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Das beklagte Land wird unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 22. Juli 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005 verpflichtet, die in V/Usbekistan vom 1. September 1998 bis 31. August 2001 verbrachte Dienstzeit sowie die in die Dienstzeit in T/Usbekistan fallenden Zeiten der Heimaturlaube vom 22. Dezember 2001 bis 19. Januar 2002, 31. Juli 2002 bis 27. August 2002, 21. Dezember 2002 bis 12. Januar 2003 und 28. Juni 2003 bis 10. August 2003 und die Zeit der Erkrankung vom 28. Januar 2002 bis 16. Februar 2002 gemäss § 13 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz als ruhegehaltsfähige Dienstzeit doppelt anzurechnen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die 1943 geborene Klägerin stand bis zur ihrer vorzeitigen Zurruhesetzung nach § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG zum 31. August 2003 zuletzt als Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst des beklagten Landes. Vom 1. September 1998 bis zum 31. August 2001 war sie im Rahmen eines Programms der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen an der Staatlichen Universität V in V/Usbekistan und vom 1. September 2001 bis zum 31. August 2003 an einer Schule in T/Usbekistan als Lehrerin für Deutsch tätig. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 und vom 19. April 2003 beantragte die Klägerin, diese im Ausland verbrachten Dienstzeiten gemäß § 13 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) doppelt anzurechnen. Hierzu gab sie an, beide Städte lägen in einem Schwellenland in Zentralasien. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen führten vor allem im Winter bei stark kontinentalem Klima durch ausfallendes Gas und ausfallenden Strom - keine Heizung an der Arbeitsstelle und in der Wohnung - zu gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen. Als solche nannte sie Lungenentzündungen, Übertragung von Parasiten durch Trinkwasser und durch Überdüngung von versalztem Wasser. Auf Aufforderung durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) teilte die Klägerin am 2. Dezember 2003 mit, während ihrer Dienstzeit in T mehrere Heimaturlaube verbracht zu haben, und zwar vom 22. Dezember 2001 - 19. Januar 2002, vom 31. Juli 2002 - 27. August 2002, vom 21. Dezember 2002 - 12. Januar 2003 und vom 28. Juni 2003 - 10. August 2003. Außerdem gab sie an, vom 28. Januar 2002 - 16. Februar 2002 an einer Lungenentzündung erkrankt gewesen und in T behandelt worden zu sein.
3Mit Festsetzungsbescheid vom 22. Juli 2004, der am 26. Juli 2004 als Einschreibebrief zur Post gegeben wurde, änderte das LBV seinen ursprünglichen Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 18. September 2003 teilweise ab und rechnete die Dienstzeit in T vom 1. September 2001 - 31. August 2003 mit Ausnahme der Krankheitszeiten und der Zeiten der Heimaturlaube doppelt an. Die doppelte Anrechnung der in V verbrachten Zeit lehnte das LBV hingegen unter Berufung auf Tz. 13.2.3 und Tz. 13.2.2.4 der Verwaltungsvorschriften zu § 13 BeamtVG ab, da dieser Dienstort außerhalb des dort umschriebenen Gebietes liege.
4Mit Schreiben vom 19. August 2004, das am 20. August 2004 bei dem LBV einging, legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein, der am 19. Januar 2005 begründet wurde. Es seien noch weitere drei Jahre und 144 Tage doppelt anzurechnen. Zu Unrecht seien die Zeiten der Erkrankung und der Heimaturlaube während der Dienstzeit in T mit 144 Tagen nicht angerechnet worden. Zudem sei die Dienstzeit von drei Jahren in V doppelt anzurechen. Auch wenn dieser Ort außerhalb des Gebietes liege, für den die Verwaltungsvorschriften eine doppelte Anrechnung vorsehe, schließe das eine Berücksichtigung nach § 13 Abs. 2 BeamtVG nicht aus, da diese Aufzählung nicht abschließend sei. Das Gebiet von V sei ebenso wie das Gebiet von T zu den Gebieten zu zählen, in dem gesundheitsschädigende klimatische Einflüsse herrschten. Durch die Verlandung des im Norden von Usbekistan gelegenen Aralsees sei es zu negativen Veränderungen des Klimas gekommen, was Auswirkungen auf die Gesundheitssituation und die Lebensbedingungen habe. Die Klägerin verweist insoweit auf eine Veröffentlichung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und eine Untersuchung von Herrn Prof. Dr. Giese (Institut für Geographie an der Universität Gießen).
5Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2005 wies das LBV diesen Widerspruch zurück. Auch wenn die Aufzählung der berücksichtigungsfähigen Länder in der Verwaltungsvorschrift nicht abschließend sei, enthalte das Beamtenversorgungsgesetz keinen Hinweis, wie bei einer Ergänzung der Aufzählung zu verfahren sei. Die Aufzählung sei daher für die Behörde verbindlich. Eine Berücksichtigung weiterer Gebiete würde eine unzulässige Erweiterung des vorgegebenen Ermessensrahmes darstellen. Eine weitere Anrechnung von Zeiten der Heimaturlaube und der Krankheitszeit scheide ebenfalls aus.
6Die Klägerin hat am 7. Dezember 2005 Klage erhoben. Ihr seien weitere 144 Tage, die auf die Heimaturlaube und die Erkrankung entfielen, anzurechnen. Die Einschränkung in Tz. 13.2.6 der Verwaltungsvorschriften finde in der Gesetzesvorschrift keine Stütze. Vom Sinn und Zweck der Regelung her umfasse die ununterbrochene Verwendung von einem Jahr in einem Gebiet mit gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen auch Zeiten eines Heimaturlaubs oder eines krankheitsbedingten Aufenthalts im Heimatland, zumal dann, wenn diese wie vorliegend jeweils nur kurze Zeit und in größeren Intervallen stattgefunden hätten. Ebenso sei die Dienstzeit in V vom 1. September 1998 - 31. August 2002 mit drei Jahren doppelt anzurechnen. Insoweit wiederholt und vertieft die Klägerin unter Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Veröffentlichungen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, ihren Sachvortrag zu den gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüsse, denen sie während ihres Aufenthalts in diesem Gebiet ausgesetzt gewesen sei. Aufgrund der zunehmenden Verlandung des nördlich von V gelegenen Aralsees habe die drastisch geschrumpfte Seefläche und das Fehlen jeglicher Vegetation auf drei Viertel des verlandeten Gebiets für Menschen, Tiere und Pflanzen zu negativen klimatischen Veränderungen geführt. Die Temperaturen im Sommer und im Winter seien extremer geworden. Die Vegetationszeit für landwirtschaftliche Kulturen habe sich verkürzt. Stärke und Dauer der Winde über der Steppe habe zugenommen. Die Winderosion wirbele immer größere Mengen an Sand und Staub, die mit hochgiftigen chloriden Verbindungen versetzt seien und die Gesundheit der Menschen bedrohten, auf die Felder und in die Dörfer. In der Region um den Aralsee träten häufig wasserinduzierte Krankheiten und Infektionen der Atemwege, vor allem Tuberkulose auf. Ihre Verbreitung habe die Ausmaße einer Epidemie angenommen.
7Auf Aufforderung des Gerichts hat die Klägerin in einer schriftlichen Erklärung vom 3. Oktober 2006 ihre Arbeits- und Lebensbedingungen in V geschildert. In der mündlichen Verhandlung hat sie insbesondere die großen Temperaturschwankungen als belastend dargestellt.
8Die Klägerin beantragt,
9das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 22. Juli 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005 zu verpflichten, die in V/ Usbekistan vom 1. September 1998 - 31. August 2001 verbrachte Dienstzeit sowie die in die Dienstzeit in T/ Usbekistan fallenden Zeiten der Heimaturlaube vom 22. Dezember 2001 - 19. Januar 2002, 31. Juli - 27. August 2002, 21. Dezember 2002 - 12. Januar 2003 und 28. Juni - 10. August 2003 und die Zeit der Erkrankung vom 28. Januar - 16. Februar 2002 gemäß § 13 Abs. 2 BeamtVG als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten doppelt anzurechnen;
10hilfsweise: das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 22. Juli 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005 zu verpflichten, über ihren Antrag vom 20. Dezember 2002/ 19. April 2003 auf doppelte Anrechnung gemäß § 13 Abs. 2 BeamtVG ihrer in V/ Usbekistan vom 1. September 1998 - 31. August 2001 verbrachten Dienstzeit sowie der in die Dienstzeit in T/ Usbekistan fallenden Heimaturlaube vom 22. Dezember 2001 - 19. Januar 2002, 31. Juli- 27. August 2002, 21. Dezember 2002 - 12. Januar 2003 und 28. Juni - 10. August 2003 und die Zeit der Erkrankung vom 28. Januar - 16. Februar 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
11Das beklagte Land beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung nimmt das LBV Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Der Entscheidung seinen bindend die Verwaltungsvorschriften zu § 13 BeamtVG zugrundezulegen.
