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Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Januar verkündete
Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten und der Streithelferin zu 1) wird das
vorbezeichnete Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Hauptsache in Bezug auf den ursprünglichen
Klageantrag zu 2) erledigt ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 1.605,31 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
19.09.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Nebenintervention
werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
der Beklagten und der Streithelferinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
bzw. die Streithelferinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe:
2I.
3Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des am 19.01.2011 verkündeten landgerichtlichen Urteils (Bl. 367 R ff. = 373 R ff. GA) Bezug genommen.
4Das Landgericht hat die Klägerin und die Beklagte persönlich angehört (vgl. Bl. 133 ff. GA). Es hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H2 (vgl. Bl. 270 ff. = 284 R ff. GA), K (vgl. Bl. 273 ff. = 286 ff. GA), K2 (vgl. Bl. 275 ff. = 287 ff. GA) und Q (vgl. Bl. 277 ff. = 288 ff. GA) sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. T (vgl. das lose bei den Akten befindliche schriftliche Gutachten vom 11.06.2010 und die mündliche Erläuterung, Bl. 279 ff. = 289 ff. GA). Das Landgericht hat sodann – unter konkludenter Abweisung im Übrigen – die Klage zu Ziff. 1 und 3 der Klageschrift dem Grunde nach zu 2/3 und die Widerklage dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt; ferner hat es die Erledigung des ursprünglichen Klageantrags zu 2 festgestellt. Dabei hat es eine Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Seiten der Beklagten bejaht und auf der anderen Seite die Tiergefahr des klägerischen Pferdes gem. § 254 BGB haftungsmindernd berücksichtigt, und zwar mit einer Eigenhaftungsquote von 1/3. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
5Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Beklagte und ihre Streithelferin zu 1 als auch die Klägerin Berufung eingelegt. Die Berufungskläger verfolgen mit ihrem Rechtsmittel jeweils ihre erstinstanzlichen Anträge, soweit sie bislang ohne Erfolg geblieben sind, weiter. Beide Seiten treten jeweils der gegnerischen Berufung entgegen und begehren deren Zurückweisung.
6Die Beklagte und ihre Streithelferin zu 1 tragen zur Begründung ihres Rechtsmittels unter Wiederholung und Vertiefung ihres (auch pauschal in Bezug genommenen) erstinstanzliches Vorbringens im Wesentlichen vor: Das Landgericht habe zu Unrecht eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Seiten der Beklagten bejaht. Insbesondere habe es die tatsächliche Verkehrserwartung vollkommen außer Acht gelassen und darüber hinaus unter Übergehung wesentlichen Sachvortrags der Beklagten (und ihrer Streithelferin zu 1) grob fehlerhafte Tatsachenfeststellungen getroffen. Zu Recht habe das Landgericht zunächst festgestellt, dass hinsichtlich der hier in Rede stehenden Reithallenfenster kein Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften vorliege. Es habe jedoch nicht berücksichtigt, dass dieser Umstand bereits die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt indiziere. Bei richtiger Würdigung liege hier auch kein Verstoß gegen analog heranzuziehende bauliche Vorschriften vor. Die den Sporthallenbau betreffende DIN 18032, wonach ballwurfsicheres Glas erst ab einer Höhe von 2 m eingebaut werden dürfe, sei schon von den betroffenen Schutzgütern her nicht mit der hier in Rede stehenden Fallkonstellation vergleichbar. Im Übrigen ließen sich aus der vorgenannten DIN-Vorschrift ohnehin keine rechtserheblichen Schlussfolgerungen ziehen. Denn auch ballwurfsicheres Glas hätte – wie der Sachverständige auf S. 20 seines Gutachtens erklärt habe – den Huftritten des klägerischen Pferdes nicht standgehalten; dementsprechend könne der Beklagten (entgegen der Auffassung des Landgerichts) nicht als unfallursächliche Sicherungspflichtverletzung vorgeworfen werden, dass das verwendete Glas etwa (was ohnehin nicht feststehe) nicht ballwurfsicher sei. Eine Sicherungspflichtverletzung lasse sich auch nicht aus den Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau der Reiterlichen Vereinigung herleiten. Diese forderten lediglich dort, wo Klarsichtfenster bis zur Bandenhöhe herabgeführt würden, eine Sicherung der Fensterflächen durch geeignete Maßnahmen, um das Überspringen durch Pferde auszuschließen. Grund dafür sei die Gefahr, dass in Panik geratene