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I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.01.2020 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf, Az. 12 O 10/19, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe
2A.
3Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unrechtmäßiger Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses in Anspruch.
4Die 1989 als A. B. Maschinenbau GmbH gegründete Klägerin stellt her und vertreibt u.a. vollautomatische Zentrifugen, bezüglich derer sie auch Serviceleistungen wie Inspektionsarbeiten, wiederkehrende Prüfungen, Herstellung von Ersatzteilen, Wartung und Reparatur anbietet. Die Zentrifugen sind modular aufgebaut; in der Regel handelt es sich um Einzelanfertigungen. Für jede Version der Zentrifugen erstellt die Klägerin technische Konstruktionszeichnungen, die im Rahmen der Wartung sowie bei der Herstellung von Ersatzteilen zum Einsatz kommen.
5Die Beklagte bietet ebenfalls Wartungen, wiederkehrende Prüfungen sowie ein Ersatzteilgeschäft für Zentrifugen sowie Motorengehäuse an. Ihr Geschäftsführer, Herr C., war vom 1.8.1999 bis zum 28.02.2016 Arbeitnehmer der Klägerin, zuletzt als Servicemanager. Zur Erfüllung seiner Tätigkeiten wurden ihm jedenfalls auf konkrete Anfrage von Seiten des technischen Büros der Klägerin auch CAD-Konstruktionszeichnungen zur Verfügung gestellt.
6Die Klägerin und die Beklagte bewarben sich im Frühjahr 2017 um einen Auftrag der Zuckerherstellerin D.. Dieser betraf 1987 produzierte Zentrifugen der A. Industrie Technik GmbH Werk B. E. und umfasste unter anderem die Fertigung von Ersatzteilen bzw. den Austausch der aus Trommel, Nabe und Spindel bestehenden Rotationseinheiten. Die Beklagte erhielt im April 2017 den Auftrag zum Austausch von drei Trommeln, weil sie im Vergleich zur Klägerin ein günstigeres Angebot unterbreitete und eine schnellere Lieferung der Trommeln für die Zentrifugen zusagte.
7Die Klägerin verfügt über CAD-Konstruktionszeichnungen betreffend die Trommeln (Anlagen K 17 bzw. 19). Eine mit den Anlagen K 17 und K 19 fast identische CAD-Konstruktionszeichnung (Seite 3 Anlage K 15, im Folgenden Anlage K 15) hängte die Beklagte einer E-Mail vom 11.04.2017 an, mit der sie die F. AG & Co. KGaA (im Folgenden F.) um ein Angebot für das Schweißen der drei Trommeleinheiten bat.
8Die Klägerin hat – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – erstinstanzlich behauptet, die CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 bzw. K 19 verkörperten ein ihr zustehendes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, welches die Beklagte rechtswidrig bei der Auftragsvergabe der D. genutzt habe. Nur mit Hilfe ihrer Konstruktionszeichnung, die der Geschäftsführer der Beklagten sich während seiner Tätigkeit bei ihr verschafft und sodann unbefugt an die Beklagte weitergegeben habe, sei es der Beklagten möglich gewesen, den Auftrag zu erhalten. Eine schnelle Lieferung sowie ein günstigeres Angebot hätte nur abgegeben werden können, wenn der Mitbewerber im Besitz von klägerischen Zeichnungen der Bauteile gewesen sei.
9Die Beklagte hat – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – erstinstanzlich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Klägerin bestritten. Die Klägerin sei nicht Rechtsnachfolgerin der A. Industrie Technik GmbH. Zudem gehörten die in den Konstruktionszeichnungen genannten Angaben zum Elektronenstrahlschweißen zum Stand der Technik und die genannten Fertigungsanweisungen seien – insoweit unstreitig – ihr nicht zur Kenntnis gelangt. Konstruktionszeichnungen der Klägerin seien bei dem Auftrag der D. nicht verwendet worden. Sie habe vielmehr selbst am 22.12.2016 die Maße der Trommel ohne Ausbau bei der Kundin mit einem Zollstock aufgenommen und diese Daten später durch eine genauere Vermessung nach Ausbau und Transport der Trommel zu ihr im Mai 2017 ergänzt. Aufgrund ihrer eigenen Messungen habe sie Zeichnungen zu den Bauteilen und ein Modell für die zu gießende Nabe erstellt. Die bei der D. eingesetzten Trommeln wiesen überdies – insoweit unstreitig – andere Abmessungen auf als in der CAD-Konstruktionszeichnung gem. Anlage K 15 gezeigt. Die Anlage K 15 habe im Übrigen der Mitarbeiter der F., der Zeuge G., ihrem Geschäftsführer Herrn C. bei einem Treffen am
1009.11.2016 übergeben.
11Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15.01.2020, Az. 12 O 10/19 (Bl. 4 ff. eAkte), Bezug genommen, § 540 ZPO.
12Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr technische Konstruktionszeichnungen gemäß Anlage K 15 über Ersatzteile der B.-E.-Zentrifugen zu verwerten/oder zu verwenden und/oder vorgenannte Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen sowie Auskunft zu erteilen. Darüber hinaus hat das Landgericht die Pflicht der Beklagten zum Schadenersatz festgestellt.
13Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei der Konstruktionszeichnung
14Anlage K 19 handele es sich um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 a UWG a.F. Eine Offenkundigkeit oder leichte Zugänglichkeit könne nicht festgestellt werden. Die Anlage K 19 weise die Klägerin als Inhaberin aus. Die Beklagte habe sich das Geschäftsgeheimnis unbefugt verschafft, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich die Konstruktionszeichnung während seiner Anstellung bei der Klägerin angeeignet. Die Behauptung der Beklagten, sie habe die Konstruktionszeichnung gem. Anlage K 15 von der F. erhalten, sei nicht bewiesen. Die von ihr benannten Zeugen hätten derartiges nicht bekundet. Die Beklagte sei folglich gem. §§ 6 S. 1, 4 Abs. 3 GeschGehG zur Unterlassung verpflichtet. Der Anspruch auf Auskunft finde seine Grundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GeschGehG und die Feststellung der Schadenersatzpflicht beruhe auf § 10 Abs. 1 GeschGehG. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 4 ff. eAkte) verwiesen.
15Mit ihrer gegen dieses Urteil form- und fristgereicht eingereichten Berufung begehrt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages die vollständige Klageabweisung. Das Landgericht habe insbesondere unter Verletzung des rechtlichen Gehörs fälschlicherweise ein Betriebsgeheimnis der Klägerin im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 a UWG a. F. und in Verkennung des § 286 Abs. 1 ZPO ein unbefugtes Verschaffen von Betriebsgeheimnissen festgestellt.
