Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
§ 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG, § 8 Abs. 1 UWG, § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG, § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG, § 65 Abs. 1 EnWG
1. Die im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs aus § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG oder § 8 Abs. 1 S. 1 UWG gegenüber einem Dritten bestehende Wiederholungsgefahr entfällt, wenn die Bundesnetzagentur in einem energierechtlichen Aufsichtsverfahren eine bestandskräftige Untersagungsverfügung erlassen hat, und das Energieversorgungsunternehmen erklärt, dass es sich an diese Verfügung halten wird.
2. Eine Energiepreiserhöhung, die lediglich mit „operativen Gründen“ oder „außergewöhnlich stark angestiegenen Großhandelspreisen an den Energiemärkten“ begründet wird, verstößt gegen das Transparenzgebot von § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG.
3. Ein Folgenbeseitigungsantrag gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG gerichtet auf Rückzahlung des auf unzulässige Preiserhöhungen entfallenden Anteils der Zahlung an die jeweiligen Verbraucher ist nicht hinreichend bestimmt.
4. Ein Anspruch auf die Versendung von Berichtigungsschreiben kommt als Folgenbeseitigungsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG in Betracht.
5. Ein Verbraucherverband kann von dem zur Versendung eines Berichtigungsschreibens verpflichteten Unternehmer als vorbereitendem Hilfsanspruch gem. § 242 BGB Auskunft über Namen und Anschrift der von einem Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz betroffenen Verbraucher verlangen. Eine bestimmte Sortierung der Angaben schuldet der Unternehmer nicht.
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.10.2022 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung der Beklagten, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern zu unterlassen,
a) Verbrauchern, denen E-Mails oder Schreiben mit gleichem Inhalt wie in den nachstehend abgebildeten E-Mails vom 22.10.2021, beim jeweiligen Empfänger eingegangen um 19:10 Uhr hinsichtlich eines Strom- sowie um 19:45 Uhr hinsichtlich eines Gasliefervertrages, übermittelt wurden, ohne dass den Verbrauchern vor Mitteilung über die Erhöhung der Abschläge fristgerecht eine Preiserhöhung zugegangen ist, zukünftig Abschläge entsprechend der angekündigten Höhe in Rechnung zu stellen und/oder einzuziehen, wenn dies ohne deren vorherige Zustimmung für die Belieferung mit Strom und Gas erfolgt ist und soweit die Abschläge über die bisherige Höhe der Abschlagszahlungen der Verbraucher hinausgehen:
b) Verbrauchern, denen Abschlagserhöhungen, ohne dass den Verbrauchern vor Mitteilung über deren Erhöhung fristgerecht eine Preiserhöhung zugegangen ist, mit gleichem Inhalt wie im Tenor zu 1. a) dargestellt angekündigt wurden, und die der Beklagten, wie in der nachstehend abgebildeten E-Mail vom 23.10.2021 dargestellt:
unmittelbar auf diese Ankündigung Bezug nehmend geantwortet haben, ohne dabei die Beendigung des Vertragsverhältnisses zu erklären, mitzuteilen, dass die Beklagte die Sonderkündigung ihres Energieliefervertrags zum frühestmöglichen Zeitpunkt bestätigt und/oder zu erklären, die Beklagte werde die Netzabmeldung für die betroffenen Verbraucher in Auftrag geben, insbesondere, wenn dies wie in der nachstehend eingeblendeten E-Mail wiedergegeben geschieht:
c) betreffend diejenigen Verbraucher, denen seitens der Beklagten E-Mails oder Schreiben mit gleichem Inhalt wie in dem Tenor zu 1. b) wiedergegeben übermittelt wurden, für diese ohne deren vorherige Zustimmung die Netzabmeldung zu einem Zeitpunkt, der vor dem vereinbarten Vertragsende liegt, in Auftrag zu geben,
d) beabsichtigte Strompreisänderungen per E-Mail anzukündigen, ohne in der Betreffzeile deutlich hervorgehoben auf die beabsichtigte Änderung des Strompreises hinzuweisen, wenn im Betreff auch andere Informationen enthalten sind, wie geschehen mit E-Mail vom 19. August 2021 und nachfolgend abgebildet:
e) beabsichtigte Strom- und Gaspreisänderungen mit einem Schreiben anzukündigen, ohne dabei transparent und auf verständliche, nicht pauschalisierte Weise den Anlass der Preiserhöhung mitzuteilen, wie geschehen mit E-Mail vom 19. August 2021 und nachfolgend abgebildet:
und im Schreiben vom 23.09.2021:
und im Schreiben vom 08.10.2021:
f) auf beabsichtigte Strompreisänderungen mit einem Schreiben hinzuweisen, das sich nur im Online-Kundenpostfach befindet, wenn nicht zusätzlich auf transparente und verständliche Weise angekündigt wird, dass sich im Kundenpostfach eine Mitteilung befindet, die sich gerade auch auf eine Preisänderung bezieht, wie in der
nachstehend abgebildeten E-Mail vom 14. Oktober 2021 erfolgt:
g) Verbrauchern, denen eine E-Mail oder ein Schreiben mit gleichen Inhalten übermittelt wurde, wie in den Tenören zu 1. d) bis f) angeführt, für die Belieferung mit Strom und Gas Preise zu berechnen und in Rechnung zu stellen, die als Preisbestandteil die in vorgenannten E-Mails und Schreiben angekündigte Preiserhöhung enthalten, soweit keine andere Ankündigung der Preiserhöhung erfolgte.
2. Die Beklagte wird verurteilt,
a) Verbrauchern, die eine Zuschrift der Beklagten mit gleichem Inhalt wie im Tenor zu 1. d), e) oder f) dargestellt erhalten haben, ein individualisiertes Berichtigungsschreiben zu übermitteln, in dem die Beklagte Verbraucher darüber informiert, dass die zuvor mit Verbrauchern getroffene Preisvereinbarung nicht durch das Preiserhöhungsschreiben beeinträchtigt wurde, wenn Verbraucher lediglich weiter von der Beklagten Strom oder Gas (wie zutreffend) beziehen. Der Beklagten bleibt vorbehalten, dem Berichtigungsschreiben anzufügen, dass sie zu dieser Erklärung verurteilt worden ist, wobei sie das Urteil im Einzelnen bezeichnen kann;
b) der Klägerin Auskunft über Namen und Anschrift derjenigen Verbraucher zu erteilen, die eine Zuschrift der Beklagten mit gleichem Inhalt wie im Tenor zu 1. d), e) oder f) dargestellt erhalten haben. Die Auskunft hat nach Wahl der Beklagten entweder gegenüber dem Kläger oder gegenüber einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe zu erfolgen, der im Falle einer Nichteinigung der Parteien vom Präsidenten des Landgerichts Köln bestimmt wird;
c) an den Kläger 520,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.04.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel beider Parteien werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Kläger 31 % und die Beklagte 69 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich des Tenors zu 1. und 2. a) und b) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 53.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen des Tenors zu 2. c) und des auf die Beklagte entfallenden Anteils aus der Kostenentscheidung darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten im Wesentlichen um Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche im Zusammenhang mit von der Beklagten gegenüber ihren Kunden vorgenommenen Abschlags- und Preiserhöhungen für die Lieferung von Energie.
4Der Kläger ist ein Verein, der sich satzungsgemäß u.a. der Durchsetzung von Verbraucherinteressen widmet. Er ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gem. § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nr. 18 EnWG, das Verbrauchern Strom und Gas außerhalb der Grundversorgung liefert.
5Mit verschiedenen an bestimmte Kunden gerichteten E-Mails kündigte die Beklagte 2021 zunächst Preiserhöhungen für die Lieferung von Energie und später die Erhöhung der Abschlagszahlungen an.
6So wandte sich die Beklagte mit E-Mail vom 19.08.2021 mit dem Betreff „Pandemiebedingter Service und neue Servicegarantie nach Arbeitspreiserhöhung“ an Kunden und kündigte im Text nach einleitenden Ausführungen zur Energielieferung in Pandemiezeiten an, dass es „aus operativen Gründen“ erforderlich sei, einige Einstiegstarife „auf den richtigen Stand für die Folgelieferperiode zu bringen“. Es folgte die Festlegung eines neuen Arbeitspreises. Mit Schreiben vom 23.09.2021 und vom 08.10.2021 kündigte die Beklagte neue Arbeitspreise mit der Begründung „außergewöhnlich stark angestiegener Großhandelspreise an den Energiemärkten“ an. Schließlich erhielt ein Kunde von der Beklagten am 14.10.2021 eine E-Mail mit dem Betreff „Online-Kundenpostfach aktualisiert“. Im Kundenpostfach fand sich ein Schreiben der Beklagten vom 08.10.2021, mittels dessen wiederum wegen „außergewöhnlich stark angestiegener Großhandelspreise an den Energiemärkten“ eine Preiserhöhung angekündigt wurde.