Pferde einen sich ihnen vermeintlich bietenden Fluchtweg nutzen könnten, wenn sie vor sich zwar ein Hindernis (Bande) sähen, jedoch meinten, dies überspringen zu können, weil sie dahinter einen freien Raum erblickten. Eine solche Gefahr bestehe hier jedoch nicht; vielmehr sei nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen, dass Pferde versuchten, durch Milchglasscheiben zu springen oder zu steigen. Denn bei dem verwendeten Glas handele es sich nicht um Klarglas, sondern um Reglitglas, ein besonders stabiles Milchglas, durch dass für Pferde nicht hinreichend deutlich erkennbar sei, was sich dahinter befinde. Wie das Landgericht gleichwohl – ohne entsprechenden Parteivortrag und diesbezügliche Feststellungen des Sachverständigen – zu der Annahme komme, es sei damit zu rechnen gewesen, dass Pferde in besonderen Situationen bis über die Bande springen oder steigen könnten, sei nicht nachvollziehbar. Im Umkehrschluss ergebe sich vielmehr aus den vorgenannten Orientierungshilfen, dass die Verwendung von Pferdehuftritten nicht standhaltendem Reglitglas für die hier in Rede stehenden großflächigen Reithallenfenster nach baulichen Vorschriften erlaubt sei, so dass auch deshalb weitere Sicherungsmaßnahmen nicht veranlasst gewesen seien. Eine Sicherheitsverglasung für die ausdrücklich als ansprechender als etwa Kunststofflichtbänder bezeichneten großzügigen Reithallenfenster werde nämlich in den Orientierungshilfen nicht empfohlen oder gar gefordert, und zwar auch nicht bei Herabführung der Fenster bis zur – hier mit 165 cm nach den Orientierungshilfen mehr als ausreichenden – Bandenhöhe. Bei Pferdeboxfenstern, für die Sicherheitsglas in den Orientierungshilfen empfohlen (nicht etwa gefordert) werde, sei die Unfallgefahr um ein Vielfaches höher als bei Fenstern in Reithallen, wo Pferde – wie auch der Sachverständige auf S. 19 seines Gutachtens bestätigt habe – grundsätzlich in den freien Raum flüchteten.
7Das Landgericht habe ferner verkannt, dass Reithallennutzer und deren Pferde nur vor solchen Gefahren geschützt werden müssten, die naheliegend und für den Sicherungspflichtigen überhaupt erkennbar seien. Dass ein Pferd sich (wie hier) der Einwirkung des Reiters entziehe und dann auch noch – statt (wie in aller Regel zu erwarten) in den freien Hallenraum zu flüchten – steige und in Fensterscheiben aus Milchglas gerate, stelle aber einen vollkommen atypischen und äußerst unwahrscheinlichen Ausnahmefall dar. Dementsprechend sei auch unstreitig in der hier in Rede stehenden, seit Jahren genutzten Reithalle zuvor nie etwas Vergleichbares geschehen. Zudem bleibe es dabei, dass es (unbestritten) in anderen vom selben Hallenbauer errichteten Hallen mit gleicher Banden- und Fensterkonstruktion ebenfalls nie zu vergleichbaren Unfällen gekommen sei. Auch der Sachverständige sowie die Zeugen H2 und Q hätten erklärt, vergleichbare Vorfälle noch nicht erlebt oder gehört zu haben. Danach sei der hier erfolgte Schadenseintritt so unwahrscheinlich gewesen, dass weitere Schutzmaßnahmen verkehrssicherungsrechtlich überhaupt nicht geboten gewesen gewesen seien. Zumindest seien angesichts des extrem unwahrscheinlichen Schadenseintritts die vom Landgericht für geboten erachteten Sicherungsmaßnahmen jedenfalls als unzumutbar anzusehen. Die Verwendung pferdehuftrittsicheren Glases sei – wovon das Landgericht letztlich selbst ausgegangen sei – wirtschaftlich von vornherein nicht darstellbar. Tatsächlich würde der Einbau von Verbund-Sicherheitsglas in die Reithallenfenster mindestens rd. 150.000,- € kosten (vgl. die Kalkulation Bl. 340 GA). Ein Umbau dahingehend, dass die Bande eine Pferdetritten entzogene Höhe erreichen würde, schlage mit mindestens knapp 72.000,- € zu Buche (vgl. die Kalkulation Bl. 340 GA). Auch eine pferdetrittsichere Vollvergitterung der Fensterflächen wäre nur mit exorbitant hohem Aufwand von nicht weniger als 70.000,- € zu bewerkstelligen. Im Übrigen seien die beiden letztgenannten Umbaumaßnahmen jeweils mit erheblichen Einbußen an Licht und optischer Qualität verbunden. Danach stehe der Aufwand für etwaige Sicherungsmaßnahmen vollkommen außer Verhältnis zur äußerst geringen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Ferner habe das Landgericht auch die tatsächlichen Sicherheitserwartungen der betroffenen Verkehrskreise nicht zutreffend beurteilt, sondern rechtsfehlerhaft letztlich seine eigenen normativen Wertungen an die Stelle der maßgebenden Verkehrsauffassung gesetzt. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass in der Reithalle der Beklagten ausschließlich Dressurreitsport betrieben werde. Einschlägiger Verkehrskreis für die Beurteilung der Sicherheitserwartungen seien deshalb die in der Halle trainierenden Dressurreiter. Zudem sei zu berücksichtigen, das die Halle der Beklagten zum reinen Privatgebrauch zur Verfügung stehe und üblicherweise nur von ihr selbst und ihrem Lebensgefährten – beide Amateurreiter auf hohem reiterlichen Niveau – genutzt werde. Dritte Personen hätten üblicherweise keinen Zutritt zur Halle. Am fraglichen Tag sei dem befreundeten (ebenfalls reiterfahrenen) Zeugen H2 auf Anfrage die Hallennutzung gestattet worden. Die Sicherheitserwartungen des danach maßgebenden Verkehrskreises (einschließlich des Zeugen H seien erfüllt gewesen; von dem vorgenannten Nutzerkreis werde (mit Ausnahme der Klägerin) die hier gegebene Gestaltung keineswegs als nicht hinreichend sicher empfunden und werde bruch- oder schlagfestes Glas oberhalb einer 165 cm hohen Bande bzw. eine höher gezogene Bande oder eine Vergitterung gerade nicht erwartet. In keiner der bereits genannten sonstigen gleich konstruierten Reithallen habe jemals ein Nutzer aus Sicherheitsgründen nach der Stärke der Verglasung gefragt oder sei aus Sicherheitsgründen wegen zu geringer Bandenhöhe und fehlender Vergitterung der Fenster nicht in der Halle geritten. Im Gegenteil würden in weitestgehend identisch ausgestalteten Hallen sogar äußerst wertvolle Pferde ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen trainiert. Eine unfallursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung scheide auch deshalb aus, weil die reitsporterfahrene Klägerin die hier realisierte Gefahr ohne weiteres hätte erkennen können. Insoweit könne, da die Verwendung von bruchsicherem Glas auch nach Auffassung des Landgerichts nicht zumutbar und dementsprechend absolut unüblich sei, nicht angenommen werden, dass die Klägerin von der Verwendung derartigen Glases hätte ausgehen können. Die Höhe der Bande und Fenster sowie das Fehlen einer Fenstervergitterung seien offensichtlich gewesen. Schließlich fehle es selbst bei Annahme eines objektiven Sicherungspflichtverstoßes jedenfalls an einer subjektiven Pflichtverletzung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Reithalle als Serienmodell von einem renommierten und als zuverlässigen bekannten Fachunternehmen (der Streithelferin zu 2) mit vielen Spitzenreitsportlern unter ihren Kunden errichtet worden sei und dementsprechend die Beklagte von der Einhaltung aller Sicherheitsstandards habe ausgehen können; zudem könne den oben genannten Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau auch nicht ansatzweise entnommen werden, dass die Fenstergestaltung und -ausführung hier nicht den Sicherheitsanforderungen genüge. Wenn man gleichwohl von einer unfallursächlichen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten ausgehe, sei jedenfalls der Mitverursachungsanteil auf Seiten der Klägerin in Form der Tiergefahr des klägerischen Pferdes mit deutlich mehr als dem vom Landgericht angenommenen einen Drittel zu bewerten. Angesichts der Unwahrscheinlichkeit eines derartigen Schadensfalles und des Umstandes, dass ein nicht zu erwartendes, völlig unberechenbares Verhalten des klägerischen Pferdes den Unfall überhaupt erst verursacht habe, sei bei richtiger Würdigung sogar von einem völligen Zurücktreten einer etwaigen, allenfalls leichten Sicherungspflichtverletzung und dementsprechend von einer Eigenhaftungsquote der Klägerin zu 100 % auszugehen. Aus dem Vorstehenden ergebe sich zugleich, dass die Widerklage entgegen der Annahme des Landgerichts dem Grunde nach nicht nur zu 1/3, sondern in vollem Umfang begründet sei. Da die Höhe des mit der Widerklage geltend gemachten Schadens unstreitig sei, müsse dementsprechend der Widerklage bei richtiger Würdigung in vollem Umfang stattgegeben werden. Soweit das Landgericht die Erledigung des ursprünglichen Klageantrags zu 2 (negative Feststellungsklage bzgl. der Widerklageforderung) festgestellt habe, sei dies ebenfalls unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des BGH lasse nämlich die Erhebung der korrespondierenden Widerklage das Feststellungsinteresse hinsichtlich der negativen Feststellungsklage nur dann entfallen, wenn der Widerkläger gleichzeitig auf sein Recht zur Klagerücknahme verzichte. An einem solchen Verzicht fehle es hier, so dass die negative Feststellungsklage durch Erhebung der Widerklage keineswegs unzulässig geworden sei. Bei richtiger Würdigung hätte das Landgericht die negative Feststellungsklage als unbegründet abweisen müssen, weil der Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch in vollem Umfang zustehe.