14Das Gericht hat über die klimatischen Bedingungen in V/ Usbekistan zwei Auskünfte eingeholt. Auf das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes, Hamburg vom 19. Juli 2006 und die Stellungnahme des Bernard - Nocht - Instituts des Universitätsklinikums Hamburg - Eppendorf (Reisemedizinisches Zentrum) vom 17. Mai 2006 wird Bezug genommen.
15Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig und mit dem Hauptantrag insgesamt begründet. Die angefochtenen Bescheide sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf eine weitere doppelte Anrechnung von in Usbekistan verbrachten Dienstzeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
18Der Anspruch der Klägerin kann sich auf § 13 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) stützen. Danach kann die Zeit der Verwendung eines Beamten nach der Vollendung seines 17. Lebensjahres in Ländern, in denen er gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen ausgesetzt ist, bis zum Doppelten als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, wenn sie ununterbrochen ein Jahr gedauert hat.
19Dieser Regelung liegt die Annahme zugrunde, dass das ungesunde Klima eine vorzeitige Dienstunfähigkeit des Beamten zur Folge haben kann oder regelmäßig zur Folge haben dürfte, ohne dass allerdings vorausgesetzt wäre, dass die Zurruhesetzung auch deswegen erfolgt.
20Die Klägerin begehrt die doppelte Anrechung zum einen ihrer Dienstzeit als Austauschlehrerin im Rahmen eines Programms der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen vom 1. September 1998 - 31. August 2001 an der Universität von V/ Usbekistan und zum anderen von näher datierten Heimaturlauben und einer Krankheitszeit während ihrer anschließenden Dienstzeit vom 1. September 2001 - 31. August 2003 in T/ Usbekistan wegen der dort herrschenden gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüsse. Insoweit macht sie geltend, dass sie an den beiden Dienstorten wegen der dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen im Verlauf eines Jahres erheblichen Temperaturschwankungen mit starken Winden und zeitweise Sandstürmen ausgesetzt gewesen sei. Insbesondere die Stadt V liege am südlichen Rand einer Sandwüste. Zudem trete wegen der zunehmenden Verlandung des nördlich gelegenen Aralsees eine Versalzung des Bodens mit negativen Folgen für die Vegetation und den Lebens- und Gesundheitsbedingungen ein.
21Die dienstliche Verwendung der Klägerin als Beamtin an den beiden genannten Orten in Usbekistan ist gegeben; dies wird von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt. Der Anspruch der Klägerin auf eine doppelte Anrechnung ihrer dreijährigen Dienstzeit in V scheitert nicht daran, dass dieser Dienstort nördlich des 40 Breitengrades auf der geographischen Breite von 41 Grad und damit außerhalb des in Tz. 13.2.2.4 der Verwaltungsvorschriften zu § 13 BeamtVG (BeamtVGVwV) umschriebenen Gebiets liegt. Denn die Frage, ob der Beamte an dem konkreten Einsatzort gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen ausgesetzt gewesen ist, unterliegt als tatbestandliche Voraussetzung der vollen gerichtlichen Überprüfung. Die Bestimmung von Gebieten mit derartigen Einflüssen in den BeamtVGVwV ist daher nicht abschließend. Unter die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG können auch weitere Orte fallen. Die Verwaltungsvorschriften zu § 13 BeamtVG haben insoweit nur norminterpretierende Wirkung, indem sie der Verwaltung eine Hilfestellung für die praktische Anwendung der Vorschrift geben, nicht aber können sie die Verwaltungsgerichte binden. Es besteht somit eine uneingeschränkte gerichtliche Prüfungskompetenz im Hinblick auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen.
22Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (OVG NRW), Urteil vom 13. Dezember 2001, - 1 A 245/98 -, Schütz, Beamtenrecht ES/C II 1.1.2 Nr. 34.
23Im Gebiet der Stadt V, in der die Klägerin vom 1. September 1998 - 31. August 2001 als Austauschlehrerin an der dortigen Universität tätig war, bestehen gesundheitsschädigende klimatische Einflüsse. Als Klima ist die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen anzusehen, die den mittleren Zustand der Erdatmosphäre an irgendeiner Stelle der Erdoberfläche kennzeichnen, außerdem die Gesamtheit der Witterung eines längeren oder kürzeren Zeitabschnitts, wie sie durchschnittlich in diesem Zeitraum einzutreten pflegen. Klimaelemente sind demnach insbesondere Sonnen- und Himmelsstrahlungen, Temperatur, Feuchte, Wind, Bewölkung und Niederschlag.
24Vgl. OVG NRW, a.a.O.
25Die Frage, ob diese klimatischen Bedingungen eine gesundheitsschädigende Wirkung haben, ist aufgrund einer generalisierenden und pauschalisierenden Betrachtung zu beurteilen. Es kommt insoweit nicht auf die körperliche Konstitution gerade des Beamten an, um dessen Dienst es geht, sondern darauf, ob sich das Klima an dem Ort seiner Dienstausübung im Allgemeinen schädigend auf die Gesundheit eines Mitteleuropäers auswirken kann.
26Vgl. OVG NRW, a.a.O.
27Nach den in diesem Verfahren vorgelegten und durch das Gericht eingeholten fachkundigen Stellungnahmen sowie den allgemein zugänglichen Erkenntnissen herrschen in V/ Usbekistan gesundheitsschädigende klimatische Verhältnisse vor. Der Staat Usbekistan erstreckt sich von den Wüsten am Aralsee im Westen über ca. 1.200 km bis zum fruchtbaren Ferghanatal im Osten. Der größte Teil der Fläche von Usbekistan wird von Wüsten eingenommen. Südöstlich des Aralsees im Tiefland von Turan erstreckt sich die Kysylkum - Wüste, die vier Zehntel der Staatsfläche Usbekistans umfasst. Südlich davon liegt eine große Steppenlandschaft, durch die der Amurdarja fließt. Dieser Fluss, der ursprünglich in den Aralsee mündete, versickert heute in der Wüste, da für Bewässerungsprojekte große Wassermengen entnommen werden.
28Vgl. Wikipedia, Stichwort: Usbekistan, hier; Landschaftszonen, www.wikipedia.org.
29Nach den Angaben des in diesem Verfahren eingeholten amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes - Abteilung Seeschiffahrt - vom 19. Juli 2006 herrscht in Usbekistan ein ausgesprochen trockenes und winterkaltes Steppen- und Halbwüstenklima. Diese Feststellung gilt auch für V am Fluss Amurdarja. Der Einfluss des Aralsees sowie des Flusses auf das Klima ist allenfalls gering. Für die klimatischen Verhältnisse in Usbekistan und damit auch für V sind im Wesentlichen zwei Druckgebilde maßgebend. Im Winterhalbjahr eine ausgedehnte und mit Kaltluft angefüllte Hochdruckzone über Sibirien und im Sommerhalbjahr ein Tiefdruckgebiet über dem Himalaja und seinen Randgebieten sowie über Nordindien. Da auf der Nordhalbkugel Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn und Tiefdruckgebiete gegen den Uhrzeigersinn umströmt werden, kommen die vorherrschenden Winde in Usbekistan aus Nord bis Nordost. Sie führen im Winter sehr trockene Kaltluft aus den Weiten Sibiriens nach V. Im Sommer dagegen treten durch die intensiver und lange tägliche Sonneneinstrahlung in der außerordentlich trockenen kontinentalen Luft sehr hohe Temperaturen auf. Das führt dazu, dass sowohl der Jahresgang als auch der Tagesgang der Lufttemperatur viel ausgeprägter ist als z.B. in