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Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 9. März 2012, die aufschiebende Wirkung ihrer am 3. Februar 2012 eingereichten Beschwerde hinsichtlich Ziffer 10 der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 14. Dezember 2011 – BK 8-11/024 - anzuordnen, wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
2A.
3Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsversorgungsnetz im Ballungsgebiet A., das in zwei Netzgebiete (A. und B.) unterteilt ist. Sie ist ein gemeinsames Tochterunternehmen der C. und der D.
4Mit ihrer Beschwerde wendet die Betroffene sich gegen die Festlegung der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur vom 14. Dezember 2011, mit der diese gegenüber allen Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen Einzelheiten der „§ 19 StromNEV-Umlage in Abweichung von § 17 Abs. 8 StromNEV“ festgelegt hat. Die Betroffene war am Verwaltungsverfahren nicht förmlich beteiligt.
5Hintergrund für die Festlegung der Umlage ist die mit Wirkung vom 4. August 2011 in Kraft getretene Änderung des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV. § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV sieht vor, dass für atypisches Nutzungsverhalten in Abweichung von § 16 StromNEV individuelle Netzentgelte vereinbart werden können. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV a.F. war ein individuelles Entgelt außerdem dann anzubieten, wenn die Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle die Benutzungsstundenzahl von jährlich mindestens 7.000 Stunden erreicht und der Stromverbrauch an dieser Abnahmestelle jährlich 10 Gigawattstunden übersteigt; das zu bildende individuelle Entgelt hatte den Beitrag des Letztverbrauchers zu einer Senkung oder Vermeidung der Erhöhung der Netzkosten dieser und aller vorgelagerten Netzebenen widerzuspiegeln. Es durfte nicht weniger als 20 % des veröffentlichten Netzentgelts betragen und sollte nur genehmigt werden, wenn sich die Netzentgelte aller übrigen Nutzer dieser und aller nachgelagerten Netz- und Umspannebenen dadurch nicht wesentlich erhöhen. Nach der Neufassung des Satz 2 sollen Netznutzer grundsätzlich von den Netzentgelten befreit werden, wenn sie die Schwellenwerte einer Benutzungsstundenzahl von 7.000 Stunden und eines Stromverbrauchs von 10 Gigawattstunden an einer Abnahmestelle überschreiten. Die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts wie auch die Befreiung nach Satz 2 bedürfen der Genehmigung der Regulierungsbehörde. Mit der Befreiung werden im Wesentlichen Unternehmen großer Industriezweige begünstigt. Für das Jahr 2011 waren nach den Angaben der Bundesnetzagentur in ihrem Geschäftsbereich 281 Anträge stromintensiver Unternehmen zu verzeichnen, soweit sie Letztverbraucher auf ihren Antrag hin von Netzentgelten befreit hat, ist dies mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 erfolgt.
6Durch die Netzentgeltbefreiungen und -ermäßigungen entstehen den Verteilernetzbetreibern erhebliche Erlösausfälle. Insoweit sieht die Neufassung des § 19 Abs. 2 StromNEV in Satz 6 vor, dass die Betreiber von Übertragungsnetzen verpflichtet sind, den nachgelagerten Verteilernetzbetreibern die entgangenen Erlöse zu erstatten. In Satz 7 ist weiter geregelt, dass diese Zahlungen sowie eigene entgangene Erlöse durch Befreiungen und Ermäßigungen der Netzentgelte unter den Übertragungsnetzbetreibern über eine finanzielle Verrechnung auszugleichen sind; § 9 des KWKG findet entsprechende Anwendung.
7Durch die angegriffene Festlegung hat die Bundesnetzagentur einen Umlagemechanismus entsprechend den Vorgaben der Absätze 4 bis 7 des § 9 KWKG weiter ausgestaltet. Danach sind die Netzbetreiber u.a. verpflichtet, von allen Netzverbrauchern bzw. Lieferanten eine Umlage zu erheben und an den jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber ihrer Regelzone weiterzuleiten. Die Höhe der Umlage sollen die Netzbetreiber auf dem Preisblatt sowie auf ihrer jeweiligen Internetseite veröffentlichen. In Ziffer 10 der Festlegung hat die Beschlusskammer 8 Folgendes geregelt:
8„Die Vorgaben aus der Festlegung sind ab dem 01.01.2012 umzusetzen. Entgangene Erlöse aus dem Kalenderjahr 2011 werden nicht vom Umlagemechanismus erfasst. Für Verteilernetzbetreiber bzw. Übertragungsnetzbetreiber werden diese Sachverhalte entsprechend § 5 ARegV im Regulierungskonto berücksichtigt. Verteilernetzbetreiber können keine Mindererlöse nach § 19 Abs. 2 StromNEV für das Jahr 2011 gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern geltend machen.“
9Weder der Verordnungswortlaut noch die darauf beruhende Festlegung wurden bei der Europäischen Kommission notifiziert.
10In den Netzgebieten der Betroffenen haben – ihrem Vorbringen zufolge - . . . Letztverbraucher Netzentgeltbefreiungen beantragt, die zwischenzeitlich auch z.T. - mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011- von der Beschlusskammer 4 genehmigt worden sind. Die daraus resultierenden Befreiungen betreffen insgesamt ein Volumen . . . € und führen dazu, dass die befreiten Netzkunden die für das Jahr 2011 bereits gezahlten Netzentgelte zurückfordern können. Die Betroffene hat insoweit Beschwerden eingelegt, die bei dem Senat unter den Aktenzeichen VI-3 Kart . . . (V), . . . (V), . . . (V), . . . (V) und . . . (V) anhängig sind.
