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Das Verfahren wird eingestellt, soweit es den Zusatz von Calciumcarbonat betrifft. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2007 wirkungslos.
Im Übrigen wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2007 zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin ist Herstellerin verschiedener Soja- und Reisgetränke, die sie in Fertigverpackungen mit dem EU-Biosiegel nach der Ökoverordnung in den Verkehr bringt.
2Auf den Verpackungen des „Soja-Reis Drink“ und des „Sojadrink-Schoko“ war jeweils in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung der Zusatz „+Calcium“ angebracht. Im Zutatenverzeichnis des „Soja-Reis Drink“ wurde u.a. Calciumcarbonat, in dem für den „Sojadrink-Schoko“ wurde u.a. „Seealge (Lithothamnium)“ genannt. Auf beiden Verpackungen befand sich bei den Nährwertangaben pro 100 ml die Angabe “Calcium 120 mg*“, „*15% des empfohlenen Tagesbedarfs“.
3Mit Schreiben vom 16. Februar 2005 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Verwendung von Hinweisen auf den ökologischen Landbau in der Kennzeichnung oder Werbung für die Produkte „Soja-Reis Drink“ und „Sojadrink-Schoko“ nach den Vorschriften der EG-Ökoverordnung nicht zulässig sei. Die Verwendung von Calciumcarbonat sei in Bio-Produkten nur als Lebensmittelzusatzstoff oder als Verarbeitungshilfsstoff zugelassen, was hier nicht vorliege. Die Verwendung von Algen sei zwar grundsätzlich als Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs in Öko-Produkten erlaubt, im Zusammenhang mit der gesonderten Auslobung des Calciums sei die dem Produkt „Sojadrink-Schoko“ zugesetzte Alge jedoch ihrer Zweckbestimmung nach der Mineralstoffanreicherung zuzuordnen und damit nicht zulässig. Der Beklagte bat darum, jegliche Bio-Hinweise von den Erzeugnissen zu entfernen und deren weitere Verwendung in Kennzeichnung und Werbung für die genannten Produkte zu unterlassen. Für den Fall, dass die Klägerin damit nicht einverstanden sein sollte, kündigte er an, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten und ggfs. die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen.
4Nachdem die Klägerin der Rechtsauffassung des Beklagten widersprochen hatte, teilte dieser der Klägerin mit Schreiben vom 13. Mai 2005 mit, dass er ein Bußgeldverfahren eingeleitet habe, und übersandte ein Anhörungsschreiben.
5Am 14. Juli 2005 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, die Erzeugnisse „Soja-Reis Drink“ und „Sojadrink-Schoko“ verstießen nicht gegen die Vorschriften für den ökologischen Landbau.
6Der „Soja-Reis Drink“ entspreche Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates. Der Zusatz von Calciumcarbonat sei ohne einen bestimmten Verwendungszweck zulässig. Calciumcarbonat sei nach Anhang VI, Teil A der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 für alle zugelassenen Wirkungen außer Färbung vorgesehen. Im Übrigen werde es aus technologischen Gründen und zwar zur Abpufferung des pH-Wertes, um ein Ausflocken im Kaffee zu vermeiden, zugesetzt. Die daneben noch gegebene - nicht beabsichtigte - ernährungsphysiologische Funktion sei unerheblich. Dass das Getränk durch den Zusatz von Calciumcarbonat den Calciumgehalt von Vollmilch aufweise, sei zufällig und das Ergebnis einer bestmögliche Kombination aus Funktion - Verhinderung der Ausflockung - und geringer Geschmacksbeeinträchtigung.
7Auch das Erzeugnis „Sojadrink-Schoko“ verstoße nicht gegen Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91. Die zulässige Verwendung von Algen, die als Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs eingestuft würden, sei nicht an eine Zweckbestimmung gebunden. Algen seien vom Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 nicht erfasst, da diese Vorschrift ausdrücklich nur auf Zutaten nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs abstelle. Die Alge Lithothamnium sei landwirtschaftlichen Ursprungs. Bei schweren Stürmen werde sie in Senken zusammengespült, die dann leergeerntet würden. Nach dem Aussortieren anderer Algen würden sie mit Süßwasser gewaschen, getrocknet, gemahlen und verpackt.
8Die Klägerin hat beantragt,
9festzustellen, dass das Erzeugnis „Soja-Reis Drink“ nicht deshalb gegen Art. 5 Abs. 3c) der Verordnung EWG Nr. 2092/91 des Rates verstößt, weil es mit der Angabe „bio“ und dem Hinweis „+Calcium“/ „mit Calcium“ versehen ist und ihm Calciumcarbonat zugesetzt wurde,
10sowie
11festzustellen, dass das Erzeugnis „Sojadrink-Schoko“ nicht deshalb gegen Art. 5 Abs. 3b) und c) der Verordnung EWG 2092/91 des Rates verstößt, weil es mit der Angabe „bio“ und dem Hinweis „+Calcium“/ „mit calciumreicher Seealge“ versehen ist und ihm Lithothamnium calcareum zugesetzt wurde.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte hat vorgetragen, der Zusatz von Calciumcarbonat sei unzulässig. Die Klägerin setze Calciumcarbonat nicht als Lebensmittelzusatzstoff, sondern als Mineralstoff zur Nahrungsergänzung zu. Für jeden Zweck müsse die Zulässigkeit der Verwendung nach Anhang VI der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 nachgewiesen werden. Die Klägerin selbst sehe die ernährungsphysiologische Funktion der Anreicherung mit Calcium nicht nur als Nebeneffekt an. Dies zeige sich bereits daran, dass sie mit diesem Effekt werbe und ihn hervorhebe. Außerdem entspreche der durch den Zusatz von Calciumcarbonat erzielte Calciumgehalt genau dem der Vollmilch. Das zeige, dass die Abpufferung des pH-Wertes nicht der Hauptzweck, sondern der positive Nebeneffekt sei. Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 lege in Anhang VI Teil A.5 fest, dass Mineralien nur insoweit zulässig seien, als ihre Verwendung in den sie enthaltenen Lebensmitteln gesetzlich vorgeschrieben sei. Das sei hier nicht der Fall. Es sei der Zusatzstoffbegriff zugrunde zu legen, der sich aus Ziffer 5 der Einleitung in Anhang VI der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ergebe. Lebensmittelzusatzstoffe seien danach Stoffe gemäß der Definition in Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 89/107/EWG, die unter diese Richtlinie oder die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/107/EWG genannte Globalrichtlinie fielen. In Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie sei ausdrücklich festgehalten, dass sie nicht für Stoffe gelte, die Lebensmitteln zu Ernährungszwecken beigefügt würden (z.B. Minerale, Spurenelemente oder Vitamine). Da somit Mineralien keine Zusatzstoffe im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 seien, sei ihr Einsatz im ökologischen Landbau konsequenterweise von der Systematik her nicht unter Anhang VI A.1 „Lebensmittelzusatzstoffe“, sondern unter A.5 „Mineralien…“ geregelt.