7Im Rahmen von Maßnahmen zur Erhöhung der Abschlagszahlungen erhielten zwei Kunden von der Beklagten am 22.10.2021 eine E-Mail, in der nach einer einleitenden Passage zu im Rahmen der Energiekrise enorm gestiegenen Energiepreisen für Energieversorgungsunternehmen und Endverbraucher ausgeführt wird, dass „ein analytischer Revisionslauf (…) vor dem Hintergrund der gestiegenen Beschaffungskosten gezeigt [habe], dass die von Ihnen in den vergangenen Monaten geleisteten monatlichen Zahlungen nicht ausreichend [seien], um den für den Zählpunkt benötigten Energieeinkauf sicherzustellen“. Deshalb müsse der monatlich zu zahlende Abschlag jeweils ab dem 01.11.2021 auf eine bestimmte Höhe heraufgesetzt werden. Im Fall des Kunden Schulz lag ein Vertrag zugrunde, der bis zum 01.07.2022 keine Preiserhöhungen vorsah. Der Kunde Wunderlich hatte vor der E-Mail kein Preiserhöhungsverlangen erhalten. Nachdem dieser in der Folge unter Hinweis auf diesen Umstand die Beklagte um Aufklärung nachgesucht hatte, erhielt er am 26.10.2021 eine antwortende E-Mail der Beklagten, in der sie ihm eine Sonderkündigung des Energielieferungsvertrags zum frühestmöglichen Zeitpunkt am 05.11.2021 bestätigte sowie ankündigte, die Netzabmeldung zum 05.11.2021 in Auftrag zu geben.
8Die Bundesnetzagentur (im Folgenden BNetzA) leitete u.a. wegen der Abschlagserhöhungen mit E-Mails vom 22.10.2021 zwei Aufsichtsmaßnahmeverfahren (Az. BK6-21-394 und BK7-21-091) gem. § 65 Abs. 1 EnWG gegen die Beklagte ein. Mit Beschlüssen vom 07.02.2022 stellte die BNetzA fest, dass die Beklagte gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG verstoßen habe, indem sie gegenüber Haushaltskunden Voraus- und Abschlagszahlungen erhoben hat, ohne auf den Verbrauch des vorhergehenden Abschlagszeitraums oder den durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden abzustellen und die auch nicht durch rechtmäßige Preismaßnahmen gerechtfertigt sind. Dementsprechend untersagte sie der Beklagten unter Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 100.000 €, u.a. auf Basis der E-Mails vom 22.10.2021 gegenüber betroffenen Haushaltskunden Voraus- und Abschlagszahlungen zu erheben, die den genannten Anforderungen nicht entsprechen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der BNetzA auf ihrer Internetseite in der Beschlussdatenbank veröffentlichten Beschlüsse verwiesen.
9Der Kläger mahnte die Beklagte wegen der genannten Vorgänge mit Schreiben vom 12.11.2021 (Anlage K 4, Bl. 38 ff. GA-LG) und vom 15.10.2021 (Anlage K 10, Bl. 75 ff. GA-LG) ab.
10Er hat gegenüber der Beklagten im Wesentlichen Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche geltend gemacht und ist der Ansicht gewesen, die Beklagte habe durch ihr geschildertes Verhalten die verbraucherschützenden Vorschriften des § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG zur Festsetzung des Abschlags und des § 41 Abs. 5 S. 1 und 3 EnWG zu Preisänderungen verletzt. Eine Erhöhung der Abschläge aus anderen als den in § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG genannten Gründen sei nicht vorgesehen. Zudem sei dem Kunden Wunderlich infolge seiner Nachfrage eine Kündigung untergeschoben worden, die er nicht erklärt gehabt habe. Dabei handele es sich um eine aggressive geschäftliche und ebenso eine irreführende Handlung im Sinne der §§ 4a Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 7 UWG. Mit ihren Mitteilungen zu den Preisanpassungen habe die Beklagte versucht, diese zu verschleiern, statt sich den Kunden gegenüber transparent zu verhalten.
11Die Beklagte hat erwidert, hinsichtlich der Ankündigungen von Abschlagserhöhungen sei auf der Grundlage des bestandskräftigen Verbots der BNetzA zur Erhebung der Abschläge auf der Grundlage des Schreibens vom 22.10.2021 keine Wiederholungsgefahr ersichtlich. Die Bestätigung einer Sonderkündigung des Kunden O. sei versehentlich erfolgt. Im Übrigen liege insoweit kein Tatbestand des UWG vor. Die Mitteilungen zu den Preiserhöhungen seien rechtlich nicht zu beanstanden.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands insbesondere im Hinblick auf die erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
13Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Beklagte ganz überwiegend antragsgemäß verurteilt. Allerdings hat es Ansprüche des Klägers hinsichtlich der Preiserhöhungen betreffenden Schreiben vom 23.09.2021 und vom 08.10.2021 abgelehnt. Ebenso hat es die Klage wegen eines Anspruchs des Klägers auf Erstattung des auf die Preiserhöhung entfallenden Anteils an die Verbraucher, die Zahlungen vorgenommen haben, und wegen eines hilfsweise von der Beklagten an die zuvor hinsichtlich einer Preiserhöhung angeschriebenen Verbraucher zu übermittelnden Berichtigungsschreibens, dessen genauer Inhalt vorgegeben werden sollte, abgewiesen.
14Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln.
15Der Kläger beanstandet weiterhin die Schreiben der Beklagten vom 23.09.2021 und vom 08.10.2021 betreffend Preiserhöhungen als nicht dem Transparenzgebot des § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG genügend. Der Hintergrund der Preisänderungen sei zu erläutern, damit der Kunde einen Marktvergleich vornehmen und ggfls. den mit der Beklagten bestehenden Vertrag kündigen könne. Hierfür müsse die Beklagte insbesondere ihre Beschaffungsstrategie offenlegen. Der Antrag auf Rückzahlung des Erhöhungsanteils an dem von Verbrauchern gezahlten Preis sei entgegen der Ansicht des Landgerichts hinreichend bestimmt. Dabei müssten die Besonderheiten eines Folgenbeseitigungsanspruchs berücksichtigt werden. Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts soweit sie ihm günstig ist.
16Er beantragt,
17unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,
181. die Beklagte zu verpflichten, es bei Meidung eines Ordnungsgelds von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung der Beklagten, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbraucher:innen zu unterlassen,
19f. beabsichtigte Strom- und Gaspreisänderungen mit einem Schreiben anzukündigen, ohne dabei transparent und auf verständliche, nicht pauschalisierte Weise den Anlass der Preiserhöhung mitzuteilen, wie geschehen mit E-Mail vom 19.08.2021 und nachfolgend abgebildet:
20 21und im Schreiben vom 23.09.2021:
22 23und im Schreiben vom 08.10.2021:
24 252. die Beklagte weiter zu verurteilen,
26a. Verbraucher:innen, die eine Zuschrift der Beklagten mit gleichem Inhalt wie im erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1.e., f. oder g. dargestellt erhalten haben und daraufhin Zahlungen geleistet haben inklusive der in vorgenannten E-Mails und Schreiben angekündigten Preiserhöhung, den auf die Preiserhöhung entfallenden Anteil der Zahlung zu erstatten, soweit keine andere Ankündigung der Preiserhöhung erfolgte,
27und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
28Die Beklagte beantragt,
29unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,
30die Klage auch im Übrigen abzuweisen und
31die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
32Die Beklagte ist der Auffassung, § 41b Abs. 3 EnWG lasse zu, dass eine Abschlagserhöhung aufgrund vertraglicher Regelungen und § 13 Abs. 2 StromGVV und GasGVV, die auch für Sonderkundenverträge gälten, zulässig sei. Im Übrigen liege keine Wiederholungsgefahr vor. Die Preiserhöhungen seien ausreichend transparent gewesen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
34II.
35Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, aber – wie im Senatstermin mit den Parteien ausführlich erörtert – jeweils nur in geringem Umfang begründet.
36A.
37Die Berufung der Beklagten hat nur insoweit Erfolg, als ihr aufgegeben wurde, Abschlagserhöhungen anzukündigen, ohne sie nach den gesetzlichen Vorschriften zu berechnen (Klageantrag 1.a.), und soweit sie im Rahmen der Erfüllung des Auskunftsanspruchs zu den von unzulässigen Ankündigungen von Strompreiserhöhungen betroffenen Verbrauchern (Klageantrag 2.d.) eine bestimmte, ihr vorgegebene Sortierung vornehmen soll.
381.
39Der Antrag zu 1.a. des Klägers gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagten, es zu unterlassen, Abschlagserhöhungen Kunden gegenüber anzukündigen, ohne die Erhöhung nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden zu berechnen und ohne eine vorhergehende fristgerechte Preiserhöhung erklärt zu haben, wie es die Beklagte mit mehreren E-Mails vom 22.10.2021 getan hat, ist zulässig, aber unbegründet.