11Gegen die Festlegung hat die Betroffene form- und fristgerecht Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der Festlegung eingelegt und mit Schriftsatz vom 9. März 2012 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung in Ziffer 10 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde beantragt.
12Mit ihrer Beschwerde macht die Betroffene geltend:
13Die Festlegung der Bundesnetzagentur sei rechtswidrig, weil es bereits an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für sie selbst, aber auch für die der Festlegung zugrundeliegende Änderung der StromNEV fehle.
14§ 30 Abs. 2 Nr. 6 StromNEV ermächtige die Bundesnetzagentur schon nicht zur Festlegung einer Umlage, denn diese stelle kein Entgelt i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 6 StromNEV dar. Entgelte seien Aufwendungen des Empfängers für Arbeit, Lieferung oder sonstige Leistungen; Netzentgelte solche für den Zugang zu Elektrizitätsübertragungs- und –verteilernetzen (§ 1 StromNEV). Die verfahrensgegenständliche Umlage diene indessen nur dem Zweck, die Netzbetreiber durch Netzentgeltbefreiung bzw. –minderung entgangenen Erlöse durch Verteilung der Kosten zu refinanzieren, so dass es an einer korrespondierenden Gegenleistung fehle.
15Das Umlagesystem der Bundesnetzagentur sei aber auch deshalb rechtswidrig, weil die zugrundeliegende Änderung des § 19 Abs. 2 StromNEV nicht wirksam in die StromNEV aufgenommen worden sei. Schon für die in § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV vorgesehene vollständige Befreiung stromintensiver Nutznutzer fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 i.V.m. § 21 Abs. 1 EnWG, auch für die Einführung eines Umlagesystems enthalte das EnWG eine Ermächtigung nicht.
16Ungeachtet dessen sei der von der Bundesnetzagentur festgelegte Umlagemechanismus aber auch nicht in § 19 Abs. 2 Satz 6, 7 StromNEV vorgesehen. § 19 Abs. 2 StromNEV regele lediglich, dass die Betreiber von Übertragungsnetzen verpflichtet seien, entgangene Erlöse, die aus individuellen Netzentgelten nach Satz 1 und Befreiungen von Netzentgelten nach Satz 2 der Norm resultierten, nachgelagerten Betreibern von Elektrizitätsverteilernetzen zu erstatten. Diese Zahlungen sowie die eigenen Belastungen sollten über eine finanzielle Verrechnung untereinander ausgeglichen werden, nur insoweit solle § 9 KWKG entsprechend Anwendung finden. Für die Schaffung des Umlagesystems wäre im Übrigen auch eine gesetzliche Grundlage erforderlich, denn dies greife in die Grundrechte der Betreiber und ihrer Netzkunden ein. Das in § 37 Abs. 2 EEG und § 9 KWKG vorgesehene Umlagesystem sei dementsprechend auch durch den Gesetzgeber selbst festgeschrieben worden.
17Die Festlegung in Verbindung mit § 19 Abs. 2 StromNEV verstoße aber auch gegen das Beihilfenverbot des Art. 107 AEUV. Die in § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV normierte Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden sowie eines Stromverbrauchs von mehr als 10 GWh in Verbindung mit der angegriffenen Festlegung führe zu einer selektiven Begünstigung besonders stromintensiver Industriezweige und einer Wettbewerbsverfälschung im Verhältnis zu den Unternehmen, die die Schwellenwerte knapp unterschreiten. Im Übrigen habe die Regelung auch Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation zu vergleichbaren stromintensiven Unternehmen in anderen Mitgliedsstaaten. Die Begünstigung werde auch aus staatlichen Mitteln gewährt. Ausreichend sei es dabei, dass die Mittel ständig unter staatlicher Kontrolle und somit zur Verfügung der staatlichen zuständigen nationalen Behörden stünden.
18Für die in Ziffer 10 getroffene Regelung fehle es nicht nur an einer Ermächtigung, sie sei auch materiell rechtswidrig. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV sehe indessen nur die Erstattung der entgangenen Erlöse und nicht auch eine Abwicklung über das Regulierungskonto vor. Die Nichteinbeziehung der entgangenen Erlöse in den Umlagemechanismus widerspreche der Vorgabe des § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV, sofern überhaupt eine rückwirkende Befreiung zulässig sei. Ziffer 10 verstoße auch gegen die Systematik der Vorgaben in § 17 Abs. 8 StromNEV. Durch die Abwicklung über das Regulierungskonto würden Mindererlöse in die Netzentgelte einfließen, obwohl sie nach dem Willen des Gesetzgebers über die Umlage erstattet werden sollten. Selbst wenn die Einführung des Umlagemechanismus in 2011 nicht möglich gewesen wäre, hätte dies zu einer Sonderregelung für 2011 oder einer Befreiung erst ab dem 1. Januar 2012 führen müssen. § 10 verstoße auch gegen den Regelungszweck des § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV. In Anlehnung an einschlägige Regelungen des KWKG solle nach dem Willen des Gesetzgebers ein bundesweiter Belastungsausgleich erfolgen, um regionale Belastungen zu vermeiden. Durch die getroffene Übergangsregelung würden indessen Netzbetreiber, die überproportional von der Befreiung betroffen sind, auch überproportional betroffen, denn die für 2011 entgangenen Erlöse müssten über die Netzentgelte, also bis zum Ende der Regulierungsperiode in 2019 oder im Falle der Überschreitung der 5 %-Hürde bis 2013 aufgefangen werden. Schließlich widerspreche das durch die Festlegung für 2011 angeordnete Auseinanderfallen von Befreiung und Umlagemechanismus den verordnungsrechtlichen Vorgaben. Die Rückwirkung der Befreiung ab dem 1. Januar 2011 sei rechtswidrig, denn die Gesetzesänderung sei erst zum 04.08.2011 erfolgt. Nach dem Willen des Gesetzgebers handele es sich um ein einheitliches Gesamtkonzept, dessen Anwendung zeitgleich erfolgen müsse. Konsequenterweise hätte beides entweder mit Rückwirkung zum 1. Januar 2011 oder erst ab dem 04.08.2011 oder zum 1. Januar 2012 erfolgen müssen.