Mitteleuropa. Die Auswirkungen dieses kontinentalen Klimatyps zeigen sich insbesondere durch die hohen Extremtemperaturen, die im Sommer deutlich mehr als + 40 Grad Celsius erreichen können. Im Winter dagegen bis nahe - 30 Grad Celsius absinken können. Auch die Mittelwerte im Sommer liegen deutlich höher und im Winter niedriger als in Deutschland. In der der Auskunft beigefügten Klimatafel sind für die Monate März bis Oktober absolute Maximumwerte für die Lufttemperatur zwischen 30,5 Grad Celsius (März) und 43 Grad Celsius (August) ausgewiesen, das mittlere tägliche Maximum schwankt in den Monaten April bis September zwischen 21,4 Grad Celsius (April) und 27,2 Grad Celsius (September).Die absoluten Minimumwerte liegen zwischen minus 20 Grad Celsius im Januar und minus 17 Grad Celsius im Dezember. Die Zahl der Frosttage beträgt 91 Tage, die der Eistage 20,4 Tage. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt im jährlichen mittlerem Tagesmittel 57 %; die Windgeschwindigkeit im jährlichen mittlerem Tagesmittel 3,5 m/s. Wegen der geringen Niederschläge ist die Luft meist außerordentlich trocken. Das Sonnenscheinangebot liegt mit nahezu 3000 Stunden im Mittel pro Jahr signifikant höher als in Mitteleuropa. Im Ergebnis kommt das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes zu der Aussage, dass ein Mitteleuropäer in V ganz sicher erheblichen klimatischen Belastungen ausgesetzt ist. Zusätzliche Belastungen kommen auf dort lebende Personen auch durch häufig auftretende stärkere Winde und Aufwirbelungen von Sedimenten (Sandstürme) hinzu. Diese von einer fachkundigen Stelle durch eine Diplom - Meteorologen unter Auswertung von mehrjährig erhobenen Klimadaten gemachten Angaben werden bestätigt durch die in diesem Verfahren eingeholte Auskunft des Bernhard - Nocht - Instituts für Tropenmedizin in Hamburg vom 17. Mai 2006. (vgl. auch die von der Klägerin eingereichten Materialien Nr. 102" herausgegeben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dezember 2000, sowie den Aufsatz von Ernst Giese, Wasserverknappung, in: Spiegel der Forschung 2002, 50 ff).
30Übereinstimmend kommen diese fachkundigen Auskünfte und Stellungnahmen zu der Aussage, dass für einen Mitteleuropäer während eines längeren Aufenthalts in V/ Usbekistan wegen des vorherrschenden Halbwüsten- und Steppenklimas aufgrund der im Jahresverlauf auftretenden hohen Schwankungen der Extremtemperaturen und der große Trockenheit auslösenden häufig auftretenden stärkeren Sandstürme erhebliche klimatische Belastungen bestehen.
31Diesen gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen war die Klägerin auch ausgesetzt. Dieses weitere Tatbestandsmerkmal ist nur dann erfüllt, wenn die Einflüsse für den Beamten unentrinnbar sind, d.h. wenn keine Möglichkeit besteht, sich den gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen zu entziehen. Allerdings darf der Begriff des Ausgesetztseins nicht losgelöst von den in Betracht kommenden gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen gesehen werden. Auf Grund dessen können für die Frage des Ausgesetztseins nur diejenigen Einflüsse relevant sein, die gerade den erhöhten Gefährdungsgrad der Auslandsverwendung kennzeichnen. Relevant können deshalb nur die gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüsse sein, die ihrer Art und ihrer Intensität nach über diejenigen hinausgehen, denen der Beamte auch in Deutschland ausgesetzt sein würde.
32Vgl. OVG NRW, a.a.O.
