Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Zur Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue aufgrund von Kontakten zur salafistischen Szene.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 14.940,64 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann – unabhängig von der Frage des Vorliegens der wirtschaftlichen Voraussetzungen – nicht entsprochen werden. Denn der Antrag, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 4. Oktober 2011 zuzulassen, bietet nicht die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Mit Blick auf die aus den nachstehenden Gründen für die Ablehnung des Zulassungsantrags herzuleitende Klarheit und Eindeutigkeit der fehlenden Erfolgsaussichten würde auch ein mit hinreichenden finanziellen Mitteln ausgestatteter Beteiligter von der weiteren Rechtsverfolgung absehen.
3Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht vor.
41. An der Richtigkeit des Urteils erster Instanz bestehen keine ernstlichen Zweifel, die eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen. Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Eine hinreichende Darlegung erfordert es, unter eingehender Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil dessen Fehlerhaftigkeit zu erklären und zu erläutern. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags die Zulassungsfrage beurteilen können, ohne weitere aufwändige Ermittlungen anstellen zu müssen.
5Ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stattvieler: Beschluss vom 27. Juni 2011 – 1 A 1177/09 –, juris Rn. 9 f., m. w. N. = NRWE.
6Zweifel in diesem Sinne sind nicht dargelegt.
7Das gilt zunächst für die Einwendung des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zur Feststellung seiner Eignung im Sinne des § 55 Abs. 4 SG die Tatsachen unzureichend ermittelt und fehlerhaft unter den Begriff der Eignung subsumiert. Im Einzelnen betont der Kläger insoweit, dass ihm die bloße Meinung zustehe, dass er die Scharia als göttliche Werte- und Gesellschaftsordnung als beste Staatsform ansehe. Soweit das Verwaltungsgericht meine, der Kläger habe über das bloße Haben und die Äußerung einer Meinung hinaus Konsequenzen für seine Einstellung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gezogen, berücksichtige es nicht, dass er geäußert habe, dass er „hier geboren sei und einen Angriff auf Deutschland mit seinem Leben verteidigen werde“. Auch sei eine Zuordnung des Klägers zu einer verfassungsfeindlichen Strömung des Islams fehlerhaft. Das Verwaltungsgericht habe aus einer vermeintlichen Zugehörigkeit des Klägers zur islamischen Richtung des Salafismus auf dessen Verfassungsuntreue geschlossen. Es habe dabei darauf abgestellt, dass er einschlägige Moscheen besucht und Informationsmaterial bei dem Prediger Q. W. bestellt habe. Er wolle sich jedoch keiner bestimmten Richtung des Islam zuschreiben; sowohl die genannten Moscheen als auch Q. W. wendeten sich mit ihrem Angebot speziell an neue Konvertiten. Von Herrn W. seien auch keine verfassungsfeindlichen Aktivitäten bekannt; er habe sich vielfach öffentlich von Gewalt und Terrorismus im Namen des Islam distanziert. Soweit der Kläger einmal die Ausbildung eines Kameraden an der Waffe verweigert habe, sei dies auf eine einmalige Unsicherheit als neuer Konvertit zurückzuführen gewesen. Diese Frage habe er rasch klären können. Durch sein Gespräch mit einem islamischen Geistlichen über diese Frage könne die Autorität der Bundeswehr nicht untergraben worden sein, weil ansonsten auch Gespräche mit der Familie oder im Rahmen der Seelsorge in der Kaserne unzulässig sein müssten. Hinsichtlich des Barttragens habe der Kläger eine ärztliche Erlaubnis erhalten. Außerdem sei dieser Umstand bereits disziplinarisch geahndet worden und könne nunmehr nicht erneut verwertet werden.
8Dieses Vorbringen enthält keine ausreichende Auseinandersetzung mit den tragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Kern darauf gestützt, dass die für die Entlassung erforderliche mangelnde Eignung des Klägers aufgrund von „Zweifeln an seiner Bereitschaft bestehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes dienstliches und außerdienstliches Verhalten hierfür einzutreten.“ Diese vom Verwaltungsgericht geäußerten „Zweifel“ werden durch die wiedergegebenen Einwendungen des Klägers nicht in Frage gestellt.
