Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Der Beklagte wird verpflichtet, den am 24.2.2021 gestellten Antrag der Klägerin auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windenergieanlage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage nahe der Autobahn A 00 im Gebiet der beigeladenen Stadt I. .
3Die Klägerin plant, entwickelt, errichtet und betreibt Anlagen zur Nutzung der Windenergie. Am 24.2.2021 reichte sie den Antrag für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage des Typs Vestas V 136 mit 4,2 Megawatt Nennleistung, 149 m Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von 136 m auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur 1, Flurstück 31 beim Beklagten ein. Nach den Antragsunterlagen sind u. a. eine dauerhaft befestigte Kranstellfläche von 50 x 23 m und ein Sockel mit 22,5 m Durchmesser vorgesehen. Zu dem Antrag wurden verschiedene Gutachten eingereicht bzw. nachgereicht, u. a. ein Schallgutachten vom 8.1.2021 mit Überarbeitung vom 21.7.2021, eine Schattenwurfprognose vom 22.1.2021, ein Eisfallgutachten vom 16.3.2021 und eine Artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 BNatSchG vom Februar 2021.
4Das Vorhabengrundstück liegt südlich der Bundesautobahn A 00 . Die Entfernung vom Mastfuß bis zur Grenze der A 00 beträgt ca. 150 m. Die Fläche wird intensiv ackerbaulich genutzt. Westlich des Vorhabenstandorts wird der aus drei Anlagen bestehende Windpark "E. " betrieben. Zwei dieser Anlagen des Typs Vestas V 136 haben - ebenso wie die beantragte Anlage - eine Nabenhöhe von 149 m und einen Rotordurchmesser von 136 m. Die dritte Anlage Nordex N 117 hat eine Nabenhöhe von 120 m und 117 m Rotordurchmesser.
5Nördlich des geplanten Standorts liegt in unter 1.000 m Entfernung jenseits der A46 die Ortslage I1. . Das nächstgelegene Wohnhaus mit der Bezeichnung I1. Nr. 60 liegt ca. 575 m entfernt. Südöstlich des Standorts liegt ca. 800 m entfernt die Ortslage I2. mit dem nächstgelegenen Wohnhausgrundstück L. 20A. Westlich grenzt an den Vorhabenbereich eine Waldfläche an. Für diese Fläche setzt der - hinsichtlich der Entwicklungs- und Festsetzungskarte erstmals am 20.3.2023 ausgefertigte und sodann am 22.3.2023 erneut bekannt gemachte - Landschaftsplan III/8 des Beklagten ein Landschaftsschutzgebiet fest. Der Abstand von der Mitte des vorgesehenen Standorts des Mastfußes bis zur Waldgrenze beträgt deutlich über 75 m. Nordöstlich des Vorhabenbereichs liegt etwa 1.300 m entfernt auf dem Gebiet der beigeladenen Stadt F. der Standort eines historischen Wasserturms, der als Baudenkmal Nr. 116 in die Denkmalliste der Stadt F. eingetragen ist. Dieser Wasserturm ist Gegenstand des von der Klägerin eingereichten Denkmalpflegerischen Fachbeitrags vom 9.6.2021. Nordöstlich des Vorhabens verläuft in etwa 100 m Entfernung vom vorgesehenen Standort des Mastfußes eine 110 kV Hochspannungsleitung.
6Der Flächennutzungsplan des Planungsverbands der beigeladenen Stadt I. und der Stadt I3. stellt für den Vorhabenbereich eine Fläche für die Landwirtschaft dar. Die Vorhabenfläche liegt außerhalb der Flächen, die als Sonderbauflächen mit der Zweckbestimmung Windkraftanlagen für die Stadt I. im Flächennutzungsplan des Planungsverbands I3. -I. in der Fassung der 23. Änderung dargestellt sind. Zwei der Bestandsanlagen liegen innerhalb der Fläche für Windenergieanlagen Nr. 1 "E. ".
7Die 23. Änderung des Flächennutzungsplans wurde am 1.10.1998 beschlossen und am 16.11.1998 durch die Bezirksregierung Köln genehmigt. Die Genehmigung wurde am 1.12.1998 mit folgendem Wortlaut öffentlich bekannt gemacht:
8"Die 23. Änderung des Flächennutzungsplanes wurde am 01.10.1998, die 24. und die 25. Änderung des Flächennutzungsplanes wurden am 25.05.1998 von der Verbandsversammlung des Planungsverbandes I3. -I. beschlossen. Sie haben folgende Änderungen zum Inhalt:
9I. 23. Änderung des Flächennutzungsplanes
10Stadt I.
1123.1 Stadtteil E.
12Umwandlung von "Flächen für die Landwirtschaft" in "Flächen für die Landwirtschaft und Sonderbauflächen mit der Zweckbestimmung Windkraftanlagen"
1323.2 Stadtteil S.
14Umwandlung von "Flächen für die Landwirtschaft" in "Flächen für die Landwirtschaft und Sonderbauflächen mit der Zweckbestimmung Windkraftanlagen"
1523.3 Stadtteil C.
16Umwandlung von "Flächen für die Landwirtschaft" in "Flächen für die Landwirtschaft und Sonderbauflächen mit der Zweckbestimmung Windkraftanlagen"
17Stadt I3.
1823.4. Zwischen T. , E1. und der B 221
19Umwandlung von "Flächen für die Landwirtschaft" in "Flächen für die Landwirtschaft mit Überlagerung einer Konzentrationszone für Windkraftanlagen"
20…
21Die Bezirksregierung Köln hat mit Verfügung vom 16.11.1998 … die 23. Änderung des Flächennutzungsplanes und mit Verfügung vom 11.11.1998 … die 24. und die 25. Änderung des Flächennutzungsplanes des Planungsverbandes I3. -I. genehmigt. Die Genehmigungen haben folgenden Wortlaut:
22I. 23. Änderung des Flächennutzungsplans
23Genehmigung
24Gemäß § 6 des Baugesetzbuches genehmige ich die von der Verbandsversammlung I3. -I. am 1.10.1998 beschlossene 23. Änderung des Flächennutzungsplanes.