19Soweit die Betroffene die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde hinsichtlich Ziffer 10 der Festlegung begehrt, macht sie geltend, an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestünden die mit ihrer Beschwerde geltend gemachten ernstlichen Zweifel. Für Ziffer 10 fehle es offensichtlich an einer Rechtsgrundlage. Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 StromNEV sei ausdrücklich nur eine Erstattung durch die Übertragungsnetzbetreiber vorgesehen. Ziffer 10 lasse sich auch aus systematischer Sicht nicht mit den Vorgaben der StromNEV vereinbaren und verstoße gegen den damit verfolgten Regelungszweck. Durch die Abwicklung der Mindererlöse 2011 über das Regulierungskonto werde eine Vermengung zweier zu trennender Sachverhalte - Netzentgelte und Umlage - vorgenommen.
20Ihren weiteren Einwand, durch die Vollziehung der Festlegung werde auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte geschaffen, hat sie in der Senatssitzung vom 24. Oktober 2012 fallen gelassen.
21Sie beantragt,
22die aufschiebende Wirkung ihrer am 3. Februar 2012 eingereichten Beschwerde hinsichtlich Ziffer 10 der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 14. Dezember 2011 anzuordnen.
23Die Bundesnetzagentur bittet, den Antrag abzulehnen. Sie verteidigt die in Ziffer 10 angeordnete Übergangsregelung. An ihrer Rechtmäßigkeit bestünden keine ernstlichen Zweifel. Die Festlegung beruhe auf § 30 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 17 Abs. 8 StromNEV. Sie regele mit der Umlage ein „anderes Entgelt“ i.S.d. § 17 Abs. 8 StromNEV. Die Herabwälzung der entgangenen Erlöse im Wege der Umlage sei aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unterjährig für das Jahr 2011 nicht möglich gewesen.
24Die Einführung des Umlagemechanismus für das Jahr 2011 sei nicht mehr realisierbar gewesen, denn eine Anpassung der Entgelte könne gemäß § 17 Abs. 3 ARegV nur zum 1. Januar eines Jahres erfolgen. Eine an Ziffer 1 der Festlegung angelehnte Sonderregelung für das fast beendete Kalenderjahr hätte daher nicht als Umlagesystem ausgestaltet werden können. Zudem habe es auch an Prognosedaten für die Berechnung der Umlage gefehlt, die bereits Ende des Jahres 2010 hätten vorliegen müssen. Ohne die Übergangsregelung müssten die gesamten Erlösausfälle des Jahres 2011 durch individuelle Netzentgelte und Befreiungen von den Übertragungsnetzbetreibern getragen werden, ohne dass dem Einnahmen aus der Umlage gegenüber stünden.
25Die Einführung des Umlagemechanismus noch für 2011 sei aber auch aus rechtlichen Gründen wegen § 20 StromNEV ausgeschlossen. § 19 Abs. 2 Satz 8 StromNEV weise ausdrücklich auf die Verprobungsregeln des § 20 StromNEV hin, der ein kostendeckendes Entgeltsystem fordere. § 4 Abs. 3 StromNEV normiere das Geschäftsjahr als maßgeblichen Bezugszeitraum, so dass nicht mehrere Jahre zu verproben seien. Da in der Praxis das Geschäftsjahr gleich dem Kalenderjahr sei, könne die § 19 StromNEV-Umlage erstmals nach Durchführung der Verprobung für das Geschäftsjahr 2012 die Sachverhalte des Geschäftsjahres 2012 aufnehmen.