9Denn der Kläger beschränkt sich darauf, Teilen der Begründung des Verwaltungsgerichts für die Annahme solcher Zweifel Behauptungen des Gegenteils gegenüberzustellen, ohne sich im Einzelnen mit den Gründen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen. Soweit der Kläger betont, dass es ihm gestattet sei, eine bestimmte Meinung über die Geltung der Scharia zu haben, ist vom Verwaltungsgericht nichts anderes dargetan worden. Es hat vielmehr betont, dass „die Grenze [erst] überschritten sei, wenn der Soldat aus seiner Auffassung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland … zieht.“ Da das Verwaltungsgericht dies als erfüllt angesehen hat, hat es seine Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers nicht schon allein an das Haben und Äußern einer Meinung angeknüpft.
10Zu Unrecht moniert der Kläger zudem, das Verwaltungsgericht habe nicht gewürdigt, dass er sich dazu bekannt habe, Deutschland bei einem Angriff zu verteidigen. Denn auf S. 16 des Urteilsabdrucks würdigt das Verwaltungsgericht diesen Umstand (mit). Es setzt sich damit auseinander, dass der Kläger „sinngemäß geltend macht, entgegen der Auffassung der Beklagten stehe er auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Das Verwaltungsgericht hat entsprechende Einlassungen des Klägers aber deswegen als nicht maßgeblich erachtet, weil sie u. a. im Widerspruch dazu stünden, dass er sich „einer fundamentalistischen Richtung des Islam zugewandt und hierbei Kontakte zu Vertretern sowie zu Einrichtungen einer Gruppierung unterhalten hat, deren Weltanschauung und Ziele nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind“.
11Soweit der Kläger des Weiteren bestreitet, einer islamischen Richtung, namentlich dem Salafismus, nahezustehen, und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Einrichtungen und Personen, zu denen er Kontakt aufgenommen habe, besondere Angebote für neue Konvertiten anböten, fehlt ebenfalls eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dieses hat im Kern nämlich Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers aus seinen Kontakten zu Einrichtungen und Personen der salafistischen Szene hergeleitet. Zur Darlegung von Zweifeln im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (gemeint hier: Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung) genügt es demnach nicht, die eigene Zugehörigkeit zur salafistischen Szene – noch zudem unsubstantiiert – zu bestreiten. Vielmehr müsste eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts erfolgen, die geeignet ist, die vom Verwaltungsgericht angenommenen Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers zu zerstreuen. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und unter Heranziehung verschiedener öffentlich zugänglicher Quellen begründet, warum es die Moscheen, die der Kläger besucht hat, sowie den Prediger Q. W. , von dem der Kläger Flugblätter zum Zwecke der Missionsarbeit bezogen hat, der salafistischen und damit einer verfassungsfeindlichen Szene zuordnet. Wegen der Kontakte des Klägers zu diesen Einrichtungen und Personen hat es auf die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers geschlossen. Aufgrund der beschriebenen Vielfalt der Kontakte zur salafistischen Szene, die bei natürlicher Betrachtungsweise eine Zufälligkeit für nahezu ausgeschlossen erscheinen lässt, wäre es zur Darlegung von Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung erforderlich gewesen, eingehend und schlüssig darzulegen, warum die Kontakte des Klägers gleichwohl harmloser Natur gewesen sein sollten. Dies kann nicht durch die Erklärung geschehen, dass diese Personen und Einrichtungen spezielle Programme für neue Konvertiten unterhalten. Denn daraus ist nicht unbedingt darauf zu schließen, dass diese Programme nicht salafistischen oder sonst verfassungsfeindlichen Inhalts gewesen sein sollen. Dass der Kläger keinen Aktivitäten habe nachgehen wollen, die seine Verfassungstreue in Frage stellten, ist als bloße Behauptung ebenfalls nicht geeignet, die vom Verwaltungsgericht angenommenen Zweifel zu zerstreuen. Der entsprechende Wille schließt es im Übrigen nicht aus, dass aufgrund des einmal entstandenen Kontakts dieser nicht doch einen anderen als den ursprünglich gewollten Charakter angenommen hat. Ebenfalls ungeeignet, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, ist der Einwand, Q. W. seien keine verfassungsfeindlichen Aktivitäten nachzuweisen und er habe sich gegen Gewalt und Terrorismus erklärt. Denn das schließt gleichwohl nicht aus, dass Q. W. – wie vom Verfassungsschutz angenommen –,
12Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2010, = Beiakte 5, S 229 f.,
13eine Gesellschaftsordnung außerhalb des Grundgesetzes anstrebt und – etwa durch die Verbreitung von Flugblättern – darauf hinarbeitet.