15Die Seealge Lithothamnium calcareum sei nicht Alge als Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs i. S. d. Anhangs VI Teil C 1.3 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91, sondern der Mineralstoffanreicherung zuzuordnen, und - weil sie nicht gesetzlich vorgeschrieben sei - unzulässig. Die Alge sei nicht zum Verzehr geeignet. Sie besitze die Fähigkeit, Calcium und Magnesium auf ihren Zellwänden zu fixieren, nehme nach dem Absterben eine weiße Färbung an und bilde eine Schicht von Meeressedimenten. Das abgestorbene und auf natürliche Weise vom lebenden Organismus abgetrennte Seealgengerüst könne dann geerntet und verarbeitet werden. Man müsse zwischen „Seealgenmehl“ einerseits und dem Mineralstoff „Algenkalk“ andererseits unterscheiden. Lithothamnium calcareum sei identisch mit dem als Futtermittelausgangserzeugnis mineralischen Ursprungs in Anhang I Teil B 4.16 i. V. m. Anhang II Teil C Abschnitt 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates genannten „Lithothamne (Algenkalk)“. Eine andere Auslegung widerspreche dem Willen des europäischen Verordnungsgebers und würde dem Sinn der EG-Ökoverordnung, ein möglichst natürliches, unbehandeltes und ohne Anreicherung von Mineralien hergestelltes Produkt zu erhalten, nicht gerecht.
16Mit dem angefochtenen Urteil vom 12. Januar 2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Feststellungsklage sei zulässig. Es bestehe ein klärungsbedürftiges Rechtsverhältnis, nämlich ob in Bezug auf die von der Klägerin in Verkehr gebrachten Erzeugnisse ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Buchst. b) und c) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 vorliege. Dieses sei auch ausreichend konkret, weil der Beklagte ein Bußgeldverfahren eingeleitet habe. Die Feststellungsklage sei auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär, denn der Beklagte habe nach der Anhörung keinen Verwaltungsakt erlassen, sondern durch Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu erkennen gegeben, das Verwaltungsverfahren zunächst nicht weiter betreiben zu wollen.
17Die Klage sei aber unbegründet, da die begehrten Feststellungen nicht getroffen werden könnten. Hinsichtlich des „Soja-Reis Drink“ liege ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 vor, wenn diesem Calciumcarbonat zugesetzt und in der Verkehrsbezeichnung auf den ökologischen Landbau/ die biologische Landwirtschaft Bezug genommen werde. Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 fordere, dass das Erzeugnis als Zutaten nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs ausschließlich die in Anhang VI Teil A aufgeführten Stoffe enthalte. Zwar gehöre Calciumcarbonat (E 170) mit der Bemerkung „alle zugelassenen Wirkungen außer Färbung“ zu den in Anhang VI Teil A aufgeführten Stoffen. Dieser Stoff werde dem „Soja-Reis Drink“ jedoch nicht als Zutat im Sinne der Verordnung zugesetzt, was sich aus der Einleitung des Anhangs VI, Ziffer 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 d) RL 89/107/EWG ergebe.