40a) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht der Umstand entgegen, dass die Beschlusskammern 6 und 7 der Bundesnetzagentur vor dem Hintergrund der nämlichen E-Mails vom 22.10.2021 mit bestandskräftigen Beschlüssen vom 07.02.2022 für die Gas- und Stromsparte festgestellt haben, dass die Beklagte insoweit gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG verstoßen hat und ihr untersagt haben, auf der Basis dieser Schreiben gegenüber betroffenen Haushaltskunden Voraus- und Abschlagszahlungen zu erheben, denen nicht der Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder der durchschnittliche Verbrauch vergleichbarer Kunden zugrunde gelegen hat und die auch nicht durch rechtmäßige Preismaßnahmen gerechtfertigt sind. Mit der in Ziffer 1 der Beschlüsse tenorierten Feststellung der Zuwiderhandlung qualifiziert die Bundesnetzagentur allerdings das bisherige Verhalten der Beklagten als rechtswidrig. § 65 EnWG gibt der Regulierungsbehörde die Befugnis zur Feststellung einer Zuwiderhandlung an die Hand, um so bei dem Betroffenen eine Verhaltensänderung herbeizuführen (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 27.10.2020 – EnVR 104/19, Rn. 11 ff. – Unberechtigt genutzte Lieferstellen). Eine solche Feststellung kann – wie § 65 Abs. 3 EnWG zu entnehmen ist –selbst nach Beendigung der Zuwiderhandlung ergehen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht, das insbesondere bei Wiederholungsgefahr vorliegt (BeckOK EnWG/Adam, 7. Ed. 1.6.2023, § 65 Rn. 17). Letzteres haben die Beschlusskammern 6 und 7 hier angenommen. Diese Aufsichtsmaßnahmen, die darauf abzielen, dass die Beklagte den Verstoß gegen § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG abstellt, d.h. künftig unterlässt, lassen das Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger erhobene Unterlassungsklage nicht entfallen.
41Trotz der Klage oder eines Titels eines anderen Gläubigers bleibt das Rechtsschutzbedürfnis für einen weiteren Gläubiger erhalten, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt und der weitere Gläubiger keinen Einfluss auf die Prozessführung und Vollstreckung des anderen Gläubigers hat (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 12 UWG, Rn. 1.15/1.17; § 8 UWG, Rn. 3.25). Dies gilt in wettbewerbsrechtlichen Verfahren sogar, wenn verschiedene Verbände mit gleichgerichteten Interessen die Unterlassung desselben Verhaltens von einer Partei verlangen (BGH, Urteil vom 05.01.1960 – I ZR 100/58, Rn. 26 – Zentrale). Auch verwaltungsrechtlicher Schutz schließt eine Zivilklage nicht aus (OLG Köln, Urteil vom 01.09.1994 – 18 U 27/95, Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., Vorbem. zu § 253, Rn. 18c; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 5. Aufl., Vor § 253, Rn. 95).
42b) Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
43aa) Allerdings hat das Landgericht zutreffend gesehen, dass die von der Beklagten mit E-Mails vom 22.10.2021 angekündigten Abschlagserhöhungen im Rahmen eines Strom- und eines Gasbelieferungsvertrags nicht im Einklang mit § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG und somit eines verbraucherschützenden Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG standen. Danach muss sich eine vereinbarte Abschlagszahlung nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richten. Ob etwas anderes vor dem Hintergrund gestiegener Einkaufspreise für die Beklagte angenommen werden kann, dürfte zu verneinen sein, kann aber auch dahinstehen, weil die Beklagte in den streitgegenständlichen E-Mails auf eine Strompreiserhöhung keinen Bezug nimmt.
44bb) Der Unterlassungsanspruch des Klägers scheitert aber aufgrund der beiden Beschlüsse der BNetzA an der sowohl für § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG als auch § 8 Abs. 1 S. 1 UWG erforderlichen Wiederholungsgefahr. Dabei sieht der Senat entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerten Ansicht in der Berücksichtigung der Bescheide trotz des Umstands, dass die Beklagte sich erstinstanzlich nur auf die Pressemitteilung der BNetzA vom 08.02.2022 (Bl. 143 GA) bezogen hat, keine Verletzung des Beibringungsgrundsatzes. Entscheidungen der Bundesnetzagentur werden einschließlich der Entscheidungsgründe grundsätzlich auf der Internetseite der Behörde in der dafür eingerichteten Beschlussdatenbank veröffentlicht, da ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Marktbeteiligten besteht. Auch die Beschlüsse der Beschlusskammern 6 und 7 vom 07.02.2022 sind mit Entscheidungsgründen in der Beschlussdatenbank eingestellt und damit - wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist - öffentlich zugänglich, so dass es sich um offenkundige Tatsachen im Sinne von § 291 ZPO handelt (vgl. auch BAG, Urteil vom 27.02.2020 - 8 AZR 215/19, Rn. 9 - Air Berlin zu Fallberichten des Bundeskartellamts; BGH, Beschluss vom 24.05.2023 - VII ZB 69/21, Rn. 17 ff.; Senat, Urteil vom 02.03.2023 – VI-5 U 1/22 (Kart), Rn. 120; beide zum Handelsregister; BeckOK ZPO/Bacher, 49. Edition, § 291, Rn. 5 m.w.N.). Ungeachtet dessen ist der Senat mit Blick darauf, dass es sich bei dem Kläger um eine Verbraucherschutzorganisation handelt, davon ausgegangen, dass er sich über entsprechende Verfahren, die - wie hier - Gegenstand von Pressemitteilungen der Bundesnetzagentur sind, regelmäßig informiert. Anlass dazu bestand hier umso mehr, als die Beklagte schon erstinstanzlich auf die entsprechenden Beschlüsse unter Bezugnahme auf die Pressemitteilung vom 08.02.2022 verwiesen hat und diesen zu entnehmen war, dass die Beschlusskammern 6 und 7 die nämlichen Abschlagserhöhungen zum Gegenstand ihrer Aufsichtsmaßnahmen gemacht hatten. Nachdem der Kläger indessen in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er kenne den Inhalt der Beschlüsse nicht, hat er Ausdrucke dieser und Gelegenheit erhalten, sich mit dem Inhalt vertraut zu machen und dazu Stellung zu nehmen. Damit ist ihm zu dem Inhalt der Beschlüsse rechtliches Gehör gewährt worden, so dass ihrer Verwertung nichts entgegensteht.
45In der Regel entfällt die Wiederholungsgefahr durch ein rechtskräftiges Urteil, durch das der Schuldner zur Unterlassung verurteilt wird. Dies gilt auch für die unter dem Gesichtspunkt drohender Wiederholung zu vermutende Begehungsgefahr im Verhältnis zu Dritten. Eine andere Beurteilung kann ausnahmsweise im Einzelfall angebracht sein, wenn das Verhalten des Schuldners Zweifel aufkommen lässt, dass er dem ergangenen Urteil eine den Streit regelnde Wirkung beimisst. Um solche Zweifel nicht aufkommen zu lassen, ist ein Verhalten des Schuldners erforderlich, wonach er das ergangene Urteil als eine den Streit betreffende Regelung versteht. Befindet sich der Verurteilte wegen derselben Wettbewerbshandlung mit einem Dritten in einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung, beseitigt das rechtskräftige Urteil die Wiederholungsgefahr gegenüber dem Dritten nur, wenn er sich darauf beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass das Urteil auch diesen Streit regelt (BGH, Urteil vom 19.12.2002 – I ZR 160/00, Rn. 33 ff.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 UWG, Rn. 1.57/3.25).
46Diese Grundsätze sind zur Überzeugung des Senats übertragbar auf die vorliegenden Aufsichtsmaßnahmen der BNetzA. Die BNetzA ist als Regulierungsbehörde gem. § 65 EnWG dazu berufen, Verstöße gegen das EnWG durch Energieversorgungsunternehmen zu unterbinden. Auf dieser Grundlage hat sie vor dem Hintergrund der E-Mails vom 22.10.2021 mit bestandskräftigen Beschlüssen vom 07.02.2022 für die Gas- und Stromsparte festgestellt, dass die Beklagte insoweit gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG verstoßen hat. Diese Entscheidungen sind bestandskräftig. Nicht nur hat sich die Beklagte darauf berufen. Das Veröffentlichungsportal der BNetzA bietet auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Rechtsmittelverfahren angestrengt worden ist. Gegenteiliges macht der Kläger auch mit seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.08.2023 nicht geltend.
