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Wird ein in Deutschland wohnender Deutscher bei einem Unfall durch ein Fahrzeug eines Belgiers in Belgien an seinem Eigentum geschädigt, kann er gemäß Art. 13 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO den in Belgien sitzenden Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer an seinem Wohnsitz in Deutschland verklagen, weil das (nach Art. 18 Rom-II maßgebliche belgische Recht) in Art. 150 des Belgischen Versicherungsgesetzes vom 04.04.2014 und Art. 3 des Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 ebenso wie das deutsche Recht in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG einen Direktanspruch gegen den Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer vorsieht.
Materiell anwendbar bei einem solchen Verkehrsunfall in Belgien ist, da Deutschland das Haager Übereinkommen über Straßenverkehrsunfälle von 1971 nicht ratifiziert hat, nach dem Tatortprinzip belgisches Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom-II, wenn – wie hier – keine Rechtswahl im Sinne von Art. 14 Rom-II getroffen wurde sowie Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 Rom-II nicht anwendbar sind.
Das belgische Recht sah jedenfalls im Jahr 2017 keine dem deutschen Recht entsprechende Gefährdungshaftung wie in § 7 Abs. 1 StVG, sondern in Art. 1382, 1383 des belgischen Code Civil nur eine Verschuldenshaftung vor.
Der belgische Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer hat gemäß Art. 150 des Belgischen Versicherungsgesetzes vom 04.04.2014 und Art. 3 des Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 nicht nur für die Verschuldenshaftung des Kraftfahrzeugeigentümers einzustehen, sondern auch für die Verschuldenshaftung des Kraftfahrzeugführers.
Diese Haftung für den Kraftfahrzeugführer ist indes nach Art. 62 des Gesetzes über Versicherungen vom 04.04.2014 ausgeschlossen, wenn das Schadensereignis vorsätzlich herbeigeführt wird.
Mangels (Gefährdungs-)Haftung des Eigentümers nach belgischem Recht kommt es mithin anders als nach § 103 VVG für den Haftungsausschluss nicht darauf an, dass der Kraftfahrzeugführer dem Eigentümer / Halter als Versicherungsnehmer im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung (anders als in der Kaskoversicherung) auch nicht als Repräsentant zuzurechnen ist (vgl. dazu BGH Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013, 1163 Rn. 20; BGH Urt. v. 20.5.1969 – IV ZR 616/68, NJW 1969, 1387; BGH Urt. v. 10.7.1996 – IV ZR 287/95, r+s 1996, 385; Lehmann, r+s 2019, 361, 366). Eine etwaige Einwilligung der klagenden Partei muss der belgische Pflichthaftpflichtversicherer daher nicht beweisen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.02.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen (6 O 296/18) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Der in F (Deutschland) wohnende Kläger nimmt die in Belgien sitzende Beklagte wegen eines behaupteten Verkehrsunfalls vom 16.12.2017 gegen 21.30 h auf einem Supermarktparkplatz in X (Belgien) in Anspruch. Der Kläger war im Unfallzeitpunkt Halter und Eigentümer eines Pkw Mercedes E-Klasse, Erstzulassung 21.12.2005, mit dem amtlichen Kennzeichen ##-## #2, der am 28.11.2017 auf ihn zugelassen worden war. Bei der Beklagten handelt es sich um den damaligen Haftpflichtversicherer des gelben Ford Transit mit dem amtlichen belgischen Kennzeichen #-### ##8, durch welchen das parkende klägerische Fahrzeug beschädigt worden sein soll. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 8.340,20 € geltend, die sich aus den Nettoreparaturkosten in Höhe von 7.124,66 € gemäß dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten der Sachverständigen C vom 24.12.2017, Sachverständigenkosten in Höhe von 1.185,54 € und der allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 € zusammensetzen. Zudem verlangt er Freistellung von ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 €. Der Kläger hat den streitgegenständlichen Mercedes im April 2018 für 3.000,00 € unrepariert weiterverkauft.
4Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er habe sein Fahrzeug am Unfalltage ordnungsgemäß auf dem Parkplatz des E Supermarktes in X geparkt, während er seiner in Belgien lebenden Tochter und deren Mann geholfen habe, deren Haus zu renovieren. Der als Zeuge benannte polnische Staatsangehörige H habe als Fahrer des bei der Beklagten versicherten belgischen Ford Transit beim Rückwärtsfahren seinen parkenden Mercedes beschädigt. Nähere Angaben könne er zum Unfallhergang nicht machen, er nehme insoweit auf die vor Ort ausgefüllte Unfallmitteilung, das sog, „Aandrijdingsformulier“ (Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. 4 d.A.) einschließlich der dortigen Unfallskizze Bezug, die sein flämisch sprechender Schwiegersohn Z zusammen mit dem Fahrer des Transporters ausgefüllt habe.