18Hinsichtlich des Erzeugnisses „Sojadrink-Schoko“ liege ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 b) und c) der Verordnung (EWG) 2092/91 des Rates vor, wenn ihm Lithothamnium calcareum zugesetzt werde und in der Verkehrsbezeichnung auf den ökologischen Landbau/ die biologische Landwirtschaft Bezug genommen werde, sowie der Hinweis „+ Calcium“/ „mit calciumreicher Seealge“ erfolge. Art. 5 Abs. 3 Buchst. b) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 schreibe vor, dass in der Kennzeichnung und Werbung für ein Erzeugnis in der Verkehrsbezeichnung auf den ökologischen Landbau/ die biologische Landwirtschaft nur Bezug genommen werden dürfe, wenn alle anderen Zutaten des Erzeugnisses, die landwirtschaftlichen Ursprungs seien, in Anhang VI Teil C aufgenommen seien. In Teil C seien unter Ziffer 1.3 Algen, die für die Herstellung herkömmlicher Lebensmittel verwendet werden dürften, aufgeführt. Allerdings gelte für diese die Einschränkung, dass es sich um unverarbeitete pflanzliche Erzeugnisse sowie Erzeugnisse, die daraus unter Einsatz der Verfahren gemäß Punkt 2 Buchst. a) der Einleitung dieses Anhangs hergestellt werden, handeln müsse. Diese Verfahren seien geeignete Wasch-, Reinigungs-, thermische und/oder mechanische und/oder physikalische Verfahren, die zur Herabsetzung des Feuchtigkeitsgehalts der Erzeugnisse führten. Das bedeute, dass Algen nur in unveränderter Form oder nach einer ausschließlich die Herabsetzung ihres Feuchtigkeitsgehalts bewirkenden Behandlung zugesetzt werden dürften, ohne dass es hierbei auf die Zweckbestimmung ankäme. Es handele sich bei dem zugesetzten gemahlenen Produkt aber nicht um den Zusatz von Algen im Sinne der Verordnung. Nach einem Gesprächsvermerk habe die Klägerin dem Beklagten gegenüber angegeben, es werde das korallenartige Gerüst der Alge verwendet, was darauf hindeute, dass nicht die gesamte Alge verwendet werde. Auch in der Rohstoff-Spezifikation der Firma N. werde Lithothamnium calcareum als Meeresprodukt und nicht als Alge bezeichnet. Laut Angaben des französischen Herstellers T. sammelten sich vor der französischen Atlantikküste zumindest auch, wenn nicht sogar überwiegend, Überreste abgestorbener Algen, die dann zusammen mit den in den Senken zusammengespülten Algen geerntet und weiterverarbeitet würden. Das heiße aber, dass, wenn überhaupt, nicht ausschließlich die Ernte und Weiterverarbeitung lebender Algen stattfinde. Damit würden aber nicht Algen einer weiteren Behandlung unterzogen, sondern ein bereits vorher auf natürlichem Wege entstandenes Algenprodukt, das mit der ursprünglichen Alge nicht mehr völlig identisch sei und damit nicht zu den in Anhang VI Teil C Ziffer 1 genannten pflanzlichen Erzeugnissen, die gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. b) der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 zugesetzt werden dürften, gehöre. Dieses Verständnis des Algenbegriffs werde bestätigt durch die futtermittelrechtlichen Regelungen dieser Verordnung. Dort werde in Anhang II Teil C unterschieden zwischen Ausgangserzeugnissen pflanzlichen Ursprungs (Ziffer 1), zu denen nach Ziffer 1.7 Seealgenmehl (gewonnen durch Trocknen und Zerkleinern von Seealgen und anschließendes Waschen zur Verringerung des Jodgehalts) gehöre, und Ausgangserzeugnissen mineralischen Ursprungs (Ziffer 3), bei denen ausdrücklich Lithothamne (Algenkalk) aufgeführt werde. Der Zusatz von Lithothamnium calcareum sei auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 zulässig. Als Zutat nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs wäre es bereits deshalb unzulässig, weil in dem getrockneten und gemahlenen Algenkalk verschiedene Mineralstoffe enthalten seien. Selbst wenn es sich ausschließlich um Calciumcarbonat handelte, wäre der Zusatz nicht nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c) i. V. m. dem Anhang VI Teil A der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 zulässig, weil auch hier der ernährungsphysiologische Zweck eindeutig im Vordergrund stehe oder sogar mangels technologischer Wirkung der ausschließliche Zweck sei.
19Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und begründet. Sie hat zunächst beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2007 aufzuheben und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen. Nachdem die Klägerin das Erzeugnis „Soja-Reis Drink“ nicht mehr mit Zusatz von Calciumcarbonat herstellt, hat sie mit Schriftsatz vom 14. September 2011 insoweit das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich am 10. Oktober 2011 der Erledigungserklärung angeschlossen.
20Hinsichtlich des Erzeugnisses „Sojadrink-Schoko“ hat die Klägerin die Klage dahin geändert, dass sich der Feststellungsantrag nunmehr auf das Getränk „Soja-Drink-Calcium“ beziehen solle. Dazu trägt sie vor:
21Der Zusatz der Alge „Lithothamnium calcareum“ im „Soja-Drink-Calcium“ sei auch nach den geänderten EU-Vorschriften für die ökologische Landwirtschaft zulässig. Die Zulässigkeit bestimme sich nunmehr nach Art. 28 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission i. V. m. Nr. 1.3 des Anhangs IX dieser Verordnung. Nach Nr. 1.3 des Anhangs IX könnten Algen einschließlich Seetang ökologischen Lebensmitteln als nichtökologische Zutaten zugesetzt werden. Nach der Überschrift in Nr. 1 „unverarbeitete pflanzliche Erzeugnisse und daraus hergestellte Verarbeitungserzeugnisse“ dürften Algen sowohl in unverarbeiteter als auch in verarbeiteter Form zugesetzt werden. Die hier verwendeten Algen würden zwar nicht unverarbeitet zugesetzt; jedoch dürften sie unter den Begriff „Verarbeitungserzeugnisse“ zu fassen sein. Sie würden wachsen und dann - nachdem sie in Meeressenken zusammengespült worden seien - geerntet, von Verunreinigungen und anderen Algen gereinigt, gewaschen, getrocknet, gemahlen und verpackt. Es würden nicht nur die abgestorbenen Teile von Algen verwendet. Zudem werde die gesamte Alge und nicht nur Algenkalk zugesetzt. Ob ein natürlicher Mineralisierungsvorgang stattgefunden habe, sei unerheblich. Es sei auch nicht sachgerecht, bei der Begriffsbestimmung des „Verarbeitungsprozesses“ darauf abzustellen, ob eine stoffliche Veränderung ausschließlich auf eine menschliche Einwirkung zurückzuführen sei. Auch bei anderen pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen werde ein natürlicher Veränderungsprozess als Verarbeitung verstanden, der nicht unmittelbar auf menschliche Einwirkung zurückzuführen sei (Fermentation, Edelfäule bei Wein, Schimmelbildung bei Käse, Reifung des Fleisches nach der Schlachtung). Anderes ergebe sich auch nicht aus den futtermittelrechtlichen Vorschriften in Anhang V der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008. Dort werde zwar zwischen Algenmehl und Algenkalk unterschieden. Diese Unterscheidung finde sich aber in dem hier einschlägigen Anhang IX dieser Verordnung nicht.