47Die Beklagte hat sich bereits mit ihrer Klageerwiderung darauf berufen, dass aufgrund dieser bestandskräftigen Beschlüsse die Wiederholungsgefahr entfallen sei. Sie hat damit deutlich gemacht, dass sie eine gegen § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG verstoßende Geschäftspraxis nicht fortsetzen wird. Die in Ziffer 1 des Tenors beider Beschlüsse vor dem Hintergrund der Schreiben vom 22.10.2021 festgestellte Zuwiderhandlung gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG zielt – wie schon unter a) ausgeführt – darauf ab, bei der Betroffenen – der Beklagten – für die Zukunft eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Nichts anderes hat der Unterlassungsantrag des Klägers zum Ziel, der darauf gerichtet ist, dass die Beklagte es (zukünftig) unterlässt, Abschlagserhöhungen anzukündigen, ohne die Erhöhung nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden zu berechnen und ohne eine vorhergehende fristgerechte Preiserhöhung erklärt zu haben. Nach der im Wettbewerbsrecht entwickelten sogenannten Kerntheorie sind durch eine Unterlassungsverfügung alle Handlungen untersagt, die nach der Verkehrsauffassung der verbotenen gleichwertig sind. Das sind solche Handlungen, die im Kern mit der Verletzungshandlung übereinstimmen und alle weiteren Handlungen, bei denen die Abweichung den Kern der Verletzungshandlung unberührt lässt (BeckOK ZPO/Stürner, a.a.O., § 890, Rn. 13 m.w.N.). In Zivilverfahren darf aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes ein Unterlassungsantrag über die konkret beanstandete Verletzungshandlung hinaus in gewissen Grenzen verallgemeinert werden, damit die andere Partei sich dem Verbotsbereich des Titels nicht durch lediglich minimale Änderungen seines Verhaltens entziehen kann. Die „konkrete Verletzungshandlung“ begründet einen Unterlassungsanspruch, der im Kern identische Verhaltensweisen erfasst (MünchKommLauterkeitsrecht/Fritzsche, 3. Aufl., § 8 UWG, Rn. 131 f.). Nach Maßgabe dessen ist die für einen Unterlassungsanspruch des Klägers erforderliche Wiederholungsgefahr durch die Aufsichtsmaßnahmen der BNetzA weggefallen. Dass die Beklagte im Berufungsverfahren darauf abstellt, § 41b Abs. 3 EnWG lasse eine Abschlagserhöhung aufgrund vertraglicher Regelungen und aufgrund der auch für Sonderkundenverträge heranzuziehenden §§ 13 Abs. 2 Strom- und GasGVV zu, steht dieser rechtlichen Wertung nicht entgegen. Daraus folgt lediglich, dass Abschlagszahlungen mit dem Vomhundertsatz der Preisänderung entsprechend angepasst werden können, wenn sich die Allgemeinen Preise ändern. Zulässige – insbesondere auch fristgemäße – Preiserhöhungen werden indessen von den Aufsichtsmaßnahmen ebenso wenig wie von dem Unterlassungsantrag des Klägers erfasst.
482.
49Der Antrag zu 1.b., mit dem die Beklagte gehindert werden soll, erhöhte Abschläge in Rechnung zu stellen und/oder einzuziehen, es sei denn, den Kunden ist vorher eine fristgerechte Preiserhöhung zugegangen, ist zulässig und begründet.
50a) Das Rechtsschutzbedürfnis liegt trotz der bereits genannten bestandskräftigen Beschlüsse der BNetzA vom 07.02.2022 auch für den Antrag zu 1.b. aus den bereits unter 1. a) ausgeführten Gründen vor. Mit den Beschlüssen ist der Beklagten - wie oben bereits ausgeführt - vor dem Hintergrund der nämlichen Schreiben vom 22.10.2021 für die Gas- und Stromsparte unter Androhung eines Zwangsgelds untersagt worden, auf der Basis dieser Schreiben gegenüber betroffenen Haushaltskunden Voraus- und Abschlagszahlungen zu erheben, denen nicht der Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder der durchschnittliche Verbrauch vergleichbarer Kunden zugrunde gelegen hat und die auch nicht durch rechtmäßige Preismaßnahmen gerechtfertigt sind. Auch hier gilt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen weiteren Gläubiger schon deshalb erhalten bleibt, weil hier ein anderer Streitgegenstand vorliegt und im Übrigen der Kläger auch keinen Einfluss auf die Vollstreckung der bestandskräftigen Beschlüsse hat.
51b) Dem Kläger steht als qualifizierter Einrichtung nach § 4 UKlaG gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Inrechnungstellung von erhöhten Abschlägen und/oder ihrer Einziehung zu, wenn die Ankündigung wie mit den E-Mails vom 22.10.2021 erfolgt ist. Der Sache nach handelt es sich trotz der Formulierung als Unterlassungsanspruch um einen Folgenbeseitigungsanspruch. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sind trotz ihres gemeinsam verfolgten Abwehrzwecks in ihrer Zielsetzung wesensverschiedene Ansprüche, die grundsätzlich unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen und von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig sind. Der Unterlassungsanspruch zielt auf die Unterbindung zukünftiger Verletzungshandlungen, während der Beseitigungsanspruch die Abwehr einer bereits eingetretenen, aber fortwirkenden Beeinträchtigung zum Gegenstand hat (BGH, Urteil vom 14.12.2017 – I ZR 184/15, Rn. 19 – Klauselersetzung; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 UWG, Rn. 1.101). In diesem Sinne kann der Beseitigungsanspruch ein Annexanspruch zum Unterlassungsanspruch sein. Er muss umfassend sein und kann – falls erforderlich – eine Richtigstellung erfassen (vgl. hierzu Art. 2 Abs. 1 b) Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen), um dem Verbraucherschutz zur vollen Durchsetzung zu verhelfen. Insoweit hielt der Gesetzgeber eine Ergänzung des in § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG ursprünglich bis Februar 2016 ausschließlich vorgesehenen Unterlassungsanspruchs um einen Beseitigungsanspruch für erforderlich. Diese Ergänzung war notwendig, weil Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherschutzgesetze andauernde Störungen schaffen können, die sich durch ein Unterlassen allein nicht abstellen lassen (BR-Drs. 55/15, S. 19; jurisPK-BGB/Baetge, 10. Aufl., § 2 UKlaG, Rn. 48). Vor diesem Hintergrund verlangt der Kläger Beseitigung des durch die rechtswidrige Ankündigung von Abschlagserhöhungen wie mit den E-Mails vom 22.10.2021 ausgehenden Störungszustands durch ein Verbot der Inrechnungstellung der Abschläge und ihrer Einziehung.
52Voraussetzung des (Folgen-)Beseitigungsanspruchs ist indessen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr, sondern die Herbeiführung einer fortdauernden, rechtswidrigen Störung durch eine in der Vergangenheit liegende Verletzungshandlung, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 UWG, Rn. 1.109-1.111; MünchKommLauterkeitsrecht/Fritzsche, a.a.O., § 8 UWG, Rn. 185/193/197). Eine solche fortdauernde rechtswidrige Störung hat die Beklagte durch die mit E-Mails vom 22.10.2021 unter Verstoß gegen § 41b Abs. 3 S. 1 EnWG (vgl. hierzu bereits die Ausführungen unter 1. b) aa)) vorgenommene Ankündigung der Abschlagserhöhungen verursacht. Von dieser Störung geht weiterhin eine gegenwärtige Beeinträchtigung aus. Selbst die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung führt nicht zwangsläufig zu einer Beseitigung des Störungszustands. Wer verspricht, in Zukunft keine unlauteren Handlungen mehr zu begehen, gewährleistet damit nicht zwangsläufig, dass die fortdauernden Wirkungen seiner früheren Handlungen enden (MünchKommLauterkeitsrecht/Fritzsche, a.a.O., § 8 UWG, Rn. 191). Auch auf den entsprechenden Hinweis in der Senatssitzung hat die Beklagte nichts dazu vorgetragen, dass und wie sie den Störungszustand gegenüber sämtlichen betroffenen Verbrauchern beendet hat. Ihr schriftsätzliches Vorbringen beschränkt sich darauf, dass sie den beiden mit den E-Mails vom 22.10.2021 aus dem Antrag zu 1.a. angeschriebenen Kunden F. und O. keine erhöhten Abschläge in Rechnung gestellt hat und solche auch nicht eingezogen hat (Bl. 130, 209 GA).
533.
54Die Anträge zu 1.c. und d., mit denen im Wesentlichen erreicht werden soll, dass die Beklagte es unterlässt, Kunden, denen eine Abschlagserhöhung wie mit den E-Mails aus dem Antrag zu 1.a. angekündigt worden sind, und die daraufhin eine Erklärung der Anpassung des Abschlags verlangt haben, die Bestätigung einer Sonderkündigung des Energielieferungsvertrags durch diese Kunden und die kurzfristige Netzabmeldung dieser Kunden zu erklären und eine Netzabmeldung dieser Kunden in Auftrag zu geben, sind begründet.
55Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung wie beantragt gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 2, 4a Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 UWG zu. Die Beklagte hat mit ihrer E-Mail vom 26.10.2021 eine aggressive geschäftliche Handlung vorgenommen, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.
56a) Die Beklagte muss sich durch die unzutreffende und willkürliche Bestätigung einer angeblich vom Kunden erklärten Sonderkündigung nebst der Ankündigung einer daraus folgenden äußerst kurzfristigen Netzabmeldung innerhalb von neun Tagen eine Nötigung im Sinne der Vorschrift vorwerfen lassen. Der Begriff der Nötigung ist wortgleich aus Art. 8 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) übernommen und dementsprechend richtlinienkonform auszulegen. Eine Definition der Nötigung fehlt in der Richtlinie selbst und in der die Richtlinie umsetzenden Vorschrift des § 4a UWG. Die einzige Konkretisierung besteht darin, dass dazu auch die Anwendung körperlicher Gewalt gehört. Daraus und aus den in § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 5 UWG aufgeführten Indizien der „drohenden Formulierungen“ und „Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen“ ist zu schließen, dass die Anwendung psychischen Zwangs ebenfalls als Nötigung anzusehen ist. Unter Nötigung ist sonach die Anwendung körperlicher Gewalt oder psychischen Zwangs zu verstehen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 1.48; MünchKommLauterkeitsrecht/Raue, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 128-130/133).
57Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte mit ihrer E-Mail nötigend gehandelt. Zentral ist dabei, dass sie mit der unzutreffenden Behauptung, der Kunde habe eine Sonderkündigung aufgrund der Erhöhung des monatlichen Abschlags erklärt, während dieser tatsächlich nur die Begründung der Erhöhung hinterfragt hat, mit der kurzfristigen Abmeldung des Kunden vom Netz gedroht hat. Da der Kunde keine Sonderkündigung erklärt hat und somit der zwischen den Parteien bestehende Energielieferungsvertrag fortbestanden hat, bedeutete die Ankündigung der Netzabmeldung die Drohung mit einer rechtlich unzulässigen Handlung im Sinne des § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG. Die – insbesondere kurzfristige – Netzabmeldung würde für den Kunden einen nicht unerheblichen Nachteil bedeuten, müsste er sich doch entweder zügig um einen neuen Energieversorger kümmern oder auf der Grundlage des tatsächlich weiterhin bestehenden Energieversorgungsvertrags im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Beklagte vorgehen. Im Zweifel wäre ein neuer Energielieferungsvertrag im Umfeld steigender Energiepreise im Herbst 2021 zudem mit einem deutlich höheren Preis für den Kunden verbunden gewesen.
58b) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann für die Frage der Eignung der aggressiven geschäftlichen Handlung, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte, durchaus darauf abgestellt werden, der Kunde der Beklagten hätte sich infolge der E-Mail an die Beklagte gewendet, um sich mit den zuvor erhöhten Abschlägen einverstanden zu erklären. Eine Handlung im oben genannten Sinne ist geeignet, wenn sie die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers erheblich beeinträchtigen kann. Unter Entscheidungsfreiheit ist die Freiheit, eine andere als die vom Unternehmer angestrebte geschäftliche Entscheidung zu treffen, zu verstehen. Das setzt eine objektive Wahrscheinlichkeit dieser Folge voraus. Maßgebend ist die wahrscheinliche Reaktion des Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der jeweils angesprochenen Verbrauchergruppe auf die betreffende geschäftliche Handlung. Dabei ist auf den konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände abzustellen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 1.32 f).
59Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Bestätigung der Sonderkündigung und der Ankündigung der Netzabmeldung mit E-Mail vom 26.10.2021 aus zweierlei Gründen, dass die Entscheidungsfreiheit der Kunden der Beklagten beeinträchtigt werden könnte. Zum Einen sieht es der Senat mit dem Landgericht als wahrscheinlich an, dass Kunden sich infolge der Bestätigung einer objektiv nie erklärten Sonderkündigung bei der Beklagten melden und dieser mitteilen, dass sie die erhöhten Abschläge lieber akzeptieren als ein Ende des Energielieferungsvertrags und eine umgehende Abmeldung vom Netz zu gewärtigen. Da die Beklagte die Erhöhung der Abschlagszahlungen zuvor angekündigt hatte, lag es nahe, dass Kunden zur Abwendung der Folgen einer „Sonderkündigung“ sich mit den neuen Abschlagszahlungen einverstanden erklären und auch davon ausgehen würden, dass die Beklagte sich auf eine Akzeptierung höherer Abschläge einlassen würde, um sie nicht als Kunden zu verlieren. Bei dieser Einschätzung spielt es keine Rolle, dass die Kunden in dem Text der E-Mail nicht ausdrücklich alternativ zu den Folgen einer Sonderkündigung auf die Möglichkeit der Einverständniserklärung mit den erhöhten Abschlagszahlungen hingewiesen worden sind.
60Zum Anderen hat der Kläger bereits erstinstanzlich zutreffend darauf hingewiesen, dass die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers auch in dem Sinne erheblich beeinträchtigt werden sollte, dass er sich durch die Ankündigung der Netzabmeldung um einen neuen Energieversorger hätte kümmern müssen. Insbesondere angesichts der kurzen Frist bis zur Abmeldung vom Netz war es wahrscheinlich, dass der angeschriebene Kunde – würde er nicht den oben genannten Weg der Akzeptanz höherer Abschläge wählen – sich umgehend um einen neuen Energielieferanten bemühen wird.
61c) Ein Verschulden der Beklagten ist nicht erforderlich, da das UWG objektive Marktverhaltensstandards festlegt. Die Bestrafung für individuelles Fehlverhalten ist nicht beabsichtigt; dies spielt erst bei Schadensersatz- oder Gewinnabschöpfungsansprüchen eine Rolle (MünchKommLauterkeitsrecht/Raue, a.a.O., § 4a UWG, Rn. 204). Schon aus diesem Grund ist eine nähere Beschäftigung mit dem – im Übrigen nicht nachvollziehbaren – Vortrag der Beklagten, der von ihr eingesetzte Dienstleister habe versehentlich bei einigen E-Mails statt eines Kündigungsblocksatzes den streitgegenständlichen Sonderkündigungsblocksatz verwendet, nicht geboten.
62d) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert (MünchKommZPO/Micklitz/Rott, a.a.O., § 1 UKlaG, Rn. 32 m.w.N.). Sie entfällt nicht durch die Aufsichtsmaßnahmen der BNetzA vom 07.02.2022. Denn die Beklagte hat sich im vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf die Anträge zu 1.c. und d. auf den Entfall der Wiederholungsgefahr nicht berufen. Außerdem wird der diesen Anträgen zugrundeliegende streitgegenständliche Sachverhalt betreffend die Nachfrage der Kunden zur Anpassung der Abschläge und der Reaktion der Beklagten durch die Bestätigung einer Sonderkündigung von den Beschlüssen der BNetzA nicht erfasst.
634.
64Die Anträge zu 1.e. bis 1.g., mit denen der Kläger verschiedene Mitteilungen der Beklagten zu Strom- bzw. Gaspreiserhöhungen beanstandet und die Unterlassung solcher Mitteilungen verlangt, sind zulässig und begründet.
65a) Der Bestimmtheit und damit der Zulässigkeit der Anträge zu 1.f. und 1.g. steht nicht entgegen, dass der Kläger auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe („transparent“, „auf verständliche, nicht pauschalisierte Weise“, „auf transparente und verständliche Weise“ verwendet hat. Das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dient dazu, den Streitgegenstand abzugrenzen und zugleich die Grundlage für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung zu schaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, st. Rspr., Beschluss vom 10.04.2018, VIII ZR 247/17, Rn. 25). Auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe sind jedenfalls dann unzulässig, wenn der Streit – wie hier – gerade darum geht, ob das beanstandete Verhalten darunter fällt. Bei dieser Sachlage darf der fragliche Begriff in der Urteilsformel nicht verwendet werden, weil sonst der im Erkenntnisverfahren beizulegende Streit ins Vollstreckungsverfahren verlagert würde (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.1999 – I ZR 49/97, Rn. 39 – Marlene Dietrich –). Dem ist der Kläger allerdings entgangen, indem er in den Klageantrag die von ihm beanstandeten konkreten Schreiben hineingenommen hat und sie mit der Formel „wie geschehen mit …“ eingebunden hat. In dieser Form rechtfertigt der Klageantrag die Deutung, dass sich der Kläger damit lediglich gegen die konkrete Verletzungsform und gegen solche weiteren Verletzungsformen gewandt hat, die das für die konkrete Verletzungsform Charakteristische enthalten (BGH, st. Rspr., Urteil vom 09.09.2021 – I ZR 90/20, Rn. 21 f. – Influencer I – ; Urteil vom 13.09.2012 – I ZR 230/11, Rn. 25 – Biomineralwasser –; Urteil vom 11.10.1990 – I ZR 35/89, Rn. 21 – Unbestimmter Unterlassungsantrag –).
66b) Die Anträge zu 1.e. bis 1.g. haben auch in der Sache gem. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG i.V.m. § 41 Abs. 5 S. 1 und 3 EnWG Erfolg.
67aa) In § 41 Abs. 5 S. 1 und 3 EnWG hat der Gesetzgeber u.a. das Transparenzgebot bei Energiepreisveränderungen geregelt. Danach haben Energielieferanten, die sich im Vertrag das Recht vorbehalten haben, die Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, Letztverbraucher rechtzeitig, in jedem Fall vor Ablauf einer Abrechnungsperiode, auf einfache und verständliche Weise über die beabsichtigte Ausübung eines Rechts auf Änderung der Preise oder sonstiger Vertragsbedingungen und über die Rechte der Letztverbraucher zur Vertragsbeendigung zu unterrichten. Die Unterrichtung hat unmittelbar zu erfolgen sowie auf verständliche und einfache Weise unter Hinweis auf Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preisänderungen. In Umsetzung von Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/944 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt sollen damit die Verbraucherrechte und der Verbraucherschutz durch mehr Transparenz gestärkt werden (BR-Drs. 165/21, S. 145 f.). Eine Mitteilung über eine Preiserhöhung hat als solche sofort für den Kunden erkennbar zu sein. Ist sie das nicht, ist die notwendige Transparenz allenfalls dann gegeben, wenn die Preiserhöhung hervorgehoben wird (BeckOK EnWG/Schnurre, a.a.O., § 41, Rn. 23). Inhaltlich erfordert das Transparenzgebot, dass bei Preisänderungsankündigungen in übersichtlicher Form die verschiedenen Kostenfaktoren eines Gesamtpreises aufgeschlüsselt werden und diese Preisbestandteile vor und nach der Preisanpassung gegenübergestellt werden. Dies gilt für Grundversorgungsverträge (BGH, Urteil vom 06.06.2018 – VIII ZR 247/17, Rn. 62 ff.) wie auch für den – auch hier vorliegenden Fall – eines Sonderkundenvertrags (BGH, Urteile vom 21.12.2022 – VIII ZR 199/20 und VIII ZR 200/20, Rn. 19/24 ff. zu der gleichlautenden Regelung des § 43 Abs. 3 S. 2 EnWG a.F.). Dem unionsrechtlich als berechtigt anerkannten Interesse eines Energieversorgers an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung, mithin an der Möglichkeit, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben, ohne den Vertrag kündigen zu müssen, steht das ebenso berechtigte - und gleichfalls unionsrechtlich anerkannte - Interesse des Kunden gegenüber, die Folgen, die eine solche Änderung für ihn in der Zukunft haben könnte, zu erkennen und über die Angaben zu verfügen, die es ihm erlauben, in der geeignetsten Weise auf seine neue Situation zu reagieren. Damit der Kunde in einer solchen Situation sein ihm gem. § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG eingeräumtes Sonderkündigungsrecht ausüben und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen kann, muss der Kunde rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.