16Die Beklagte vertritt darüber hinaus insbesondere die Ansicht, dass sie ein (etwaiges) Geschäftsgeheimnis der Klägerin in zulässiger Weise erlangt habe. Die von ihr vorgenommenen Messungen seien als Reverse Engineering nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG (zwischenzeitlich) ausdrücklich erlaubt. Bei den Trommeln handele es sich um ein Standardersatzteil; der gegenläufige Vortrag der Klägerin sei verspätet. Abgesehen davon habe das Landgericht nicht festgestellt, dass die Klägerin angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen habe. Soweit die Beklagte nunmehr zu solchen vortrage, sei dies verspätet. Die von der Klägerin vorgetragenen Maßnahmen seien überdies unbeachtlich, widersprüchlich und kein angemessener Schutz. Sofern sich der Tatvorwurf weiterhin auf die Versendung der Anlage K 15 an die F. erstrecken sollte, könne hierin keine Verwertungshandlung gesehen werden. Die F. sei jedenfalls Geheimnisträger der vorgeblichen Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse der Klägerin rund um die Rohtrommel. Abgesehen davon werde der Tenor des angefochtenen Urteils hiervon nicht getragen. Äußerst vorsorglich und hilfsweise rüge sie einen Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Der Tenor Ziffer I des angefochtenen Urteils unterscheide sich von den Anträgen, die die Klägerin in den mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht gestellt habe.
17Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15.01.2020, Az.
1812 O 10/19 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom
2015.01.2020, Az. 12 O 10/19 zurückzuweisen.
21Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages als zutreffend. Darüber hinaus gehend ist sie der Ansicht, die von ihr bereits im Zeitpunkt der Vornahme der Verletzungshandlung ergriffenen Geheimnisschutzmaßnahmen seien angemessen gewesen und zeugten von ihrem subjektiven Geheimhaltungswillen sowie der Ernsthaftigkeit des Schutzinteresses. Der Einwand des (vermeintlichen) Reverse Engineerings gehe bereits deshalb ins Leere, weil die Beklagte die Vermessung tatsächlich gar nicht (vor unberechtigter) Nutzung der CAD-Konstruktionszeichnung durchgeführt habe.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021 verwiesen.
23B.
24Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15.01.2020 ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte – gemäß der zuletzt von der Klägerin gestellten (Haupt-)Anträge – zur Unterlassung und Auskunft verurteilt und ihre Schadenersatzpflicht festgestellt.
25I.
26Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist sowohl nach §§ 6 S. 1, 4 Abs. 3 GeschGehG als auch nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB analog i. V. m. § 17 Abs. 2 UWG a. F. begründet.
Da die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten zur Zeit seiner Vornahme rechtswidrig war und im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig ist (BGH GRUR 2020, 432 – Kulturchampignons II; BGH GRUR 2018, 1044 – Dead Island; BGH GRUR 2018, 438 – Energieausweis; BGH GRUR 2017, 922 – Komplettküchen). Die streitgegenständliche Nutzung der Anlage K 15 ist deshalb sowohl an §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB analog i. V. m. § 17 Abs. 2 UWG a. F. als auch an § 6 S. 1 i. V .m. § 4 Abs. 3 GeschGehG zu messen. Erstere boten im Zeitpunkt der Verletzungshandlung einen Unterlassungsanspruch wegen unrechtmäßiger Nutzung eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses. Letztere sind mit Inkrafttreten des GeschGehG am 26.04.2019 an deren Stelle getreten. Da die Gesetzesänderung ohne Überleitungsvorschriften während des Laufs dieses Verfahrens in Kraft getreten ist, ist die Beurteilung nach dem GeschGehG zudem wegen des Grundsatzes geboten, dass neue Gesetze auch schwebende Verfahren erfassen (BGH r+s 2017, 389; BGH NZG 2007, 675; OLG Stuttgart, GRUR-RS 2020, 35613 – Schaumstoffsysteme; LAG Düsseldorf GRUR-RS 2020, 23408 – PU-Schaum).
Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 6 S. 1, 4 Abs. 3 GeschGehG zu.
Bei den in den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 und K 19 verkörperten technischen Informationen handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG.
30Nach § 2 Nr. 1 GeschGehG ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
31Dem wirtschaftlichen Wert im Sinne von a) und den berechtigten Interessen gem. c) hat die Beklagte nicht widersprochen. Sie stellt allein das Vorhandensein eines Geschäftsgeheimnisses wegen vermeintlicher Offenkundigkeit der in den Anlagen K 17 und K 19 verkörperten Informationen und das Ergreifen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen in Abrede. Ihr Bestreiten bleibt im Ergebnis jedoch ohne Erfolg.
Gegenstand der weitestgehend identischen CAD-Konstruktionszeichnungen gemäß Anlagen K 17 und K 19 ist eine Trommel, die neben einer Nabe und einer Spindel als Bestandteil einer Rotationseinheit in eine Zentrifuge der A. Industrie Technik GmbH Werk B. E. eingebaut ist. Die Zeichnungen beinhalten Abmessungen und Angaben zur Form der Trommel und darüber hinaus Angaben zum Schweißen der Trommel, einen Vermerk zur Fertigungsfolge und Anforderungen gemäß einer Fertigungsanweisung sowie den Hinweis auf die Herstell- und Prüfgrundsätze, wobei wegen der jeweiligen Erstellungsdaten die Anlage K 17 (März 2014) insoweit auf die Grundsätze der Berufsgenossenschaft BGRCI und die Anlage K 19 (April 2011) auf diejenigen der ZBG Bezug nimmt. Die in den Konstruktionszeichnungen verkörperten Informationen stellen sich, mindestens in ihrer Gesamtheit, als Geschäftsgeheimnis dar (Vgl. zu § 17 UWG a. F.: BGH GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH GRUR 2008, 727 – Schweißmodulgenerator; BGH GRUR1983, 179 – StapelAutomat; BGH GRUR 1964, 31 – Petromax II; BGH GRUR 1958, 297 – Petromax I).
33Dass jedenfalls die in den Konstruktionszeichnungen enthaltenen Maßangaben der Trommel (grundsätzlich) als Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1a) GeschGehG in Betracht kommen, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Soweit sie sich gegen die Einordnung der in den Konstruktionszeichnungen ausdrücklich enthaltenen Angaben zum Elektronenstrahlschweißverfahren und der Fertigungsanweisungen als
34Geschäftsgeheimnis(se) wendet, verhilft ihr dies letztlich nicht zum Erfolg.
