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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01. Oktober 1997 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Land-gerichts Dortmund - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - teilweise abgeändert.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird abgewiesen.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 450.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10.01.1994 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin alle künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Schadensereignis vom 28.03.1991 noch entstehen, soweit solche Ansprüche nicht auf Sozial-versicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerin die des Beklagten zu 2) voll und die Hälfte der eigenen, die Beklagte zu 1) die eigenen und die Hälfte er der Klägerin erwachsenen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung durch den Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 550.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Allen Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch eine unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder eines öffent-lich-rechtlichen Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand:
2Die am 04.08.1995 geborene Klägerin macht gegen die Beklagten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer am 28.03.1991 begonnenen laparoskopischen Sterilisation geltend.
3Seit dem Jahr 1990 befand sich die Klägerin in der Behandlung des Beklagten zu 2), eines niedergelassenen Gynäkologen, der Belegarzt am Städtischen I-Krankenhaus in L ist. Trägerin des Krankenhauses ist die Beklagte zu 1).
4Am 21.03.1991 gebar die Klägerin in diesem Krankenhaus ein gesundes Mädchen. Wegen starker uterinärer Blutungen wurde die Klägerin bis zum 23.03.1991 auf der Intensivstation und danach auf der Entbindungsstation behandelt. In den folgenden Tagen sprachen die behandelnden Ärzte mit der Klägerin über die Durchführung einer Sterilisation. Die Inhalte dieser Gespräche sind zwischen den Parteien streitig.
5Am 28.03.1991 wurde die Klägerin zur Durchführung der laparoskopischen Tubensterilisation in einen Operationssaal gebracht. Die Durchführung der Anästhesie oblag dem Chefarzt Dr. C. Nach Einleitung der Narkose führte der Beklagte zu 2) eine Verres-Nadel in die Bauchhöhle und begann mit der Insufflation von CO2. Dabei kam es zu einer Bradykardie und - was zwischen den Parteien streitig ist - zu einem Herz- bzw. Kreislaufstillstand. Die Reanimation führte der Chefarzt Dr. C durch. Anschließend befand sich die Klägerin in einem komatösen Zustand und leidet seitdem unter schwersten psychischen und physischen Störungen.
6Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes - Vorstellung: 200.000,00 DM -, einer Schmerzensgeldrente - Vorstellung: 200,00 DM monatlich - und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller Schäden in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, die Durchführung der Sterilisation am 28.03.1991 sei fehlerhaft erfolgt, sie sei nicht narkosefähig gewesen. Die Reanimation sei nicht lege artis gewesen, insbesondere sei versäumt worden, ihr rechtzeitig das Medikament Adrenalin zu verabreichen. Auch die Herzdruckmassage sei nicht regelrecht gewesen. Die Beklagten haben eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Folgen der Operation behauptet. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
7Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 400.000,00 DM und einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 300,00 DM verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller künftigen materiellen Schäden festgestellt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß die Gabe des Medikaments Alupent statt Adrenalin fehlerhaft gewesen sei. Der Beklagte zu 2) hafte, weil er die Klägerin nicht hinreichend über die am 28.03.1991 durchgeführte laparoskopische Sterilisation aufgeklärt habe.
8Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung und beantragen,
9unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
10Die Beklagten beantragen,
111.
12die gegnerische Berufung zurückzuweisen;
132.
14ihr zu gestatten, eine etwa erforderliche Sicherheitsleistung auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaft zu erbringen.
15Die Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.
16Der Senat hat den Ehemann der Klägerin und den Beklagten zu 2) angehört, die Zeugen T2, T3, T und T4 uneidlich vernommen und die Sachverständigen Prof. Dr. C2, Prof. Dr. U und Dr. M zu einer Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten veranlaßt. Insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 19.10.1998 verwiesen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Berufung des Beklagten zu 2) ist erfolgreich, die Berufung der Beklagten zu 1) bleibt ohne Erfolg.
19I.
20Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) keine Schadensersatzansprüche aus den §§ 847, 823 BGB oder aus einer schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten des Behandlungsvertrages. Fehler des Beklagten zu 2) bei der Behandlung der Klägerin lassen sich nicht feststellen. Der Beklagte zu 2) haftet der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Aufklärungsverschuldens.
21In der Beurteilung des Behandlungsgeschehens macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. C2, der sein Gutachten überzeugend erläutert hat und dem Senat als erfahren und sachkundig bekannt ist, zu eigen.
221.
23Danach war die laparoskopische Sterilisation weder kontraindiziert noch läßt die Verletzung eines Nebengefäßes zwingend auf einen Behandlungsfehler schließen.