5Die Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, der behauptete Unfall habe niemals stattgefunden, es handele sich um einen versuchten Versicherungsbetrug. Sie habe im Dezember 2017 verschiedene Meldungen über angeblich mit dem versicherten Fahrzeug verursachte Schäden erhalten. Die Häufung dieser Schadenfälle habe Anlass zu einer Nachfrage bei ihrem Versicherungsnehmer, dem damaligen Fahrzeugeigentümer I, gegeben, der berichtet habe, er habe das Fahrzeug lediglich von August bis etwa Oktober 2017 genutzt, danach habe er es über eine Internetseite zum Verkauf angeboten. Drei angebliche Kaufinteressenten hätten das Fahrzeug im November bei ihm in Augenschein genommen und die Fahrzeugunterlagen kopiert bzw. abfotografiert, ein Verkauf sei jedoch nicht zustande gekommen. Das Fahrzeug habe den gesamten Dezember 2017 in der Auffahrt seiner Zweitwohnung in T, etwa 51 km vom angeblichen Unfallort entfernt gestanden, er habe es auch an niemanden ausgeliehen. Herrn H kenne er nicht. Im Übrigen hat die Beklagte den Unfallhergang und die Schadenshöhe bestritten. Zudem hat sie sich darauf berufen, dass für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Fahrzeug vom Eigentümer unbemerkt entwendet und damit ein Unfall verursacht worden sei, nach Art. 3 des Gesetzes über Krafthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 nach belgischem Recht ein Haftungsausschluss bestehe.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
7Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, gem. Art. 4 Abs. 1 Rom II sei auf den vorliegenden Fall belgisches Recht anzuwenden, da der Ort des Schadenseintritts maßgeblich sei. Insoweit richte sich der Schadensersatzanspruch des Klägers nach Art. 1382 des belgischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Der Kläger habe den ihm auch nach belgischem Recht obliegenden Nachweis, dass der von ihm behauptete Schaden durch das versicherte Fahrzeug verursacht worden sei, nicht erbracht. Insofern fehle es bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung des konkreten Geschehensablaufs. Das Gericht habe aufgrund des Vortrages in der Klageschrift und den Angaben des Klägers in seiner persönlichen Anhörung vielmehr den Schluss gezogen, dass es den Unfall, so wie vom Kläger geschildert, nicht gegeben habe. Es könne dahinstehen, ob sich die behauptete Kollision überhaupt ereignet habe, da jedenfalls von einem Einverständnis des Klägers auszugehen sei, das einen Ersatzanspruch auch nach belgischem Recht ausschließe. Dafür sprächen zahlreiche Beweisanzeichen. Für einen erdachten oder manipulierten Anspruch sprächen schon Art und Hergang des behaupteten Unfalls, bei dem eine Gefährdung des Klägers ausgeschlossen und für den Fahrer des belgischen Fahrzeugs ausgesprochen gering gewesen sei sowie die eindeutige Haftungslage, nach der ein Mitverschulden des Klägers nicht in Betracht komme. Weitere Indizien seien die Angaben zu Ort und Zeit des angeblichen Unfalls. Unstreitig sei der Supermarkt im Unfallzeitpunkt geschlossen gewesen, so dass mit neutralen Zeugen nicht zu rechnen gewesen sei. Dass der Kläger über 11 km vom im Rahmen der Zeugenbenennung des Schwiegersohns angegebenen Wohnort seiner Tochter entfernt geparkt habe, sei mit der Angabe, er habe dieser beim Renovieren geholfen, nicht in Einklang zu bringen. Zudem sei das belgische Fahrzeug nicht von dessen Halter, sondern einem polnischen Staatsbürger, den dieser gar nicht kenne, gefahren worden. Der Halter habe insoweit vortragen lassen, das Fahrzeug nicht verliehen zu haben. Auch die Unfallfahrzeuge sprächen für einen erdachten oder fingierten Unfall. Geschädigt worden sei ein älteres Fahrzeug der Oberklasse mit einem immer noch erheblichen Wiederbeschaffungswert, das erst wenige Wochen vor dem Unfall auf den Kläger zugelassen worden sei und das er kurz danach unrepariert verkauft habe. Es werde fiktiv abgerechnet, was ebenfalls für manipulierte Unfallgeschehen typisch sei. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Polizei nicht hinzugezogen worden sei. Auch sei auffällig, dass der Kläger nur den Haftpflichtversicherer, nicht aber den Fahrer und den Halter des Transporters in Anspruch nehme.
8Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
9Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
10Er rügt, seine Anhörung gem. § 141 ZPO sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig und ein Dolmetscher nicht hinzugezogen worden sei. Vor diesem Hintergrund hätten seine Angaben auch nicht zu seinen Lasten herangezogen werden dürfen. Er habe erklären wollen, dass er seiner Tochter beim Renovieren eines dem Supermarktparkplatz direkt gegenüber liegenden Hauses geholfen habe, was er jedoch dem Gericht aufgrund der Sprachprobleme nicht habe verständlich machen können. In dieses Haus sei seine Tochter inzwischen eingezogen. Die Anschrift des Zeugen Z sei nicht mehr aktuell. Auch fehle es an Belegen für die Ausführungen des Landgerichts zum belgischen Recht, insbesondere zum Ausfall eines Ersatzanspruchs bei einverständlicher Schädigung. Zudem habe die Beklagte einen manipulierten Unfall nicht behauptet, sondern lediglich, dass das Fahrzeug angeblich nicht am Unfallort gewesen sei. Insoweit habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass er die Behauptungen der Beklagten bestritten habe. Die von ihm benannten Zeugen H und Z seien rechtsfehlerhaft nicht vernommen worden.
11Der Kläger beantragt,
12unter Abänderung des am 25.02.2019 verkündeten und unter dem 19.03.2019 zugestellten Urteils des Landgerichts Essen, Az. 6 O 296/18, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.340,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2018 zu zahlen sowie ihn von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 808,13 EUR gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Es sei richtig, dass sie keine Unfallmanipulation behaupte, sondern sich darauf berufe, dass der Unfall nicht stattgefunden habe und es sich um einen Versicherungsbetrug handele. Ergänzend trägt sie vor, seit Anfang des Jahres 2017 sei es in Belgien zu einer Häufung auffälliger Unfälle gekommen, bei denen die Versicherungsnehmer stets angegeben hätten, sie hätten ihr Fahrzeug über ein Internetportal zum Verkauf angeboten, angebliche Kaufinteressenten hätten Bilder der Fahrzeugpapiere gefertigt, das Fahrzeug selber sei jedoch niemals am angeblichen Unfallort gewesen. Stets habe es sich um Unfälle mit geparkten Fahrzeugen, oft auf Supermarktparkplätzen, gehandelt. Auffällig häufig, in mindestens 16 Fällen, sei der Name H für den angeblich verantwortlichen Fahrer angegeben worden. Insoweit legt sie beispielhaft Schadensmeldungen anderer Unfälle vor. Der Kläger habe in seiner Anhörung zudem nicht erklären können, wie der polnische Fahrer habe wissen können, dass sich der Eigentümer des angeblich beschädigten Fahrzeugs in dem Haus seiner Tochter aufgehalten habe. Zudem sei die Tochter unter einer Adresse gemeldet, die 11,5 km von dem Supermarktparkplatz entfernt liege.
16Der Senat hat den Kläger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers erneut persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 114-115 d.A.) einschließlich des Berichterstattervermerks vom 25.08.2020 (Bl. 120-122 d.A.) verwiesen. Der Senat hat zudem Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen, unfallanalytischen Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2021 (Bl. 183-184 d.A) nebst Berichterstattervermerk (Bl. 185-188 d.A.) und die im Termin überreichten Anlagen zum mündlichen Gutachten verwiesen.
17II.
18Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
191.
20Die rechtzeitig i.S.d. § 517 ZPO eingelegte und gem. § 520 ZPO begründete Berufung ist auch im Übrigen zulässig.
21Insbesondere ist das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsgericht gem. Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 b) der Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) in der Neufassung vom 12.12.2012 (EU) Nr. 1215/2012 (abgedruckt in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, S. 2814 ff.), die gem. Art. 81, 66 Abs. 1 EuGVVO für ab dem 10.01.2015 erhobene Klagen gilt, international zuständig. Der in Deutschland wohnende Kläger kann gegen die in Belgien sitzende Beklagte unmittelbar vor dem Gericht seines Wohnsitzes klagen. Die Zulässigkeit der Direktklage ergibt sich aus Art. 3 des belgischen Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 und Art. 150 des belgischen Versicherungsgesetzes vom 04.04.2014.
222.
23Die Berufung ist aber nicht begründet.
24Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund des behaupteten Verkehrsunfallereignisses vom 16.12.2017 zu. Der einzig mögliche Anspruch aus Art. 1382, 1383 ZGB in Verbindung mit Art. 3 des Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 und Art. 150 des belgischen Versicherungsgesetzes vom 04.04.2014 ist jedenfalls gem. Art. 62 des Gesetzes über Versicherungen vom 04.04.2014 ausgeschlossen.
25Im Einzelnen:
26a)
27Die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Schäden und die Höhe des Schadensersatzes richten sich nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nach belgischem Recht. Gem. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), die die Vorschriften des EGBGB verdrängt, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung des Recht des Staats anzuwenden, in dem der Schaden eintritt (Tatortprinzip, vgl. dazu Thorn, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, Art. 4 Rom II Rn. 1 ff.; Lentz, SVR 2005, 201; Luckey, SVR 2014, 361, 365). Dies ist vorliegend Belgien als Staat, in dem sich der behauptete Unfall ereignet hat.
28Eine vorrangig zu beachtende speziellere Verweisung auf das Sachrecht einer anderen Rechtsordnung besteht nicht. Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen hat Deutschland nicht ratifiziert (vgl. Thorn, in: Palandt, a.a.O., Art. 4 Rom II Rn. 18; Luckey, SVR 2014, 361, 365). Eine Rechtswahl i.S.d. Art. 14 Rom II haben die Parteien nicht getroffen, Haftender und Geschädigter hatten zum Unfallzeitpunkt keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort in demselben Staat i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Rom II, auch besteht keine engere Verbindung zu einem anderen Staat i.S.d. Art. 4 Abs. 3 Rom II.
29b)
30Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht nicht.
31Art. 150 des belgischen Gesetzes über Versicherungen vom 04.04.2014 gewährt dem Geschädigten gegenüber dem Versicherer zwar einen eigenen Anspruch. Gem. Art. 3 des Gesetzes über die Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 muss der Haftpflichtversicherer die Entschädigung des Geschädigten gewährleisten bei der zivilrechtlichen Haftpflicht des Eigentümers, des Halters oder des Fahrers des Fahrzeugs mit Ausnahme der zivilrechtlichen Haftpflicht von Personen, die sich durch Diebstahl, Gewaltanwendung oder Hehlerei Zugriff auf das Fahrzeug verschafft haben (Lentz in MüKo StVR, 1. Aufl. 2019, Rn. 123, 124).
32Ob dem Kläger derartige Haftungsansprüche gegen den damaligen Eigentümer und Halter des Ford Transit I oder dessen vermeintlichen Fahrer H überhaupt, also ob es überhaupt zu einer Unfallbeteiligung des Ford Transit gekommen ist, zustehen, bedarf hier keiner Entscheidung.
33Denn ein daraus abgeleiteter direkter Anspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer ist jedenfalls ausgeschlossen. Nach Art. 62 des Gesetzes über Versicherungen vom 04.04.2014 besteht eine Deckung nämlich nicht bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadensereignisses (vgl. Müller-Trawinski in: Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen, 2. Auflage 2017, Belgien, Rn. 16), wobei sich das Beweismaß für die vorsätzliche Herbeiführung nach den Regeln des deutschen Zivilprozessrechts als Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) richtet (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.1977 - VIII ZR 184/75 - juris Rn. 24; Urteil vom 24.03.1987 - VI ZR 112/86 - juris Rn. 14, 19). Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat in dem für § 286 ZPO notwendigen Grad davon überzeugt, dass die hier streitgegenständlichen Schäden am Klägerfahrzeug nicht im Rahmen des normalen Verkehrsflusses, insbesondere nicht bei einem Parkvorgang des Transporters, entstanden sein können, sondern vielmehr vorsätzlich hervorgerufen worden sind. Die hinsichtlich des Haftungsausschlusses sowohl nach deutschem als auch belgischem Recht beweisbelastete Beklagte hat den Vollbeweis eines vorsätzlich verursachten Schadens geführt.
34Zwar hat sich die Beklagte, worauf sich auch die klägerische Berufung stützt, nicht explizit auf einen Haftungsausschluss wegen Vorsatzes berufen, sondern das Vorliegen eines Unfalls als solchen bestritten und sich lediglich hilfsweise auf einen Haftungsausschluss bei Diebstahl berufen. Allerdings ist auf der Basis gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich davon auszugehen, dass sich eine Partei regelmäßig ein für sie günstiges Beweisergebnis zu eigen macht (vgl. BGH, Beschluss vom 29.8.2018 – VII ZR 195/14, NJW-RR 2018, 1287, beck-online sowie Beschluss vom 28. Januar 2016 – VII ZR 126/13 –, juris Rn. 13; ebenso Senat, Urteil vom 27.11.2020 – 7 U 24/19). Gründe, von diesem Grundsatz abzuweichen, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Die zweitinstanzliche Beweisaufnahme hat eine vorsätzliche Beschädigung des Klägerfahrzeugs ergeben, was somit zu Gunsten der Beklagten wirkt.
