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Das Inverkehrbringen eines Kraftfahrzeugs, dessen Dieselmotor mit einem "Thermofenster" ausgerüstet ist, stellt keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Käufers dar. Es kann dabei offen bleiben, ob ein "Thermofenster" eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Artikel 5 Absatz 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist.
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.05.2020 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn (3 O 612/19) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss und dem angefochtenen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund des Beschlusses bzw. des Urteils vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 22.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
2Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht erforderlich ( § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
3Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 21.09.2020 Bezug genommen.
4Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.10.2020 rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache.
5Soweit der Kläger sein Schadensersatzbegehren darauf stützt, dass eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters in das streitgegenständliche Fahrzeug implementiert worden und auch nach dem Aufspielen des Software-Updates immer noch vorhanden gewesen sei, vermag der Vortrag einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB nicht zu begründen. Es fehlt an einem vorsätzlichen sittenwidrigen Verhalten der Beklagten.
6Ein sittenwidriges Verhalten käme bei dem Einsatz eines Thermofensters nur dann in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen und dieser Gesetzesverstoß zumindest billigend in Kauf genommen wurde (OLG München, Urteil vom 20.01.2020, 21 U 5072/19, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019, 3 U 148/18, zitiert nach juris). Dies lässt sich im Streitfall nicht feststellen. Anders als in den Fällen einer Umschaltlogik betreffend den Fahrzeugtestbetrieb, in denen sich aufdrängt, dass eine solche gesetzeswidrig ist, kann dies für ein Thermofenster nicht ohne weiteres vermutet werden. Der insoweit maßgebliche Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO (EG) 715/2007 ist im Hinblick auf die Zulässigkeit von Thermofenstern keineswegs eindeutig und lässt divergierende Auslegungen zu. So weist die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Untersuchungskommission „X“ in ihrem Bericht zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO (EG) 715/2007 darauf hin, dass die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich sei, um den Motor vor Beschädigungen zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulasse, nicht zu beanstanden sei und damit möglicherweise ein Verstoß gegen die Verordnung nicht vorliege (BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016, Seite 123). Vor diesem Hintergrund fehlen greifbare Anhaltspunkte für ein „Erschleichen“ der EG- Typengenehmigung mittels des Thermofensters durch die Beklagte (so im Ergebnis auch OLG Hamm, Urteil vom 28.09.2020, 8 U 17/20; OLG Hamm, Urteil vom 12.08.2020, 30 U 192/19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2020, 5 U 110/19, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2020, 19 U 29/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, 10 U 134/19; OLG Dresden, Urteil vom 16.07.2019, 9 U 567/19, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2019, 3 U 416/19 zitiert nach juris; OLG).
7Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 311 Abs. 2, 3, 280 BGB zu. Die Beklagte hat an den Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und der U GmbH weder als Vertreter, Vermittler oder sog. Sachwalter teilgenommen (vgl. Palandt- Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311 Rdnr. 60), so dass es auf die Frage, ob der Beklagten am Abschluss des hiesigen Kaufvertrages ein eigenes wirtschaftliches Interesse zukommt oder sie hierbei ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat, nicht (mehr) ankommt.
8Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.