68bb) Diesen Grundsätzen entspricht die vom Kläger mit seinem Antrag zu 1.e. gerügte Betreffzeile der E-Mail der Beklagten vom 19.08.2021 nicht, so dass er einen Anspruch hat auf Unterlassung von E-Mails, die Strompreisänderungen ankündigen, ohne in der Betreffzeile deutlich hervorgehoben auf die beabsichtigte Änderung des Strompreises hinzuweisen, wenn im Betreff auch andere Informationen enthalten sind. Statt ihren Kunden schon im Betreff deutlich vor Augen zu führen, dass die E-Mail die Ankündigung einer Preiserhöhung enthält, und damit die Preiserhöhung in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken, lässt die Beklagte die Betreffzeile mit einem ganz anderen Thema, das mit „Pandemiebedingter Service“ benannt wird, gefolgt von dem Hinweis „neue Servicegarantie nach Arbeitspreiserhöhung“, beginnen. Gerade dieser Hinweis leitet den Verbraucher wiederum fehl, da er den Eindruck erweckt, die Arbeitspreiserhöhung habe bereits zuvor stattgefunden, während sie tatsächlich im Text dieser E-Mail angekündigt wird. Auch der Text der E-Mail beschäftigt sich im ersten Absatz mit der Servicequalität der Dienste der Beklagten, bevor überhaupt auf die Preisänderung, die für die Kunden den wichtigsten Teil der E-Mail darstellen dürfte, eingegangen wird. Dabei wird die Preisänderung zum Ausgleich auch nicht optisch hervorgehoben durch Fettdruck, Einrücken des Textes oder ähnliche Textmarkierungen. Ob – wie das Landgericht meint – tagtäglich Spam-Mails bei Verbrauchern ankommen und ob die Betreffzeile der streitgegenständlichen E-Mail tatsächlich – je nach verwendetem Gerät – nur teilweise lesbar ist, ist vor diesem Hintergrund letztlich unerheblich. Auch wenn man die Betreffzeile der E-Mail gänzlich lesen kann, wird in ihr das Transparenzgebot missachtend verschleiert, dass eine Preiserhöhung angekündigt werden soll.
69Die Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert.
70cc) Auch die im Antrag zu 1.f. aufgeführte E-Mail der Beklagten vom 19.08.2021 entspricht nicht dem Transparenzgebot – wie im Übrigen auch die Schreiben vom 23.09.2021 und 08.10.2021, vgl. hierzu die Ausführungen zur Berufung des Klägers nachfolgend unter B. 1. –. Insoweit verlangt der Kläger von der Beklagten die Unterlassung von Mitteilungen, in denen der Anlass für eine Preiserhöhung nicht entsprechend den Anforderungen von § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG dargestellt worden ist.
71Schon der pauschale Hinweis auf „operative Gründe“ in der E-Mail vom 19.08.2021 genügt dem unter aa) geschilderten Informationsbedürfnis der Verbraucher zum Anlass einer Preiserhöhung nicht, damit diese in die Lage versetzt werden, eine sachorientierte Entscheidung zu ihrem weiteren Vorgehen zu treffen.
72Darüber hinaus hat die Beklagte in der E-Mail nur den alten und den neuen Gesamtpreis genannt, statt eine Aufschlüsselung in diejenigen Preisbestandteile vorzunehmen, die nach dem Vertrag Bestandteil des Gesamtpreises sind. Nur damit wird der Kunde aber in die Lage versetzt, anbieterübergreifende Preisvergleiche vorzunehmen. Für den Kunden ist es im Falle einer angekündigten Preiserhöhung von wesentlicher Bedeutung, bereits anhand der Unterrichtung beurteilen zu können, ob der angekündigte höhere Gesamtpreis auf der Veränderung eines von seinem Energieversorger beeinflussbaren Preisbestandteils beruht und deshalb die Einholung eines Vergleichsangebots eines Wettbewerbers zur Prüfung eines Versorgerwechsels sinnvoll ist oder ob die Änderung des Gesamtpreises auf der Erhöhung einer gesetzlich festgelegten - und deshalb sowohl vom bisherigen Energieversorger als auch von den Wettbewerbern nicht beeinflussbaren - Preiskomponente beruht. In dem zuletzt genannten Fall wird der Anreiz für den Kunden, seinen Energielieferanten zu wechseln, geringer sein (BGH, Urteile vom 21.12.2022, a.a.O., Rn. 37 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2022 – I-26 W 6/22, Rn. 20 f.).
73Auch wenn der Kläger im Rechtsstreit die unterbliebene Aufschlüsselung der Preise nicht ausdrücklich beanstandet hat, sondern mehr auf den pauschalen Begriff „operative Gründe“ als Erklärung für die Preiserhöhung abgestellt hat, geht der Senat über den vom Kläger gestellten Antrag, der eine nicht pauschalierte Weise, den Anlass der Preiserhöhung mitzuteilen, fordert, nicht hinaus. Anhand der aufgeschlüsselten Gesamtpreise vor und nach der Erhöhung kann der Verbraucher einerseits den Umfang der Erhöhung einzelner Preisbestandteile im Sinne von § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG erkennen. Andererseits lässt sich aus der Veränderung der einzelnen Preisbestandteile – beispielsweise der im Gesamtpreis enthaltenen öffentlichen Abgaben – auch der Anlass der Preiserhöhung im Sinne der Vorschrift ablesen.
74Die Wiederholungsgefahr wird wiederum durch die Erstbegehung indiziert.
75dd) Schließlich ist der Antrag zu 1.g., der darauf abzielt, es der Beklagten zu verbieten, mit einem Schreiben auf beabsichtigte Strompreisänderungen hinzuweisen, das sich nur in einem Online-Kundenpostfach befindet, ohne dass dies transparent und verständlich angekündigt wird, begründet. Zur Begründung kann zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.
76Die Wiederholungsgefahr besteht.
775.
78Der Antrag zu 1.h. gerichtet auf die Unterbindung der Rechnungstellung der mit den streitgegenständlichen Schreiben aus den Anträgen zu 1.e.-g. angekündigten Preiserhöhungen ist gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG als Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. hierzu bereits die Ausführungen unter 2. b)) begründet. Die Beklagte hat durch die bereits erörterten Preiserhöhungsmaßnahmen eine fortdauernde, rechtswidrige Störung geschaffen; auf eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an. Die Verletzungshandlung ist zwar abgeschlossen, von ihr gehen aber noch gegenwärtige Beeinträchtigungen für die Empfänger der Nachrichten aus. Die Beklagte hat auch hier nichts dazu vorgetragen, dass und ggfls. wie sie diese abgestellt hat.
796.
80Das Landgericht hat der Beklagten auf den Antrag zu 2.c. des Klägers im Wesentlichen aufgegeben, von Zuschriften wie unter 1. e), f) und g) des Tenors betroffenen Verbrauchern ein individualisiertes Berichtigungsschreiben mit der Information zu übermitteln, dass die ursprünglich getroffene Preisvereinbarung nicht durch das Preiserhöhungsschreiben beeinträchtigt worden sei. Ein solcher Anspruch auf die Versendung von Berichtigungsschreiben kommt als Folgenbeseitigungsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG in Betracht. Dies gilt gerade auch im Lichte des Art. 13 Abs. 3 S. 1 der Verbandsklagenrichtlinie (EU) 2020/1828, der für ab dem 25.06.2023 erhobene Verbandsklagen eine Unterrichtung der betroffenen Verbraucher über rechtskräftige Unterlassungs- und Abhilfeentscheidungen durch den Unternehmer vorsieht. Voraussetzung für den Folgenbeseitigungsanspruch ist ein fortdauernder widerrechtlicher Störungszustand, der wie bereits ausgeführt hier vorliegt, sowie die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Vornahme einer nach den Umständen verhältnismäßigen Beseitigungshandlung (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2017 – I ZR 184/15, Rn. 25/52 – Klauselersetzung; Urteil vom 31.03.2021 – IV ZR 221/19, Rn. 55; OLG Köln, Urteil vom 08.04.2022 – I-6 U 86/21, Rn. 31 ff./68; jurisPK-BGB/Baetge, a.a.O., § 2 UKlaG, Rn. 49/51). Ein durch die Beklagte zu versendendes, individualisiertes Berichtigungsschreiben, in dem sie die betroffenen Verbraucher schlicht darüber zu informieren hat, dass die von ihr auf rechtswidrige Art und Weise vorgenommene Preiserhöhung keine Rechtswirkungen entfaltet, ist der Beklagten zumutbar. Es handelt sich geradezu um das Mindeste, was von der Beklagten im Rahmen ihrer Kundenbeziehungen erwartet werden kann. Der Auffassung der Beklagten, der tenorierte Anspruch sei zu weitgehend, weil sie auch Verbraucher bei bereits erfolgter Lösung des Problems anschreiben müsse, kann sich der Senat nicht anschließen. Es handelt sich um einen theoretischen Einwand, beruft sich die Beklagte doch nicht einmal darauf, auch nur einen betroffenen Kunden bislang informiert zu haben.