22Das von der Klägerin eingesetzte Produkt stamme von einem Produktionsbetrieb aus Island und gelange über einen irischen Lieferanten an die Klägerin. Der isländische Betrieb verfüge über ein Zertifikat der isländischen Kontrollstelle „U. “, wonach u. a. das hergestellte Erzeugnis „Lithothamnium calcareum“ als Zutat für die Bio-Produktion zugelassen sei. Der irische Lieferant bemühe sich derzeit auch selbst um eine Zertifizierung des Algenerzeugnisses als Bio-Produkt. Die dem französischen Lieferanten bereits erteilte Bio-Zertifizierung sei nachträglich wieder zurückgenommen worden, weil die Nachhaltigkeit nicht ausreichend habe gewährleistet werden können. Das sei bei dem isländischen Erzeuger anders. Dessen Herstellungsmethoden gefährdeten Biotope mit natürlich wachsenden Algen nicht. Im Übrigen sei der Zusatz der Alge auch ohne deren Bio-Zertifizierung zulässig. „Lithothamnium calcareum“ sei kein Mineralstoff und auch kein Zusatzstoff, da dies erfordere, dass es sich nicht - wie vorliegend - um ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat handele. Das von der Klägerin verwendete Produkt entspreche auch nicht in Zusammensetzung und Funktion dem Zusatzstoff Calciumcarbonat. Ein Mineral könne nur angenommen werden bei Stoffen geogenen Ursprungs. Die chemische Zusammensetzung von „Lithothamnium calcareum“ sei in lebendem, in abgestorbenem sowie in getrocknetem/gemahlenem Zustand dieselbe. Lediglich ein geringer Teil an organischem Material sei im Endprodukt nicht mehr enthalten. Der Calciumgehalt ändere sich nicht; ein sogenannter Calcifizierungsprozess finde daher nicht statt. Auch das Endprodukt sei danach noch „Alge“ oder wenigstens deren Verarbeitungserzeugnis. Davon gehe auch die EU-Kommission aus, denn in dem Schreiben einer Mitarbeiterin an die Europäische Vegetarier-Union vom 30. März 2015 führe diese u.a. aus, dass die Lithothamnium-Alge zu den Algen im Sinne von Ziffer 1.3 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 gehöre. Es gebe im Übrigen auf dem europäischen Markt eine Vielzahl von Rezepturen, meist Bio-Drinks, die unter Verwendung von Lithothamnium calcareum hergestellt würden, was die jeweils zuständigen Kontrollstellen als zulässig erachtet hätten.
23Die Klägerin beantragt,
24das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass das Erzeugnis „Soja-Drink-Calcium“ nicht deshalb gegen Art. 23 Abs. 4 Buchst. a) i. V. m. Art. 19 Abs. 2 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 verstößt, weil es mit der Angabe „Bio“ und den Hinweisen „Calcium“, „mit kalziumreicher Seealge“ bzw. „mit hochwertigem Calcium aus der Seealge Lithothamnium“ versehen ist und ihm Lithothamnium calcareum zugesetzt wurde.
25Der Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Der Beklagte trägt vor, es sei auch nach den neuen EU-Verordnungen nicht zulässig, dem Sojagetränk der Klägerin Lithothamnium calcareum zuzusetzen, und dieses als Produkt der biologischen Landwirtschaft zu vermarkten. Der zugesetzte Algenkalk werde nicht durch die Verarbeitung der im lebendigen Zustand geernteten Alge gewonnen, sondern es werde der Effekt genutzt, dass „Lithothamnium calcareum“ mineralisiere, wenn sie absterbe und zum Meeresboden sinke. Die Klägerin verwende also Kalk mit Algenanhaftungen. Im Endprodukt seien keine Anteile organischen Materials enthalten. Nach der Erklärung von „Tún“ handele es sich nicht um die lebende Alge, sondern um die abgestorbenen Restbestandteile der Alge, die gesammelt und aufbereitet würden. Die lebenden Bestandteile seien inzwischen verrottet bzw. zersetzt. Es werde zudem darauf hingewiesen, dass es sich bei dem von der Klägerin eingesetzten Produkt um ein solches handele, das in Anhang V der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 als Futtermittel mineralischen Ursprungs aufgeführt sei. Damit sei offensichtlich, dass es ein Produkt sei, das zwar in der Tierernährung im Öko-landbau ausdrücklich eingesetzt werden dürfe, das aber in der menschlichen Ernährung bei analoger Beschaffenheit und Ernährungszweck ein Mineralstoff sei, der nach Art. 19 Abs. 2 Buchst. b) der Verordnung (EG) 834/2007 i. V. m. Art. 27 Abs. 1 Buchst. f) der Durchführungsverordnung (EG) 889/2008 nicht zulässig sei, denn eine Calciumanreicherung sei in Deutschland gesetzlich nicht vorgeschrieben.
28Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten.
29Entscheidungsgründe:
30Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten es in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Zur Klarstellung ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
31Hinsichtlich des verbleibenden Teils hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
32Die Änderung des Klageantrags im Berufungsverfahren ist zulässig. Da sich das Begehren nicht mehr auf das Erzeugnis „Sojadrink-Schoko“, sondern auf das Erzeugnis „Soja-Drink-Calcium“ bezieht, liegt eine Klageänderung vor. Diese ist aber gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zulässig, weil der Beklagte sich, ohne ihr zu widersprechen, darauf eingelassen hat und damit seine Einwilligung anzunehmen ist.