25Im Auftrag
26gez. Puntigam"…
27Der Standort des Vorhabens der Klägerin liegt im Bereich des Landschaftsplans III/8 C1. S1. und obere S2. des Beklagten. Der Landschaftsplan stellt dort das Entwicklungsziel 2 "Anreicherung einer Landschaft mit naturnahen Lebensräumen und mit gliedernden und belebenden Elementen" dar. Im Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln ist der Vorhabenstandort als Bereich für den Schutz der Landschaft und der landschaftsorientierten Erholung - gemäß dem Ziel 2 - dargestellt.
28Die Bezirksregierung Köln erklärte am 2.6.2021, das Vorhaben sei hinsichtlich des Ziels 2 des Regionalplans mit Blick auf den dargestellten Bereich zum Schutz der Landschaft und landschaftsorientierten Erholung aus Sicht der Raumordnung nicht zu beanstanden. Der Naturschutzverband NABU äußerte am 2.6.2021 artenschutzrechtliche Bedenken und machte insbesondere Beeinträchtigungen von Fledermausvorkommen geltend. Der Landschaftsverband Rheinland wies am 11.6.2021 auf ein nahe gelegenes Bodendenkmal (Reste eines römischen Landguts) hin und verlangte für den Fall der Genehmigung bestimmte Auflagen.
29Der Beklagte stellte auf der Grundlage einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls fest, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei und machte diese Feststellung am 7.7.2021 öffentlich bekannt. Die Beigeladene zu 2., die Stadt F. , lehnte das Vorhaben mit Schreiben vom 10.5.2021 und vom 20.8.2021 unter Bezugnahme auf die Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen zu 1. sowie wegen der Beeinträchtigung des in ihrem Gebiet gelegenen historischen Wasserturms Matzerath ab. Der Landschaftsverband Rheinland, Amt für Denkmalpflege im Rheinland, hatte dazu in einer Stellungnahme vom 27.7.2021 die Auffassung vertreten, die beantragte Anlage lasse eine erhebliche zusätzliche Beeinträchtigung des Wasserturms befürchten. Das planungsrechtliche Einvernehmen wurde von der Beigeladenen zu 1., der Stadt I. , am 25.8.2021 erteilt.
30Mit Bescheid vom 3.11.2021 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 2 BauGB als sonstiges Vorhaben zu beurteilen. Die nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB an sich gegebene Privilegierung sei nach § 2 AG BauGB NRW ausgeschlossen, weil der Standort in rund 500 m Entfernung zu der nächsten Ortslage I1. gelegen sei. Eine Ausnahme wegen rechtzeitiger Stellung eines vollständigen Antrags komme nicht in Betracht; eine erforderliche Baulast sei erst Ende Juli 2021 bei dem Beklagten eingereicht worden; ferner sei die final überarbeitete Schallimmissionsprognose erst am 23.7.2021 eingereicht worden. Zudem habe es jedenfalls an der zweiten Voraussetzung gefehlt, dass statt der Anlage eine Anlage am gleichen Standort mit gleicher, geringfügig höherer oder niedrigerer Höhe errichtet werden solle. Das sonstige Vorhaben sei nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil es öffentliche Belange beeinträchtige. Der Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB sei beeinträchtigt, weil die Funktion des Außenbereichs als Bereich naturgegebener Bodennutzung und Erholungslandschaft gestört werde. Ferner widerspreche das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans, da an anderer Stelle eine Zuweisung von Flächen für Windenergieanlagen bestehe und gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB öffentliche Belange entgegen stünden. Dies gelte auch und erst recht für das sonstige Vorhaben. Die Wertung des Gesetzgebers, dass dem Freihaltungsinteresse gegenüber sonstigen Vorhaben grundsätzlich der Vorzug zu gewähren sei, dürfe nicht unbeachtet bleiben. Dem öffentlichen Interesse am Bau von Windkraftanlagen sei dadurch Rechnung getragen, dass in der bestehenden Konzentrationszone sowie außerhalb unter Einhaltung der Abstandsfläche von 1000 m bei Annahme einer Ausnahme von der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB solche Anlagen gebaut werden könnten.
31Die Klägerin hat am 16.12.2021 Klage erhoben. Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
32Die Genehmigung hätte vor dem 15.7.2021 erteilt werden müssen. Die Unterlagen seien am 7.4.2021 vollständig eingereicht worden. Nach § 10 BImSchG hätte innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung ergehen müssen. Auch der Beklagte sei bei Einreichung des denkmalpflegerischen Fachbeitrags vom 9.6.2021 von der Genehmigungsfähigkeit der Anlage ausgegangen. Dies habe er durch E-Mail vom 26.7.2021 bestätigt. Das zunächst fehlende Einvernehmen der Stadt I. hätte gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB als erteilt angesehen werden müssen, da die Stadt am 21.4.2021 beteiligt worden sei. Die Äußerung der Stadt vom 31.5.2021 könne nicht als Versagung des Einvernehmens gewertet werden.
33§ 2 des AG BauGB NRW könne dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Die Regelung begegne wegen der getroffenen Stichtagsregelung in § 2 Abs. 3 verfassungsrechtlichen Bedenken, es liege eine unzulässige unechte Rückwirkung vor.
34Auch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehe der Genehmigungsfähigkeit der Anlage nicht entgegen. Die 23. Änderung des Flächennutzungsplans, die Ende der 1990er Jahre bekannt gemacht worden sei, sei mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung unwirksam. Unabhängig davon sei die Anlage ausnahmsweise nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zulässig. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei M. und K. vom 5.7.2021.
35Des Weiteren weise sie vorsorglich darauf hin, dass auch keine öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB dem Vorhaben entgegenstünden. Der Flächennutzungsplan stelle eine Landwirtschaftsfläche dar, die der Windenergienutzung nicht entgegenstehe. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert oder das Orts- und Landschaftsbild stünden einer Genehmigung ebenfalls nicht entgegen. Aufgrund der technogenen Vorprägung der Umgebung durch drei bestehende Windenergieanlagen und die Bundesautobahn A 00 sei eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds nicht zu befürchten. Ausweislich des denkmalpflegerischen Fachbeitrags vom 9.6.2021 stünden auch Belange des Denkmalschutzes dem Vorhaben nicht entgegen. Ebenso stünden auch nicht die ursprünglich von dem Beklagten benannten Belange einer Richtfunkstrecke dem Vorhaben entgegen.