817.
82Der Kläger kann des Weiteren als vorbereitendem Hilfsanspruch zum Folgenbeseitigungsanspruch auf Versendung von Berichtigungsschreiben gem. § 242 BGB von der Beklagten Auskunft über Namen und Anschrift der von den Zuschriften wie zu den Anträgen 1.e. bis g. betroffenen Verbraucher verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2017 – I ZR 184/15, Rn. 70 – Klauselersetzung ). Da der Kläger als Gläubiger des Folgenbeseitigungsanspruchs keine Kenntnis von sämtlichen von den Preiserhöhungen betroffenen Verbrauchern hat, er im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes aber ggfls. seinen Anspruch auf Versendung von Berichtigungsschreiben gegen die Beklagte vollstrecken muss, benötigt er die geforderten Angaben, um die Erfüllung des Anspruchs kontrollieren zu können (OLG Köln, a.a.O., Rn. 68; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 UWG, Rn. 1.108c; MünchKommZPO/Micklitz/Rott, a.a.O., § 2 UKlaG, Rn. 70; jurisPK-BGB/Baetge, a.a.O., § 2 UKlaG, Rn. 51). Damit müssen etwaige Geschäftsgeheimnisse der Beklagten zwangsläufig im Interesse des vom Kläger verfolgten Verbraucherschutzes offengelegt werden. Der Einwand der Beklagten, die vom Landgericht tenorierten Alternativen zur Auskunftserteilung dahin, dass nach Wahl der Beklagten die Auskunft entweder dem Kläger oder einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe zu erteilen ist, seien zu unbestimmt, trägt nicht. Das Landgericht musste der Beklagten gar kein Wahlrecht einräumen, weil der Kläger als Verbraucherschutzverband im Interesse der Verbraucher klagt und deshalb berechtigt ist, die benötigten Informationen zu den betroffenen Verbrauchern zu erhalten. Sie ist durch das Wahlrecht nicht beschwert, da sie die Auskünfte an den Kläger erteilen kann.
83Allerdings hält es der Senat mit dem Oberlandesgericht Köln (a.a.O., Rn. 70) für nicht gerechtfertigt, der Beklagten eine bestimmte Sortierung ihrer Auskunft vorzuschreiben. Beim wettbewerblichen Folgenbeseitigungsanspruch gilt der Grundsatz, dass es dem Schuldner überlassen bleiben muss, wie er den Störungszustand beseitigt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 1.115 ff.; ). Dies greift auch für den Folgenbeseitigungsanspruch aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2017, a.a.O.). Ob die noch zu erteilende Auskunft der Beklagten geeignet ist, das berechtigte Informationsinteresse des Klägers zu befriedigen, ist gegebenenfalls im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären.
848.
85Soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung einer Abmahnpauschale von insgesamt 520 € nebst Zinsen verurteilt hat, ist die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten bereits unzulässig. Denn ihr Berufungsantrag umfasst zwar die Abweisung der Klage auch wegen der Abmahnpauschale, allerdings hat sie es versäumt, diesen Antrag auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO).
86B.
87Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
881.
89Ihm steht entgegen der Ansicht des Landgerichts betreffend seinen Antrag zu 1.f. ein Unterlassungsanspruch auch hinsichtlich der Ankündigung von Preiserhöhungen wie mit Schreiben vom 23.09.2021 und 08.10.2021 gem. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG i.V.m. § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG zu.
90Das Landgericht hat die Formulierung der Beklagten in den Schreiben vom 23.09.2021 und vom 08.10.2021 dahin, dass die Preiserhöhung aufgrund von „außergewöhnlich stark angestiegenen Großhandelspreisen an den Energiemärkten“ erforderlich sei, für eine hinreichende Beschreibung des Anlasses für die Preiserhöhung gehalten. Soweit die Berufungsbegründung des Klägers im Wesentlichen darauf abstellt, dass die Beklagte zusätzlich zu außergewöhnlich stark angestiegenen Beschaffungspreisen an den Energiemärkten ihre Beschaffungsstrategie im Sinne der Nutzung von Spotmarktpreisen oder einer langfristigen Preisplanung offenlegen müsse, damit der Kunde feststellen könne, ob sich ein Wechsel zu einem anderen Energieversorger lohne, ist dies nicht überzeugend. Diese Informationen braucht der Kunde nicht und sie bringen ihn letztlich auch nicht weiter, da er die Beschaffungsstrategien der anderen Energieversorger am Markt nicht kennt, er sie somit auch nicht mit derjenigen der Beklagten vergleichen kann. Letztlich muss der Kunde konkrete Konkurrenzangebote einholen und auf deren Grundlage beurteilen, ob andere Anbieter am Markt günstiger sind als die Beklagte. Abgesehen davon dürfte der Einwand der Beklagten, dass sie zur Offenlegung solcher – für ihre Position im Wettbewerb mit anderen Unternehmen entscheidenden – Hintergrundinformationen, die zu ihren Geschäftsgeheimnissen gehören dürften, gegenüber Kunden nicht verpflichtet ist, zutreffend sein.
91Der Anspruch des Klägers rechtfertigt sich jedoch auf der Grundlage der bereits unter A. 4. b) aa) und cc) ausgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur erforderlichen Aufschlüsselung der Preise.
922.
93a) Der vom Kläger mit der Berufung weiterverfolgte Folgenbeseitigungsanspruch auf Rückzahlung des auf die unzulässigen Preiserhöhungen entfallenden Anteils der Zahlung an die jeweiligen Verbraucher (Antrag zu 2.a.) ist mit dem Landgericht auch zur Überzeugung des Senats unzulässig. Der Antrag genügt in mehrfacher Hinsicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Zu den allgemeinen Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrags siehe bereits die Ausführungen unter A. 4. a). Grundsätzlich sind Zahlungsanträge zu beziffern. Ist dies nicht möglich, kommt eine Feststellungs- und ggfls. eine Stufenklage in Betracht. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.11.2002 – I ZR 168/00, Rn. 46 – P-Vermerk) auch ab von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen.
94Dem hier vorliegenden Antrag fehlt es sowohl an der Bezifferung der einzelnen zu erstattenden Beträge, als auch an der Individualisierung der Verbraucher, die eine Erstattung erhalten sollen. Beide Kriterien werden nur dadurch umschrieben, dass die Beklagte den auf die Preiserhöhung entfallenden Anteil erstatten und an diejenigen Verbraucher eine Erstattung vorgenommen werden solle, die ein Preiserhöhungsschreiben – wie unter den Anträgen 1.e., f. oder g. dargestellt – erhalten haben und daraufhin entsprechende Zahlungen geleistet hätten. Damit werden in einer jedenfalls dem Kläger und dem Senat unbekannten Anzahl von Fällen die Ermittlung einzelner Verträge von nur der Beklagten bekannten Verbrauchern und der Frage, ob und in welcher Höhe Rückzahlungen zu leisten sind, vollständig in das Vollstreckungsverfahren verschoben. Dies erscheint dem Senat auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass qualifizierte Einrichtungen wie der Kläger bei lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen wie auch solchen nach dem UKlaG oft keine entsprechenden Erkenntnisse haben, für die Bestimmtheit eines Leistungsanspruchs nicht ausreichend (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2021 – 12 O 34/21, Rn. 27/28 mit zustimmender Anmerkung Büscher, WRP 2023, 639 ff., 641; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.08.2023 – I-20 U 102/22, B.I.2. der Gründe; Urteil vom 30.03.2023 – I-20 U 16/22, Rn. 37; ohne Begründung OLG Dresden, Urteil vom 10.04.2018 – 14 U 82/16). Dafür spricht de lege ferenda auch die Gesetzesbegründung zur neuen Abhilfeklage, die in Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie (EU) 2020/1828 durch §§ 14 ff. des Entwurfs zum Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuGE) eingeführt werden soll. Dort heißt es, dass mit hinreichend bestimmten Anträgen die klageberechtigte Stelle die Verurteilung zur Leistung an bestimmte, namentlich benannte Verbraucherinnen und Verbraucher begehren könne. Der Antrag könne aber auch auf Leistung zugunsten nicht bestimmter Verbraucherinnen und Verbraucher gerichtet sein. In diesem Fall könne (nur) die Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags begehrt werden. Der kollektive Gesamtbetrag werde in einem späteren Umsetzungsverfahren an alle berechtigten Verbraucherinnen und Verbraucher verteilt, die sich zu dem Verbandsklageverfahren wirksam angemeldet hätten, außer wenn die klageberechtigte Stelle konkretisierte Anträge zugunsten namentlich benannter Verbraucher stelle, so dass ein individualisierter Titel ergehen könne, der zugunsten der einzelnen Berechtigten vollstreckt werden könne (BT-Drs. 20/6520, S. 77/81).