26Eine Refinanzierung der bereits verprobten Beträge des Jahres 2011 über die Umlage führe zu einer Doppelrefinanzierung und scheide auch deshalb aus. Die Betroffene verkenne insoweit, dass die entgangenen Erlöse, die aus den zuvor gültigen individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 StromNEV a.F. resultierten, bereits Ende 2010 in die Verprobung für das Jahr 2011 eingestellt und über die allgemeinen Netzentgelte im Jahr 2011 solidarisiert worden seien. Soweit sich beim späteren Abgleich mit den tatsächlichen Werten Abweichungen ergeben hätten, seien die Differenzen aufgrund der unmittelbaren Auswirkung auf das Netzentgelt über das Regulierungskonto ausgeglichen worden. Der Verweis in § 19 Abs. 2 Satz 8 StromNEV auf die Verprobung in § 20 StromNEV erfordere es, dass dieses System auch auf den Übergang für das Jahr 2011 angewendet werde. Da ein Großteil der im Zuge der Verordnungsänderung nach § 19 Abs. 2 StromNEV n.F. befreiten Netzkunden zuvor ein individuelles – und damit ein um bis zu 80 % ermäßigtes – Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 StromNEV a.F. erhalten hätten, seien die entsprechenden Beträge bereits Ende 2010 für das Jahr 2011 verprobt und mit den Jahresabrechnungen für das Jahr 2011 abgerechnet worden. Eine Refinanzierungslücke bestehe ohnehin nur für die unter die Befreiung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV n.F. fallenden Beträge, soweit sie bislang nicht von den individuellen Netzentgelten nach § 19 Abs. 2 StromNEV a.F. erfasst und damit in die allgemeinen Netzentgelte verprobt und hierüber abgerechnet worden seien. Auch im Interesse einer einheitlichen Abrechnung für die Übergangszeit sei daher am alten Mechanismus der Abrechnung über die allgemeinen Netzentgelte und – bei Prognoseabweichungen – über das Regulierungskonto festzuhalten. Bei einer Abwicklung über die Umlage müssten die bereits verprobten und über die Jahresabrechnungen für 2011 refinanzierten entgangenen Erlöse rückabgewickelt werden. Eine solche individuelle Rückabwicklung zwischen Netzbetreibern und Netzkunden zöge jedoch erhebliche Folgeprobleme nach sich, da sie sich auch auf die Abrechnung der vermiedenen Netzentgelte auswirke, die auf der Netzentgeltverprobung aufbaue. Eine geteilte Refinanzierung - der bereits verprobten entgangenen Erlöse über die allgemeinen Netzentgelte und der noch nicht verprobten entgangenen Erlöse über eine (hypothetische) Umlage - scheide schon deswegen aus, weil eine belastbare Grundlage hierfür aufgrund der aufzuteilenden Zeiträume praktisch nicht ermittelbar sei.
27Der Verordnungsgeber habe sich erst angesichts des erwarteten erhöhten Volumens der Mindererlöse durch die vollständige Befreiung von den Netzentgelten dazu entschlossen, die Kosten nicht mehr nur – wie bei § 19 Abs. 2 StromNEV a.F. – auf das jeweilige Netzgebiet, sondern auf das gesamte Bundesgebiet zu verteilen. Es zeige sich jedoch mit Blick auf die bisherige Regelung und den Verweis in § 19 Abs. 2 Satz 8 StromNEV, dass eine nur auf das Netzgebiet bezogene Umverteilung im Einklang mit der Verordnung stehe, um die nicht bereits verprobten Beträge der Befreiungen für das Jahr 2011 abzuwickeln. Betrachte man im Übrigen die Spanne zwischen einer bundesweiten Verteilung als angestrebte Lösung und einer vorläufigen Kostentragung allein durch die Übertragungsnetzbetreiber, wie es eine Umlage für das Jahr 2011 nach sich gezogen hätte, komme eine Umverteilung im Netzgebiet dem nunmehr verfolgten Ziel denkbar nahe. Es stehe daher im Einklang mit der Intention des Verordnungsgebers und der Verordnung, für die Überganszeit kurzfristig am bisher geltenden System festzuhalten. Diese Vorgehensweise erweise sich angesichts des kurzfristigen Regelungsbedarfs und der wenig praktikablen Alternativen als die einzig mögliche, zulässige und verhältnismäßige.
28Die Auffassung, Befreiungen hätten unter Umständen erst mit Wirkung ab dem Jahr 2012 genehmigt werden dürfen, trage der Rechtslage nicht hinreichend Rechnung. Sowohl der Anspruch auf Befreiung als auch der Erstattungsanspruch galten i.S.d. Intention des Verordnungsgebers unmittelbar mit Inkrafttreten der Neuregelung. Mit Inkrafttreten der Neuregelung im August 2011 sei die Situation eingetreten, dass im laufenden Abrechnungsjahr die Rahmenbedingungen für die Netzentgelte geändert wurden. Die Regelung des § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV beziehe sich grundsätzlich auf ein vollständiges Kalenderjahr, so dass die Neuregelung der Befreiung nach der Intention der Verordnung auch den Zeitraum vor Inkrafttreten der Verordnungsänderung vom 1.1.2011 bis zum 3.8.2011 umfassen müsse.
29Die beteiligten Übertragungsnetzbetreiber E., F. und G. schließen sich dem Antrag der Bundesnetzagentur an.