36Die Klägerin beantragt,
37den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 3.11.2021 zu verpflichten, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Vestas V136-4.2 mit 149 m Nabenhöhe und einer Nennleistung von 4,2 MW auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur 1, Flurstück 31 zu erteilen.
38Der Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Er trägt im Wesentlichen vor: Die Klage sei unbegründet, weil dem Vorhaben aus den Gründen des Ablehnungsbescheids vom 3.11.2021 planungsrechtliche Gründe entgegenstünden. Das Vorhaben sei danach gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen, weil die Voraussetzungen des § 2 AG BauGB NRW vorlägen. Es beeinträchtige als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange. Das Vorhaben stehe im Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans. Dargestellt sei eine Fläche für die Landwirtschaft. Darstellungen für die Windenergie seien an anderer Stelle erfolgt. Daraus folge - ungeachtet einer etwaigen Unwirksamkeit der 23. Änderung des Plans - der Wille des Plangebers, den Vorhabenbereich von Windenergie freizuhalten und eine Standortzuweisung allein für die Landwirtschaft. Zudem würden durch das Vorhaben Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die natürliche Eigenschaft der Landschaft und ihr Erholungswert im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt. Ferner sei die Intention des Gesetzgebers zum Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 BauGB zu berücksichtigen. Mit der Entprivilegierung von Windenergieanlagen innerhalb pauschaler Abstände verdeutlichten Bundesgesetzgeber und Landesgesetzgeber, dass Windenergieanlagen in diesen Fällen aus pauschalen Vorsorgegründen regelmäßig bauplanungsrechtlich unzulässig sein sollten. Der pauschale Anwohnerschutz durch die festgelegten Mindestabstände sei als sonstiger öffentlicher Belang zu verstehen. Die ursprünglich benannten Belange einer Richtfunkstrecke der U. Germany stünden dem Vorhaben allerdings nicht mehr entgegen, weil diese Strecke inzwischen abgerüstet sei.
41Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag; sie trägt vor, das Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig. Die Beigeladene zu 2. stellt ebenfalls keinen Antrag; sie schließt sich in der Sache dem Vorbringen des Beklagten an.
42Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit am 1.3.2023 mit den Beteiligten in Augenschein genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen immissionsschutzrechtlichen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der beigezogenen Vorgänge des Beklagten zum Landschaftsplan III/8, der von der Beigeladenen zu 1. vorgelegten Vorgänge zur Aufstellung der 23. Änderung des Flächennutzungsplans und der denkmalrechtlichen Vorgänge der Beigeladenen zu 2. Bezug genommen.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
44Die als Verpflichtungsklage bzw. Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Die Klage ist insoweit begründet, als die Klägerin einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hat. Die im Bescheid vom 3.11.2021 benannten Versagungsgründe tragen die Ablehnung des Genehmigungsantrags nicht (dazu I.), der Erteilung der beantragten Genehmigung stehen keine offensichtlichen Versagungsgründe entgegen (dazu II.), die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung (dazu III.).
45I. Die im Bescheid des Beklagten vom 3.11.2021 benannten Versagungsgründe tragen die Ablehnung des Genehmigungsantrags nicht. Das Vorhaben der Klägerin ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu beurteilen, sondern nach § 35 Abs. 2 BauGB (dazu 1.); nach den für Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB maßgeblichen Grundsätzen (dazu 2.) ist es entgegen der im Bescheid des Beklagten vom 3.11.2021 dargestellten Rechtsauffassung nicht wegen einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB (Widerspruch zu Darstellungen des Flächennutzungsplans, dazu 3.) oder im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB (Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswerts, dazu 4.) oder weiterer im Bescheid angesprochener Belange (dazu 5.) bauplanungsrechtlich unzulässig.
461. Die Beurteilung des Vorhabens richtet sich allerdings entgegen der Meinung der Klägerin nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, sondern nach § 35 Abs. 2 BauGB.
47Das Vorhaben unterfällt nicht dem Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Dies ergibt sich aus § 2 des Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch im Land Nordrhein-Westfalen in der zuletzt durch Gesetz vom 14.3.2023 - GV NRW S. 176 - geänderten Fassung (AG BauGB NRW). Danach findet § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand von 1000 m zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB) und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB), sofern dort Wohngebäude nicht nur ausnahmsweise zulässig sind oder im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB einhalten. Zu den Ortslagen I1. und I2. , die nach dem Inhalt der Akten die genannten Voraussetzungen erfüllen, hat das Vorhaben einen Abstand von weniger als 1000 m.
48Die von der Klägerin ausführlich geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vorgenannte gesetzliche Regelung des Landes NRW teilt der Senat nicht.
49Die in § 2 Abs. 2 und 3 AG BauGB NRW vorgesehenen Ausnahmetatbestände greifen nicht ein.
50Eine Ausnahme nach § 2 Abs. 2 AG BauGB NRW in der Fassung vom 14.3.2023 (GV. NRW. S. 176) kommt nicht in Betracht. Das Vorhaben liegt nicht in einem Windenergiegebiet (Nr. 1), es betrifft kein Repowering im Sinne von § 16b BImSchG (Nr. 2) und es liegt für den Bereich des Vorhabens auch keine vor dem 15.7.2021 erfolgte Darstellung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vor (Nr. 3, vgl. dazu auch die nachfolgenden Ausführungen zu 3.).
51Ebenso wenig kommt eine Ausnahme nach § 2 Abs. 3 AG BauGB NRW in Betracht. Der Antrag ist erst nach dem 23.12.2020, dem Stichtag der Übergangsregelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 AG-BauGB NRW gestellt worden. Es handelt sich auch nicht um einen Fall, in dem die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 2. Alt AG BauGB in Betracht käme; diese Regelung für am 15.7.2021 vorliegende vollständige Anträge betrifft nur Fälle der Ersetzung von Anlagen durch Anlagen am selben Standort mit gleicher oder geringfügig abweichender Höhe, darum geht es hier nicht.
522. Ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist als ein sonstiges Vorhaben zulässig, wenn es keine öffentlichen Belange beeinträchtigt.
