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Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 15. November 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 23. No-vember 2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in bei-den Rechtszügen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 427,20 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem der Beklagte von ihm den Ersatz von Kosten für den Einsatz seiner Freiwilligen Feuerwehr fordert. Zu dem Einsatz kam es, nachdem das Wohnmobil des Klägers auf dem Standstreifen der Bundesautobahn 3 liegen geblieben und (zumindest zunächst) Rauch aus dem Motorraum gequollen war. Der Senat bezieht sich hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, deren Feststellungen er sich in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung).
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Der Kläger sei verpflichtet, die Kosten des Feuerwehreinsatzes zu tragen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 Nr. 3 FSHG NRW i. V. m. §§ 2 Buchstabe c), 4 der Satzung über den Kostenersatz für freiwillige Dienst- und Hilfeleistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt T. B. vom 14. April 1999 in der Fassung der Änderung vom 7. November 2001 (im Folgenden: Feuerwehrsatzung - FwS) seien gegeben. Soweit der Kläger geltend mache, dass es unzulässig sei, je angefangene Stunde den vollen Stundensatz zu berechnen (§ 4 FwS), griffen diese Bedenken jedenfalls nicht für die Berechnung der ersten Einsatzstunde, um die es hier gehe. Diese verursache die meisten Kosten. Die Feuerwehrleute und Fahrzeuge müssten in Bereitschaft zum jederzeitigen Ausrücken sein; ebenso sei die Hin- und Rückfahrt zum Einsatzort zu berücksichtigen.
5Mit der zugelassenen Berufung trägt der Kläger ergänzend vor: § 4 Abs. 3 FwS, wonach für jede angefangene Stunde eines Einsatzes der volle Kostenersatztarif zu entrichten sei, verstoße gegen das Äquivalenzprinzip. Diese pauschale Stundensatzregelung sei mit geltendem Recht nicht vereinbar und könne daher auch nicht für die Berechnung der Kosten der ersten Einsatzstunde herangezogen werden.
6Der Kläger beantragt sinngemäß,
7das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen,
10und trägt ergänzend vor: Die mit Blick auf das Äquivalenzprinzip geltend gemachten Bedenken griffen jedenfalls nicht für die erste Einsatzstunde. Abgesehen davon sei durch die Billigkeitsregelung des § 5 FwS gewährleistet, dass in Einzelfällen eines krassen Missverhältnisses zwischen der tatsächlichen Einsatzdauer und der sich aus § 4 Abs. 3 FwS ergebenden Berechnungsgrundlage eine Korrektur des Kostenbescheides vorgenommen werden könne. Selbst wenn § 4 Abs. 3 FwS in Bezug auf die nach der ersten Einsatzstunde geleisteten Einsatzstunden rechtlichen Bedenken unterläge, führe dies nicht zur Nichtigkeit der gesamten Feuerwehrsatzung.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen (Beiakten Hefte 1 bis 3).
12II.
13Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
14Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. November 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 23. November 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15Es fehlt an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Bescheide. Die Feuerwehrsatzung und der zugehörige Kostenersatztarif in der hier maßgeblichen Fassung sind wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
16Nach § 41 Abs. 3 FSHG ist der Kostenersatz nach Absatz 2 der Vorschrift durch Satzung zu regeln; hierbei können Pauschbeträge festgelegt oder die Ausgaben in der tatsächlichen Höhe einschließlich der Zins- und Tilgungsleistungen zu Grunde gelegt werden. Die Berechnung des Kostenersatzes für Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr des Beklagen ist in § 4 FwS geregelt. Er wird gemäß § 4 Abs. 1 FwS nach Maßgabe der Satzung und des beiliegenden Kostenersatztarifs erhoben. Die Nummern 1 bis 3 des Kostenersatztarifs weisen Kostensätze für den Einsatz von Personen, Fahrzeugen und die Benutzung von Geräten "je Stunde" aus. § 4 Abs. 3 FwS bestimmt, dass für jede angefangene Stunde der volle Kostenersatztarif zu entrichten ist. Diese Regelung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil bei ihrer Anwendung wesentlich ungleiche Sachverhalte ohne sachlich einleuchtende Gründe gleich behandelt werden und - umgekehrt - Normadressaten anders behandelt werden, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung ihrem Maße nach rechtfertigen könnten.
17Legt ein Satzungsgeber - wie hier - in der Satzung nach § 41 Abs. 3 FSHG Pauschalbeträge fest, haben sich diese in ihrer Höhe in etwa an den tatsächlichen Kosten für die ersatzpflichtigen Einsätze zu orientieren.
18Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 1994 9 A 781/93 -; NWVBl. 1995, 66 = GemH 1996, 69; BayVGH, Urteil vom 18. Juli 2008 - 4 B 06.1839 -, BayVBl. 2009, 149 = juris Rdnr. 25 f.
19Zugleich hat der Satzungsgeber auch bei der Zugrundelegung von Pauschalsätzen sicherzustellen, dass die einzelnen Kostenschuldner nicht mit Kosten belastet werden, die den von ihnen zu verantwortenden Einsätzen nicht mehr zuzurechnen sind. Das ist bei Anwendung des § 4 Abs. 3 FwS nicht ausreichend gewährleistet. Die Regelung führt jedenfalls bei kurzzeitigen Einsätzen zu einer zu weitgehenden Loslösung der Ersatzpflicht von der individuellen Kostenverantwortung, ohne dass hierfür hinreichende Rechtfertigungsgründe zu ersehen sind. Indem für jede angefangene Stunde der volle Stundensatz veranschlagt wird, werden Einsätze, die bezogen auf ihre Dauer in einem erheblichen Maße voneinander abweichen, im Hinblick auf die Höhe der zu ersetzenden Kosten gleichgestellt. Dies kann sogar - in besonders gelagerten Fällen, worauf der Beklagte zu Recht hinweist - dazu führen, dass bei vergleichbarem Aufwand von Personal, Fahrzeugen und Geräten für einen Einsatz von 61 Minuten Dauer von dem Kostenschuldner ebenso viel verlangt wird, wie für einen Einsatz von einer Dauer von 119 Minuten. Aber auch bereits bei weniger deutlichen zeitlichen Differenzen - und damit nicht nur in Ausnahmefällen, wie der Beklagte meint - liegt eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte vor. Umgekehrt fehlt eine hinreichende Rechtfertigung dafür, dass sich bei einem die Stundengrenze nur wenige Minuten überschreitenden Einsatz der Kostensatz sogleich verdoppelt. Auch der Beklagte hat für die von ihm in § 4 Abs. 3 FwS geregelte Typisierung keine einleuchtenden sachlichen Erwägungen angeführt. Sachverhalte der vorliegend beschriebenen Art lassen sich schon deshalb nicht durch die in der Satzung enthaltene Billigkeitsklausel auffangen, da § 4 Abs. 3 FwS nicht nur in Ausnahmefällen, sondern vielfach zu Ergebnissen führt, die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind.
20§ 4 Abs. 3 FwS ist vor diesem Hintergrund nichtig. Eine geltungserhaltende Reduktion der Vorschrift hinsichtlich des Kostenersatzes für die erste Einsatzstunde scheidet aus. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Nichtigkeit des § 4 Abs. 3 FwS die Nichtigkeit der gesamten Satzung und des zugehörigen Kostenersatztarifs zur Folge. Die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit einer Satzung oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, hängt davon ab, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2008 9 B 42/08 -, juris = juris Rdnr. 13.
22Es bedarf keiner Entscheidung, ob die übrigen Vorschriften der Satzung und des Kostentarifs so ausgelegt werden könnten - allein dies ist angesichts des Regelungsgefüges des § 4 FwS und des Kostentarifs denkbar -, dass sich die Höhe des Kostenersatzanspruchs nach der realen zeitlichen Einsatzdauer richten soll und die Einsätze nach dieser Maßgabe unter Zugrundelegung der im Kostentarif festgelegten Stundensätze minutengenau abzurechnen wären. Denn es kann nicht angenommen werden, dass eine solche minutengenaue Abrechnung dem hypothetischen Willen des Satzungsgebers entspräche, in dessen Ermessen es beispielsweise auch stünde, eine auf Zeitabschnitte von 15 Minuten bezogene Abrechnung vorzusehen; den oben aufgezeigten Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG wäre damit ebenfalls genügt.
23Vgl. in diesem Zusammenhang auch BayVGH, Urteil vom 18. Juli 2008 - 4 B 06.1839 -, a.a.O., zur Abrechnung nach halbstündigen Zeitabschnitten.
24Außerdem kann angesichts der vom Satzungsgeber tatsächlich gewählten Regelung Ermittlung der Einsatzkosten nach angefangenen Stunden - nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die im Kostentarif enthaltenen Stundensätze in der jeweiligen Höhe auch in Ansehung einer zeitgenaueren Abrechnung genau so gestaltet hätte. Im Gegenteil ist anzunehmen, dass die Höhe der Stundensätze gerade auch mit Blick darauf festgelegt worden ist, dass für jede angefangene Stunde der volle Stundensatz in Ansatz zu bringen war.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
26Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.
27Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.