242.
25Der Senat hält den Eingriff vom 28.03.1991 durch eine wirksame Einwilligung auf der Grundlage einer hinreichenden Aufklärung für gerechtfertigt. Daß dem Eingriff eine hinreichende Aufklärung zugrunde lag, hat der Beklagte zu 2) bewiesen. Aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen T2, T, T4, den Angaben in der Karteikarte des Beklagten zu 2), im Pflegebericht und im Aufklärungsbogen ist der Senat davon überzeugt, daß die laparoskopische Sterilisation eindeutig und umfassend mit der Klägerin besprochen worden ist.
26Zwar geht das Landgericht zutreffend davon aus, daß allein die Tatsache, daß die Klägerin am 27.03.1991 einen Aufklärungsbogen unterschrieben hat, keinen Beweis für die erfolgte Aufklärung erbringt. Dieser Aufklärungsbogen enthält nämlich nur die Unterschrift der Klägerin und keine handschriftlichen Zusätze. Der Senat ist aber aufgrund folgender Erwägungen davon überzeugt, daß die Klägerin über die Risiken des Eingriffs hinreichend aufgeklärt worden ist:
27Die in der Karteikarte des Beklagten zu 2) unter dem 18.03.1991 dokumentierte Angabe: "Patientin drängt auf Sterilisation post Partum, Aufklärung darüber" wird durch die Aussage der Zeugin T2 bestätigt. Diese Zeugin hat glaubhaft bekundet, daß der Beklagte zu 2) die Operation beschrieben und auf die Komplikationen der Verletzung von inneren Organen und Entzündungen hingewiesen habe. Das hält der Senat für ausreichend. Eines ausdrücklichen Hinweises, daß sich die Verletzung eines Organes oder eines Nebengefäßes in seltensten Fällen zu einem Kreislaufstillstand mit schwersten Folgen ausweiten könnte, bedurfte es nicht. Denn bei der Angabe von Organverletzungen und Entzündungen ist dem Patienten bewußt, daß darin eine lebensbedrohliche Komplikation liegen kann.
28Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin T2 spricht insbesondere, daß sie eingeräumt hat, daß der Beklagte zu 2) auf ein spezifisches Risiko, und zwar auf den Eintritt einer erneuten Schwangerschaft nicht hingewiesen habe. Bestätigt wird der Wunsch der Klägerin nach einer Sterilisation auch durch die Bekundungen der Zeugen T und Stellmach sowie durch die Angaben im Pflegebericht unter dem 24.03.1991: "Pat. möchte eine Steri bekommen. Wir sollen Dr. B fragen, ob sie am Montag gemacht werden kann". Daß die Klägerin diesen Wunsch gehabt hat, ist schließlich auch von ihrem Ehemann im Senatstermin bekräftigt worden.
29II.
30Dagegen hat die Berufung der Beklagten zu 1) keinen Erfolg.
31Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) Schadensersatzansprüche aus den §§ 847, 823, 831, 30, 31 BGB und - soweit die Feststellung materieller Zukunftsschäden geltend gemacht wird - aus einer schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten des Behandlungsvertrages.
321.
33Dabei kann hier dahinstehen, ob eine Haftung der Beklagten zu 1) unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Aufklärung zu bejahen ist. Dokumentiert worden ist die von der Beklagten zu 1) behauptete Aufklärung durch den Chefarzt Dr. C nicht. Ob die Klägerin über die Risiken der Narkose hinreichend aufgeklärt worden ist, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Klägerin sich bei einer gehörigen Aufklärung in einem wirklichen Entscheidungskonflikt befunden hätte.
342.
35Jedenfalls war die Behandlung der Klägerin durch den Chefarzt Dr. C am 28.03.1991 grob fehlerhaft.
36a)
37Bei der Beurteilung dieses Behandlungsgeschehens macht sich der Senat die Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. U und Dr. M, die ihr Gutachten überzeugend erläutert haben, zu eigen. Danach ergibt sich der grobe Behandlungsfehler schon daraus, daß Adrenalin nicht eingesetzt worden ist, obwohl sich die Wirkungslosigkeit des eingesetzten Medikaments Alupent gezeigt hatte.
