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Einer Universität als Körperschaft des öffentlichen Rechts steht wegen querulatorischer Telefonanrufe kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.
Vielmehr kann die Universität als Trägerin hoheitlicher Gewalt zum Schutz der Funktion ihrer Behörde aus eigener Befugnis und ohne Inanspruchnahme der Gerichte von ihrem digitalen Hausrecht Gebrauch machen und ihr Hausrecht im Wege ihrer Anstaltsgewalt durch Verwaltungsakt durchsetzen.
Der Streitwert in einem diesbezüglich geführten einstweiligen Verfügungsverfahren ist nach der Bedeutung der Sache für die klagende Partei festzusetzen (§ 3 ZPO) und kann die Grenze von 5.000,00 EUR aus § 52 Abs. 2 GKG – wie hier mit 2.500,00 EUR – deutlich unterschreiten.
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 01.03.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (2 O 299/20) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für beide Instanzen – zugleich unter Abänderung der Festsetzung des Landgerichts im angefochten Urteil (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) – auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
2(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
3I.
4Die Berufung ist unbegründet.
5Es fehlt an der schlüssigen Darlegung eines Verfügungsanspruchs sowie eines Verfügungsgrundes.
6Der Verfügungsklägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Sie ist vielmehr gehalten, die streitgegenständliche Störung ihres Betriebes unmittelbar mithilfe der ihr aus ihrem Hausrecht zustehenden hoheitlichen Befugnisse zu unterbinden.
71. Ein Unterlassungsanspruch folgt nach den gegebenen Umständen nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der persönliche Anwendungsbereich ist insoweit nicht eröffnet.
8a) Allerdings ist der persönliche Anwendungsbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht zu eng zu fassen.
9Im Hinblick auf die Herleitung über Art. 12 GG oder Art. 14 GG (i. V. m. Art. 19 Abs.3 GG) erfasst er jedenfalls den Schutz der wirtschaftlichen Betätigung von Unternehmern und von Freiberuflern gegen betriebsbezogene Eingriffe (vgl. BGH Urt. v. 15.1.2019 – VI ZR 506/17, NJW 2019, 781 Rn. 15 f. m. w. N.; Wagner in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 363).
10Zudem ist anerkannt, dass auch das vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG umfasste unternehmerische allgemeine Persönlichkeitsrecht zu den durch § 823 Abs.1 BGB geschützten Rechtsgütern gehört (vgl. BGH Urt. v. 28.7.2015 – VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 Rn. 13 m. w. N.).
11Darüber hinaus wird auch vertreten, dass unabhängig davon, ob eine wirtschaftliche Betätigung vorliegt, jedes verfestigte Substrat von Betriebsmitteln bzw. jede verfestigte Organisation von Sachmitteln gleichermaßen gegen gezielte Eingriffe von außen zu schützen sei (vgl. Spindler in beckOGK, Stand: 01.05.2021, § 823 Rn. 205, 207 m. w. N.). Demnach können auch non-profit-Organisationen (vgl. Wagner in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 367) sowie jede am Gemeinwohl orientierte Betätigung (vgl. LAG Hamm Urt. v. 16.1.2007 – 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250 = juris Rn. 30 „Blutspendedienst“; OLG Frankfurt Beschl. v. 25.5.1981 – 6 W 41/81, OLGZ 1982, 203 unter 2. „Altkleidersammlung“) vom Schutzbereich des § 823 Abs.1 BGB erfasst sein.
12Dies gilt gegebenenfalls auch für privatrechtlich organisierte Unternehmen der öffentlichen Hand (vgl. BGH Urt. v. 7.2.1984 – VI ZR 193/82, BGHZ 90, 113 = juris Rn. 58 ff.).
13b) Gleichwohl erfasst der persönliche Schutzbereich hier nicht die Klägerin als öffentlich-rechtlich verfasste Universität, und zwar unabhängig davon, dass sie sich teilweise, etwa im Hinblick auf die Einwerbung von Drittmitteln, auch wirtschaftlich betätigt.
14Die hier gegenständlichen massiven und von der Verfügungsklägerin mangels sachlichen Grundes nicht mehr hinzunehmenden, teils mit unterdrückter Rufnummer durchgeführten Telefonanrufe des Verfügungsbeklagten auf Festnetz- und Mobilfunkanschlüssen im Rektorat, beim Kanzler und dem Justiziariat stören zwar unmittelbar die Behördenabläufe.
