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Zur Verkehrssicherungspflicht eines Gartenbauunternehmers, der im Zuge von Arbeiten im Grenzbereich zweier Grundstücke Werkzeug in gut erkennbarer Weise und mit dem Einverständnis des Nachbarn auf dessen Grundstück ablegt (hier verneint).
Die Berufung ist nach Hinweis des Senats zurückgenommen worden.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem.
§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen
dazu Stellung zu nehmen.
Gründe:
3Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ebenfalls keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.
4I.
5Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Verkehrssicherungspflichtverletzungen nach einem Sturz vom 03.03. bzw. 04.03.2015 geltend.
6Der inzwischen verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1), die dessen Alleinerbin ist, führte im Auftrag des Nachbarn der Klägerin im Bereich der Grundstücksgrenze mit seinen Mitarbeitern, den Beklagten zu 2) und 3), Gartenbauarbeiten durch. Die im Jahr 1933 geborene Klägerin, für die der Ehemann der Beklagten zu 1) in der Vergangenheit ebenfalls wiederholt gearbeitet hatte, kam hinzu, um mit diesem anstehende Arbeiten auf ihrem eigenen Grundstück zu besprechen. Im Laufe dieses Gespräches stürzte die Klägerin über eine am Boden liegende Schüppe des Ehemannes der Beklagten zu 1) und verletzte sich.
7Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
8Die Klägerin hat beantragt,
91.
10die Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2015 zu zahlen;
112.
12festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund ihres Sturzes vom 04.03.2015 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;
133.
14die Beklagten zu verurteilen, an sie 1.899,24 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2015 zu zahlen.
15Die Beklagten haben beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Das Landgericht hat die Klägerin und die Beklagten zu 2) und 3) persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Protokolle der öffentlichen Sitzung des Landgerichts vom 03.11.2016 (Bl. 134 ff. GA) und vom 05.01.2017 (Bl. 170 ff. GA) Bezug genommen. Daraufhin hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es fehle bereits an der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Die Baustelle sei für die Klägerin als Nachbarin ohne weiteres als Gefahrenstelle erkennbar gewesen. Wenn die Klägerin sich dann in diesen als gefahrträchtig erkennbaren Bereich begeben habe, hätten die Beklagten damit rechnen dürfen, dass sie im eigenen Interesse mit Vorsicht agiere. Erschwernisse, die bereits mit beiläufigem Blick erkennbar seien und durch eine besonders vorsichtige Gehweise ausgeglichen werden könnten, müssten hingenommen werden. Entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin sei auch nicht feststellbar gewesen, dass die Gerätschaften während des Gespräches der Klägerin mit dem Ehemann der Beklagten zu 1) unmittelbar hinter der Klägerin abgelegt worden seien.
18Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
19Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich gestellten Anträge vollumfänglich fort.
20II.
21Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
221.
23Die Klägerin hat eine ihre Klageforderung stützende Pflichtverletzung der Beklagten bereits nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Daher bestehen die geltend gemachte Ansprüche weder wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gem. § 823 Abs. 1 BGB noch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
24a)
25Allein aus dem unstreitigen Sachverhalt, dass die Klägerin über eine – ggf. teilweise auf dem Grundstück der Klägerin liegende – Schaufel gestürzt ist, ergibt sich noch nicht das Vorliegen eines objektiv verkehrswidrigen Zustandes (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2013, Az. III ZR 326/12, zitiert nach juris, Tz. 16). Das Landgericht hat insbesondere zutreffend angenommen, dass die den Ehemann der Beklagten zu 1) treffende Verkehrssicherungspflicht nicht so weit ging, dass er gehalten gewesen wäre, Schaufeln etc. von der Baustelle zu räumen.
26Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (exemplarisch BGH, Urteil vom 03.06.2008, Az. VI ZR 223/07, NJW 2008, 3775 Tz. 9 m. w. N.).