33Die so verstandene Klage ist zulässig (I), aber unbegründet (II).
34I.
35Sie ist als Feststellungsklage statthaft. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift werden rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Die streitige Beziehung muss sich weiter durch ein dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Dies setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das Erfordernis einer Verdichtung der Rechtsbeziehung zu einem konkreten Rechtsverhältnis rechtfertigt sich aus dem Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen aufzubürden.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 13 A 929/10 -, juris, Rn. 10 f., m. w. N.
37Mit Blick darauf besteht zwischen den Beteiligten ein feststellungsfähiges Rechts-verhältnis. Die hier streitige Frage, ob das von der Klägerin in den Verkehr gebrachte Getränk „Soja-Drink-Calcium“ gegen Art. 23 Abs. 4 Buchst. a) i. V. m. Art. 19 Abs. 2 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 verstößt, weil es mit den Angaben „Bio“, den Hinweisen „Calcium“, sowie „mit hochwertigem Calcium aus der Seealge Lithothamnium“ versehen und ihm Lithothamnium calcareum zugesetzt wird, ist nicht lediglich abstrakter Natur. Das Rechtsverhältnis hat sich in der erforderlichen Weise konkretisiert, weil der Beklagte mit Hinweis auf den Verstoß gegen die Vorschriften für die biologische Landwirtschaft bereits wegen des Inverkehrbringens eines mit Lithothamnium calcareum versehenen Soja-Getränks gegen die Klägerin ein Bußgeldverfahren eingeleitet hat und dies nur bis zur Klärung der verwaltungsrechtlichen Vorfrage vorläufig bis zum Abschluss des vorliegenden Verfahrens nach § 47 OWiG eingestellt hat. Gegenstand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist zwar nicht das Getränk „Soja-Drink-Calcium“, sondern der „Sojadrink-Schoko“. Die streitige Frage stellt sich aber bei beiden Getränken in gleicher Weise, so dass davon auszugehen ist, dass der Klägerin hinsichtlich des Erzeugnisses „Soja-Drink-Calcium“ ebenfalls ein Ordnungs-widrigkeitenverfahren droht.
38Die Klägerin hat ferner ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Ein von einem Straf- oder Bußgeldverfahren unmittelbar Betroffener oder ein Unternehmen eines unmittelbar betroffenen Geschäftsführers hat ein berechtigtes Interesse daran, die Klärung einer verwaltungsrechtlichen Streitfrage nicht „auf der Anklagebank“ zu erleben, sondern in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren herbeizuführen.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 13 A 929/10 -, juris, Rn. 13, m. w. N.
40Die Zulässigkeit der Feststellungklage scheitert auch nicht an der Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO. Danach ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere Klageart zur Verfügung steht oder gestanden hätte. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 13 A 929/10 -, juris, Rn. 17 f., m. w. N.
42Im vorliegenden Fall steht und stand der Klägerin eine Gestaltungsklage nicht zur Verfügung. Der Beklagte hat nach der Anhörung der Klägerin gerade keinen Verwaltungsakt erlassen, sondern ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Dadurch hat er zu erkennen gegeben, dass er das Verwaltungsverfahren zunächst nicht weiter betreiben will. Auch aus der weiteren Vorgehensweise des Beklagten, insbesondere aus der vorläufigen Einstellung des Ordnungswidrig-keitenverfahrens bis zum Abschluss der erhobenen Feststellungsklage, ist zu schlussfolgern, dass er keinen Verwaltungsakt erlassen will.
43II.
44Die Klage ist mit dem geänderten Klageantrag und unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren eingetretenen Rechtsänderung unbegründet. Die von der Klägerin nunmehr begehrte Feststellung, dass das Erzeugnis „Soja-Drink-Calcium“ nicht deshalb gegen Art. 23 Abs. 4 Buchst. a) i. V. m. Art. 19 Abs. 2 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 verstößt, weil es mit der Angabe „Bio“ und den Hinweisen „Calcium“, „mit kalziumreicher Seealge“ bzw. „mit hochwertigem Calcium aus der Seealge Lithothamnium“ versehen ist und ihm Lithothamnium calcareum zugesetzt wurde, kann nicht getroffen werden.
45Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 dürfen die im Anhang aufgeführten Bezeichnungen, daraus abgeleitete Bezeichnungen und Verkleinerungsformen wie „Bio-“ und „Öko-“, allein oder kombiniert, bei der Kennzeichnung von Erzeugnissen und der Werbung für sie verwendet werden, wenn diese Erzeugnisse die mit dieser Verordnung oder im Einklang mit ihr erlassenen Vorschriften erfüllen. Das setzt für die hier relevante Verwendung in der Verkehrsbezeichnung eines verarbeiteten Lebensmittels gemäß Art. 23 Abs. 4 Buchst. a) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 voraus, dass diese u.a. die Anforderungen des Art. 19 erfüllten, was vorliegend nicht der Fall ist.