53§ 35 Abs. 2 BauGB verbietet Vorhaben nur, soweit ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange ist nicht schon allein wegen der Lage des Grundstücks im Außenbereich zu erwarten. Mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums ließe es sich nicht vereinbaren, wenn Vorhaben verhindert werden dürften, die in keiner Hinsicht öffentliche Belange beeinträchtigen.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.1964 - I C 79.63 -, juris.
55Der Außenbereich erfüllt nicht zuletzt die Funktion, für die naturgegebene Bodennutzung sowie als Erholungslandschaft der Allgemeinheit zu dienen. Dies schließt grundsätzlich das Ziel ein, das Eindringen wesensfremder und der Erholungseignung abträglicher Nutzung zu verhindern. Daraus folgt indes nicht, dass Windkraftanlagen schlechthin oder auch nur regelmäßig als mit der funktionellen Bestimmung des Außenbereichs unvereinbare störende Fremdkörper einzustufen sind. Die naturgegebene Bodennutzung oder als Erholungslandschaft zu dienen, ist zwar für den Außenbereich typisch, versteht sich aber keineswegs von selbst für alle Außenbereichsflächen. Nicht jeder für eine Windenergieanlage in Aussicht genommene Standort erhält seine Prägung durch die vorgegebene Bodennutzung oder die Erholungsrelevanz. Ist er wegen seiner natürlichen Beschaffenheit ohnehin weder für das eine noch das andere geeignet oder seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt, so kann von einer Beeinträchtigung im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB keine Rede sein. Soweit zu klären ist, ob sich die Errichtung einer Windkraftanlage auf die Qualität der Umgebung nachteilig auswirken kann, ist überdies zu berücksichtigen, dass die Neuartigkeit dieser Anlagen allein nicht als Beleg oder auch nur als Indiz dafür werten ist, dass die natürliche Eigenart oder die Erholungsfunktion der Landschaft beeinträchtigt wird.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.6.1994 - 4 C 20.93 -, juris.
57Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 Abs. 1 oder 2 BauGB bedarf es stets einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden nachvollziehenden Abwägung, ob die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange dem Vorhaben entgegenstehen oder durch dieses beeinträchtigt werden, wobei nachvollziehende Abwägung einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren Vorgang der Rechtsanwendung meint, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt.
58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.6.2014
59- 4 B 47.13 -, juris.
60Im Rahmen der Beurteilung, ob sich öffentliche Belange gegenüber einem Vorhaben durchsetzen, ist auch die gesetzliche Wertung des § 2 EEG in der zum 29.7.2022 in Kraft getretenen Fassung vom 20.7.2022 (BGBl. I S. 1237) zu berücksichtigen.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.10.2022 - 22 D
62243/21.AK-, juris sowie OVG NRW, Beschluss vom 4.8.2022 - 22 A 488/20 - juris und OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7.2.2023
63- 5 K 171/22 OVG -, juris.
64Gemäß § 2 Satz 1 EEG liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, dazu gehören gemäß der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 1 EEG auch Windenergieanlagen, sowie der dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Nach Satz 2 der Vorschrift sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Dazu gehört insbesondere die nachvollziehende Abwägung im planungsrechtlichen Außenbereich, wenn keine Ausschlussplanung erfolgt ist, auch mit Blick auf die Belange des Landschaftsbilds und des Denkmalschutzes.
65Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für das Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiterer Maßnahmen im Stromsektor, BT-Drs. 20/1630, S. 159.
66Bei der Anwendung der Vorschrift ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten vertretenen Auffassung nicht eine Intention des Gesetzgebers des im zeitlichen Zusammenhang beschlossenen Wind-an-Land-Gesetzes zu berücksichtigen, nach der eine Steuerung der Windenergie über die Festlegung von Windenergiebereichen nach dem WindBG erfolgen soll, außerhalb derer Windenergienutzungen gemäß § 249 Abs. 2 BauGB nicht privilegiert sind. Auch dieses Konzept schließt es nicht aus, dass in Sonderkonstellationen keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliegt und ein Vorhaben deshalb als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich zulässig ist.
673. Der Senat vermag eine Beeinträchtigung des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB benannten öffentlichen Belangs nicht zu erkennen. Die Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft im Flächennutzungsplan steht im vorliegenden Einzelfall nicht im Widerspruch zum Vorhaben.
68Die Darstellung von Flächen für die Landwirtschaft in einem Flächennutzungsplan enthält im allgemeinen keine qualifizierte Standortzuweisung, sondern weist dem Außenbereich nur die ihm ohnehin zukommende Funktion zu, der Land- und Forstwirtschaft und damit zugleich der allgemeinen Erholung zu dienen.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.10.1989 - 4 C 28.86 -, juris.
70Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall mit der Darstellung eine darüber hinausgehende planerische Intention verbunden gewesen sein könnte, sind weder hinreichend aufgezeigt noch aus den beigezogenen Aufstellungsvorgängen ersichtlich.
71Soweit der Beklagte geltend macht, dass der Flächennutzungsplan eine Fläche für Landwirtschaft darstelle, sei als Belang gegen Windenergienutzung zu werten, weil es andernorts Darstellungen für Windenergienutzung gebe, greift dies nicht durch. Eine entsprechende Ausschlusswirkung kann einer solchen Darstellung im Flächennutzungsplan nicht ohne weiteres zugemessen werden. Dies ergibt sich bereits im Umkehrschluss aus § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, der für eine entsprechende Ausschlusswirkung besondere Voraussetzungen statuiert; eine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB liegt hier nicht vor. Ihr steht bereits entgegen, dass es an einer erforderlichen wirksamen Planung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für privilegierte Vorhaben in dem in Rede stehenden Bereich fehlt. Dies folgt schon daraus, dass die maßgeblichen Anforderungen an die Bekanntmachung entsprechender Planungen,
72vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 29.10.2020
73- 4 CN 2.19 -, juris,
74vorliegend nicht erfüllt sind. Aus der Bekanntmachung der Genehmigung der 23. Änderung ergibt sich nicht mit der gebotenen Deutlichkeit, dass es überhaupt um
75eine Planung mit Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gehen soll. Danach kann danach dahingestellt bleiben, ob eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB überhaupt in Betracht käme, soweit es - wie hier - um die Prüfung der Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch sonstige Vorhaben geht.