33Die Klägerin war während ihres Dienstes in V durch die dort vorherrschenden Klimabedingungen einem gegenüber den klimatischen Verhältnissen in Mitteleuropa erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Dabei spielt es wegen der ausreichenden abstrakten Gefährdung keine Rolle, ob sie sich tatsächlich Erkrankungen zugezogen hat, die zu einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit geführt haben. In ihrer eigenhändig verfassten Darstellung vom 3. Oktober 2006 zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen in V während ihres Aufenthalts dort, auf die die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung bezogen hat, hat sie überzeugend und nachvollziehbar ihren beruflichen und privaten Lebensalltag unter den dort herrschenden klimatischen Bedingungen geschildert. Daraus ist für das Gericht in überzeugender Weise erkennbar, dass es ihr nicht möglich war, durch geeignete Schutzmaßnahmen die schädigenden Klimaeinflüsse wirksam abzuwehren. Zu den Arbeitsverhältnissen in der Universität hat die Klägerin dargelegt, dass es sich - wie die meisten öffentlichen Gebäude in Usbekistan - um ein Betongebäude handelt, das über keine Klimaanlage verfügt und - wie grundsätzlich alle öffentlichen Gebäude in der Provinz - auch im Winter nicht beheizt wird. Dies bedeutet, dass trotz der dargestellten hohen Temperaturschwankungen eine Regulierung der Innentemperatur nicht möglich war. Hinzukommt, dass die Fenster der Gebäude nicht schließen und Fugen und Ritzen im Winter nur notdürftig ausgestopft werden. Zu Schutz gegen den Wind aus Sibirien werden die Fenster im Winter mit Plastikfolien zugehängt und vernagelt. Insgesamt war der Jahreskreislauf, wie die vorliegende Klimatafel des Deutschen Wetterdienstes für V belegen, durch große Temperaturschwankungen mit Maximaltemperaturen von über 40 Grad Celsius während der Sommermonate Mai bis August gekennzeichnet. Dem war die Klägerin während ihres insgesamt dreijährigen Aufenthalts dort mit Ausnahme von witterungsabhängiger Bekleidung ohne wirklich wirksame Schutzmöglichkeiten ausgesetzt. Auch gegen den ständigen Wind mit häufig aus den umliegenden Wüsten herangeführten Sandstaub bestanden keine wirksamen Abwehrmöglichkeiten, da auch der Aufenthalt in Innenräumen wegen der schlichten Bauweise der Gebäude keinen Schutz bot. Dies gilt nach den im Hinblick auf den allgemeinniedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstand des Staates Usbekistan
34Vgl. Wikipedia, a.a.O. Usbekistan, Stichwort; Wirtschaft
35glaubhaften Angaben der Klägerin in gleicher Weise auch bezüglich ihrer privaten Wohnverhältnisse. Sie bewohnte ein traditionelles Lehmhaus, in dem die Türen und Fenster nicht dicht waren. Das Haus konnte zwar beheizt werden, die mit Ferngas betriebene Heizung ließ sich aber nicht regulieren. Dies führte dazu, dass die Klägerin im Winter bei einem Wechsel von Innenräumen in den Außenbereich erheblichen Temperaturunterschieden ausgesetzt war. Hinzukam auch in ihrem privaten Wohnbereich der Klimaeinfluss durch den staubigen Wind. Weiteren von den Verhältnissen in Mitteleuropa wesentlich abweichenden Klimaverhältnissen war die Klägerin auch durch die äußerst trocken Luft im Sommer und Winter ausgesetzt, der zudem wegen der großen Kälte im Winter schneidend war. Als indirekte, wegen der Austrocknung und Versalzung des Bodens auf das Klima zurückzuführende Einflüsse sind auch die Wasserverhältnisse anzuführen, wenn auch für das Trinkwasser durch Aufbereitungsfilter Schutzmöglichkeiten zur Verfügung standen. Die von der Klägerin geschilderten Versorgungslage mit Lebensmitteln kann allerdings nicht auf die klimatischen Bedingungen zurückgeführt werden. Dies gilt ebenso für ihre Schilderung der sanitären Verhältnisse im öffentlichen Bereich.