30Die beteiligte G. meint, gegen Ziffer 10 der Festlegung bestünden rechtliche Bedenken lediglich insoweit, als sie die Zulässigkeit der rückwirkenden Entgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV bereits zum 1.01.2011 voraussetze. Die Frage ihrer Rechtmäßigkeit sei jedoch Gegenstand weiterer Beschwerdeverfahren vor dem erkennenden Senat, in denen sie sich gegen entsprechende Befreiungen wende. Da eine Entgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV nicht rückwirkend für das Jahr 2011 gewährt werden könne, bedürfe es auch keiner Regelung zur Kompensation der aus einer solchen Befreiung resultierenden Kostenlast, so dass die Sätze 2 bis 4 des Tenors zu Ziffer 10 schon nicht erforderlich seien. Soweit allerdings die zuständigen Regulierungsbehörden bereits rückwirkende Entgeltbefreiungen - wenn auch noch nicht bestandskräftig - erteilt hätten, behalte die Übergangsregelung (zunächst) noch einen Anwendungsbereich. In Ermangelung einer rechtlichen Abhängigkeit zwischen der Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Entgeltbefreiung einerseits und des Tenors zu 10 andererseits müssten die von der Betroffenen behaupteten „ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ i.S.d. § 77 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EnWG jedoch losgelöst von der Frage der Rechtmäßigkeit rückwirkender Entgeltbefreiungen bestehen. Dabei zeige sich die Übergangsregelung jedoch nicht als derart bedenklich, dass ihre Rechtswirkung wegen ernstlicher Rechtmäßigkeitszweifel vorläufig aufgeschoben werden müsste. Die Bundesnetzagentur rechtfertige ihre Übergangsregelung mit zwei Erwägungen: zum einen betone sie, dass sie keine Neuregelung geschaffen, sondern lediglich auf das bislang geltende System verwiesen habe, zum anderem gehe sie davon aus, dass sowohl rechtliche als auch tatsächliche Umstände der Herabwälzung durch die § 19-Umlage für das Jahr 2011 entgegengestanden hätten. Dies reiche aus, um zumindest „ernstliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Entscheidungsteils zu zerstreuen. Jedenfalls könnten Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht in dem Maße festgestellt werden, dass sie als „ernstlich“ zu bezeichnen wären.
31Auch sei das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz aufgrund seines summarischen Charakters ungeeignet, die Konsequenzen einer stattgebenden Entscheidung und damit die zur Klärung aufgeworfenen Fragen im erforderlichen Umfang zu bestimmen bzw. zu beantworten. So sei unklar, wie die Übertragungsnetzbetreiber die Kosten für das Jahr 2011 nach Zahlung der Erstattungsansprüche der nachgelagerten Verteilernetzbetreiber nach § 19 Abs. 2 S. 6 StromNEV auf die übrigen Netzkunden abwälzen könnten. Bei der Entscheidung über den streitgegenständlichen Antrag sei die Frage des „ob“ einer rückwirkenden Entgeltbefreiung zumindest mittelbar zu berücksichtigen. Denn wenn der Tenor zu 10 antragsgemäß außer Vollzug gesetzt würde, müsste der Senat zugleich berücksichtigen, wie im Falle der rückwirkenden Entgeltbefreiung mit den entgangenen Erlösen auf der Ebene der Übertragungsnetzbetreiber verfahren werden solle. Abgesehen davon, dass eine entsprechende positive Anordnung die Entscheidungsbefugnisse des Senats sowohl im Rahmen des Eilverfahrens als auch im Rahmen der Anfechtungsbeschwerde in der Hauptsache überschreiten dürfte, gäbe es verschiedene mögliche Szenarien einer Systemänderung. Daran werde zugleich deutlich, dass sich sämtliche vorstehenden Probleme nicht stellen würden, wenn es zu einem Gleichlauf der Entgeltbefreiung und dem Umsetzungszeitraum ab dem 01.01.2012 käme.
32Die beteiligten F.und E. schließen sich ebenfalls dem Antrag der Bundesnetzagentur an und verteidigen die in Ziffer 10 getroffene Übergangsregelung als sachgerecht. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass nicht die Übertragungsnetzbetreiber zunächst unmittelbar zur Erstattung entgangener Erlöse für das Jahr 2011, einem Gesamtjahresfehlbetrag in Höhe von circa . . . €, verpflichtet würden, selbst aber erst mit zweijährigem Zeitverzug einen Ausgleich über die § 19 StromNEV-Umlage erhielten.
33Der Senat hat die in der angegriffenen Festlegung aufgeführten 117 Beigeladenen über das Eilverfahren und den Senatstermin informiert. Die am Eilverfahren nicht förmlich beteiligte Beigeladene zu . . ., die H., hat daraufhin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 9. Oktober 2012 Stellung genommen. Sie meint, es könne nicht isoliert betrachtet werden, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ziffer 10 bestünden. Vielmehr komme es darauf an, ob das System der § 19 StromNEV-Umlage insgesamt rechtmäßig sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, denn die Festlegung sei schon rechtswidrig, weil die zugrundeliegende Netzentgeltbefreiung in § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV gegen höherrangiges Recht und europarechtliche Vorgaben verstoße. Für § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage im Energiewirtschaftsgesetz. Außerdem verstoße die Neuregelung gegen den Grundsatz der Angemessenheit, der Verursachungsgerechtigkeit sowie das Diskriminierungsverbot in § 21 Abs. 1, Abs. 2 EnWG, gegen das staatliche Beihilfenverbot in Art 107 Abs. 1 AEUV sowie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG. Die streitgegenständliche Festlegung sei aber auch deshalb rechtswidrig, weil sie in § 30 Abs. 2 Nr. 6 StromNEV mangels Entgeltcharakter der Umlage keine ausreichende Rechtsgrundlage finde. Auch gebe es keine Rechtsgrundlage für die Wälzung, da § 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV nur auf den horizontalen Belastungsausgleich in § 9 Abs. 3 KWKG verweise.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang und das Protokoll der Senatssitzung Bezug genommen.