8Die Klägerin macht demgegenüber zur Begründung ihres Rechtsmittels und in Erwiderung auf die gegnerische Berufung – neben einer pauschalen Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen – ergänzend im Wesentlichen geltend: Entgegen der Auffassung der Gegenseite sei vorliegend sehr wohl von einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten und ihrer Streithelferinnen auszugehen, und zwar bei richtiger Würdigung sogar von einer groben Pflichtverletzung. Aufgabe der Beklagten und ihrer Streithelferinnen sei es gewesen, schon bei der Erstellung und dem Betrieb der Reithalle antizipiert in das Schadensvermeidungskonzept einzubeziehen, dass ein Pferd typischerweise nicht ständig unter absoluter Kontrolle gehalten werden könne, sondern zu unvorhersehbaren unkontrollierten Bewegungen (wie z.B. Steigen) neige. Diese Aufgabe habe man offensichtlich nicht erfüllt. Der Sachverständige habe die Ausgestaltung der Fenster zu Recht als nicht ausreichend verkehrssicher angesehen. Die Streithelferin zu 2, deren Verschulden die Beklagte sich gem. §§ 278, 831 BGB zurechnen lassen müsse, stelle offensichtlich Reithallen her, die den Minimalanforderungen an die Verkehrssicherungspflicht gegenüber Tieren nicht ansatzweise gerecht werde. Vorsorglich werde in diesem Zusammenhang auf § 11 Abs. 1 Nr 3c TierschutzG verwiesen; auch aus dieser Bestimmung sowie dem hinter § 2 Nr. 2 TierschutzG stehenden Gedanken ergebe sich, dass Reithallen tiergerecht und verletzungsvermeidend zu gestalten seien. Auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen bauliche Vorschriften komme es für die Frage des Umfangs der Sicherungspflicht letztlich nicht an. Im Übrigen lasse sich – für die Klägerin erkennbar – aus den Bestimmungen der Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (namentlich den Regelungen zu Spiegeln) sehr wohl schließen, dass Hersteller und Betreiber von Reitanlagen unbedingt dafür sorgen müssten, dass Pferde mit Spiegeln und Glas nicht in Berührung kämen. Der Verweis auf die angebliche Unwahrscheinlichkeit eines Unfalles der hier in Rede stehenden Art ändere daran nichts. In diesem Zusammenhang sei zudem zu berücksichtigen, dass es nur etwa 10 Reithallen mit der hier vorliegenden, ausschließlich von der Streithelferin zu 2 erstellten Fensterausführung gebe gegenüber tausenden von Reithallen in anderer Bauweise. Für eine haftungsmindernde Berücksichtigung der Tiergefahr des klägerischen Pferdes sei – von der gegnerischen Berufung, aber auch vom Landgericht verkannt – von vornherein kein Raum. Nur dann, wenn ein Tierhalter Ersatzansprüche gegen einen anderen Tierhalter geltend mache, komme eine Anrechnung der Tiergefahr des eigenen Tieres des Gläubigers überhaupt nur in Betracht. Um eine solche Konstellation gehe es hier aber nicht; denn vorliegend hätten sich nicht zwei Tiergefahren gegenüber gestanden. Jedenfalls sei bei einer etwaigen Abwägung zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es dann, wenn entsprechend der Verkehrssicherungspflicht bruchsicheres Glas verwendet oder durch anderweitige Maßnahmen sichergestellt worden wäre, dass auch steigende Pferde von vornherein nicht mit den Vorderbeinen in das Glas geraten konnten, zu dem hier in Rede stehenden Schaden überhaupt nicht hätte kommen können. Die Sicherungspflichtverletzung wiege so schwer, dass es nicht angemessen sei, der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der eigenen Tiergefahr eine Mithaftung aufzuerlegen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dr. T. Wegen des Ergebnisses wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom 05.12.2011 Bezug genommen.