46Das hier zugesetzte Produkt, bestehend aus gewaschenen, getrockneten und gemahlenen, calcifizierten (abgestorbenen) Teilen der Alge Lithothamnium calcareum, erfüllt nicht die Voraussetzungen der Art. 19 Abs. 2 Buchst. c), Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Buchst. a) und b) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 i. V. m. Art. 28 und Anhang IX der dazu ergangenen Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008. Nach Art. 19 Abs. 2 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 dürfen nichtökologische/nichtbiologische landwirtschaftliche Zutaten nur verwendet werden, wenn sie nach Art. 21 für die Verwendung in der ökologischen/ biologischen Produktion zugelassen worden sind oder von einem Mitgliedstaat vorläufig zugelassen wurden. Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 erfordert für die zulässigen Stoffe deren Aufnahme in ein beschränktes Verzeichnis, über das nach Absatz 2 der Vorschrift die Kommission entscheidet. Diese Entscheidung wurde getroffen in Art. 28 der Durchführungsverordnung (EG) 889/2008 und dem Anhang IX zur vorbenannten Verordnung. Gemäß Art. 28 der Durchführungsverordnung (EG) 889/2008 können zum Zwecke von Art. 19 Abs. 2 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 bei der Verarbeitung ökologischer/biologischer Lebensmittel die in Anhang IX dieser Verordnung aufgelisteten nichtökologischen/nichtbiologischen landwirtschaftlichen Zutaten verwendet werden. Im Anhang IX mit der Überschrift „Nichtökologische/nichtbiologische Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs gemäß Artikel 28“ findet sich unter Nr. 1 die Kategorie „unverarbeitete pflanzliche Erzeugnisse und daraus hergestellte Verarbeitungserzeugnisse“. Darunter fallen: Nr. 1.1 essbare Früchte, Nüsse und Samen, Nr. 1.2 essbare Gewürze und Kräuter und Nr. 1.3 Verschiedenes. Bei Nr. 1.3 ist aufgeführt: „Algen, einschließlich Seetang, die für die Herstellung nichtökologischer/nichtbiologischer Lebensmittel verwendet werden dürfen.“ Daneben findet sich im Anhang IX unter Nr. 2 eine weitere Kategorie „Pflanzliche Erzeugnisse“, in der u.a. Fette und Öle (auch raffiniert), Zucker, Stärken und sonstige Erzeugnisse aus Getreide und Knollen sowie aus Rohrzuckersaft gewonnener Rum aufgeführt sind.
47Das gemahlene, von den calcifizierten, abgestorbenen Teilen der Alge „Lithothamnium calcareum“ stammende Material ist nicht der einzig in Betracht kommenden, in Nr. 1.3 des Anhangs IX geregelten Kategorie zuzuordnen. Es ist nicht unter „Algen, einschließlich Seetang, die für die Herstellung nichtökologischer/nichtbiologischer Lebensmittel verwendet werden dürfen oder deren Verarbeitungsprodukt“ einzuordnen. Dem Wortlaut nach - und auch im biologischen Sinne - ist die zu den Meeresalgen gehörende Kalkrotalge „Lithothamnium calcareum“ zwar Alge. Der Wortlaut ist aber mit Blick auf die Gesetzessystematik und den Sinn und Zweck der Regelung einschränkend dahingehend auszulegen, dass Algen im Sinne der Nr. 1.3 nur Speisealgen sind, die auch als solche verzehrt werden können. Das ergibt bereits der Vergleich zu den anderen in Anhang IX Ziffer 1 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2007 aufgeführten Erzeugnissen. Die unter 1.1 aufgeführten essbaren Früchte, Nüsse und Samen sowie unter 1.2 aufgeführten essbare Gewürze und Kräuter haben gemeinsam, dass sie alle ganz überwiegend organische Bestandteile aufweisen und im Zeitpunkt der Ernte selbst noch Teil einer (lebenden) Pflanze waren (Blatt, Stängel, Blüte, Frucht, Samen) oder aber kurze Zeit zuvor von dieser auf natürlichem Wege getrennt wurden (Früchte, Samen, Nüsse) und zwar bevor natürliche Zersetzungsprozesse stattgefunden haben (Blätter, Früchte) oder bevor sie keimen (Samen, Nüsse). Diesen vergleichbar sind die ebenfalls überwiegend organische Bestandteile aufweisenden Speisealgen, die in frischem Zustand geerntet werden und dann entweder frisch oder getrocknet verwendet werden können. Nicht vergleichbar damit sind Kalkrotalgen, zu denen die Alge „Lithothamnium calcareum“ gehört, die aufgrund der charakteristischen Kalkeinlagerungen in die Zellwände schon im lebenden Zustand nicht als solche verzehrt werden können. Erst recht nicht vergleichbar sind die von dieser Alge nach dem Absterben übriggebliebenen verkalkten anorganischen Bestandteile. Für die Sichtweise, dass unter Algen im Sinne von Nr. 1.3 nicht Kalkrotalgen wie „Lithothamnium calcareum“ bzw. die verkalkten abgestorbenen Teile dieser zu verstehen sind, sprechen auch die weiteren, Meeresalgen betreffenden Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008. In Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 „Vorschriften für die Erzeugung von Meeresalgen“ wird in Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 von wild wachsenden essbaren Algen gesprochen. In Art. 29a der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 „Spezifische Vorschriften für Meeresalgen“ wird unterschieden zwischen frisch vermarkteten Meeresalgen und getrockneten Meeresalgen, was ebenfalls voraussetzt, dass es sich bei den Meeresalgen um als solche verzehrbare Speisealgen handelt.
48Selbst wenn man jedoch die lebenden Kalkrotalgen der Art „Lithothamnium calcareum“ noch als Algen im Sinne von Nr. 1.3 des Anhangs IX zur Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 ansehen würde, wären die hier als Ausgangsmaterial verwendeten, nach dem Absterben übrig gebliebenen, verkalkten Teile dieser Alge weder die Alge selbst noch deren Verarbeitungsprodukt im Sinne des Anhangs IX. Verarbeitungsprodukte können nur durch menschliche Einwirkung entstehen, nicht jedoch - wie hier - durch einen ohne menschliches Zutun in der Natur ablaufenden Prozess. Als Ausgangsmaterial für das von der Klägerin verwendete Produkt werden regelmäßig nur die verkalkten, ausschließlich aus anorganischen Bestandteilen (so aus Mineralstoffen - insbesondere vorhanden in Form von Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat - sowie Spurenelementen) bestehenden, bereits abgestorbenen Teile „geerntet“ und verarbeitet. Diese zusammengespülten, in Sedimentschichten (Maerl) abgelagerten Teile weisen ein Alter von teilweise mehreren Jahrhunderten auf. Es ist sogar höchst unerwünscht, wenn sich unter dem vom Meeresboden abgesaugten Material noch lebende Teile der Kalkrotalge befinden.