764. Das Vorhaben beeinträchtigt ferner nicht entgegen § 35 Abs. 2 BauGB den im Ablehnungsbescheid des Beklagten benannten öffentlichen Belang des Schutzes der natürlichen Eigenart der Landschaft bzw. ihres Erholungswerts im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
77Zweck dieses öffentlichen Belangs ist die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Dieser Belang verfolgt den Zweck, dass der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit erhalten bleibt. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen. Nicht jede Außenbereichsnutzung führt zur Beeinträchtigung der Erholungsfunktion. Notwendig ist eine spezielle Beeinträchtigung der Erholungseignung der Landschaft. Sind Teile des Außenbereichs nicht mehr als Erholungsraum für die Allgemeinheit geeignet, scheidet insoweit eine Beeinträchtigung dieses öffentlichen Belangs aus.
78Vgl. Söfker, in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand Oktober 2019, Rn. 96 ff. zu § 35 m. w. N. sowie das Urteil des BVerwG vom 16.6.1994 - 4 C 20.93 -, juris zu weniger schutzwürdigen Bereichen.
79Jedenfalls unter Berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten Bedeutung des § 2 EEG in der seit Juli 2022 geltenden Fassung ist eine durchgreifende Beeinträchtigung dieses Belangs hier schon aufgrund der Vorprägung des Bereichs durch die bestehenden Anlagen des Windparks E. , die in unmittelbarer Nähe verlaufende Autobahn sowie die 110 kV-Freileitung nicht zu erkennen. Dabei handelt es sich zur Überzeugung des Senats, die auf der Auswertung der beigezogenen Akten und den Eindrücken des Berichterstatters beruht, die er bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat, um eine Sonderkonstellation.
80Die Anwendung des § 2 EEG in dem vorliegenden Zusammenhang führt in einer solchen Sonderkonstellation entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten geäußerten Befürchtung im Übrigen nicht zu einem „Dammbruch“, weil dann entgegen der gesetzgeberischen Steuerungsintention in großem Umfang Windenergienutzungen im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig wären. Die vom Beklagten angesprochenen Vorstellungen der Entwurfsverfasser des Ausführungsgesetzes zum BauGB NRW bzw. der bundesgesetzlichen Regelungen des Wind-an-Land-Gesetzes belegen eine solche Intention nicht. Daran ändern auch die vertiefenden Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nichts. Diese Regelungen betreffen die Frage, wann ein Vorhaben zur Nutzung der Windenergie nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert oder als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist. Aus den Materialien des Ausführungsgesetzes zum BauGB in NRW ergibt sich danach zwar die Vorstellung, dass sonstige Vorhaben in der Regel öffentliche Belange beeinträchtigen und deshalb unzulässig sind.
81Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des BauGB in NRW, Landtagsdrucksache 17/13426, Seite 12; ebenso etwa Meurers, UPR 2023, 41 ff. Abschnitt IV. A.; offen dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für ein Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land, BT-Drs. 20/2355, Seite 32 f.
82Das schließt indes das Vorliegen einer - hier vom Senat festgestellten - Sonderkonstellation nicht aus, in der öffentliche Belange nicht beeinträchtigt sind.
83Insbesondere vermag der Senat nicht die Befürchtung des Beklagten zu teilen, die vom Senat vertretene Würdigung führte dazu, dass das Steuerungssystem des Gesetzgebers des Wind-an-Land-Gesetzes nicht mehr funktioniere und über § 2 EEG in einer Vielzahl von Fällen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB als zulässig anzusehen wären. Denn hier liegt aus den in der mündlichen Verhandlung nochmals verdeutlichten Gründen mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls eine Sonderkonstellation vor, die durch die Bestandsanlagen des Windparks E. , die nahe gelegene Autobahn und die vorhandene Hochspannungsleitung geprägt ist.
845. Entgegen der im Bescheid im Zusammenhang mit der Flächennutzungsplanung anklingenden, im gerichtlichen Verfahren näher ausformulierten Auffassung des Beklagten folgt nicht etwa aus einer Wertung des Gesetzgebers mit Blick auf das Ausführungsgesetz des Landes NRW zum Baugesetzbuch i. V. m. § 249 BauGB ein öffentlicher Belang, aus dem sich im Außenbereich gegenüber einem sonstigen Vorhaben ein pauschaler Anwohnerschutz innerhalb des Mindestabstandsbereichs von 1000 m ergäbe. Die Regelung des § 2 Abs. 1 BauGB AG NRW dient auch nach den aus der Entwurfsbegründung ersichtlichen Intentionen maßgeblich dazu, die Privilegierung von Anlagen innerhalb des Mindestabstandsbereichs zu beseitigen, sodass § 35 Abs. 2 BauGB Grundlage der planungsrechtlichen Beurteilung ist.
85Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des BauGB in NRW, Landtagsdrucksache 17/13426, Seite 12.
86Anhaltspunkte dafür, dass zusätzlich ein für die Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB maßgeblicher öffentlicher Belang pauschalen Anwohnerschutzes geschaffen werden sollte, lassen sich daraus nicht entnehmen.
87II. Mit Blick auf die Voraussetzungen für eine Genehmigungserteilung nach § 6 BImSchG ist nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nicht festzustellen, dass offensichtliche Hindernisse für die Erteilung bestehen könnten.
88Vgl. zu dieser Voraussetzung für einen Bescheidungsanspruch etwa OVG NRW, Urteil vom 27.10.2022 - 22 D 243/21.AK -, juris.
89Dies gilt für die vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren angesprochenen (dazu 1.- 4.) ebenso wie für die weiteren vom Senat in den Blick genommenen Belange (dazu 5.- 12.).
901. Die im gerichtlichen Verfahren vom Beklagten angesprochenen Belange des Denkmalschutzes (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) mit Blick auf den Wasserturm in F. -N. stehen der Genehmigung nicht entgegen.
91Diese Belange werden grundsätzlich durch das Landesrecht konkretisiert. Nur grobe Verstöße sind unabhängig davon zu prüfen.
92Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.6.2014
93- 4 B 47.13 -, juris.
94Aus den nachfolgenden Gründen liegt nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen des Denkmalschutzes kein Hindernis für die hier streitige Genehmigung vor.