95Der Senat verkennt nicht, dass Rückerstattungsanordnungen auch durch Kartell- und Regulierungsbehörden erfolgen können und insoweit geringere Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden. So kann die Kartellbehörde dem Unternehmen gemäß § 32 Abs. 2 GWB alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Dazu gehörte bereits vor Einführung des § 32 Abs. 2a GWB die Anordnung, überhöhte Preise an die Kunden zurückzuerstatten (BGH, Beschlüsse vom 10.12.2008 - KVR 2/08, WuW/E DE-R 2538, Rn. 16 - Stadtwerke Uelzen; vom 15.05.2012 - KVR 51/11, juris Rn. 21 f. - Wasserpreise Calw). Die Rückerstattungsanordnung stellt sich danach als eine besondere Form der Abstellungsverfügung dar, mit der zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsgüterschutzes bestimmte Folgen des Verstoßes beseitigt werden. Der Gesetzgeber der 8. GWB-Novelle hat mit der Einführung der Vorschrift des § 32 Abs. 2a GWB die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Befugnis gesetzlich abgesichert und "klargestellt, dass die Kartellbehörden im Rahmen einer Abstellungsverfügung die Möglichkeit haben, eine Rückerstattung […] anzuordnen" (Begründung 8. GWB-Novelle, BT-Drucks. 17/9852, S. 26 f.). Auch der Gesetzgeber ging davon aus, dass es sich bei der Rückerstattungsanordnung der Sache nach um eine (Folgen-)Beseitigung einer geschehenen, aber noch gegenwärtigen Beeinträchtigung handelt (BGH, Beschluss vom 14.02.2023 – KVZ 38/20, Rn. 42 – Wasserpreise Gießen). Dabei muss die Anordnung auf Rückerstattung vollstreckbar ausgestaltet sein, insbesondere hinsichtlich der Personen oder Unternehmen der Rückerstattungsempfänger und der Rückerstattungen selbst. Dafür reicht es jedoch aus, dass die durch die Anordnung begünstigten individuellen Empfänger und die jeweiligen Rückerstattungsbeträge für das betroffene Unternehmen sicher bestimmbar und berechenbar sind (FK-KartellR/Jaeger, 94. Lieferung 2019, § 32, Rn. 35c; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 32, Rn. 45; a.A. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, GWB, 14. Aufl., § 32, Rn. 60). Nichts anderes gilt für Rückerstattungsanordnungen im Rahmen von aufsichtsrechtlichen Verfahren der Regulierungsbehörden nach § 65 EnWG. So hat die Bundesnetzagentur in zwei energieaufsichtsrechtlichen Verfahren (BK6-22-202 und BK6-22-203) Energielieferanten u.a. aufgegeben, von der BNetzA beanstandete Preiserhöhungsmaßnahmen „zurückzunehmen und rückabzuwickeln“. Die hiergegen gerichteten Beschwerden blieben in erster Instanz erfolglos (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 09.08.2023 – VI-3 Kart 43/22 [V], Rn. 59 ff., und VI-3 Kart 44/22 [V], B. 3.1. der Gründe; vgl. auch EuGH, Urteil vom 30.03.2023 – C-5/22, wonach die nationalen Energieregulierungsbehörden ermächtigt werden können, Elektrizitätsunternehmen die Rückerstattung von Kosten aufzuerlegen, die von Verbrauchern unter Verstoß gegen Transparenzanforderungen erhoben wurden).
96Der Senat sieht jedoch einen entscheidenden Unterschied dieser kartell- und energieaufsichtsrechtlichen Verfahren zum vorliegenden, zivilprozessualen Parteienprozess nicht nur darin, dass die Anforderungen an die Bestimmbarkeit der Entscheidung angesichts des in jenen Verfahren – auch in der Vollstreckung – geltenden Amtsaufklärungsgrundsatzes geringer sein können. Hinzu kommt, dass die Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts zu stellen sind, im Einzelnen aus dem Regelungsgehalt der jeweiligen gesetzlich vorgesehenen Maßnahme und dem mit ihr verfolgten Sinn und Zweck herzuleiten sind (BGH, Beschluss vom 24.09.2022 – KVR 15/01, Rn. 28 = BGHZ 152, 84, 88 - Fährhafen Puttgarden). Mit Blick auf die Zielsetzung des Gesetzes und den Regelungsauftrag der Behörde muss die Umsetzung des gesetzlichen Regelungsauftrags sichergestellt und darf nicht praktisch unmöglich gemacht werden. Vor diesem Hintergrund ist es für kartell- und energieaufsichtsrechtliche Rückerstattungsanordnungen ausreichend, aber auch erforderlich, wenn die betroffenen Kunden zumindest bestimmbar sind und das Handlungsgebot mit der gebotenen Deutlichkeit umgrenzt ist (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 09.08.2023, a.a.O.).
97b) Im Übrigen wäre der Folgenbeseitigungsantrag des Klägers zur Überzeugung des Senats aber auch unbegründet. Der Beseitigungsanspruch gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG kann wie derjenige nach § 8 UWG alle geeigneten Maßnahmen umfassen, die zur Beseitigung der fortwährenden Störung geeignet und erforderlich sind. Art und Umfang der Maßnahmen müssen sich auf die Maßnahmen beschränken, die auf ein Abstellen der Beeinträchtigung gerichtet sind. Dementsprechend muss das Beseitigungsverlangen zumutbar und verhältnismäßig sein (so schon BR-Drs. 55/15, S. 19). Dem Schuldner darf die Wahl der durch Inhalt und Umfang des Beseitigungsanspruchs vorgegebenen Möglichkeit der Beseitigungsmaßnahme nicht genommen werden (Büscher, WRP 2023, 513 ff., 517 f.). Die vorliegende Störung durch die unzulässigen Preiserhöhungen der Beklagten kann mit einer zutreffenden Information über die Rechtslage, zu der die Beklagte bereits unter Ziff. 2. der Urteilsformel in Form der Versendung des Berichtigungsschreibens verpflichtet worden ist, als milderem Mittel gegenüber der Rückzahlungsanordnung beseitigt werden. Es ist dann aufgrund der derzeitigen Rechtslage Sache der Verbraucher, die Beklagte selbst auf Rückzahlung in Anspruch zu nehmen. Die Zuerkennung eines Folgenbeseitigungsanspruchs auf Zahlung würde de lege ferenda auch gegen die Konzeption des Entwurfes zum Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes verstoßen. Dort soll als Novum (vgl. BT-Drs. 20/6520, S. 61) in § 14 eine Abhilfeklage zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher eingeführt werden, die jedoch nur von bestimmten qualifizierten Verbraucherschutzverbänden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 VDuGE) und nur nach Anmeldung der Verbraucher (sogenanntes Opt-in-Modell, §§ 4 Abs. 1, 46 VDuGE) erhoben werden können soll. Ließe man schon über § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UKlaG die Möglichkeit zu, dass die nach § 4 UKlaG klageberechtigten Verbraucherschutzverbände Zahlung an die betroffenen Verbraucher verlangen könnten, würde dies die Beschränkungen zur Klageberechtigung und auf ein Opt-in-Modell unterlaufen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.08.2023, a.a.O., unter B. I. 3. c); Urteil vom 30.03.2023, a.a.O., Rn. 39).
98III.
99Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
100Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 S. 1 und 2, 711 S. 1 und 2 ZPO.
101Die Revision ist im Hinblick auf den Folgenbeseitigungsanspruch gerichtet auf Erstattung der auf die Preiserhöhungen entfallenden Anteile der Zahlungen der Verbraucher (Antrag zu 2.a.) gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Frage der Bestimmtheit des Antrags grundsätzliche Bedeutung hat. Im Übrigen ist sie auch nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO unter Berücksichtigung der divergierenden Entscheidungen des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10.08.2023 – I-20 U 102/22 und vom 30.03.2023 – I-20 U 16/22 sowie des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10.04.2018 – 14 U 82/16 zuzulassen.
102Der Streitwert für beide Rechtszüge wird auf jeweils 67.500 € festgesetzt. Dieser Betrag gliedert sich wie folgt auf:
103Antrag zu 1.a. |
10.000 € |
Antrag zu 1.b. |
3.000 € |
Antrag zu 1.c. |
10.000 € |
Antrag zu 1.d. |
3.000 € |
Antrag zu 1.e. |
7.500 € |
Antrag zu 1.f. |
7.500 € |
Antrag zu 1.g. |
7.500 € |
Antrag zu 1.h. |
3.000 € |
Antrag zu 2.a. |
10.000 € |
Antrag zu 2.b. |
5.000 € |
Antrag zu 2.d. |
1.000 € |
Der Hilfsantrag zu 2.c. hat gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG im Verhältnis zum Antrag zu 2.b. keinen eigenen Wert.