14Die Einwendungen des Klägers gegen die Vorwürfe des Verwaltungsgerichts betreffend sein dienstliches Verhalten (Ausbildung an der Waffe, Konsultation eines islamischen Geistlichen, Tragen eines zu langen Bartes) sind zur Darlegung von Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung unerheblich. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung selbstständig tragend auf mehrere Gründe, erfordert die erfolgreiche Geltendmachung von Berufungszulassungsgründen, dass gegen jeden dieser Begründungsstränge ein Berufungszulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt. Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Das Verwaltungsgericht hat seine Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers aus zwei Gründen hergeleitet, die nach seiner Auffassung jeweils für sich betrachtet derartige Zweifel begründen. Es hat einerseits abgestellt auf die näher bezeichneten Kontakte zur salafistischen Szene. Hiergegen bringt der Kläger nichts Durchgreifendes vor. Zudem hat es das dienstliche Verhalten des Klägers in den Blick genommen. Das Verwaltungsgericht hat dieses Verhalten als einen weiteren, zur Annahme der entsprechenden Zweifel jedoch nicht mehr erforderlichen Grund angesehen, von mangelnder Verfassungstreue auszugehen. Dieser Grund trat zusätzlich neben die zuvor schon begründeten Zweifel, welche aber bereits allein die Entscheidung tragen.
15Darüber hinaus genügt das Vorbringen des Klägers auch deswegen nicht den Darlegungsanforderungen, weil das Verwaltungsgericht die aus seiner Sicht gegebenen Zweifel an der Verfassungstreue auch daraus herleitet, dass der Kläger sich missionierend an seine Kameraden gewandt habe. Auch dieser Umstand zeige, dass der Kläger es nicht bei reinen Meinungsäußerungen belassen habe, sondern seine Weltanschauung in den dienstlichen Bereich hineingetragen und die Dienstausübung zum Teil sogar konkret hierunter gelitten habe. Diesen Umstand, der nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls die für die Entlassung erforderlichen Zweifel begründet, greift der Kläger nicht an.
16Ebenfalls genügt es nicht den Darlegungsanforderungen, soweit sich der Kläger gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Ermessensreduzierung auf Null wendet. Diesbezüglich trägt er nämlich nur vor, dass er sich während seiner gesamten Dienstzeit zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt habe. Außerdem seien weder die Vertrauensperson noch er angehört worden. Die schlichte Behauptung des Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist – wie gezeigt – schon nicht geeignet, Zweifel an der Annahme von Zweifeln an der Verfassungstreue des Klägers darzulegen. Es kommt hinzu, dass seine Ausführungen nicht aufzeigen, inwieweit die Beklagte hier zu einer anderen Ermessensentscheidung hätte kommen sollen bzw. inwieweit sich ein Ermessensspielraum von mehr als einer möglichen, rechtmäßigen Entscheidung hätte ergeben können. Gleiches gilt für die unterbliebenen Anhörungen. Die Ausführungen des Klägers lassen nicht erkennen, welcher Aspekt möglicherweise im Rahmen dieser Anhörungen hätte zu Tage treten können, um einen Ermessensspielraum zu eröffnen. Im Hinblick auf die Anhörung des Klägers ist zudem darauf hinzuweisen, dass dieser jedenfalls im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit gehabt hat, Entlastendes vorzutragen.
17Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2011 und damit noch innerhalb der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags ergänzend vorgetragen hat, dass er zwei Wochen nach dem Vorfall betreffend die Weigerung, einen Kameraden an der Waffe auszubilden, eine entsprechende Waffenausbildung durchgeführt und dafür sogar belobigt worden sei, dass er sich im Urlaub den Bart gestutzt habe und dass er einen Kameraden beim MAD gemeldet habe, werden hierdurch ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt. Wie bereits erläutert, kommt es auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Weigerung, eine Waffenausbildung durchzuführen, und zur Barttracht im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens nicht an. Im Hinblick auf die Meldung eines Kameraden beim MAD ist in keiner Weise ersichtlich und vor allem vom Kläger nicht dargelegt, inwieweit hierdurch seine Verfassungstreue unterstrichen werden soll. Er hat zum einen nicht erläutert, welchen Vorwurf er gegen den Kameraden erhoben hat. Zum anderen hat er nicht erklärt, wieso aus der Meldung eines Kameraden beim MAD auf seine Verfassungstreue zu schließen sein soll. Einer solchen Meldung können sehr vielfältige Motive zugrunde liegen.