35Dass das Elektronenstrahlschweißverfahren unstreitig ein seit langem bekanntes Verfahren ist, das in EN ISO 4063:Prozess 51 normiert worden ist (Anlage TGH 24), und sich das gleichsam ausdrücklich erwähnte Erfordernis einer trockenen und fettfreien Schweißunterlage aus dem allgemeinen Wissensstand in der Metallbearbeitung, insbesondere dem Merkblatt DVS 3213 des Deutschen Verbandes für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. „Empfehlungen für das Reinigen von Nahtfugen für das Elektronenstrahlschweißverfahren“ (Anlage TGH 25), ergibt, steht der Einordnung der Konstruktionszeichnungen als Geschäftsgeheimnis ebenso wenig per se entgegen wie der Umstand, dass der Fachliteratur die Spaltvorgabe von max. 0,3 mm als Standardparameter zu entnehmen ist (Anlage TGH 26) und die Materialbeschaffenheit der zur Herstellung verwendeten hochwertigen
36Edelstahlbleche branchenbekannt ist. Zum einen ist es nicht erforderlich, dass jede in einer Konstruktionszeichnung verkörperte Information für sich allein genommen ein Geschäftsgeheimnis darstellt. Es genügt, wenn einzelne Angaben oder aber auch wenn die Konstruktionszeichnung als Ganzes bzw. solches ein Geschäftsgeheimnis darstellt. Zum anderen scheidet eine Information nicht bereits deshalb von vornherein als Geschäftsgeheimnis aus, weil sie zum Stand der Technik gehört (BGH GRUR
372008, 727 – Schweißmodulgenerator; BGH GRUR 2003, 356 –
38Präzisionsmessgeräte). Es ist nicht erforderlich, dass das Geschäftsgeheimnis „neu“,
39„erfinderisch“, „eigentümlich“, „originell“ oder Ähnliches ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 27; McGuire FS HarteBavendamm, 2020, S. 357).
40Auch der Umstand, dass es in den Konstruktionszeichnungen nur heißt: „Fertigungsfolge und Anforderungen gemaess Fertigungsanweisung“, ohne diese Anweisung näher zu erklären oder sie körperlich mit den Konstruktionszeichnungen in irgendeiner Form zu verbinden, nimmt den Konstruktionszeichnungen nicht von vornherein den Charakter eines Geschäftsgeheimnisses. Denn der Vermerk verkörpert jedenfalls die Information, dass beim Schweißen bestimmte Fertigungsanweisungen zu befolgen sind, mögen sie im Einzelnen auch nicht explizit erläutert sein.
41Die Erstellung von CAD-Konstruktionszeichnungen, in denen Maße und weitere konstruktive Angaben zur Herstellung eines Bauteils verkörpert sind, ist regelmäßig mit erheblichen Aufwand verbunden. Dies ist als solches unwidersprochen geblieben.
42Die maßstabsgetreuen Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 und K19 betreffen allerdings unstreitig (nur) die Trommel einer Zentrifuge, nicht die Zentrifuge insgesamt und/oder die komplette Rotationseinheit und/oder die Nabe und/oder die Spindel. Auch wenn infolge des unstreitigen modularen Aufbaus der Zentrifuge die verschiedenen Bauteile aufeinander abgestimmt sein müssen, um einen ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb der Zentrifuge zu gewährleisten, enthalten die streitgegenständlichen technischen Zeichnungen keine Informationen zur Geometrie, zur Abmessung oder zur Passung anderer Bestandteile der Zentrifuge.
Der in den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlage K 17 bzw. K 19 verkörperte Inhalt ist weder allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich im Sinne des § 2 Nr. 1a) GeschGehG.
44Allgemein bekannt ist eine Information, wenn sie zum gängigen Kenntnis- und Wissensstand der breiten Öffentlichkeit oder einer dem maßgeblichen Fachkreis angehörenden durchschnittlichen Person gehört. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Information der interessierten Öffentlichkeit bzw. dem maßgeblichen Fachkreis durch (Fach)Veröffentlichung, Anmeldung, Registrierung oder Ausstellung bekannt gemacht wurde (Zu § 17 UWG a. F.: BGH GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH GRUR 2012, 1048 – MOCICOL-Zulassungsantrag; BGH NJW 2006, 830; OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 137. Zum GeschGehG: Büscher/McGuire, UWG GeschGehG § 2 Rn. 27; Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus/Harte-Bavendamm GeschGehG § 2 Rn. 23 ff. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 35).
45Ohne weiteres, also leicht zugänglich sind Informationen, von denen sich jede Person bzw. die maßgeblichen Fachkreise ohne besondere Schwierigkeiten und Opfer Kenntnis verschaffen können. Die maßgebliche Tatsache muss sich ohne größeren Zeit- und Kostenaufwand erschließen und der Person damit nutzbar gemacht werden können (Zu § 17 UWG a. F.: BGH GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH GRUR 2012, 1048 – MOCICOL-Zulassungsantrag; OLG Frankfurt BeckRS
462011, 21141; OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 137; OLG Düsseldorf BeckRS 1998, 8856; BayObLG GRUR 1991, 694 – Geldspielautomat; OLG Celle GRUR 1969, 548 – Abschaltplatte. Zu § 2 GeschGehG: OLG Stuttgart GRUR-RS 2020, 35613).