15Dennoch besteht kein Bedürfnis, den analogen Anwendungsbereich von § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB insoweit auf den Betrieb der Klägerin zu erstrecken, da die Verfügungsklägerin als Behörde originäre verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen den Verfügungsbeklagten ergreifen kann.
16Die Klägerin als Trägerin hoheitlicher Gewalt kann zum Schutz der Funktion ihrer Behörde aus eigener Befugnis und ohne Inanspruchnahme der Gerichte von ihrem digitalen Hausrecht Gebrauch machen (vgl. insofern VG Mainz Urt. v. 13.4.2018 – 4 K 762/17.MZ, BeckRS 2018, 10857 = juris Rn. 66 f. m. w. N. „Hausrecht bezüglich der Facebook-Seiten des ZDF“; Kalscheuer/Jacobsen, NJW 2018, 2358; unter Anwendung der ordnungsbehördlichen Generalklausel VG Hamburg Urt. v. 28.4.2021 – 3 K 5339/19, juris Rn. 69 f. „Twitter-Account der Polizei“).
17Ein solches leitet sich hier unmittelbar aus dem in § 18 Abs. 1 Satz 4 HG NRW normierten allgemeinen Hausrecht der Klägerin ab. Dieses umfasst nach seinem Sinn und Zweck nicht etwa nur den unmittelbarer Besitz an den Gebäuden der Hochschule, sondern auch die Funktion der im Rahmen des Einrichtungszwecks genutzten technischen Anlagen und damit auch die Ermöglichung eines störungsfreien Telefonverkehrs. Der Gesetzgeber wollte durch die Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 4 HG NRW, der letztlich nur die zuständige Stelle für die Ausübung des Hausrechts regelt, nämlich ersichtlich nicht die allgemeinen Abwehrrechte von Hochschulen verkürzen. Besteht aber keine einschränkende Regelung, ist anerkannt, dass sich Abwehrbefugnisse von Behörden gegen Störungen Dritter auch ohne gesetzliche Regelung als Annex aus den der Behörde zugewiesenen materiellen Verwaltungsaufgaben ergeben können (vgl. zum Hausrecht OVG NRW Urt. v. 5.5.2017 – 15 A 3048/15, BeckRS 2017, 114361 = juris Rn. 52 f m. w. N.; OVG NRW Beschl. v. 13.5.2011 – 16 E 174/11, NJW 2011, 2379 = juris Rn. 13 f. m. w. N.). Entsprechend ist auch in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Benutzung gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen ohne ausdrückliche Ermächtigung kraft Anstaltsgewalt durch Verwaltungsakt geregelt werden kann (vgl. OVG NRW Beschl. v. 14.12.2017 – 15 A 2315/16, BeckRS 2017, 141869 = juris Rn. 15 f.). Alternativ kann das Abwehrrecht auch schlicht als „gewohnheitsrechtlich“ anerkannt angesehen werden (vgl. BVerwG Beschl. v. 17.5.2011 – 7 B 17/11, NJW 2011, 2530 Rn. 6 m. w. N.).
18Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, warum eine solches Abwehrrecht sonst möglicherweise nur (Sonder-)Ordnungsbehörden unter Rückgriff auf die Generalnormen von § 14 Abs. 1 OBG NRW oder § 8 Abs. 1 PolG NRW, beispielsweise bei ständigen Anrufen auf den Notfallnummern 110 oder 112, zustehen sollten. Auch anderen Behörden, wie beispielsweise Hochschulen oder Gerichten, muss zur Erledigung ihrer Aufgaben bei massiven Störungen ihrer Abläufe ein entsprechendes Recht zustehen, zumal es keinen Unterschied macht, ob die Behördenmitarbeiter(innen) in ihren Räumlichkeiten durch persönlich anwesende Störer(innen) von der Arbeit abgehalten werden oder durch ständige Telefonanrufe.
192. Aufgrund der originären hoheitlichen Befugnis der Klägerin zur Abwehr der Störung fehlt es auch nach Maßgabe des öffentlichen Rechts an einem Verfügungsanspruch und – wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses – auch am erforderlichen Verfügungsgrund. Die Klägerin bedarf zum Schutz ihres Behördenbetriebs keiner gerichtlichen Entscheidung, sondern kann ihr Hausrecht im Wege ihrer Anstaltsgewalt durch Verwaltungsakt durchsetzen.
20II.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 6 und Nr. 10, § 713 ZPO.