27Anhand dieses Maßstabes hat das Landgericht zutreffend auf die Erkennbarkeit der Baustellensituation und der verwendeten Gerätschaften abgestellt. Die Frage der Erkennbarkeit der Gefahr ist entgegen der Argumentation der Berufung nicht nur hinsichtlich des Mitverschuldens – für das der Schädiger die Beweislast trägt – von Bedeutung, sondern bestimmt bereits den Umfang der erforderlichen Vorkehrungen und damit den objektiven Umfang der Verkehrssicherungspflicht. Der Senat teilt die Bewertung des Landgerichts, dass in der konkreten Situation keine weitergehenden Schutzmaßnahmen erforderlich waren. Es handelte sich um eine gut erkennbare Baustelle. Anders als vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift vorgetragen (dort Bl. 4 GA) war es auch nicht so, dass die Klägerin nicht damit rechnen musste, dass auf ihrem Grundstück ungesicherte Gartenwerkzeuge abgelegt wurden, weil auf ihrem eigenen Grundstück keine Gartenarbeiten durchgeführt wurden. Abgesehen von der Erkennbarkeit der Baustelle hat die persönlich angehörte Klägerin erklärt (Bl. 136 GA), ihr Nachbar habe zuvor die Nutzung ihres eigenen Grundstücks für die Bauarbeiten mit ihr abgesprochen, sie habe ihm dies erlaubt, das Grundstück sei ja schließlich groß genug.
28Soweit in anderen Situation wie beispielsweise in den Geschäftsräumen von Einzelhandelsunternehmen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.03.2013, Az. I-9 U 187/12) oder bezogen auf Versorgungsleitung auf einer Kirmes besonders strenge Anforderungen an die Verkehrssicherung gestellt werden, beruht dies auf der gewollten besonderen Ablenkung der Kunden bzw. Besucher. Im Bereich einer Kirmes wird das Stolper- und Sturzrisiko des Fußgängers deutlich erhöht. Dem kann dieser nur dadurch entgegenwirken, dass er seinen Blick in kurzen Abständen nicht nur nach vorne, sondern nach unten unmittelbar vor ihm richtet. Das wird aber in der konkreten Situation dadurch erschwert, dass das Kirmesgeschehen in kurzfristigen Abständen wechselnde Attraktionen bietet, die das Augenmerk der Kirmesbesucher bewusst und beabsichtigt auf sich ziehen sollen, so dass dessen Aufmerksamkeit hinsichtlich des vor ihm liegenden Bodenbereiches stark eingeschränkt ist (OLG Hamm, Urteil vom 24.03.2015, Az. 9 U 114/14, NJW-RR 2015, 860, Tz. 12). Mit einer solchen Situation ist die konkrete Situation der vom Ehemann der Beklagten betriebenen Baustelle nicht zu vergleichen. Es bestand daher keine Verpflichtung, die im Baustellenbereich vorhandenen Werkzeuge beiseite zu räumen oder besonders zu sichern, weil sich die Klägerin – freiwillig – in diesen Bereich begeben hat, um mit dem Ehemann der Beklagten zu 1) zu sprechen.
29b)
30Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.04.2016 (dort Bl. 85 GA) vorgetragen hat, die Werkzeuge seien von dem Beklagten zu 2) oder 3) unmittelbar hinter ihrem Rücken abgelegt worden, als sie mit dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Beklagte zu 1) gesprochen habe, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, eine entsprechende Feststellung auf Basis der Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht treffen zu können. Für einen solchen Hergang fehlt jegliche tatsächliche Grundlage:
31Die Klägerin selbst hat nicht nur erklärt, die Gerätschaften erst am Boden liegend bemerkt zu haben. Sie hat darüber hinaus im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht erklärt (Bl. 139 GA), die Beklagten zu 2) und 3) hätten während ihres gesamten Gespräches mit dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Beklagten zu 1) nicht gearbeitet, sondern die ganze Zeit am Pfeiler gestanden. Sie hätten 20 Minuten lang gar nichts gemacht. Daher ist es bereits auf Basis der eigenen Anhörung der Klägerin ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2) oder der Beklagte zu 3) während ihres Gespräches mit deren Chef die Schaufel im Bereich ihres Rückens deponiert haben. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin stellt sich danach als unbeachtlicher Vortrag ins Blaue dar.
32Daneben ergibt sich auch auf Basis der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 2) und 3) kein Anhaltspunkt dafür, dass eine dieser Parteien die Schaufel während des Gespräches der Klägerin mit deren Chef unmittelbar im Rücken der Klägerin abgelegt hat.
332.
34Da eine Haftung der Beklagten bereits am Fehlen einer Pflichtverletzung scheitert, kommt es auf die weiteren mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen der Klägerin nicht an. Die Berufung bietet keine Aussicht auf Erfolg.
35III.
36Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
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