47Anhaltspunkte dafür, dass die CAD-Konstruktionszeichnungen Anlage K 17 bzw. K 19 als solche in diesem Sinne allgemein bekannt oder leicht zugänglich sind, sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
48Die Beklagte behauptet (neben dem Verweis auf den Stand der Technik lediglich), die Trommel der Zentrifuge sei leicht zugänglich, so dass deren Form sichtbar und deren Maße ohne Schwierigkeiten durch schlichtes Vermessen zu ermitteln seien. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht entscheidend an. Streitgegenständlich ist der in den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 bzw. K 19 verkörperte Inhalt und der Vorwurf, dass die Beklagte diese/eine konkrete Konstruktionszeichnung (in der Anlage K 15) inhaltlich vollständig übernommen hat und mit Hilfe der Konstruktionszeichnung der D. ein günstigeres Angebot mit schnelleren Lieferzeiten der Ersatzteile unterbreiten konnte als die Klägerin. Maßgeblich ist deshalb nicht, ob die von der Beklagten hergestellten und an D. gelieferten Trommeln auch ohne die Konstruktionszeichnungen der Klägerin konstruiert werden konnten, weil die hierfür benötigten Angaben ggfs. offenkundig oder leicht zugänglich waren/sind, sondern, ob die streitgegenständlichen CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 bzw. K 19 in ihrer konkreten Erscheinungsform offenkundig und leicht zugänglich waren/sind (BGH GRUR 1958, 297 – Petromax). Derartiges ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
49In Anbetracht dessen kann dahinstehen, ob die im eingebauten Zustand nicht sichtbare Trommel der Rotationseinheit leicht zugänglich ist, weil das Gehäuse einer der ausgelieferten und bei D. befindlichen Zentrifugen – insoweit unstreitig – einfach verschraubt ist und sich seitlich öffnen lässt, so dass sich – wie die Beklagte vorträgt – mittels Zollstock die in der Konstruktionszeichnung angegebenen Maße leicht ermitteln lassen, oder ob – wie die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin behauptet – das Maßnehmen nur durch Zerlegen der Zentrifuge und Ausbau der Trommel möglich ist. Ebenso offen bleiben kann deshalb, ob ein Zerlegen – wie die Klägerin behauptet – in 23 Schritten von 2 Facharbeiter in 2-4 Tagen oder – wie die Beklagte vorträgt – in 5 Stunden in höchstens 12 Schritten geschehen müsste. Selbst wenn insoweit der Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt werden würde, könnte damit allenfalls festgestellt werden, dass die Form und die Abmessungen der Trommel leicht zugänglich gewesen sind. Hieraus ergibt sich indes nicht, dass das Erstellen der konkreten Zeichnung ohne Kosten- und Zeitaufwand erfolgen konnte und ebenso wenig, woher die Beklagte die weiteren in den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 bzw. K 19 enthaltenen Informationen zur Fertigungsanweisung und zu den Herstell- und Prüfanweisungen erlangen hätte können. Des Weiteren müssten auch noch die aus dem Stand der Technik bekannten Informationen zum Elektronikstrahlschweißen zusammengetragen und in die Konstruktionszeichnung eingepflegt werden.
Die Beklagte rügt zwar zu Recht, dass in dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen zu angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Nr. 1 c) GeschGehG enthalten sind. Die Rüge bleibt jedoch letztlich erfolglos. Die Klägerin hat den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz der in den Anlagen K 17 bzw. K 19 verkörperten geheimen Informationen getroffen.
An die unvollständige Tatsachenfeststellung des Landgerichts ist der Senat nicht gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Unter Berücksichtigung sowohl des erst- als auch des zweitinstanzlichen Vorbringens lässt sich feststellen, dass die streitgegenständlichen Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 bzw. K 19 Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen waren und sind. Soweit die Beklagte bezüglich der von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgebrachten Schutzmaßnahmen, Verspätung gem. § 531 ZPO rügt, verfängt dies nicht. Bereits deshalb, weil die insoweit behaupteten Tatsachen als solche unstreitig sind. Die Beklagte wendet sich nur gegen die Maßgeblichkeit von (einzelnen) Maßnahmen bzw. Verträgen, die erst nach dem Ausscheiden ihres Geschäftsführers bei der Klägerin 2016 ergriffen wurden, und bewertet im Übrigen die vorgetragenen Maßnahmen als nicht ausreichend, weil unangemessen. Neuer Tatsachenvortrag in der
52Berufungsinstanz, der unstreitig bleibt, ist jedoch stets zu berücksichtigen (BGH GRUR 2015, 186 – Wir zahlen Höchstpreise; BGH r+s 2015, 212; BGH NJW 2005, 291). Abgesehen davon, hat das Landgericht diesen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich gehalten, § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Welche Geheimhaltungsmaßnahmen im Einzelfall angemessen sind, bestimmt sich anhand eines objektiven Maßstabs, wobei im Blick zu halten ist, dass das Gesetz keinen „optimalen Schutz“ oder „extreme Sicherheit“ verlangt (OLG Stuttgart GRURRS 2020, 35613 – Schaumstoffsystem; LAG Düsseldorf GRUR-RS 2020, 23408 – PUSchaum; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 65; Maaßen GRUR 2019, 352; Ohly GRUR 2019, 441). Zu berücksichtigen sind insoweit insbesondere die Art des Geschäftsgeheimnisses, die konkreten Umstände der Nutzung, der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Informationen, die Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern (OLG Stuttgart GRUR-RS 2020, 35613 – Schaumstoffsystem; LAG Düsseldorf GRUR-RS 2020, 23408 – PU-Schaum).
54Da es sich bei § 2 Nr. 1c) GeschGehG um eine gegenüber § 17 Abs. 2 UWG a. F. neue bzw. zusätzliche Obliegenheit des Geschäftsgeheimnisinhabers handelt, die im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Handlung im Frühjahr 2017 noch nicht gesetzlich statuiert gewesen ist, gebietet es der Vertrauensschutz und das Verbot unzulässiger unechter Rückwirkung von Gesetzen, das Ergreifen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GeschGehG zu verlangen. Die Geheimhaltungsmaßnahmen müssen somit seit dem 26.04.2019 bis heute ununterbrochen vorliegen (OLG Stuttgart GRUR-RS 2020, 35613 – Schaumstoffsystem).
Die Klägerin hat verschiedene vertragliche, organisatorische und technische Vorkehrungen ergriffen, um die in den Anlagen K 17 bzw. K 19 verkörperten geheimen Informationen vor einem rechtswidrigen Erlangen, Nutzen oder Offenlegen zu schützen.
56Seit 2015 wird der Gebäudeschutz im klägerischen Betrieb durch Türschließungen mit Anmeldung per Sprechanlage realisiert.
57Im Zeitpunkt der Verletzungshandlung, Frühjahr 2017, unterlagen die Arbeitnehmer der Klägerin einer Geheimhaltungsvereinbarung und verpflichteten sich, auch nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin Stillschweigen zu bewahren und bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses alle betrieblichen Unterlagen, Datenträger sowie etwa angefertigten Abschriften herauszugeben. Auch mit dem Geschäftsführer der Beklagten, der vom 01.08.1999 bis zum 28.02.2016 Arbeitnehmer der Klägerin gewesen ist, zuletzt als Servicemanager, ist eine dementsprechende Geheimhaltungsverpflichtung geschlossen worden. § 11 seines Arbeitsvertrages vom 04.11.2011 (Anlage K 3) sieht die genannten Maßnahmen vor.
58Dass sich an diesen vertraglichen Verpflichtungen der Arbeitnehmer der Klägerin bis heute etwas geändert hat, ist weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Der in der Anlage HRM enthaltenen, nicht personalisiertem Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag aus dem Jahre 2019 spricht vielmehr für eine Beibehaltung.