35Der vom Senat bestellte Sachverständige U hat in seinem mündlichen Gutachten nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Schäden der unfallbeteiligten Fahrzeuge, die er anhand von Fotos bestimmen konnte, im Wesentlichen kompatibel seien. Grundsätzlich könne man die Schäden am Klägerfahrzeug einer jeweils passenden Stelle am Transporter zuordnen. Eine Kollision der Fahrzeuge sei nicht zu widerlegen, sondern im Gegenteil naheliegend. Der Zusammenstoß könne sich aber nicht bei einem Parkvorgang im normalen Verkehrsfluss ereignet haben. Bei einer für einen Parkvorgang typischen rückwärtigen Bogenfahrt, deren möglicher Winkel sich vorliegend anhand der Tatsache, dass der Spiegel an der Beifahrerseite des Klägerfahrzeugs nicht beschädigt gewesen sei und daher auch nicht vom zurücksetzenden Transporter touchiert worden sein könne, ohne Schwierigkeiten rekonstruieren lasse, könnten lediglich Schäden im Bereich der Beifahrertür bis zur tiefsten Eindringung an der Hintertür entstanden sein. Die weiteren, dahinterliegenden Schäden am Klägerfahrzeug könnten bei einem solchen Fahrmanöver dagegen eindeutig nicht erzeugt werden (vgl. Berichterstattervermerk vom 26.02.2021, Bl. 126 d.A. sowie Anlagen A23-A26 zum mündlichen Gutachten). Denn bei einer Bogenfahrt berühre der Transporter die hinteren Bereiche des Klägerfahrzeugs gar nicht. Aber auch bei Annahme eines Fahrvorgangs in rückwärtiger Geradeausfahrt seien die entstandenen Schäden aus dem normalen Verkehrsfluss heraus nicht erklärbar. Derartige Beschädigungen über die gesamte Beifahrerseite ließen sich nämlich nur dann erzeugen, wenn der Transporter mit einer durchgängigen Geschwindigkeit von etwa 8 km/h bei festgehaltenem Lenkrad gegen das Klägerfahrzeug gefahren worden sei. Dies habe ein Versuch mit entsprechenden Vergleichsfahrzeugen eindeutig gezeigt (vgl. Berichterstattervermerk vom 26.02.2021, Bl. 187 d.A. sowie Anlagen A27-A35 zum mündlichen Gutachten). Das bedeute, dass bewusst gesteuert ein Unfall herbeigeführt worden sein müsse. Diesen in sich widerspruchsfreien und plausiblen Ausführungen schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung vollumfänglich an. Die Tatsache, dass während des gesamten Fahrmanövers stetig Gas gegeben und das Lenkrad durchgängig festgehalten worden sein muss, also weder ein Abbremsen noch ein Ausweichen stattgefunden haben können, zeigt nach der übereinstimmenden Überzeugung des Senats eindeutig, dass der Fahrer den Transporter vorsätzlich gegen das parkende Klägerfahrzeug gesteuert haben muss, offenbar in der Absicht, einen Versicherungsfall vorzutäuschen.
36Damit ist die Haftung der Beklagten nach Art. 62 des belgischen Gesetzes über Versicherungen vom 04.04.2014 wegen vorsätzlicher Schadensherbeiführung aber ausgeschlossen. Durch wen die vorsätzliche Schädigung erfolgte, also durch den Versicherungsnehmer selber oder durch einen berechtigten oder unberechtigten Fahrer, ist nach belgischem Recht ebenso unerheblich wie das Vorliegen eines – allerdings naheliegenden – Einverständnisses des Klägers in die Schädigung.
37c)
38Auf die Frage, ob eine Haftung der Beklagten hier auch gem. Art. 3 des Gesetzes über Kraftfahrthaftpflichtversicherung vom 21.11.1989 wegen widerrechtlicher Nutzung des versicherten Fahrzeugs durch eine vom Fahrzeugeigentümer verschiedene Person ausgeschlossen ist, worauf sich die Beklagte hilfsweise berufen hat, kommt es ebenfalls nicht mehr an.
393.
40Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.