstungsprojekte in Südamerika führten dazu, dass das im Herst llungsprozess der Marmeladen freigesetzte C02 bilanziell kompensiert werde.
31Wegen des weiteren -Tatsachenvorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe
33Die Klage ist begründet.
341.
35Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1,5 Abs. 1 S. 2 Nr.
361 UWG zu.
371.
38Bei dem Kläger handelt es sich.um einen aktivlegitimierten Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
392.
40Die Beklagte ist ·auf der Grundlage von § 5 UWG verpflichtet,.die Bewerbung der von ihr verkauften Marmelade mit den Hinweisen „Klimaneutrales Produkt" sowie
41„Klimaneutra_ler Preis -Leistung-Klassiker " zu unterlassen . Nach der genannten Vorschrift handelt unJauter , wer. eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen · Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die anderenfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist dabei nach § 5 S. 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben über wesentliche Merkmale der Ware . enthält. Diese Voraussetzungen liegen bei den von der eklagten verwendeten Werbehinweisen vor.
42a.
43Die Hinweise sind Teil von geschäftlichen Handlungen der Beklagten. Dies gilt auch für die Verkaufsanzeige in der Lebensmittel-Zeitung, die der Absatzförderung dient.
44b.
45Bei den beanstandeten Hinweisen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind und damit irreführend.
46Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, dass sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Der Aufdruck „Klima-Neutrales Produkt" auf den einzelnen Marmeladengläsern wendet sich an die gesamte Bevölkerung, da es sich um ein Produkt des täglichen Bedarfs handelt. Soweit die Anzeige in der Lebensmittelzeitung beanstandet wird, richtet sich dieses Medium zwar primär an Gewerbetreibende. Es ist aber unstreitig, dass die Zeitschrift auch von
47Verbrauchern bezogen werden kann und bezogen wird. Folge ist, dass auch für diese geschäftliche Handlung das Verkehrsverständnis eines Verbrauchers maßgeblich ist.
48Es kommt daher auf die Wahrnehmung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an. Gehört die Richterbank - wie hier - dem angesprochenen Verkehrskreis an, können die erkennenden Richter bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses auf die eigen Sachkunde und das eigene Erfahrungswissen abstellen.
49Dies führt dazu, dass der rechtlichen Bewertung zugrunde ·zu legen ist, dass ein durchschnittlicher Endverbraucher die Angaben der Beklagten so versteht, dass die Marmelade klimaneutral hergestellt wird. Aus Sicht der Kammer versteht ein normal informierter und angemes.sen aufmerksamer Verbraucher die Angaben nicht so, dass
50das während der Herstellung des Produktes anfallende C0 -2 durch nachträgliche
51Maßnahmen kompensiert wird und damit bilanziell eine Klimaneutralität erreicht wird. Zwar kann das Konzept der Klimaneutralität durch Kompensation als ·bekannt bei einem normal informierten Verbraucher vorausgesetzt werden. Aufgrund der konkreten Formulierung der Werbeaussage stellt sich der Durchschnittsverbraucher in der konkreten Entscheidungssituation bei· der gebotenen angemessenen Aufmerksamkeit keine bilanzielle Kompensation vor, sondern bezieht di Aussage auf das konkrete Produkt und damit auf den Herstellungsprozess.
52Grundsätzlich wird die angemessene Aufmerksamkeit des Verbrauchers durch die konkrete Situation,· das jeweilige Produkt und seine Bedeutung für den Verbraucher maßgeblich bestimmt. Die Verkaufssituation ist bei den Marmeladengläsern auf schnelle Botschaften und schnelle Entscheidungen gerichtet. Der Verbraucher soll ohne langes Nachdenken entscheiden, welch.es Marmeladenglas er aus dem Verkaufsregal nimmt. In dieser Situation macht e_s aus Si ht des Unternehmers Sinn, eine Eigenschaft des Produktes, mit welcher sich dieses von anderen Produkten abhebt, schlagwortartig und blickfangartig herauszustellen. Solche Werbeaussagen beziehen sich regelmäßig auf das Produkt, z.B. die Aussage: ,,zuckerreduziert ". Dies kennt der Verbraucher von seinem bisherigen Kaufverhalten. Ein anderer Bezug der Werbeaussage im Sinne einer kompensatorischen Betrachtung würde ein längeres Nachdenken des Verbrauchers voraussetzen, was in der konkreten Situation von dem maßgeblichen Durchschnittsverbraucher nicht zu erwarten ist. Entsprechend bezieht der angemessen aufmerksame Verbraucher die Aussage der Beklagten, es handele sich um ein klimaneutrales Produkt, auf das Produkt selbst und ·hält es für eine Eigenschaft des Produktes. Dass auch die Möglichkeit besteht, dass die erwünschte Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen erreicht werden kann, wird der Durchschnittsverbraucher in der.konkreten Situation nicht in seine Überlegungen mit aufnehmen. ·
53Diese Erwägungen gelten auch für die beanstandete Zeitungsanzeige. Auch eine Werbeanzeige in einer Zeitung dient regelmäßig dazu, die Aufmerksamkeit des Lesers kurzfristig auf das angebotene Produkt zu lenken. Regelmäßig werden die Leser die Verkaufsanzeige eher beiläufig zur Kenntnis nehmen (vergleiche BGHZ 156, 250). Vor
54diesem Hintergrund ist auch bei der beanstandeten Verkaufsanzeige nicht zu erwarten, dass sich der durchschnittliche Endverbraucher Gedanken darüber macht, wie bei einer Marmeladenproduktion eine Klimaneutralität erreicht werden kann. Dabei spielt auch eine R lle, dass in die Werbeanzeige keine weiterführenden Hinweise aufgenommen sind, die dem angemessen aufmerksamen Leser einen Anstoß geben, in die Bewertung des Produktes einzubeziehen·, dass sich die Klimaneutralität nicht
55auf den Herstellungsproz ss bezieht, sondern durch kompensatorische Maßnahmen erreicht wird.
56C.
57Die objektiv· unrichtige Werbeaussage de·r Beklagten ist auch geeignet, Verbraucher zu einer ges'chäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten. Eine relevante Beeinflussung der Verbraucher ist zu bejahen. Die Hervorhebung einer bestimmten Eigenschaft des angebotenen Produktes, welche gerade nicht von den Konkurrenzprodukten geteilt wird, ist generell geeignet, das Marktverhalten von Verbrauchern zu beeinflussen.
5811
59Auch der Klageantrag zu 2 ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der eingeklagten Abmahnkosten aus § 13 Abs. 3 UWG.
60Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus§ 709
61S. 1 ZPO. .
62Gebühren treitwert: 25.000 €