59Für den Umgang mit firmeneigenen Smartphones hatte die Klägerin Arbeitsanweisungen entsprechend der aus dem Jahre 2011 stammenden Anlage K 6 getroffen, die u.a. Software- und App-Installationen ohne Zustimmung des Administrators verboten und die Einrichtung einer SIM-Kartensperre und eines
60Display-Passwortes vorsahen. Bei Verlust des Smartphones waren die Daten via WIPE Funktion zu löschen.
61Digitale Daten hatte die Klägerin mittels Firewall und gesicherter VPN-Leitung und Log-In-Funktion gesichert. Die Nutzung des IT-Systems der Klägerin erfordert(e) die Eingabe des individuellen Benutzernamens und eines Kennworts. Es waren verschiedene Pfade eingerichtet mit unterschiedlichen Freigaben. Insbesondere die
62Zugriffsrechte auf das CAD-System H., mit dem CAD-Konstruktionszeichnungen erstellt wurden, waren auf Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung beschränkt. Die Zeichnungen waren mithin nicht ohne weiteres zugänglich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich gelegentlich auf dem Hauptnetzwerklaufwerk der Klägerin eingescannte CAD-Konstruktionszeichnungen fanden und dass auf konkrete Anfrage CAD-Konstruktionszeichnungen an Angestellte, wie z. B. den Geschäftsführer der Beklagten herausgegeben worden. Für den Zugriff auf das Hauptnetzwerklaufwerk bedurfte es des Logins, mithin mussten der individuelle Benutzernahmen und das Kennwort eingegeben werden. Die Herausgabe der CAD-Konstruktionszeichnungen war anlassbezogen und diente der Erfüllung der jeweiligen geschäftlichen Tätigkeiten.
63Die CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 und K 19 weisen in der rechten Ecke unten die Klägerin als Erstellerin der Zeichnungen aus. Über der Adressangabe heißt es u.a. „Für diese Unterlage behalten wir uns alle Rechte vor, auch für den Fall der Patenterteilung und Gebrauchsmustereintragung. Sie darf ohne unsere vorherige schriftliche Zustimmung weder vervielfältigt noch sonst wie benutzt, noch Dritten zugänglich gemacht werden.“ Jeder, der diese Konstruktionszeichnungen in Händen hielt, wurde demzufolge (erneut) deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um Zeichnungen der Klägerin handelt, deren Verwendung oder Weitergabe an Dritte – ohne Zustimmung der Klägerin – untersagt war/ist.
64Darüber hinaus hatte die Klägerin auch mit ihren Geschäftspartnern Geheimhaltungsvereinbarungen geschlossen. Insbesondere mit der F., die für sie Trommeln gemäß der Anlagen K 17 und K 19 fertigen, hat sie am 08.08.2013 eine Verfahrensanweisung vereinbart, die u.a. eine Geheimhaltungsvereinbarung betreffend die Vorgehensweis zum Schweißen der Rohtrommel von Zentrifugen der Klägerin vorsieht und die Weitergabe an Dritte untersagt (Anlage K 9 bzw. K 21). Diese Verfahrensanweisung beinhaltet u.a. eine den Anlagen K 17 bzw. K 19 entsprechende Konstruktionszeichnung. Dass derartige Geheimhaltungsvereinbarungen mittlerweile nicht mehr existieren, ist weder behauptet noch sonst wie ersichtlich.
65Diese Schutzmaßnahmen sind ausreichend. Sie waren/sind bei objektiver Betrachtung geeignet sowie erforderlich und stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zum streitgegenständlichen Geschäftsgeheimnis.
66Die CAD-Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 und K 19 verwendet die Klägerin für die Herstellung der Trommel als ein Bestandteil der Rotoreinheit einer Zentrifuge, und zwar sowohl bei der Herstellung neuer Zentrifugen (für die Zuckerindustrie) als auch bei Reparatur, Wartung und/oder der Herstellung von Ersatzteilen für ausgelieferte Zentrifugen. Die Zeichnungen sind mithin für verschiedene Geschäftsfelder der international tätigen Klägerin, die zu den führenden Experten für industrielle Misch- und Trennungsprozesse gehört, von Relevanz. Sie befähigen sie insbesondere, Angebote für entsprechende Aufträge zügiger zu unterbreiten und eine schnellere Lieferung von Trommeln zu gewährleisten als dies ohne (bereits vorhandene) Konstruktionszeichnungen möglich ist. Das Bekanntwerden der Zeichnungen verursacht demzufolge jedenfalls kurzfristig wirtschaftliche Nachteile. Die Klägerin erleidet insoweit finanzielle Einbußen und ihre geschäftlichen Interessen werden durch einen Wettbewerber negativ beeinflusst. Vor allem ihren – auf dem Geschäftsgeheimnis fußenden – strategischen Wissensvorsprung kann sie nicht nutzen.
67Da die hier in Rede stehenden Zentrifugen aus weiteren modularen, für den Betrieb ebenso erforderlichen Bauteilen bestehen und auch die Rotationeinheit, in der sich die Trommel befindet, weitere Bauteile aufweist und die Klägerin zudem weitere Maschinen für die Zuckerindustrie und weitere Maschinen, Verfahren und Serviceprodukte für die Mischtechnik in der Chemie-, Papier-, Bitumen- und Nahrungsmittelindustrie und anderen Branchen anbietet, kann allerdings nicht festgestellt werden, dass die Klägerin durch ein Bekanntwerden der streitgegenständlichen Konstruktionszeichnung(en) in ihrer Existenz bedroht wäre und/oder dauerhaft einen nachhaltigen wirtschaftlichen, finanziellen oder geschäftlichen Schaden erleidet.
68Dem Wert bzw. der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses angemessen hat die Klägerin die dargestellten Schutzmaßnahmen ergriffen, und sich hierbei auch keineswegs auf vereinzelte Aspekte beschränkt, sondern einen Schutz mittels verschiedener Mittel und in verschiedene Richtungen in den Blick genommen. Sie hat das streitgegenständliche Geschäftsgeheimnis sowohl vertraglich wie auch organisatorisch und technisch geschützt. Die streitgegenständlichen Konstruktionszeichnungen waren/sind insbesondere im Betrieb der Klägerin nicht frei zugänglich, sondern durch verschiedene Maßnahmen gesichert. Abnehmern wurden die Konstruktionszeichnungen nicht überlassen; Geschäftspartner, die damit befasst waren/sind, unterliegen einer Geheimhaltungsvereinbarung. Dass der Klägerin angesichts dessen weitere, unternehmerisch sinnvolle Schutzmaßnahmen (zwingend) abzuverlangen waren/sind, die (noch) in einem angemessenen Verhältnis zum streitgegenständlichen Geschäftsgeheimnis stehen, ist nicht ersichtlich. Die Obliegenheit der Klägerin betrifft, wie dargetan, nicht einen „optimalen“ Schutz bzw. niemals zu überwindende Schutzmaßnahmen, sondern die Anordnung von angemessenen Geheimnisschutzmaßnahmen. Welche insoweit (noch) fehlen, erläutert die Beklagte im Übrigen nicht.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Klägerin Inhaberin des Geschäftsgeheimnisses im Sinne des § 2 Nr. 2 GeschGehG ist.