10II.
11Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Demgegenüber ist das Rechtsmittel der Beklagten und der Streithelferin zu 1) ganz überwiegend begründet. Es bleibt lediglich insoweit ohne Erfolg, als es sich gegen die vom Landgericht ausgesprochene Feststellung der Erledigung der Hauptsache in Bezug auf den ursprünglichen Klageantrag zu 2) wendet. 1.
12Die Klage ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 3) unbegründet, weil eine Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Schäden aus Sicht des Senats schon dem Grunde nach nicht besteht. Eine Haftung der Beklagten könnte sich dem Grunde nach in erster Linie aus § 823 Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung ergeben. Ob daneben auch ein Anspruch wegen Verletzung vertraglich als Nebenpflichten begründeter Sicherungspflichten in Betracht kommt, ist (schon hinsichtlich der Feststellbarkeit eines Vertragsverhältnisses) fraglich, kann aber letztlich offen bleiben, da die maßgeblichen Gesichtspunkte hinsichtlich des Pflichtenumfangs dieselben sind. a. Eine Haftung scheitert allerdings nicht etwa an einem vereinbarten Haftungsausschluss. Auf einen solchen berufen sich die Beklagten und ihre Streithelferin zu 1 in dieser Instanz selbst nicht mehr. Eine entsprechende hinreichend klare und rechtsverbindliche Abrede ist in der Tat – auch unter Berücksichtigung der Aushänge (Bl. 71 f. GA) – nicht feststellbar (vgl. dazu auch den Hinweis des Landgerichts Bl. 135 f. GA, dem nicht mehr weiter entgegengetreten worden ist).
13b.
14Da die Beklagte unstreitig die hier in Rede stehende Reitanlage betreibt (vgl. Bl. 66, 210 GA) und damit den Verkehr in der streitgegenständlichen Reithalle eröffnet hat, war sie zunächst – neben ihrer Mutter, der Streithelferin zu 1, als Eigentümerin – grundsätzlich sicherungspflichtig (vgl. dazu allgemein Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 14, Rdn. 29 sowie Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 823, Rdn. 46, 48).
15c.
16Hinsichtlich des Inhalts der Verkehrssicherungspflicht ist das Landgericht im Ansatz von zutreffenden, der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechenden Grundsätzen ausgegangen. Danach ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richtet sich insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit bei der Art des Spiel- bzw. Sportgeräts und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden kann.
17Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen. Er hat dann ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2008, 3775; BGH, NJW 2006, 610; Geigel/Wellner, a.a.O., Kap. 14, Rdn. 28 und Palandt/Sprau, a.a.O., § 823, Rdn. 51, jeweils m.w.Nachw.).
18d.
19Aus Sicht des Senats ist der Beklagten nach den vorgenannten Maßstäben keine unfallursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung anzulasten. Schon ein objektiver Pflichtverstoß kann nicht bejaht werden. aa) Aus der Gestaltung und Ausführung der hier in Rede stehenden Fenster ergab sich jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt vor dem streitgegenständlichen Unfall keineswegs die naheliegende Möglichkeit, dass andere geschädigt werden, insbesondere Pferde in das Glas geraten und dabei verletzt werden könnten. Zwar muss mit einem "Durchgehen" und "Außerkontrollegeraten" von Pferden grundsätzlich immer gerechnet werden, und zwar - wenn auch in geringerem Maße - selbst dann, wenn sie (wie hier) von einem erfahrenen Reiter (Pferdewirtschaftsmeister) geritten werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedoch davon auszugehen, dass ein Unfallereignis, bei dem (wie hier) ein durchgehendes, steigendes Dressurpferd dann auch noch in