38Bei Auftreten der Bradykardie wurde zunächst mit der üblichen Soforttherapie begonnen und der Klägerin das Medikament Atropin injiziert. Diese Medikation war noch regelrecht. Nicht mehr vertretbar war dagegen die anschließende Gabe von Alupent (Orciprenalin). Soweit der von dem Versicherer der Beklagten zu 1) beauftragte Privatsachverständige Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 24.02.1998 (Bl. 316 bis Bl. 324 d.A.) und in seinem Ergänzungsgutachten vom 16.12.1998 (Bl. 426 bis Bl. 428 d.A.) den Verzicht auf Adrenalin im Rahmen der medikamentösen Wiederbelebungsmaßnahmen als regelrecht bezeichnet, vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Zutreffend geht diese Auffassung zwar davon aus, daß zum Zeitpunkt des Zwischenfalls (28.03.1991) die von der Bundesärztekammer herausgegebenen Richtlinien für die Wiederbelebung und Notfallversorgung, die eine erste Medikation des Medikaments Adrenalin vorsehen, noch nicht veröffentlicht waren. Die Auffassung von Prof. Dr. I geht jedoch von der unzutreffenden These aus, daß nur die Behandlung fehlerhaft sein kann, die gegen Richtlinien verstößt. Wenn solche Richtlinien nicht bestünden, könnte demnach kein Regelverstoß bejaht werden.
39Diese Auffassung ist deshalb unzutreffend, weil die regelrechte Behandlung nicht, jedenfalls nicht allein durch Richtlinien bestimmt wird. Vielmehr beurteilt sich die - bei der regelrechten Behandlung - zu beachtende Sorgfalt nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zur Zeit der Behandlung (BGH NJW 1983, 2080; 1988, 763; 1989, 2321; 1994, 3008; Senat Urteil vom 28.07.1993, NA. Beschl. vom 12.07.1994, VersR 1994, 1476). Die Richtlinien können diesen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nur deklaratorisch wiedergeben, nicht aber konstitutiv begründen. Der Arzt muß, um den erforderlichen Erkenntnisstand zu erlangen, die einschlägigen Fachzeitschriften des entsprechenden Fachgebiet, in dem er tätig ist, regelmäßig lesen (BGH NJW 1991, 1535).
40Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls lagen zahlreiche Veröffentlichungen dazu vor, daß Adrenalin bei der Reanimation das Mittel der ersten Wahl ist. Angesichts dessen kann das von dem Privatsachverständigen zitierte Lehrbuch aus dem Jahr 1982 nicht mehr dem im Jahr 1991 geltenden medizinischen Erkenntnisstand wiedergeben. Ein Teil der Erkenntnisquellen, insbesondere die Veröffentlichungen im Ärzteblatt, hätten dem Chefarzt Dr. C, den Ausführungen der Sachverständigen folgend, Anlaß geben müssen, seine veralteten Reanimationsmethoden zu überprüfen. Daß dies nicht geschehen ist, erscheint nicht mehr verständlich.
41Selbst wenn man aber davon ausgehen würde - was fernliegend ist -, daß im Jahr 1991 die Gabe von Alupent (Orciprenalin) noch vertretbar gewesen wäre, dann ist selbst nach der von der Beklagten zitierten Literaturstelle (Anästhesie-Lehrbuch von H. C3, R. G, W. I2 und N, 5. Aufl. 1982, S. 922, 923, Bl. 326, 327 d.A.) die zwingende Indikation von Adrenalin dann geboten, wenn die Orciprenalinmedikation wirkungslos bleibt. Davon geht auch der Privatsachverständige Prof. Dr. I auf Seite 6 und Seite 9 seines Gutachtens vom 24.02.1998 (Bl. 321 und 324 d.A.) aus. Deshalb ist es unverständlich, den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. U folgend, daß das Medikament Adrenalin nicht spätestens bei der festgestellten Wirkungslosigkeit des bis dahin eingesetzten Medikaments verabreicht worden ist.
42b)
43Darüber hinaus sind weitere Fehler bei der Reanimation der Klägerin am 28.03.1991 erfolgt.
44aa)
45Die Dokumentation ist unzureichend. Es fehlen, so Prof. Dr. U, folgende dokumentationspflichtige Angaben:
46Die Durchführung und Dauer der Herzdruckmassage,
47die palpatorische Feststellung eines Pulses,
48die Eintragung eines Blutdruckwerts für die Zeit von 11.36 Uhr bis 11.50 Uhr und
49der Grund für die dreimalige Defibrillation.
50Diese Maßnahmen waren als wichtige diagnostische bzw. therapeutische Maßnahmen zu dokumentieren. Die Nichtdokumentation dieser aufzeichnungspflichtigen Maßnahmen indiziert ihr Unterlassen.