Nach § 2 Nr. 2 GeschGehG ist Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses jede natürliche oder juristische Person, die die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis hat. Rechtmäßige Kontrolle bedeutet, dass die Person nicht nur die tatsächliche bzw. faktische Dispositionsbefugnis innehat, sondern zugleich rechtmäßig die Informationsherrschaft ausübt. Ihr muss das Geheimnis – nicht nur der Informationsträger – zugeordnet sein. Sie muss zur Ausübung des Geheimnisses befugt sein (BeckOK GeschGehG/Hiéramente GeschGehG § 2 Rn. Büscher/McGuire
71UWG § 2 GeschGehG Rn. 56; Harte-Bavendamm in: Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus GeschGehG § 2 Rn. 72; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn.
7297 ff.).
73Die rechtmäßige Kontrolle kann durch eigene Generierung der Information entstehen oder abgeleitet sein, wenn das Geschäftsgeheimnis von demjenigen, der seinerseits die Kontrolle rechtmäßig innehatte wirksam durch Rechtsgeschäft oder kraft Gesetzes auf eine andere Person übergeht (BeckOK GeschGehG/Hiéramente, GeschGehG § 2
74Rn. 81; Büscher/McGuire UWG GeschGehG § 2 Rn. 55; HarteBavendamm/Ohly/Kalbfus/Harte-Bavendamm GeschGehG § 2 Rn. 76;
75Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 102, 109; Ohly GRUR 2019, 441). Rechtsnachfolger eines Geschäftsgeheimnisses wird mithin der Erwerber eines solchen, wobei der Erwerb isoliert oder mit dem Erwerb des dazugehörigen Unternehmens erfolgen kann (BGH GRUR 2006, 1044 – Kundendatenprogramm; Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus GeschGehG § 2 Rn. 77; Kalbfus/Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus GeschGehG Einl. B Rn. 94).
In Anbetracht dessen bemängelt die Beklagte zwar zu Recht, dass das Landgericht, obgleich sie die Inhaberschaft der Klägerin bestritten hat, sich allein mit der Frage befasst hat, ob die Anlage K 19 von der Klägerin stammt. Denn dies betrifft lediglich den Informationsträger und nicht das darin verkörperte Geheimnis. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG bleibt gleichwohl letztlich ohne Erfolg, da die Klägerin die rechtmäßige Kontrolle über das in der Anlage K 19 bzw. in der Anlage K 17 verkörperte Geschäftsgeheimnis hat.
77Die faktische Dispositionsbefugnis der Klägerin steht außer Streit. Sie ergibt sich überdies aus den CAD-Konstruktionszeichnungen. Die tatsächliche Kontrolle übt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin bzw. Erwerberin des Geschäftsgeheimnisses entgegen der Ansicht der Beklagten auch rechtmäßig aus.
78Der Auftrag der D. betraf Zentrifuge(n) der A. Industrietechnik GmbH Werk B. E. mit dem Baujahr 1987. Da sich die in Rede stehenden Geschäftsgeheimnisse auf die Trommel(n) dieser Zentrifuge beziehen und die Klägerin 1987 noch nicht existierte, scheidet eine originäre Inhaberschaft der Klägerin an dem Geschäftsgeheimnis aus. Die Klägerin behauptet eine solche auch nicht. Sie beruft sich vielmehr – zu Recht – auf eine abgeleitete Inhaberschaft.
79Mit notarieller Urkunde vom 30.11.1989 (Anlage K 18_1) wurde die A. B. Maschinenbau GmbH errichtet, wobei die A. Industrietechnik Gesellschaft GmbH als eine der Gesellschafter die Stammeinlage übernahm und diese durch Sacheinlage in der Weise deckte, dass sie ihren in I. gelegenen Teilbetrieb Maschinenbau nach Maßgabe des als Anlage 2 zum notariellen Protokoll genommenen Einbringungsvertrages nebst anliegender Einbringungsbilanz, Liste der Schutzrechte (Anlagen B1 und B 2) und Liste der Warenzeichen einbrachte (Anlagen K 18_1, 18_2). Nach § 7 Nr. 1 des Einbringungsvertrags waren die Parteien des Einbringungsvertrages sich darüber einig, dass „alle Rechte an technischen Erfahrungsgut (Know-how) des Teilbetriebs Maschinenbau I. der A. Industrietechnik GmbH einschließlich Benutzungsrechten, Konzessionen und ähnlichen Rechten sowie … das Eigentum bzw. Miteigentum an sämtlichen in den Anlagen B 1 und B 2 zu diesem Einbringungsvertrag aufgeführten Schutzrechtsanmeldungen und Schutzrechten … übergehen“. Bei der Errichtung der A. B. Maschinenbau GmbH sind demzufolge nicht nur die in den Listen genannten Schutzrechte übertragen worden, sondern daneben auch das Knowhow der A. Industrietechnik GmbH. Deshalb kommt es, wovon beide Parteien mittlerweile zu Recht auch ausgehen, auf die Schutzrechtsübertragungen nebst Umfang im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Bedenken gegen die Wirksamkeit des notariellen Vertrages und/oder des Einbringungsvertrages sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso wenig hat die Beklagte in Zweifel gezogen, dass das hier in Rede stehende Geschäftsgeheimnis bei der A. Industrietechnik Gesellschaft GmbH entstanden ist.
80Am 19.11.2011 wurde die A. B. Maschinenbau GmbH in K. Deutschland GmbH umbenannt (Anlage K 18_3). Am 21.11.1991 verkaufte die A. Industrietechnik GmbH 100% der Geschäftsanteile an der A. B. Maschinenbau GmbH an die K. Deutschland GmbH (Anlage K 18_4). Die K. Deutschland GmbH wurde letztlich am 26.10.1998 in die L. Technologie GmbH, die Klägerin, umfirmiert (Anlage K18_5). Angesichts dieser – unstreitigen – Vorgänge, hat die Klägerin das Geschäftsgeheimnis erworben und ist insoweit Rechtsnachfolgerin der originären Inhaberin.