35B.
36Der Antrag der Betroffenen, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen Ziffer 10 der Festlegung anzuordnen, hat aus den mit den Beteiligten in der Senatssitzung erörterten Gründen keinen Erfolg.
37I.
38Der Eilantrag der Betroffenen ist zulässig.
391. Der Antrag ist insbesondere statthaft. Die Betroffene macht geltend, die Übergangsregelung in Ziffer 10 der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 14. Dezember 2011 sei rechtswidrig, da sie gegen die zwingenden Vorgaben des § 19 Abs. 2 Satz 6 und 7 StromNEV verstoße. Da die insoweit gegen die Festlegung erhobene Anfechtungsbeschwerde gemäß § 76 Abs. 1 EnWG keine aufschiebende Wirkung hat, ist das Verfahren nach § 77 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 EnWG zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.
402. Die Betroffene ist auch antragsbefugt.
41Bei einem Antrag nach § 77 Abs. 3 Satz 4 EnWG ist derjenige antragsbefugt, dem auch die Beschwerde im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache zusteht. Beschwerdeberechtigt ist nach § 75 Abs. 2 EnWG derjenige, der bereits im regulierungsbehördlichen Verfahren die Beteiligtenstellung inne hatte. In erweiternder Auslegung dieser Vorschrift ist allerdings auch die Beschwerdebefugnis eines Dritten, der nicht schon an dem Verfahren beteiligt war, zu bejahen, wenn er durch den angegriffenen Verwaltungsakt unmittelbar in seinen Rechten berührt wird, weil dieser auch ihm gegenüber eine Regelungswirkung entfaltet (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – EnVR 52/09, Rdnr. 14 „GABiGas“; Beschluss vom 11. November 2008 – EnVR 1/08, WuW/E DE-R 2535, Rdnr. 14 ff. – „citiworks“; Beschluss vom 22. Februar 2005 – KVZ 20/04, WuW/E DE-R 1544, 1545 – „Zeiss/Leica“).
42Die Betroffene ist als Verteilernetzbetreiberin Adressatin der Festlegung, die sich an alle Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen richtet (s.a. S. 18 unter II.3. der Festlegung).
432.2. Auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Betroffenen ist zu bejahen. Sie ist insbesondere durch Ziffer 10 der Festlegung formell und materiell beschwert. Sie ist Adressatin der Festlegung und wird also solche insbesondere durch die Übergangsregelung in ihren wirtschaftlichen Interessen betroffen. Danach sind ihr die Erlösausfälle, die ihr durch Befreiungen ihrer Netznutzer für das Jahr 2011 entstehen, nicht vom vorgelagerten Netzbetreiber zu erstatten, sie sind vielmehr gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 ARegV nur über das Regulierungskonto und damit erst in der folgenden Regulierungsperiode zu berücksichtigen, so dass sie die Zwischenfinanzierungslast trägt.
44II.
45In der Sache hat ihr Antrag indessen keinen Erfolg.
461. Gemäß § 77 Abs. 3 S. 4 i.V.m. Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3 EnWG ist die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen, wenn an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ernstliche Zweifel bestehen oder die Vollziehung eine unbillige Härte bedeuten würde. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung können in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht gegeben sein. Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn die Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Infolge der Eilbedürftigkeit hat das Verfahren nach § 77 Abs. 3 S. 4 EnWG nur vorläufigen Charakter; sein Prüfungsmaßstab ist summarisch. Daraus folgt, dass die abschließende Feststellung des Sachverhalts und eine Entscheidung schwieriger Rechtsfragen der im Beschwerdeverfahren zu treffenden Hauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben. Im Verfahren über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde müssen die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung und das Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung von erheblichem Gewicht sein. Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit genügt nicht, dass die Rechtslage offen ist. Vielmehr müssen die Rechtswidrigkeit der Verfügung und die dadurch bedingte Betroffenheit des Antragstellers überwiegend wahrscheinlich sein (vgl. Senat RdE 2006, 162, 163; 307).
472. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Anordnung des Suspensiveffekts nicht erfüllt.
482.1. Ziffer 10 der angegriffenen Festlegung ist einer isolierten Aufhebung nicht zugänglich, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde im Eilverfahren schon deshalb nicht in Betracht kommt.
49Ob die von einer Vielzahl von Netzbetreibern und Vertriebsunternehmen angegriffene Festlegung wirksam ist, hängt von einer Vielzahl von schwierigen und komplexen Rechtsfragen ab, deren Entscheidung dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist, weil der Prüfungsmaßstab im vorläufigen Verfahren nur summarisch ist. So wird gegen die zugrundeliegende Änderung des § 19 Abs. 2 StromNEV eingewandt, sie sei bereits nichtig, weil der Gesetzgeber mit der Änderung des § 19 Abs. 2 StromNEV die Grenzen der Verordnungsermächtigung überschritten und gegen das Diskrimierungsverbot verstoßen habe. Des Weiteren wird geltend gemacht, bei der Befreiung und der Kompensation der dadurch entstehenden Erlösausfälle durch eine Umlage handele es sich um eine rechtswidrige Beihilfe i.S.d. Art. 107 AEUV; eine Frage, die auch die Europäische Kommission nicht eindeutig hat beantworten können. Greift einer dieser Einwände durch, fehlt nicht nur der Befreiung, sondern auch der Festlegung zur Kompensation der Erlösausfälle und damit dem gesamten Umlagemechanismus schon eine Grundlage. Zweifel werden weiter auch hinsichtlich der Ermächtigung der Bundesnetzagentur angebracht, insbesondere ob sie befugt war, die hinsichtlich des Umfangs und des Inkrafttretens des überregionalen Ausgleichs unklare und lückenhafte Regelung des Gesetzgebers in der durch die Festlegung vorgenommenen Weise näher auszugestalten. Dies alles sind Fragen, welche die Wirksamkeit der gesamten Festlegung in Frage stellen können.