95Deshalb kann auch im vorliegenden Zusammenhang nicht von einer Beeinträchtigung der Belange des Denkmalschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB mit Blick auf das genannte Baudenkmal ausgegangen werden.
96Nach der Regelung des § 9 Abs. 2 DSchG NRW in der Fassung vom 13.4.2022 bedarf der Erlaubnis der unteren Denkmalbehörde, wer in der engeren Umgebung von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf das Erscheinungsbild des Denkmals auswirken kann. Dies entspricht im Wesentlichen der früheren Fassung des § 9 Abs. 1 b) DSchG NRW, wonach die Erlaubnispflicht bestand, wenn durch die Maßnahme das Erscheinungsbild des Denkmals beeinträchtigt wurde. Nach § 9 Abs. 3 DSchG NRW ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn Belange des Denkmalschutzes nicht entgegen stehen oder wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt (ebenso § 9 Abs. 2 a. F.). Nach § 9 Abs. 4 DSchG NRW (ebenso § 9 Abs. 3 a. F.) haben die zuständigen Behörden die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege entsprechend dem Denkmalschutzgesetz in angemessener Weise zu berücksichtigen, wenn eine erlaubnispflichtige Maßnahme nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Genehmigung erfordert. Die Erlaubnis kann auch gesondert beantragt werden. Im Rahmen der beantragten Genehmigung wäre vorliegend nach § 13 BImSchG eine ggflls. erforderliche und zu erteilende denkmalrechtliche Erlaubnis von der Konzentrationswirkung erfasst.
97Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 12.2.2013 - 8 A 96/12 -, juris.
98Hier besteht indes nach dem Inhalt der Akten und unter Würdigung des Beteiligtenvorbringen kein Genehmigungserfordernis wegen des denkmalgeschützten Wasserturms.
99Der gegenteiligen Einschätzung der Beigeladenen zu 2., die sich aus deren Stellungnahmen im Genehmigungsverfahren ergibt und die sich auf eine Stellungnahme des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) bezieht, folgt der Senat nicht.
100Als Erscheinungsbild eines Denkmals ist nach § 9 Abs. 2 DSchG NRW ebenso wie nach § 9 Abs. 1 Buchst. b DSchG NRW a. F. der von außen sichtbare Teil des Denkmals geschützt, an dem jedenfalls der sachkundige Betrachter den Denkmalwert, der dem Denkmal innewohnt, abzulesen vermag; das Erscheinungsbild ist von Vorhaben in der engeren Umgebung des Denkmals nur dann betroffen, wenn die Beziehung des Denkmals zu seiner engeren Umgebung für den Denkmalwert von Bedeutung ist. Zur Ermittlung des Denkmalwertes im Einzelfall ist in erster Linie auf die Eintragung in der Denkmalliste und die ihr beigefügte Begründung abzustellen.
101Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.8.2022
102- 7 B 925/22 -, juris, m. w. N.
103Eine Beeinträchtigung des Denkmalwerts besteht mit Blick auf den danach maßgeblichen Inhalt der Eintragung des Denkmals nicht. In der Denkmalliste der beigeladenen Stadt F. ist der Wasserturm N. an der Landesstraße 000 unter der Nr. 116 am 4.12.1991 mit folgender Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale des Denkmals eingetragen worden:
104"Bj.: Anfang 20. Jh. (Inbetriebnahme: Sept. 1934) Backsteinturm; doppelschalige Konstruktion; innerhalb des Mauerkranzes Behälter aus Stahlbeton; schießschartenähnliche Fenster
105Die unveränderte Erhaltung und die deutlich ablesbare Zugehörigkeit des Wasserturms zum Baustil des Ziegelexpressionismus macht das Gebäude bedeutend für F. und seine Bewohner sowie für die Entwicklung der Bauten für die Trinkwasserversorgung. Aus städtebaulichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Gründen besteht daher ein öffentliches Interesse gemäß § 2 DSchG NW an der Erhaltung und Nutzung des Baudenkmals."
106Daraus lässt sich ein irgendwie gearteter Umgebungsschutz nicht ableiten.
107In diesem Zusammenhang kann der Senat deshalb das Vorbringen des Beklagten und die Stellungnahme der Beigeladenen zu 2. im Genehmigungsverfahren als zutreffend unterstellen, nach der - abweichend von dem Denkmalfachbeitrag, den die Klägerin vorgelegt hat - von einem näher bezeichneten Standpunkt in F. aus die neue Anlage zwischen den Bestandsanlagen und dem Wasserturm zu sehen sein wird und nicht weiter entfernt vom Wasserturm (vgl. dazu einerseits die Fotomontagen Seite 46 und 49 des Denkmalfachbeitrags vom 9.6.2021 und andererseits die Stellungnahme der Beigeladenen zu 2. vom 13.8.2021, BA 3, Bl. 782 ff.). Auch aus dem Eindruck, der sich von verschiedenen während des Ortstermins aufgesuchten Standpunkten auf dem Gebiet der Beigeladenen ergibt, folgen im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Denkmalwerts des Wasserturms nach Errichtung der streitigen Anlage.
108Abgesehen davon lägen aus den vorstehenden Gründen aber jedenfalls die Voraussetzungen für eine Erteilung der Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 DSchG NRW vor. Ohne einen denkmalrechtlichen Umgebungsschutz könnte dem Vorhaben der Klägerin eine etwa erforderliche Genehmigung nach dem DSchG NRW hier nicht versagt bzw. deshalb kein Versagungsgrund nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegen gehalten werden.
1092. Eine relevante Beeinträchtigung öffentlicher Belange mit Blick auf die Darstellung des Entwicklungsziels 2 im Landschaftsplan des Beklagten (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB) liegt nicht vor. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Beklagten die Wirksamkeit dieser Darstellung, die sich aus der ausgefertigten Entwicklungs- und Festsetzungskarte ergibt und die in den - nicht ausgefertigten - Textlichen Darstellungen (Beiakte 13) auf Seite 13 erläutert wird. Eine relevante Beeinträchtigung des Belangs liegt aber unter Berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten Wertung des § 2 EEG nicht vor. Anderes folgt nicht aus der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Erwägung, mit dem Landschaftsplan sei der westlich gelegene Wald unter förmlichen Schutz gestellt und dadurch eine Zäsur zu den bestehenden Anlagen des Windparks E. gesetzt worden. Anhaltspunkte für eine daraus folgende Zielsetzung des Landschaftsplangebers, die dem Vorhaben entgegen stünde, ergeben sich aus den vorliegenden Vorgängen nicht.