Der von der Beklagten auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG gestützte Einwand, sie habe das Geschäftsgeheimnis der Klägerin in erlaubter Weise durch eigene Messungen der Trommel am 22.12.2016 im Werk der D. und im Mai 2017 nach Ausbau der Trommel und Transport zu ihrem Geschäftssitz bei ihr vor Ort erlangt, greift nicht durch.
82Die Beklagte rügt zwar zu Recht, dass die Begründung des Landgerichts das Übergehen ihres Beweisantritts nicht rechtfertigt. Auch ein möglicherweise widersprüchlicher Vortrag erlaubt es nämlich nicht, den benannten Zeugen nicht zu hören. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung Beachtung finden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots wegen vermeintlicher Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei liefe auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus und verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BGH NJW-RR 2020, 1019; BGH BeckRS 2019, 22777; BGH BeckRS 2018, 13890; BeckRS 2016, 20628; BGH NJW 2005, 2710).
83Dieser Verfahrensmangel wirkt sich indes nicht aus. Wie bereits ausgeführt, sind konkrete CAD-Konstruktionszeichnungen der Klägerin streitgegenständlich, so dass das behauptete Reverse Engineering dazu führen müsste, die Konstruktionszeichnung(en) als solche (mit all ihren Angaben) zu erstellen. Derartiges ist dem Vorbringen der Beklagten jedoch nicht zu entnehmen. Zum einen hat sie bei Zugrundelegung ihres Vortrages lediglich die Maße der zu ersetzenden Trommel in Erfahrung gebracht, nicht jedoch die Prüf- und Herstellgrundsätze und/oder die Fertigungsanweisungen und/oder die Informationen zum Elektronenstrahlschweißen. Zum anderen behauptete die Beklagte nicht mal, dass sie mit den Messungen Kenntnis von den konkreten, in den Konstruktionszeichnungen Anlagen K 17 und K 19 niedergelegten Maßen erlangt hat. Überdies weisen die von ihr hergestellten Trommeln andere Abmessungen auf als in Anlage K 15 niedergelegt. Ihre eigenen Messungen, auf deren Grundlage sie die Trommeln erstellt hat, können mithin für die Erstellung der Konstruktionszeichnung Anlage K 15 nicht genutzt worden sein. Abgesehen davon könnten lediglich Messungen vor dem 11.04.2017 von Relevanz sein, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt die CAD-Konstruktionszeichnung gem. Anlage K 15 an die F. übersandte.
Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 3 GeschGehG verstoßen. Sie hat über eine andere Person das Geschäftsgeheimnis erlangt und dieses Geschäftsgeheimnis genutzt, wobei sie im Zeitpunkt der Erlangung und Nutzung wusste, dass diese andere Person das Geschäftsgeheimnis entgegen § 4 Abs. 2 GeschGehG genutzt oder offengelegt hat.
Die Beklagte hat das Geschäftsgeheimnis gem. § 4 Abs. 3 GeschGehG genutzt.
86Nutzen bedeutet jede Verwendung des Geschäftsgeheimnisses, solange es sich nicht um eine Offenlegung handelt. Hierunter fällt insbesondere die geschäftliche oder gewerbliche Einholung oder Gestaltung eines Angebots unter Zuhilfenahme von in Plänen, Programmen, Zeichnungen, Rezepturen etc. verkörperten Geschäftsgeheimnissen zwecks Gewinnerzielung oder Kostensenkung (LG Konstanz GRUR-RS 2020, 314747; BeckOK GeschGehG/Hiéramente GeschGehG § 4 Rn. 51; Büscher/McGuire UWG § 4 GeschGehG Rn. 16 ff.; Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus GeschGehG, § 4 Rn. 27; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 4 Rn. 38). Wem gegenüber das Geschäftsgeheimnis verwendet wird, ist ohne Belang. Es kommt insbesondere, anders als bei der Offenlegung, nicht darauf an, dass der Dritte bislang keinen Zugang zu dem Geschäftsgeheimnis hatte.
87Die Beklagte war im Besitz der CAD-Konstruktionszeichnung gem. Anlage K 15 und hat diese per Mail am 11.04.2017 an die F. gesendet, um von dieser ein Angebot für das Schweißen der für die D. herzustellenden Ersatztrommeln zu erhalten. Die Anlage K15 stimmt bezüglich des in den Anlagen K 19 und K 17 verkörperten Geschäftsgeheimnisses überein, so dass die Beklagte dieses mittels der Anlage K 15 zur Einholung eines Angebots für einen Auftrag zur Herstellung von Trommeln wirtschaftlich verwendet und damit genutzt hat.
88Dass die F. als Geschäftspartnerin der Klägerin die klägerischen CADKonstruktionszeichnungen Anlagen K 17 und K 19 bereits kannte, ist, wie ausgeführt, für die Handlungsweise des Nutzens ohne Relevanz.
Die Beklagte hat das in den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlage K 19 bzw. K 17
90verkörperte Geschäftsgeheimnis gem. § 4 Abs. 3 GeschGehG erlangt. Sie war im Besitz der Anlage K 15 und hat diese versendet. Demzufolge hatte sie Kenntnis von dem Geschäftsgeheimnis, die ihr auch die faktische Verfügung darüber ermöglichte.
Es lässt sich tatrichterlich feststellen, dass der Geschäftsführer der Beklagten das Geschäftsgeheimnis entgegen § 4 Abs. 2 GeschGehG der Beklagten gegenüber offengelegt hat.
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG darf ein Geschäftsgeheimnis nicht offenlegen oder nutzen, wer gegen eine Verpflichtung zur Beschränkung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses verstößt. Hierunter fällt insbesondere die Konstellation, dass zur Geheimhaltung verpflichtete Angestellte, die während eines Angestelltenverhältnisses berechtigt Zugang zu einem Geschäftsgeheimnis erlangt haben, dieses nach Beendigung des Angestelltenverhältnisses für eigene oder fremde Zwecke nutzen (BeckOK GeschGehG/Hiéramente GeschGehG § 4 Rn. 51; Büscher/McGuire UWG § 4 GeschGehG Rn. 25; Harte-
93Bavendamm/Ohly/Kalbfus/Ohly GeschGehG § 4 Rn. 36 ff.).