36Liegen somit für die von der Klägerin in V vom 1. September 1998 - 31. August 2001 verbrachten dreijährigen Dienstzeit die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, so hätte das LBV diese gesundheitsschädigenden Klimaeinflüsse dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechend in seine Ermessensausübung einstellen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, vielmehr hat sich das LBV bei seiner Entscheidung an die Regelung in Tz 13.2.2.4 BeamtVGVwV gebunden gefühlt. Es hätte jedoch berücksichtigen müssen, dass es sich hierbei nicht um eine abschließende Regelung handelt, sondern dass § 13 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG auch auf weitere ausländische Dienstorte Anwendung finden kann. Bei Zugrundelegung der dargestellten Klimabedingungen führt eine sachgerechte Ermessensausübung zu dem Ergebnis, dass die dreijährige Dienstzeit der Klägerin in V/ Usbekistan mit Einschluss von in dieser Zeit verbrachter Heimaturlaube doppelt anzurechen ist. Das beklagte Land war hierzu nach dem Hauptantrag zu verpflichten. Diese Verpflichtung rechtfertigt sich auch daraus, dass das LBV für die weiter südlich - östlich gelegene Stadt T, die allerdings innerhalb des in Tz 13.2.2.4 BeamtVGVwV gelegenen Gebietes liegt, die doppelte Anrechnung der dort verbrachten Dienstzeit anerkannt hat. Es ist jedoch im Rahmen einer sachgerechten Ermessensausübung nicht nachvollziehbar, dass dieser Ort, der nach dem in der mündlichen Verhandlung eingesehenen Kartenmaterial in der östlichen Gebirgsregion von Usbekistan liegt, einer schlechteren Klimazone zugeordnet sein soll als die in der Ebene gelegene, von zwei Wüsten umgebene Stadt V. Vor diesem Hintergrund stellt nur die doppelte Anrechung von Dienstzeiten für beide Orte eine sachgerechte Ermessensausübung dar.
37Auch bezüglich der weiterhin beantragten doppelten Anrechnung von insgesamt 144 Tagen, die in die unmittelbar anschließende Dienstzeit der Klägerin in T/ Usbekistan vom 1. September 2001 - 31. August 2003 fallen und aus der Anrechung dieser Zeit nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wegen verschiedener Heimaturlaube und einer Krankheitszeit herausgenommen worden sind, war dem Hauptantrag stattzugeben. Zwischen den Beteiligten ist insoweit nicht streitig, dass die Dienstzeit in T grundsätzlich doppelt anzurechnen ist, da dieser Ort innerhalb des in Tz. 13.2.2.4 BeamtVGVwV beschriebenen Gebietes liegt. Von daher sind zunächst einmal weitere 20 Krankheitstage, die die Klägerin in T verbracht hat, doppelt anzurechnen. Denn die Klägerin hat sich während dieser Krankheitszeit direkt in dem klimatisch gesundheitsschädigendem Gebiet aufgehalten. Auch bezüglich weiterer 124 Tage von im Tenor näher datierten Heimaturlauben in den Jahren 2002 und 2003, die in die Dienstzeit in T fallen, hat eine doppelte Anrechung zu erfolgen. Die auf Tz. 13.2.6 Satz 2 BeamtVGVwV gestützte Ablehnung dieser Zeiten findet im Gesetz keine Stütze. Auch wenn der Beamte während der Zeit eines Heimaturlaubs den gesundheitsschädigenden klimatischen Einflüssen nicht mehr direkt ausgesetzt ist,
38vgl. Strötz in Fürst, GKöD, Rdnr. 51 zu § 13 BeamtVG; Kümmel - Ritter, Beamtenversorgungsgesetz, § 13 Erl. 31, die hierauf die Versagung ableiten
39wird damit ihre Wirkung nicht unterbrochen, da klimatische Reize noch eine längere Zeit nach ihrer Einwirkung auf den menschlichen Organismus nachwirken. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn die Heimaturlaube, wie hier, in die ununterbrochene Verwendungszeit fallen. Auch während solcher Heimaturlaube bleibt der Beamte daher den während des Dienstes in einem klimatisch für einen Mitteleuropäer ungünstigem Gebiet erworbenen gesundheitsschädigenden Einflüssen ausgesetzt. Im übrigen ist auch zu bedenken, dass ein derartiger (Heimat- )Urlaub dazu dient, die Dienstfähigkeit des Beamten zu erhalten und wiederherzustellen.
40Hat somit der Hauptantrag in vollem Umfang Erfolg, ist über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42Die Regelung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
43Die Berufung war wegen der Auslegung des § 13 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG auf Zeiten eines Heimaturlaubs wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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