110Dazu ist im Übrigen auch darauf hinzuweisen, dass für den hier in Rede stehenden Bereich des Entwicklungsziels 2 östlich des genannten Waldstücks eine wesentliche planerische Steuerungswirkung ohnehin nicht festzustellen ist. Nach den im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses des Kreistags des Beklagten vom 17.12.2015 geltenden §§ 18, 26 Abs. 1 Satz 2 des Landschaftsgesetzes NRW (vgl. jetzt §§ 10, 13 Landesnaturschutzgesetz NRW) dient die Darstellung von Entwicklungszielen in erster Linie als Grundlage für die Festsetzung von Maßnahmen zur Landschaftsentwicklung im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes. Die Festsetzung von weiteren Maßnahmender der Landschaftsentwicklung ist ausweislich der Entwicklungs- und Festsetzungskarte und der Textlichen Festsetzungen (vgl. BA 13, Seite 96 ff.) indes für diesen Bereich unterblieben.
1113. Die vom Beklagten zu Beginn des gerichtlichen Verfahrens angesprochenen Belange des Schutzes einer Richtfunkstrecke (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) stehen dem Vorhaben nicht mehr entgegen. Dazu hat der Beklagte am 8.12.2022 mitgeteilt, die Strecke sei zwischenzeitlich abgerüstet worden.
1124. Ebenso wenig vermag der Senat einen dem Vorhaben entgegen stehenden - in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB „unbenannten“ - öffentlichen Belang eines Planungserfordernisses zu erkennen.
113Die öffentlichen Belange, die der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufzählt, haben nur beispielhaften Charakter. Zu den nicht benannten öffentlichen Belangen gehört auch das Erfordernis einer förmlichen Planung. Dieser öffentliche Belang hat allerdings eine andere Qualität als die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten. Er bringt zum Ausdruck, dass die in § 35 BauGB selbst enthaltenen Vorgaben nicht ausreichen, im Sinne des Konditionalprogrammes des § 35 BauGB eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines beabsichtigten Vorhabens treffen zu können. Das im Außenbereich zu verwirklichende Vorhaben kann eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange auslösen, dass dies die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens übersteigt. Ein derartiges Koordinierungsbedürfnis wird vielfach dann zu bejahen sein, wenn die durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einen in erster Linie planerischen Ausgleich erfordern, der seinerseits Gegenstand einer abwägenden Entscheidung zu sein hat. Eine in diesem Sinne „abwägende“ Entscheidung ist nach der Gesetzeslage weder der Genehmigungsbehörde noch der Gemeinde im Rahmen des § 36 Abs. 1 BauGB zugestanden, sie ist nach Maßgabe der §§ 1 ff. BauGB allein in einem Bauleitplanverfahren zu treffen.
114Vgl. dazu allg. BVerwG, Urteil vom 1.8.2002
115- 4 C 5.01 -, juris.
116Einen solchen Planungsbedarf vermag der Senat nach Auswertung der Akten und der Erörterung der Sach- und Rechslage in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen. Dafür bieten insbesondere auch die vom Beklagten benannten öffentlichen Belange keine hinreichenden Anhaltspunkte. Damit stimmt im Übrigen auch die Auffassung der Beigeladenen zu 1. überein, die ihr planungsrechtliches Einvernehmen erteilt und vor dem Senat ihre Auffassung bekräftigt hat, dass sie das Vorhaben für planungsrechtlich zulässig hält.
1175. Gegenüber dem Vorhaben setzen sich auch nicht die vom Senat in den Blick genommenen Belange des Bodenschutzes (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) durch.
118Allerdings hat der Senat in einem Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren den Aspekt der Bodenversiegelung durch eine Windkraftanlage (Fundament und Zuwegung) im Umfang von ca. 800 m² als Beeinträchtigung öffentlicher Belange in den Blick genommen.
119Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.6.2022
120- 7 B 304/22.AK, juris.
121Eine ähnliche tatsächliche Konstellation liegt auch hier vor. Hier wird dieser Belang indes in der gebotenen nachvollziehenden Abwägung durch die inzwischen in Kraft getretene Bestimmung des § 2 EEG in der seit Juli 2022 geltenden Fassung überwunden.
1226. Das Gleiche gilt auch für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
123Soweit artenschutzrechtliche Aspekte hier nach der Rechtsprechung des BVerwG im Rahmen der Prüfung der öffentlichen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege mit Blick auf § 44 BNatSchG von Bedeutung sind,
124vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.6.2013
125- 4 C 1.12 -, juris,
126sind sie durch das Vorhaben nicht in erheblicher Weise beeinträchtigt; dazu kann auf den artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Bezug genommen werden, den die Klägerin eingereicht hat. Demgegenüber ergeben sich auch aus den Bedenken, die der Naturschutzbund NABU im Genehmigungsverfahren eingereicht hat, keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Erforderliche Abschalt-Regelungen zum Schutz von Fledermäusen werden im Rahmen des Bescheids durch Nebenbestimmungen zu treffen sein.
127Vgl. zur Bescheidungsverpflichtung bei der Erforderlichkeit von Nebenbestimmungen allg. BVerwG, Urteil vom 22.9.2016 - 4 C 6.15 -, juris.
128Mit Blick auf die Bedeutung des § 2 EEG ergibt sich daraus jedenfalls keine dem Vorhaben von vornherein entgegenstehende Beeinträchtigung der Belange des Artenschutzes.
129Vgl. zur Abwägung nach § 35 Abs. 2 BauGB und § 2 EEG auch OVG NRW, Urteil vom 27.10.2022 - 22 D 243/21.AK -, juris.
130Ebenso wenig kann eine Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege erkannt werden, soweit es nicht um § 44 BNatSchG geht.