94§ 11 des Arbeitsvertrages des Geschäftsführers der Beklagten (Anlage K 3) enthielt eine Geheimhaltungsverpflichtung wie unter 2) a) cc) (3) beschrieben. Auch nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin war er infolge dessen verpflichtet, Stillschweigen über – zuvor befugt erlangte – Geschäftsgeheimnisse der Klägerin zu wahren. Es war ihm deshalb verwehrt, Kenntnisse, die er während seiner Tätigkeit bei der Klägerin erworben hat, nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin zu deren Nachteil einsetzen und diese unbeschränkt zu verwenden. Erst recht durfte er Konstruktionszeichnungen nicht mitnehmen und diese fast identisch übernehmen (zu § 17 UWG a.F.: BGH GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH GRUR 2003, 356 – Präzisionsmessgeräte; BGH GRUR 1964, 31 – Petromax II).
Der Senat erachtet die Behauptung der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin, dass der Geschäftsführer der Beklagten das Geschäftsgeheimnis während seiner Zeit als ihr Servicemanager erlangt hat, als wahr, wobei der Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 ZPO den gesamten Inhalt der Verhandlung und das Ergebnis der Beweisaufnahme berücksichtigt hat.
96Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass aus dem Umstand, dass ihre Behauptung, sie habe die Anlage K 15 vom Zeugen G. erhalten, (erstinstanzlich) nicht bewiesen wurde, nicht das Gegenteil geschlossen werden kann in der Weise, dass nunmehr feststünde, dass sie die Anlage K 15 nicht vom Zeugen G. erhalten hat. Entscheidend ist jedoch folgendes: Die Beklagte war unstreitig 2017 im Besitz der Anlage K 15. Ihr Geschäftsführer war ca. 16 Jahre lang bei der Klägerin angestellt, seit 2011 als Servicemanager. Als solcher war er u.a. für die Betreuung von Bestandskunden und die Beratung hinsichtlich Fertigung, Wartung, Unterhaltung und Diagnose der Zentrifugen, deren Baugruppen sowie für den Verkauf von Instandhaltungsaufträgen zuständig, wobei die Zustandserfassung, Qualitätsprüfung von Baugruppen und kompletter Zentrifugen auch solche umfasste, die von Vorgängerfirmen der Klägerin geliefert worden sind. In seiner Funktion als
97Servicemanager hatte er zudem, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, Kenntnis von vorausgegangenen Angeboten der Klägerin an D. und er erhielt, ebenso unstreitig, auf konkrete Anfrage technische Zeichnungen zur Überprüfung von Fertigungsqualitäten von der Einkaufsabteilung oder dem technischen Büro der
98Klägerin. Auch wenn er keinen unbeschränkten Zugriff auf sämtliche CADKonstruktionszeichnungen im Hause der Klägerin und insbesondere keinen Zugriff auf das CAD-System H. hatte, so war es ihm gleichwohl prinzipiell möglich, im Rahmen seiner Tätigkeiten klägerische CAD-Konstruktionszeichnungen zu erhalten und zu verwenden. Er hat von dieser prinzipiellen Zugriffsmöglichkeit unstreitig (hinsichtlich anderer Konstruktionszeichnungen) auch Gebrauch gemacht.
99Angesichts dieser über Jahre gegebenen prinzipiellen Zugriffsmöglichkeit sowie des Umstands, dass nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin das von ihm sodann gegründete Unternehmen über eine Konstruktionszeichnung verfügt, die fast identisch mit den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlage K 17 bzw. K 19 ist, und des Umstandes, dass die Behauptung der Beklagten zum Erhalt der Anlage K 15 nicht bewiesen ist, kommt der Senat zu der Überzeugung, dass der Geschäftsführer von den Anlage K 17 bzw. K 19 während seiner Anstellung bei der Klägerin – damals ggf. befugt – Kenntnis erlangt und sie nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin gegenüber der Beklagten offen gelegt hat. Nicht erforderlich ist – wegen der genannten Umstände – die konkrete Feststellung, wann genau durch welche bestimmte Handlung und auf welche Art und Weise der Geschäftsführer der Beklagten Kenntnis von den CAD-Konstruktionszeichnungen Anlage K 17 bzw. K 19 erlangte oder er sich diese aneignete.
Ohne Erfolg rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO.
101Sie weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Klägerin in den erstinstanzlichen mündlichen Verhandlungen am 06.08.2018 und am 18.09.2019 von dem Tenor des angefochtenen Urteils abweichende Anträge gestellt hat. Dies ist indes unbeachtlich. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 07.10.2019 die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und sodann mit Beschluss vom 28.10.2019 mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet. Der vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Klageantrag entspricht dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom 22.10.2019. Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß des Landgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO auch dadurch geheilt worden, dass sich die Klägerin durch ihren Antrag, die Berufung zurückzuweisen, die Entscheidung des Landgerichts zu eigen gemacht hat (BGH GRUR-RS 2013, 12598 – Tegometall; Cepl/Voß/Cassardt, ZPO, § 524 Rn. 11).
102Schließlich wird der Tenor der angefochtenen Entscheidung auch von der festgestellten Nutzung der CAD-Konstruktionszeichnung getragen. Die durch die rechtswidrige Handlung begründete Wiederholungsgefahr ist nicht auf die Weitergabe einer CAD-Konstruktionszeichnung an die F. beschränkt.
Die festgestellte Nutzung der CAD-Konstruktionszeichnung gemäß Anlage K 15 war auch nach der im Zeitpunkt der Verletzungshandlung im Frühjahr 2017 geltenden Rechtslage rechtswidrig. Sie stellt sich als Verstoß gegen §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB analog i. V. m. § 17 Abs. 2 UWG. Bezüglich des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses sowie der fehlenden Offenkundigkeit desselben kann auf die Ausführungen unter 2) a) bb) verwiesen werden. Die Erwägungen gelten sinngemäß. Ähnliches gilt für die Verletzungshandlung des unbefugten Verschaffens und unbefugten Verwertens. Sie folgen aus den sinngemäß geltenden Ausführungen unter
1042 d) cc) (2).
105II.
106Das Landgericht hat die Beklagte wegen der unrechtmäßigen Nutzung des Geschäftsgeheimnisses schließlich zu Recht zur Auskunft verurteilt und die Schadenersatzpflicht festgestellt. Die Beklagte erinnert insoweit auch nichts Eigenständiges. Hinsichtlich der jeweiligen Anspruchsgrundlage kommt es allerdings – anders als beim Unterlassungsanspruch – auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlung an (BGH GRUR 2018, 832 – Ballerinaschuh; BGH GRUR 2016, 803 – Armbanduhr; BGH GRUR 2013, 301 – Solarinitiative; BGH WRP 2012, 450 – Treppenlift; BGH GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE).
107III.
108Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
109Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.