50Das Rechtsschutzbegehren der Betroffenen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lässt sich nicht isoliert und unabhängig davon beurteilen. Mit der angegriffenen Festlegung hat die Bundesnetzagentur die Abwicklung des – bundesweiten - Umlagemechanismus zum Ausgleich der Erlösausfälle, die Netzbetreibern u.a. durch Befreiungen nach § 19 Abs. 2 StromNEV n.F. entstehen, näher ausgestaltet. Dabei hat sie in Ziffer 10 – an Stelle des Gesetz-/Verordnungsgebers – eine Übergangsregelung getroffen, nach der die Vorgaben aus der Festlegung erst ab dem 01.01.2012 umzusetzen sind, die Netzbetreiber Mindererlöse aus dem Kalenderjahr 2011 mithin nicht gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern geltend machen können, sondern diese entsprechend § 5 ARegV nur im Regulierungskonto berücksichtigt werden. Ordnet der Senat die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die in Ziffer 10 getroffene Übergangsregelung an, so kann die Betroffene gemäß § 19 Abs. 2 Satz 6 StromNEV von dem Übertragungsnetzbetreiber die Erstattung auch der ihr in 2011 durch die Befreiung stromintensiver Netzkunden entgangenen Erlöse verlangen. Dies lässt sich jedoch nicht losgelöst von der auch von der Betroffenen aufgeworfenen Frage beurteilen, ob die vom Gesetzgeber vorgenommene Änderung des § 19 Abs. 2 StromNEV, die den gesetzlichen Erstattungsanspruch in Satz 6 beinhaltet, nichtig ist. Dies ist indessen Gegenstand des Hauptsacheverfahrens.
51Unabhängig davon lässt auch der Inhalt der Regelung ihre ersatzlose Aufhebung und damit auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht zu. Die ersatzlose Aufhebung dieser Regelung und damit auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde hätte zur Folge, dass – wie von der Betroffenen begehrt – die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 6 StromNEV auch für die entgangenen Erlöse aus dem Kalenderjahr 2011 zur Anwendung käme, der Übertragungsnetzbetreiber diese mithin zu erstatten hätte. Die aus der Sicht der Bundesnetzagentur weiter erforderliche Regelung dazu, wie diese Kosten auf die Netzkunden umgelegt und damit solidarisiert werden könnten, würde indessen fehlen. Die Festlegung im Übrigen stellt allein auf die Prognose der entgangenen Erlöse aus den Kalenderjahren 2012 ff. und deren Umsetzung in eine Umlage ab. Wie die Betroffene selbst in ihrer Antragsbegründung ausführt, bedürfte es einer „Sonderregelung zur Abwicklung für das Jahr 2011“, welche die Bundesnetzagentur „dann für die neue Festlegung der § 19 StromNEV-Umlage entwickeln müsste“. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hätte mithin nur die Verlagerung der Vorfinanzierungslast auf den Übertragungsnetzbetreiber zur Folge. Dem Willen des Gesetzgebers, keine einseitige Vorfinanzierungslast entstehen zu lassen, würde auf diese Weise nicht Rechnung getragen.
522.2. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde der Betroffenen gegen Ziffer 10 der Festlegung kommt aber auch deshalb nicht in Betracht, weil der Senat bei summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ihr zugrundeliegenden Verordnungsänderung hat.
532.2.1. Der Senat ist an einer umfassenden Prüfung der Neuregelung des § 19 Abs. 2 StromNEV und – soweit sich diese als rechtswidrig erweist – auch an der Feststellung ihrer Nichtigkeit nicht gehindert. Aus dem Umstand, dass die Änderung auf einem förmlichen Gesetz beruht, folgt nicht, dass nur das Bundesverfassungsgericht ihre Nichtigkeit gem. Art. 100 GG feststellen kann. Weder die Wahl des zutreffenden Rechtswegs noch die Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichts oder der anzuwendende Prüfungsmaßstab dürfen davon abhängen, ob Änderungen im parlamentarischen Verfahren vorgenommen werden (BVerfGE 114, 196 ff., Rdnr. 209 - „Beitragssicherungsgesetz“,; BGH, Kartellsenat, Beschluss vom 31. Januar 2012, EnVR 58/09, Rdnr. 8). § 19 Abs. 2 StromNEV ist daher als im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren geschaffenes Verordnungsrecht zu beurteilen, das von jedem damit befassten Gericht überprüft werden kann. Daraus folgt aber auch, dass der Gesetzgeber bei seiner Änderung an das Verfahren nach Art. 76 ff. GG und an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage gebunden war (BVerfGE, a.a.O., Rdnr. 193 ff.).