die Milch-Verglasung oberhalb einer 165 cm hohen Bande gerät, einen absoluten Ausnahmefall darstellt, mit dem niemand gerechnet hat und dessen Möglichkeit – jedenfalls vor dem streitgegenständlichen Vorfall – auch nicht nahe, sondern recht fern lag. Unstreitig war Derartiges zuvor weder in der streitgegenständlichen, immerhin schon 2001 errichteten Reithalle noch in anderen (jedenfalls rd. 10) von der Streithelferin zu 2 errichteten, bzgl. der Fensterausführung vergleichbaren Reithallen vorgekommen. Auch die fachkundigen und erfahrenen Zeugen H2 (vgl. Bl. 285 R GA) und Q (vgl. Bl. 289 R f. GA) haben angegeben, so etwas noch nie erlebt zu haben. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten (vgl. dort S. 18 f.) angegeben, dass Unfälle mit Fenstern (konkret hat er Unfälle mit den Pferden einen scheinbaren Fluchtweg eröffnenden Klarsichtfenstern erwähnt) während des Reitens sehr selten vorkämen und lediglich dann möglich seien, wenn das Pferd sich der Kontrolle des Reiters entzöge und sich dann auch noch (steigend) in die Fensterverglasung der Hallenwand bewege, statt – wie eher zu erwarten – in die Bahnmitte auszubrechen; es müssten dann schon ganz besondere Zwangslagen für das Pferd vorliegen und das Pferd müsse überhaupt keinen anderen Ausweg mehr sehen; dann sei es auch vorstellbar, dass Pferde stiegen und sich mit schlagenden Vordergliedmaßen vorwärts bewegten. Bei seiner erstinstanzlichen mündlichen Anhörung (Bl. 289 ff. GA) hat der Sachverständige ergänzend erklärt, dass solche Bewegungen (Aufbäumen mit leichter Seitwärts- oder Vorwärtsbewegung) zwar nur in Ausnahmefällen vorkämen, dies aber nicht auszuschließen sei. Auch vor dem Senat hat der Sachverständige angegeben, dass Unfälle der hier in Rede stehenden Art sehr selten seien und das Risiko eines solchen Unfalles sehr gering sei; ihm selbst seien derartige Unfälle in – hinsichtlich der Fensterhöhe allerdings zumeist auch anders gestalteten – Reithallen mit Milchglasfenstern zuvor nicht bekannt gewesen. Auch aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich, dass es hier um einen absoluten Ausnahmefall geht und – jedenfalls bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt vor dem streitgegenständlichen Unfall – aus objektiver Sicht der Beklagten keineswegs um eine naheliegende, sondern im Gegenteil um eine letztlich doch eher fernliegende Möglichkeit, zumal in der hier in Rede stehenden Halle offenbar nur erfahrene Reiter (wie insbesondere der Zeuge H ritten. Der vom Senat als richtig unterstellte Umstand, dass es nur etwa 10 von der Fensterausführung her vergleichbare allerdings immerhin schon längere Zeit (im vorliegenden Fall rd. 8 Jahre) genutzte – Reithallen gibt, ändert an dieser Einschätzung nichts, so dass es insoweit keiner weiteren Sachaufklärung mehr bedurfte.
20bb)
21Es ist ferner nicht ersichtlich, dass die Ausgestaltung der Fenster in der hier in Rede stehenden Reithalle etwa gegen unmittelbar einschlägige baurechtliche Vorschriften verstieße. Das hat auch das Landgericht so gesehen.
22Der Senat vermag – entgegen der Auffassung des Landgerichts – auch nicht zu erkennen, dass man aus anderen Regelungen hier eine Verpflichtung zu weitergehenden Sicherungsmaßnahmen herleiten könnte. Die (vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auszugsweise zitierten) Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau der Deutschen Reiterlichen Vereinigung geben dafür nichts her, sondern stützen aus Sicht des Senats – jedenfalls für einen unbefangenen Leser – im Gegenteil den Standpunkt der Beklagten. Eine Mindesthöhe, ab der in Reithallen überhaupt Fenster vorhanden sein dürften, bestimmt dieses Regelwerk nicht.