51Anhaltspunkte dafür, daß die Herzdruckmassage ausreichend effektiv bei palpatorischer Feststellung des Pulses durchgeführt worden sein könnte, bestehen nicht. Vielmehr ist dem Vorbringen des Beklagten zu 2) im Kammertermin vom 01.10.1997 (Bl. 206, 207 d.A.) und im Senatstermin vom 19.10.1998 (Bl. 408 d.A.) zu entnehmen, daß die Ärzte, die an der Reanimation beteiligt waren, sich allein auf die Technik verlassen haben. Zudem besteht kein Hinweis dafür, warum die dreimalige Defibrillation, die nur bei einem Herzkammerflimmern angezeigt gewesen wäre, durchgeführt worden ist. Auch aus der Angabe im Narkoseprotokoll, daß sofort die entsprechende Therapie und die Herzdruckmassage eingeleitet worden seien, läßt sich der Rückschluß auf eine regelrechte Reanimationsmaßnahme nicht ableiten. Zudem hat die Beklagte zu 1) nur eine Fotokopie des Narkoseprotokolls (Bl. 137 d.A.) vorgelegt. Das Original des Narkoseprotokolls ist, so der Zeuge Dr. C, verschwunden.
52Damit ist mit den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, daß während des 14minütigen Kreislaufstillstands eine Reanimation nur über die Dauer von 1 bis 2 Minuten durchgeführt worden ist.
53bb)
54Die interkardiale Gabe von Alupent und NaHCO3 war nicht vertretbar. Der interkardiale Einsatz dieser Medikamente ist allenfalls in Ausnahmefällen, in denen z.B. ein venöser Zugang nicht geschaffen werden kann, angezeigt. Ein solcher venöser Zugang lag bei der Klägerin jedoch vor. Es bleibt unverständlich, warum dieser Zugang für die Medikationsgabe nicht genutzt worden ist.
55Insgesamt ist dem Senat das bei der Reanimation zutage getretene Management völlig unverständlich.
563.
57Die Beweislast dafür, daß der Kreislaufstillstand bei rechtzeitiger Gabe von Adrenalin und bei rechtzeitiger Durchführung der Herzdruckmassage nicht eher hätte überwunden werden können, trägt die Beklagte zu 1). Unter Zugrundelegung der medizinischen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. U und Dr. M wertet der Senat den Fehler aus den bereits zuvor genannten Gründen als grob. Die Beklagte zu 1) hat den ihr obliegenden Beweis dafür, daß der Kreislaufstillstand auch bei Einsatz der regelrechten Behandlungsmaßnahmen nicht beendet worden wäre, nicht erbracht. Es hätte vielmehr, den Ausführungen von Prof. Dr. U folgend, bei rechtzeitiger Gabe von Adrenalin eine gute Chance bestanden, den Kreislaufstillstand zu überwinden. Gleiches gilt für die rechtzeitige Durchführung der Herzdruckmassage.
584.
59Die Beklagte zu 1) ist verpflichtet, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Als Dauerfolge des 14minütigen Kreislaufstillstands sind bei der Klägerin schwere körperliche und geistige Behinderungen verblieben.
60Bei der Klägerin liegt ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom mit Affektstörungen und Antriebsminderung, Ataxie, leicht rechtsbetonter spastischer Tetraparese, Stuhl- und Harninkontinenz und Dysarthrie vor. Sie ißt nicht selbständig, sondern muß gefüttert werden und bedarf zum Schlucken der ausdrücklichen Aufforderung. Ohne Unterstützung kann die Klägerin weder sitzen noch laufen. Ein Greifen mit den verkrampften Händen ist ihr nicht möglich. Sie erkennt zuweilen ihre eigenen Kinder nicht und verfällt immer wieder in langanhaltende Weinkrämpfe.
61Angesichts dieser physischen und psychischen Belastung ist ein Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 450.000,00 DM angemessen. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im Senatstermin sein Einverständnis zur Kapitalisierung der Schmerzensgeldrente erklärt hat, hat es der Senat bei dem Grundsatz belassen, daß gemäß § 847 BGB allein ein Kapitalbetrag als Schmerzensgeld zuzusprechen ist. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, daß der Kapital- und Rentenbetrag in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander hätten stehen müssen, was hier nicht der Fall war (vgl. Palandt-Thomas, 58. Aufl., § 847 Rdn. 12; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl., 7. Kap. Rdn. 19, jeweils m.w.N.).
625.
63Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist wegen der umfassenden Haftung des Beklagten im Hinblick auf den weiteren materiellen Schaden begründet.
64III.
65Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 100, 97 Abs. 1, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Urteil beschwert die Klägerin und die Beklagte zu 1) jeweils mit mehr als 60.000,00 DM.