49Vgl. Stellungnahme der isländischen Öko-Kon-trollstelle W1. U. vom 23. April 2014; E-Mail des Händlers H. GmbH & Co. KG vom 24. Februar 2011; E-Mail des Irischen Landwirtschaftsministeriums vom 10. März 2014 mit einer Stellungnahme der dortigen Öko-Zertifizierungsstelle „Organic Trust“, Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. C. vom 19. Mai 2014.
50Nach den Standards der isländischen Öko-Kontrollstelle W. U. , über deren Zertifikat der isländische Hersteller des irischen Lieferanten der Klägerin verfügt, darf die Ernte von calcifizierten Meeresalgen nur in toten Gebieten erfolgen, d.h. von Vorkommen, die ausschließlich aus totem Material bestehen und keine Decke aus lebendem Lithothamnion auf der Oberfläche aufweisen.
51Vgl. U. Standards for Organic Production an Sustainable Harvesting of Nature Product, Chapter 10.1, Calcified Seaweed, 10.103.
52Mit Blick darauf ist das Ausgangsmaterial für das von der Klägerin eingesetzte Produkt, also die abgestorbenen, Sedimente von unterschiedlicher Stärke bildenden, teilweise lange Zeit abgelagerten Teile der Alge „Lithothamnium calcareum“, vergleichbar mit den u. a. aus Gehäuseresten von Kalkalgen sowie weiteren kalkbildenden Organismen bestehenden (fossilen) Kreidefelsen und damit mit Mineralstoffen.
53Die in der Einleitung zu Anhang VI der früheren Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 erfolgte Kategorisierung der Zutaten spricht ebenfalls gegen eine Einordnung des von der Klägerin verwendeten Materials als Alge oder deren Verarbeitungsprodukt im Sinne von Nr. 1.3 des Anhangs IX der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008. Diese kann auch zur Auslegung mit herangezogen werden, weil mit dem Anhang IX zur (aktuell geltenden) Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 die vormals unter der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 zulässigen Erzeugnisse übernommen werden sollten, um die Kontinuität des ökologischen Landbaus/ der biologischen Landwirtschaft zu gewährleisten.
54Vgl. Erwägungsgrund Nr. 21 zur Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008, juris.
55Tatsächlich sind die im Anhang IX der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 und die in Anhang VI Teil C der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 aufgeführten Erzeugnisse identisch. Auch die Teile A und B des Anhangs VI wurden fast vollständig in die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 übernommen (dort Anhang VIII). In der Einleitung zu Anhang VI der früheren Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 - ohne die im Übrigen die Zuordnung zu den Nummern 1 und 2 des Anhangs IX der derzeitigen Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 nicht nachvollziehbar wird - erfolgt eine Unterteilung der Zutaten in solche landwirtschaftlichen Ursprungs und solche nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs. Bei letzteren werden ausdrücklich als eigene Kategorie unter Nr. 3.5 Mineralien (einschließlich Spurenelemente) und Vitamine aufgeführt. Mit Blick auf die Zusammensetzung und die Herkunft der gemahlenen Lithothamnium-Bestandteile, insbesondere deren Mineralisierung und die Tatsache, dass die verbleibenden Bestandteile der Alge nach deren Absterben fast ausschließlich aus Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat und einigen Spurenelementen bestehen, sind diese den Zutaten nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs, nämlich den Mineralien, zuzuordnen. Diese Gliederung der früheren Verordnung wird inhaltlich in den geltenden Verordnungen fortgesetzt. Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 unterscheidet in Abs. 2 zwischen Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs (Buchst. a und c) und anderen Stoffen (Buchst. b). Bei letzteren sind auch Mineralstoffe aufgeführt. Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f) der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 führt ebenfalls als eigenständige Kategorie außerhalb der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs u.a. Mineralstoffe (einschließlich Spurenelemente) auf, während Art. 28 und Art. 29 dieser Verordnung den Zusatz von Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs regeln.
56Auch der in Art. 6 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 als spezifischer Grundsatz für die Verarbeitung von ökologischen/biologischen Lebensmitteln dargelegte Normzweck spricht gegen eine Einordnung der gemahlenen, calcifizierten Reste der abgestorbenen Kalkrotalge „Lithothamnium calcareum“ als Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs. Danach soll bei der Verarbeitung von ökologischen/biologischen Lebensmitteln die Verwendung von Mikronährstoffen, zu denen in erster Linie neben Vitaminen auch Mineralstoffe und Spurenelemente gehören, auf ein Minimum und auf Fälle beschränkt werden, in denen dies ein wesentliches technologisches Erfordernis darstellt oder besonderen Ernährungszwecken dient. Mit Blick darauf kann ein fast ausschließlich aus Mineralien und Spurenelementen zusammengesetzter Stoff nicht eine Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs sein. Das gilt umso mehr, als Zweck der Beigabe von „Lithothamnium calcareum“ in Milchersatzgetränken regelmäßig deren Calciumanreicherung ist.
57Vgl. European Vegetarian Union, Position Paper, February 2015, Plant Milk Containing Calcium-rich Algae: Fit for Organic Labelling.