23Bruchfestes Sicherheitsglas wird dort für Hallenfenster nicht gefordert oder auch nur empfohlen; empfohlen wird Sicherheitsglas vielmehr nur für (in der Tat mangels anderer Fluchtmöglichkeiten deutlich unfallträchtigeren) Pferdeboxfenster, die ansonsten durch massive Vergitterung/Stäbe zu sichern sind. Sicherheitsmaßnahmen, um ein Über-/Durchspringen von Fenstern auszuschließen, fordern die Orientierungshilfen nur dort, wo Klarsichtfenster bis zur Bandenhöhe herabgeführt werden. Im Streitfall geht es aber nicht um – aus Pferdesicht ggfs. scheinbar einen Fluchtweg eröffnende – Klarsichtfenster, sondern um insoweit nicht vergleichbare Milchglasfenster, die Licht diffus durchlassen und durch die Gegenstände/Personen nur schemenhaft wahrgenommen werden können (vgl. S. 14 ff. des schriftlichen Sachverständigengutachtens). Aus der hier erörterten Bestimmung ergibt sich im Übrigen, dass eine Herabführung von Fenstern bis zur Bandenhöhe grundsätzlich nicht als beanstandungswürdig angesehen wird. Die Regelungen über Spiegel, die – soweit sie (wie z.B. beim Freispringen) nicht benötigt werden – verdeckt werden müssen, lassen nicht den Schluss zu, dass Ähnliches auch bei (wie der Sachverständige bestätigt hat) vom Gefährdungspotential nicht vergleichbaren, oberhalb der mit 165 cm angemessen hohen Bande eingebauten Milchglasfenstern geschehen müsste. Die Regelungen der DIN 18032 bzw. der vom Sachverständigen auf S. 10 f. seines Gutachtens angeführten GUV-Informationen, wonach u.a. ballwurfsicheres Glas in Sporthallen erst ab einer Höhe von 2 m eingebaut werden darf, sind aus Sicht des Senats schon vom Schutzzweck her für die hier in Rede stehenden Fallkonstellation, bei der es um die Gefahr für Pferde (nicht für Menschen) geht, nicht einschlägig und – ungeachtet von Tierschutzerwägungen – auch nicht analog heranziehbar. Dies gilt um so mehr, als (wie ausgeführt) die Möglichkeit, dass ein Pferd in die Milchglasverglasung oberhalb der 165 cm hohen Bande geraten könnte, zwar (wie der vorliegende Fall zeigt) nicht völlig auszuschließen ist, aber doch eher fern liegt. Im Übrigen verlangen auch die hier erörterten Regelungen keine absolute Sicherheit, sondern sehen ausdrücklich vor, dass bei an Verkehrs- und Aufenthaltsflächen angrenzende Verglasungen Sicherheitsglas o.ä. dann nicht erforderlich ist, wenn der Zugang zu den Verglasungen (lediglich) erschwert ist.
24cc)
25Der Senat vermag – auch im Hinblick auf die doch eher fernliegende Möglichkeit des Schadenseintritts – auch nicht zu erkennen, dass die Sicherheitserwartungen des hier maßgeblichen Verkehrskreises (also der die Halle für Dressursport nutzenden Reiter) dahin ginge, dass Fenster der hier in Rede stehenden Art entweder in unverhältnismäßig teurem bruchsicherem Glas ausgeführt oder sonst (z.B. durch Gitter o.ä.) gegen Bruch durch etwaige Huftritte abgesichert werden. Weder der Zeuge H2 noch der Zeuge Q haben sich in dieser Richtung geäußert. Nach dem letztlich unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten und ihrer Streithelferin hat in keiner der sonstigen von der Streithelferin zu 2 als einem renommierten Spezialunternehmen errichteten und gleich konstruierten Reithallen jemals ein Nutzer (zum großen Teil Spitzenreitsportler) aus Sicherheitsgründen nach der Stärke der Verglasung gefragt oder ist aus Sicherheitsgründen wegen zu geringer Bandenhöhe und fehlender Vergitterung der Fenster nicht in der Halle geritten; im Gegenteil werden (dies ist ebenfalls unwidersprochen geblieben) in weitestgehend identisch ausgestalteten Hallen sogar äußerst wertvolle Pferde ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen trainiert.
26dd)
27Gegen eine Verkehrssicherungspflichtverletzung spricht ferner, dass die baulichen Verhältnisse, namentlich die Fensterhöhe und das Fehlen von Gittern o.ä. für die Nutzer klar ersichtlich waren. Von der Verwendung bruchsicheren Glases konnten Nutzer angesichts des hohen Preises bei verständiger Würdigung nicht ausgehen. Damit war die – ohnehin (wie ausgeführt) als sehr gering anzusehende – Gefahr, dass steigende Pferde mit den Hufen in das Glas geraten, dieses dadurch zerbrechen und das Pferd verletzen könnte, jedenfalls für die hier allesamt fachkundigen Nutzer durchaus erkennbar. ee) Schließlich sprechen auch Zumutbarkeitserwägungen gegen eine Verkehrssicherungspflichtverletzung. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten und ihrer Streithelferin würden nachträgliche Abhilfemaßnahmen (Erhöhung der Bande/Wand bzw. Anbringung trittfester Gitter) mindestens 70.000,- € kosten und wären überdies auch mit Einbußen an natürlichem Licht und optischer Qualität verbunden. Dies erschiene angesichts der - jedenfalls aus damaliger Sicht - als gering zu erachtenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts kaum zumutbar. Aus Sicht des Senats kann man in diesem Zusammenhang in Ansehung der hier verklagten Beklagten auch nicht darauf abstellen, dass die Halle von vornherein anders hätte gebaut werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die 2001 errichtete Halle erst seit 2007 betreibt (vgl. Bl. 66 GA und S. 3 des SV-Gutachtens). ff) Insgesamt fehlt es nach Auffassung des Senats aus den vorgenannten Gründen schon an einer objektiven Sicherungspflichtverletzung der Beklagten. Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, ob der Beklagten – eine objektive Sicherungspflichtverletzung unterstellt – subjektiv ein Schuldvorwurf angelastet werden könnte. Dies erschiene dem Senat allerdings ebenfalls fraglich. Zwar wäre bei Annahme eines objektiven Pflichtverstoßes grundsätzlich das Verschulden indiziert bzw. spräche der Anschein dafür (vgl. dazu nur Palandt/Sprau, a.a.O., § 823, Rdn. 54). Vorliegend sprächen aber durchaus gute Gründe für eine Entlastung der Beklagten. Denn da sich – wie ausgeführt – aus einschlägigen Regelwerken (etwa den o.g. Orientierungshilfen) keine Bedenken hinsichtlich der Gestaltung der Fenster ergab, zuvor auch ansonsten keine Sicherheitsbedenken erhoben oder bekannt geworden waren, insbesondere keinerlei (ohnehin eher fernliegende) Unfälle der hier in Rede stehenden Art passiert oder bekannt waren und es sich bei dem Unternehmen, welches die Halle 2001 errichtet hatte (der Streithelferin zu 2) um einen renommierten Spezialbetrieb handelte, hatte die Beklagte keinen Anlass, an der hinreichenden Verkehrsicherheit der Halle zu zweifeln.
282.
29Die Widerklage ist begründet.
30Hinsichtlich der Kosten der Beseitigung des unfallbedingten Schadens am Hallenfenster kann die Beklagte aus abgetretenem Recht ihrer Mutter (der Streithelferin zu 1) als Halleneigentümerin, von der Klägerin gemäß § 833 BGB Schadensersatz verlangen.
31Die Feststellungen des Landgerichts zur Aktivlegitimation (sprich zur Abtretung) sind nicht angegriffen und auch zutreffend.
32Die Voraussetzungen des § 833 BGB liegen zweifellos vor. Da es aus den vorgenannten Gründen – jedenfalls bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt - schon an einem objektiv verkehrswidrigen, also verkehrssicherungsrechtlich zu beanstandenden Zustand fehlte, ist für die Annahme eines anspruchsmindernden Mitverschuldens kein Raum.
33Die Schadensbeseitigungskosten entsprechend der vorgelegten Rechnung i.H. von 1.605,31 € sind der Höhe nach unstreitig. Dementsprechend hätte schon das Landgericht bzgl. der Widerklage durchentscheiden müssen und sich nicht auf ein Grundurteil beschränken dürfen. Der Senat erachtet es für angezeigt, das Betragsverfahren heraufzuziehen (vgl. zu dieser Möglichkeit Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 304, Rdn. 23).
34Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen auf den Widerklagebetrag ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
353.
36Ohne Erfolg bleibt die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin zu 1 hingegen hinsichtlich der vom Landgericht ausgesprochenen Feststellung der Erledigung des ursprünglichen Klageantrags zu 2 (der negativen Feststellungsklage). Insoweit hat das Landgericht richtig entschieden. Das Landgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die ursprünglich zulässige negative Feststellungsklage wegen Wegfalls des Feststellungsinteresses unzulässig geworden ist. Diese Folge ist mit der ersten mündlichen Verhandlung zur Widerklage im Termin am 18.08.2010 eingetreten, weil danach die Widerklage gem. § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig ohne Zustimmung der Klägerin zurückgenommen werden konnte (vgl. dazu BGH, NJW 2006, 515 sowie Zöller/Greger, a.a.O., § 256, Rdn. 7d).
37Zu diesem Zeitpunkt war aus den vom Landgericht zutreffend genannten Gründen die negative Feststellungsklage begründet, weil die Beklagte erst aufgrund der ausweislich Bl. 306 GA am 28./29.08.2010 erfolgten Abtretung Inhaberin der Widerklageforderung geworden ist und zuvor insoweit nicht aktivlegitimiert war.
38Damit ist in der Tat Erledigung eingetreten.
394.
40Nach alledem waren die klägerische Berufung zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten und der Streithelferin zu 1 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Weise abzuändern.
41Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 92 Abs. 2 Ziff. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42Eine Revisionszulassung war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache wirft keine grundsätzlichen, höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfragen auf. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.