542.2.2. Ob der Gesetzgeber die inhaltlichen Vorgaben und Grenzen der Verordnungsermächtigung beachtet hat, begegnet bei vorläufiger Würdigung – allein - des Beschwerdevorbringens erheblichen rechtlichen Bedenken.
55Durch die Änderung des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV soll beim Vorliegen der dort genannten Schwellenwerte eine vollständige Befreiung des Letztverbrauchers von den Netzentgelten erfolgen statt des bislang vorgesehenen individuellen, bis auf 20 % reduzierten Netzentgelts. Zugleich ist in Anbetracht des Ausmaßes der dadurch bedingten Erlösausfälle des Netzbetreibers auf der Ebene der Übertragungsnetzbetreiber ein bundesweiter Ausgleich installiert worden, um mit der Befreiung einhergehende überproportionale regionale Belastungen zu vermeiden und alle übrigen Letztverbraucher gleichmäßig zu belasten. Da der befreite Netznutzer keine Gegenleistung entrichtet, zielt die Änderung auf eine generelle und vollständige Ausnahme von der zugrunde liegenden Entgeltpflicht ab. Der Gesetzgeber hat sie allein damit begründet, dass stromintensive Unternehmen aufgrund ihrer Bandlast netzstabilisierend wirken (BT-Drs. 17/6365 (S. 34)). Die an die Befreiung geknüpften Schwellenwerte und Hintergründe der Gesetzgebung sprechen indessen dafür, dass – ähnlich wie in den Regelungen des § 9 Abs. 7 KWKG und des § 41 EEG – insbesondere die Unternehmen der Papier-, Zement-, der Metall erzeugenden und der chemischen Industrie durch eine Härtefallregelung privilegiert werden sollen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten und eine strompreisbedingte Abwanderung in das Ausland zu verhindern.
56Gemäß § 24 Satz 1 Nr. 1 EnWG ist der Verordnungsgeber indessen nur ermächtigt, die Methode zur Bestimmung der Entgelte festzulegen. Dabei soll diese Methode die Vorgaben des § 21 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG umsetzen, wonach die Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang insbesondere angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein müssen. Ergänzend sieht § 24 Satz 1 Nr. 3 EnWG – klarstellend - vor, dass dabei auch im Einzelnen geregelt werden kann, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde im Einzelfall individuelle Entgelte für den Netzzugang genehmigen oder untersagen kann. Da die Methode die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung sicherzustellen hat, soll der Verordnungsgeber befugt sein, auch von einer grundsätzlich gewählten Methode abzuweichen und die Voraussetzungen für individuelle, also der Höhe nach abweichende Entgelte für die Nutzung des Netzes regeln zu können. Die Regelungsbefugnis erfasst daher nicht das „ob“, sondern nur die Methodik zur Ermittlung der Höhe der Entgelte. Davon zu unterscheiden ist die (wirtschaftspolitische) Entscheidung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen eine vollständige Befreiung möglich sein soll, die sich der Gesetzgeber ersichtlich vorbehalten wollte. So hat er etwa neu errichtete Stromspeicheranlagen auf Gesetzesebene - durch die in § 118 Abs. 6 EnWG getroffene Regelung - von den Entgelten für den Netzzugang freigestellt (BT-Drs. 16/12898, S. 20).
57Erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnungsänderung hat der Senat auch mit Blick auf die inhaltlichen Vorgaben, die vom Verordnungsgeber zu beachten sind. Nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72/EG haben die Mitgliedstaaten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilnetzen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife zu gewährleisten: die Zugangsregelung hat für alle zugelassenen Kunden zu gelten und soll nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt werden. Nach Erwägungsgrund 32 der Richtlinie ist sicherzustellen, dass die Tarife für den Netzzugang transparent und nichtdiskriminierend sind; sie sollen auf nichtdiskriminierende Weise für alle Netznutzer gelten. Das – die Vorgaben der Richtlinie 2003/54/EG umsetzende - horizontale Diskriminierungsverbot des § 21 Abs. 1 EnWG verpflichtet den Netzbetreiber ebenfalls, alle externen Netznutzer gleich zu behandeln, ihnen also gleiche Bedingungen der Netznutzung einzuräumen.
58Da Netzentgelte grundsätzlich kostenbezogen zu berechnen sind, müssen auch Preisdifferenzierungen unterschiedliche Zugangskosten widerspiegeln. Ein besonderes – und intensives - Nutzungsverhalten wird daher keine Befreiung von den Netzentgelten rechtfertigen können, sondern allenfalls eine entsprechende Reduktion, also ein individuelles Netzentgelt. Die Netzstabilität, die durch ein bestimmtes Nutzungsverhalten herbeigeführt wird, mag grundsätzlich ein zulässiges Differenzierungskriterium bei der Entgeltbildung darstellen, weil ein solches Nutzungsverhalten die Kosten des Netzes und damit auch die Entgelte der übrigen Netznutzer mindern oder senken kann. Dementsprechend kann der Verordnungsgeber dieses nur mit einer entsprechenden – verhältnismäßigen – Reduzierung, nicht aber mit einer völligen Befreiung von den Netzentgelten honorieren, die sich von jeglicher Kostenverursachungsgerechtigkeit löst.
59C.
60Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof kommt nur gegen in der Hauptsache erlassene Beschlüsse des Oberlandesgerichts in Betracht (§ 86 Abs. 1 EnWG).