131Förmlich geschützte Gebiete sind durch das Vorhaben nicht betroffen. Unabhängig von einem förmlichen Schutz schutzwürdige Aspekte von Natur und Landschaft im Sinne dieses Belangs sind nicht ersichtlich. Der Vorhabenbereich wird intensiv ackerbaulich genutzt. Eine irgendwie geartete Bedeutung im Sinne der in Rede stehenden Belange ist weder vom Beklagten aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
1327. Eine relevante Beeinträchtigung des Landschaftsbilds (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) kann ungeachtet der Höhe der Anlage mit Blick auf § 2 EEG nicht erkannt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Windkraftanlagen inzwischen in weiten Teilen des Landes das Landschaftsbild prägen und nicht als negative Beeinträchtigung wahrgenommen werden müssen.
1338. Soweit im Bereich des Vorhabens möglicherweise ein Bodendenkmal in Gestalt römischer Siedlungsreste vorhanden ist, lässt sich daraus ebenfalls keine Beeinträchtigung der Belange des Denkmalschutzes (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) im Sinne des Gesetzes entnehmen. Mit Blick auf die Bedeutung des § 2 EEG können diese Belange im Sinne der Regelungen des Denkmalschutzgesetzes des Landes NRW durch Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid gesichert werden.
134Vgl. dazu allg. etwa OVG NRW, Urteil vom 20.9.2011 - 10 A 1995/09 -, juris.
1359. Soweit die Anlage der Zustimmung nach § 9 Abs. 2 FStrG bedarf, weil der Rotorüberschlag innerhalb der 100 m Zone der A 00 liegt und die im Verfahren beteiligte Autobahn GmbH des Bundes am 8.6.2021 Bedenken wegen der Gefahr des Eiswurfs geäußert hatte, steht dies der Erteilung der beantragten Genehmigung ebenfalls nicht entgegen. Der Senat geht davon aus, dass diese - sonstige Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG betreffenden - Bedenken durch Maßnahmen der temporären Abschaltung nach Maßgabe des Eisfallgutachtens ausgeräumt werden können. Gleiches gilt für die Bedenken des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Landesstraße 227.
13610. Des Weiteren können durch Regelungen im Rahmen des Bescheids unzumutbare Beeinträchtigungen durch Schattenwurf (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) nach Maßgabe des Schattenwurfgutachtens der Klägerin vermieden werden.
13711. Ebenso wenig sind schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm zu befürchten (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) In diesem Zusammenhang kann nach dem vorgelegten Lärmgutachten sichergestellt werden, dass es im Hinblick auf die Vorbelastung durch den westlich anschließenden Windpark E. nicht zu Überschreitungen von Richtwerten an den benannten Immissionspunkten kommt. Hierzu bedarf es näherer Regelungen unter Berücksichtigung der zugesagten Leistungsreduzierung einer Anlage des bestehenden Windparks (vgl. dazu die Zusage vom 30.3.2021, BA 2, Bl. 401), die nicht vom Gericht zu treffen sind, sondern vom Beklagten nach Maßgabe der einschlägigen Vorgaben festgelegt werden können.
13812. Soweit im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme der Aspekt einer etwaigen optisch bedrängenden Wirkung zu prüfen ist,
139vgl. dazu allg. OVG NRW, Urteil vom 15.12.2022
140- 7 D 301/21.AK -, juris,
141liegen die Voraussetzungen für eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung nach Maßgabe der einschlägigen Grundsätze nicht vor.
142Vgl. dazu eingehend OVG NRW, Urteil vom 24.2.2023 - 7 D 316/21.AK -, juris.
143Der Abstand zu schutzwürdigen Wohnnutzungen beträgt deutlich mehr als das Zweifache der Anlagenhöhe (vgl. § 249 Abs. 10 BauGB). Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise gleichwohl anzunehmende Unzumutbarkeit sind auf der Grundlage des vorgelegten Gutachtens zur optisch bedrängenden Wirkung nicht festzustellen.
144III. Die Klägerin hat über die Verpflichtung zur Neubescheidung hinaus aber keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
145Es fehlt insoweit an der erforderlichen Spruchreife, die der Senat angesichts des vorliegenden sog. "steckengebliebenen Genehmigungsverfahrens" auch nicht herbeiführen muss.
146In der Situation eines sog. "stecken gebliebenen Genehmigungsverfahrens" entfällt die Verpflichtung des Gerichts zur Herbeiführung der Spruchreife, wenn ansonsten im Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe technische Fragen erstmals im gerichtlichen Verfahren erschöpfend geprüft werden müssen. In derartigen besonders gelagerten Fällen ist es nicht Aufgabe der Gerichte, ein "steckengebliebenes" Genehmigungsverfahren in allen Einzelheiten durchzuführen. Es kann daher ausnahmsweise gerechtfertigt sein, dass das Tatsachengericht davon absieht, die Sache spruchreif zu machen und ein Bescheidungsurteil im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO erlässt.
147Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.9.2016 - 4 C 6.15 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 21.4.2020 - 8 A 311/19 -, juris; sowie OVG NRW, Urteil vom 27.10.2022 - 22 D 243/21.AK -, juris; ferner etwa OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7.2.2023 - 5 K 171/22 OVG -, juris,
148und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.6.2022 - 10 S 848/21 -, juris.
149Insbesondere die Entscheidung darüber, welche Nebenbestimmungen nach dem Maßstab der vorstehenden Ausführungen etwa hinsichtlich des Artenschutzes, der Vermeidung unzumutbarer Lärmimmissionen und unzumutbarer Beeinträchtigungen durch Schattenwurf bzw. sonstiger Gefahren durch Eisfall rechtlich geboten bzw. zweckmäßig sind, obliegt danach hier zunächst dem Beklagten.
150Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat gewichtet das jeweilige Obsiegen der Hauptbeteiligten in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise. Kosten können den Beigeladenen nicht auferlegt werden, weil sie keinen Sachantrag gestellt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO); es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
151Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
152Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgetragenen Auffassung des Beklagten hat die Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung mit Blick auf die erörterte Anwendung des § 2 EEG auf den vorliegenden Sachverhalt. Die Anwendbarkeit dieser Regelung ergibt sich im Wege der Gesetzesauslegung unter Heranziehung der Gesetzgebungsmaterialien. Die Anwendung der gesetzlichen Regelungen auf den vorliegenden Sachverhalt betrifft die Würdigung der Umstände des Einzelfalls und wirft deshalb keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.