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1. Von mehreren wirksamen Zustellungen ist nach § 37 Abs. 2 StPO nur die spätere für die Fristberechnung maßgebend, sofern die Frist zur Rechtsmitteleinlegung zum Zeitpunkt der zweiten Zustellung nicht bereits versäumt war.
2. Die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung setzt voraus, dass sie auf einer (wirksamen) Zustellungsanordnung des Vorsitzenden beruht, eine lediglich auf Veranlassung der Geschäfts-stelle vorgenommene Zustellung ist hingegen unwirksam.
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 30.12.2019 wird aufgehoben.
2. Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 19.08.2019 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit in seiner Anwesenheit verkündetem Urteil vom 19.08.2019 zu einer Geldbuße von 108 Euro wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilt. Gegen das Urteil hat der Betroffene am 26.08.2019 „Rechtsbeschwerde“ eingelegt. Mit Verfügung vom 26.08.2019 hat der Vorsitzende die Zustellung des schriftlichen Urteils an den Betroffenen gegen Zustellungsurkunde und die Übersendung an den Verteidiger gegen Empfangsbekenntnis angeordnet, wobei er den Verteidiger in einem Zusatz darauf hingewiesen hat, dass die Zustellung des Urteils an den Betroffenen erfolgte. Die Zustellung an den Betroffenen ist am 30.08.2019 erfolgt. Das Empfangsbekenntnis des Verteidigers datiert vom 02.09.2019. Am 02.10.2019 hat der Betroffene durch Verteidigerschriftsatz Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und eine Rechtsmittelbegründung abgegeben. Mit Schreiben vom 08.10.2019 hat der Vorsitzende den Betroffenen darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbegründung nicht innerhalb der am 30.08.2019 durch Zustellung an den Betroffenen in Lauf gesetzten Rechtsbeschwerdebegründungsfrist eingelegt und das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen sei. Eine Übersendung einer Abschrift des Schreibens an den Verteidiger ist erfolgt.
4Am 30.10.2019 hat der Verteidiger schriftsätzlich ausgeführt, dass die Rechtsbeschwerdebegründung innerhalb der Monatsfrist, gerechnet aber der Zustellung an ihn selbst, abgegeben worden sei. Vorsorglich hat er Wieder-einsetzung in den vorigen Stand beantragt. Erst mit dem Schreiben vom 08.10.2019, ihm zugegangen am 29.10.2019, sei bekannt geworden, dass die fristauslösende Zustellung „scheinbar“ an den Betroffenen selbst erfolgt sei.
5Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht innerhalb der durch die Zustellung an den Betroffenen am 30.08.2019 in Gang gesetzten Rechtsbeschwerdebegründungsfrist begründet worden sei. Weiter führt es aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet sei.
6Gegen diesen am 09.01.2020 zugestellten Beschluss hat der Betroffene am 10.01.2020 auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt.
7II.
8Der zulässige Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zulässig und begründet.
9Die Rechtsbeschwerdebegründung wurde noch fristgerecht abgegeben. Nach Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils an den Betroffenen am 30.08.2019 hätte die Rechtsbeschwerdebegründung gem. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 StPO an sich bis zum 30.09.2019 abgegeben werden müssen. Allerdings wurde die Rechtsbe-schwerdebegründungsfrist durch die Zustellung an den Verteidiger am 02.09.2019 erneut in Gang gesetzt. Von mehreren wirksamen Zustellungen ist nach § 37 Abs. 2 StPO nur die spätere für die Fristberechnung maßgebend, sofern die Frist zur Rechtsmitteleinlegung zum Zeitpunkt der zweiten Zustellung nicht bereits versäumt war (OLG Hamm, Beschl. v. 07.02.2013 - III - 1 Ws 49/13 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 10.05. 2016 – III-4 Ws 114/16 - juris). Im vorliegenden Fall ist die Zustellung an den Verteidiger am 02.09.2019 ebenfalls als wirksame Zustellung anzusehen. Die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung setzt voraus, dass sie auf einer (wirksamen) Zustellungsanordnung des Vorsitzenden beruht (vgl. BGH, Beschl. v. 06.03.2014 – 4 stR 553/13 – juris), eine lediglich auf Veranlassung der Geschäfts-stelle vorgenommene Zustellung ist hingegen unwirksam (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 18.08.1976 – 1 Ss 177/76 – juris). Hier ist von einer wirksamen Zustellungsanord-nung des Vorsitzenden (auch) bzgl. einer Zustellung an den Verteidiger auszugehen.
10Zuzugeben ist der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Begleitverfügung des Vorsitzenden zum schriftlichen Urteil darauf hindeuten könnte, dass eine Zustellung allein an den Betroffenen erfolgen sollte, nicht aber an den Verteidiger. Für diese Ansicht könnte sprechen, dass er angeordnet hat, dass in dem Begleitschreiben an den Verteidiger mitgeteilt werde: „Bitte reichen Sie eine Vollmacht zur Akte. Die Zustellung des Urteils erfolgt an den Betroffenen.“ Dieser Zusatz könnte darauf hindeuten, dass der Vorsitzende nach § 145a Abs. 3 S. 2 StPO vorgehen wollte. Andererseits hat er aber – entgegen § 145a Abs. 3 S. 2 StPO – dem Verteidiger nicht lediglich von der Zustellung an den Betroffenen unterrichtet und ihm formlos eine Abschrift der Entscheidung übersandt, sondern ihm eine Ausfertigung der Ent-scheidung gegen Empfangsbekenntnis zukommen lassen. Letzteres deutet auf einen Zustellungswillen auch bzgl. des Verteidigers hin, denn dadurch wurde eine Ausfertigung einer Entscheidung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 174 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO) an den Verteidiger vorgenommen (vgl. hierzu: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 35 Rdn. 10; § 37 Rdn. 1). Die Zustellung an den Verteidiger ist nicht ohne oder gegen den Willen des Vorsitzenden allein durch die Geschäftsstelle veranlasst worden. Es würde aber den Grundsätzen eines fairen Verfahrens widersprechen, wollte man im Falle einer solchen widersprüchlichen Verfügungslage die dem Betroffenen ungünstigere Auslegung wählen. Dementsprechend war die am 02.01.2019 beim Amtsgericht eingegangene Rechtsbeschwerdebegründung noch rechtzeitig.
11III.
12Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist damit zulässig, aber unbegründet.
13Dem Vorbringen der Rechtsbeschwerdebegründung lässt sich in der Gesamtschau noch hinreichend die Rüge der Verletzung materiellen Rechts entnehmen.
14Der Senat ist nicht gehindert, über das Rechtsmittel zu entscheiden. Nur wenn der Antrag gemäß §§ 80 Abs. 4 Satz 2 OWiG, 346 Abs. 1 StPO wegen Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels verworfen wurde, beginnt - abweichend von § 345 Abs. 1 StPO - erst mit der Bekanntmachung der Entscheidung des Rechtsbe-schwerdegerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO die Frist zur Begründung des Rechts-mittels zu laufen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. Februar 2017 – 2 (6) SsRs 723/16 –, Rn. 17 - 19, juris). Der dafür maßgebliche Grund, dass dem Beschwerde-führer nicht zugemutet werden kann, ein als unzulässig verworfenes Rechtsmittel vorsorglich zu begründen, trifft indes im vorliegenden Fall nicht zu.
15Da der Betroffene vorliegend nur zu einer Geldbuße von 108 € verurteilt wurde, ist die Rechtsbeschwerde nur bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Die Verletzung rechtlichen Gehörs ist vom Betroffenen nicht behauptet worden; die weiteren Zulassungsgründe liegen nicht vor.