58Entgegen der Auffassung der Klägerin fallen deshalb unter Mineralien (alte Verordnung) und Mineralstoffe (geltende Verordnung) nicht nur Stoffe geogenen Ursprungs. Die Herkunft des Stoffes ist vielmehr unerheblich. Außerdem wird das Wort Mineralien im Alltagsgebrauch häufig - und auch hier - synonym mit dem Wort Mineralstoff verwendet.
59Diese Zuordnung wird entgegen der Auffassung der Klägerin auch bestätigt durch die futtermittelrechtlichen Vorschriften der Durchführungsverordnung (EG) 889/2008, insbesondere durch Art. 22 Satz 1 Buchst. d) i. V. m. dem Anhang V Nr. 1 dieser Verordnung. Art. 22 unterscheidet im Wesentlichen zwischen Futtermittelausgangserzeugnissen pflanzlichen, tierischen und mineralischen Ursprungs. Zu den Futtermittelausgangserzeugnissen mineralischen Ursprungs gehören nach Anhang V Nr. 1 u.a. Kohlensaurer Algenkalk (Maerl-Kalk) und ausdrücklich auch Lithothamnium. Letzteres ist damit bei den Futtermittelausgangserzeugnissen kein solches pflanzlichen Ursprungs. Dass Lithothamnium ebenso wie überhaupt Erzeugnisse mineralischen Ursprungs bei den lebensmittelrecht-lichen Vorschriften nicht als eigene Kategorie in den Anhängen gelistet sind, liegt allein daran, dass Mineralstoffe bei Lebensmitteln grundsätzlich nicht erlaubt sind, es sei denn, diese sind gesetzlich vorgeschrieben, vgl. Art. 6 Buchst. b) Verordnung (EG) Nr. 834/2007, Art. 19 Abs. 2 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 Buchst. f) der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008. Keinesfalls kann daraus jedoch die Schlussfolgerung gezogen werden, die bei den futtermittelrechtlichen Vorschriften als Erzeugnisse mineralischen Ursprungs aufgeführten Produkte könnten bei den Lebensmitteln unter pflanzliche Erzeugnisse zu fassen sein. Es spricht auch sonst mit Blick auf die lebensmittelrechtlichen Normen alles dafür, dass die Systematik vergleichbar ist, Lithothamnium also auch bei den Lebensmitteln als Mineralstoff und nicht als pflanzliches Erzeugnisse zu betrachten ist.
60Als Mineralstoff bzw. Mineralstoffmischung ist der Zusatz von Lithothamnium zum "Soja-Drink-Calcium" gemäß Art. 19 Abs. 2 Buchst. b), Art. 21 VO (EG) Nr. 834/2007 i. V. m. Art. 27 Abs. 1 Buchst. f) der VO (EG) Nr. 889/2008 unzulässig, weil ein solcher Zusatz in Sojagetränken gesetzlich nicht vorgeschrieben ist.
61Das von der Klägerin vorgelegte Schreiben einer Mitarbeiterin der Europäischen Kommission rechtfertigt keine andere Sichtweise. Sie ist für das Gericht nicht bindend, denn sie stellt nur eine Meinungsäußerung zur Auslegung der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 dar. Die darin geäußerte Rechtsauffassung, Algen der Art Lithothamnium seien Meeresalgen im Sinne der existierenden Rechtsvorschriften, sie seien in der Liste der Produkte des Anhangs IX der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 unter Nr. 1.3 aufgeführt, so dass sie nach Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 auch als nicht-organischer Inhaltsstoff im Umfang von 5% in organischen Lebensmitteln verwendet werden könnten, widerspricht nach den obigen Ausführungen des Senats dem in der Norm zum Ausdruck gebrachten Willen des Verordnungsgebers, der auch die Grenzen der möglichen Auslegung einer Norm bildet. Im Übrigen beantwortet sie auch nicht die weitere Frage, ob das verwendete Totmaterial, das ja nicht mehr die Alge an sich ist, Verarbeitungserzeugnis sein kann.
62Von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV sieht der Senat ab. Eine Verpflichtung zur Vorlage besteht nicht. Eine solche ergibt sich nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nur für das letztinstanzliche Gericht, also das Bundesverwaltungsgericht. Auf Grundlage des Art. 267 Abs. 2 AEUV sieht sich der Senat ebenfalls nicht zur Vorlage veranlasst. Danach kann ein Gericht, wenn die Auslegung von Gemeinschaftsrecht in Frage steht und das Gericht eine Entscheidung darüber für den Erlass seines Urteils für erforderlich hält, diese Frage dem Gerichtshof vorlegen. Der Senat hat allerdings ‑ wie obige Ausführungen belegen - keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008, insbesondere des Anhangs IX Ziffer 1.3.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht - unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Erledigung - billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin auch hinsichtlich des erledigten Teils aufzuerlegen, da sie auch insoweit voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. Der Zusatz von Calciumcarbonat zum „Soja-Reis Drink“ erfüllte bereits nicht die Voraussetzungen der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 und war daher von Anfang an unzulässig. Insoweit wird auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen. Es kann nicht festgestellt werden, dass das zugesetzte Calciumcarbonat in der Hauptsache aus technologischen Gründen zugesetzt wurde. Vielmehr spricht bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ganz Überwiegendes für eine von der Klägerin beabsichtigte ernährungsphysiologische Hauptfunktion. Sie wirbt ausschließlich mit dem von ihr behaupteten unbeabsichtigten Nebeneffekt. Dem Verbraucher wird der angebliche Hauptzweck, das Ausflocken des Soja-Eiweißes zu verhindern, überhaupt nicht vermittelt, obwohl sowohl Sojagetränke mit als auch solche ohne Calciumzusatz vertrieben werden. Desweiteren kann die Klägerin die Menge des beigemischten Calciumcarbonats nicht plausibel erklären, die genau dem Calciumgehalt von Vollmilch entspricht.
64Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
65Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.