182.
19Es liegen auch keine Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor.
20Soweit der Kläger moniert, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt im Hinblick auf seine Bereitschaft, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen, unzureichend ermittelt, beinhaltet dieser Einwand eine Aufklärungsrüge, mithin den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 VwGO. Ergänzt wird diese Rüge durch seine Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Dezember 2011, wonach das Verwaltungsgericht eine unmittelbare Beweisaufnahme nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2011 – 2 C 28.10 – zur Frage der Verfassungstreue hätte durchführen müssen. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur für den Fall eine unmittelbare Beweisaufnahme für erforderlich gehalten, dass ein Verfahrensbeteiligter diese verlangt.
21BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 28.10 –, NWVBl. 2012, 14 = juris Rn. 20.
22Dies steht in Übereinstimmung mit der sonstigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu berücksichtigender Aufklärungsmangel bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten nur dann angenommen werden kann, wenn das Gericht einem förmlich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht nachgegangen ist oder sich die weitere Beweiserhebung förmlich aufdrängte.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 – 2 C 14.91 –, DVBl. 1993, 955 = juris Rn. 30.
24Entsprechende Anträge hat der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aber nicht gestellt. Es sind auch keine Umstände ersichtlich oder vom Kläger dargelegt, die darauf hindeuten, dass sich eine weitere Beweiserhebung dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen. Im Übrigen betrifft die vom Kläger benannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Fall der verwaltungsgerichtlichen Verwendung von in Disziplinarverfahren der Bundeswehr angefertigten Vernehmungsprotokollen. Darum geht es hier aber nicht. Zudem war der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht anwesend und hatte die Gelegenheit, sich umfassend zu erklären.
25Soweit der Kläger einen Verfahrensfehler darin sieht, dass er vor Erlass des Entlassungsbescheides nicht angehört worden sei, liegt ein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO schon allein deswegen nicht vor, weil sich diese Vorschrift allein auf Fehler im gerichtlichen Verfahren bezieht. Insoweit gehört es auch nicht zu den Aufgaben des Gerichts, auf die Nachholung einer unterbliebenen Anhörung im Verwaltungsverfahren hinzuwirken. Sinn der Anhörung ist es außerdem, dass der Kläger Gelegenheit erhält, seinen Standpunkt in das Verfahren einzubringen. Dies ist dem Kläger aber bereits im Rahmen seiner Beschwerde vom 17. Februar 2010 sowie erst Recht im gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht möglich gewesen.
26Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin begründet, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung von einer Assessorin vertreten worden ist. Dabei kann offen bleiben, ob diese zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Beschäftigte der Beklagten im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VwGO gewesen ist und ob sie ggf. vom Verwaltungsgericht gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO als Bevollmächtigte zurückzuweisen gewesen wäre. Denn § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO bestimmt insoweit, dass Prozesshandlungen einer nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten bis zu ihrer Zurückweisung wirksam sind. Das wiederum hat zur Folge, dass auch im Fall möglicher, jedoch nicht erfolgter Zurückweisung eine hinreichende Rechtssicherheit bewirkt wird und eine Berufungszulassung nicht auf die in erster Instanz nicht erkannte fehlende Vertretungsbefugnis gestützt werden kann.
27Vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 67 Rn. 38.
28Der Senat war nicht gehalten, aus Gründen der kostenrechtlichen „Schonung“ des Klägers zunächst nur über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren zu entscheiden, um ihm nach einer solchen isolierten Entscheidung die kostengünstige Rücknahme des Zulassungsantrags zu ermöglichen. Denn der Kläger hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zunächst lediglich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Zulassungsantrag zu beantragen, sondern diesen erst nach der Stellung eines unbedingten Antrags auf Zulassung der Berufung gestellt. Bei einem solchen prozessualen Verhalten muss ein Kläger ohne weiteres damit rechnen, dass über beide Anträge gleichzeitig entschieden wird.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.
30Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der Streitwertfestsetzung – nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.