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Der Bescheid des Beklagten vom 25. April 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Studentin an der C Universität X und wohnt wochentags an dem Studienort seit dem 1. September 2003 unter der Adresse I 4, 00000 X. Dort ist die Klägerin mit Nebenwohnung gemeldet. In ihrem Heimatort - E - ist die Klägerin mit Hauptwohnung gemeldet; dort steht ihr in dem Elternhaus ein einzelnes Zimmer zur Verfügung. Dieses Zimmer in dem elterlichen Haus hat weder Bad, Toilette noch Küche oder Kochnische. Es handelt sich dabei um das - ehemalige - Kinderzimmer der Klägerin.
3Unter Zugrundelegung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt X vom 30. Juni 2005 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 22. Dezember 2005 - in Kraft seit 1. Januar 2006 - und in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 20. Dezember 2006 - in Kraft seit 1. Januar 2007 - zog der Beklagte die Klägerin mit Zweitwohnungssteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 25. April 2007 zur Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum Januar bis Dezember 2006 und Januar bis Dezember 2007 in Höhe von jeweils 230,40 Euro heran.
4Die Klägerin legte dagegen Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung ein, das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe entschieden, dass eine Zweitwohnungssteuer für Studenten nicht zulässig sei, wenn sich der Hauptwohnsitz bei den Eltern befinde; dies sei bei ihr der Fall. Die Erhebung der Zweitwohnungssteuer bei Studenten verstoße gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit.
5Mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. Mai 2007 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte zur Begründung aus, maßgeblich für die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer sei, dass jemand einen Wohnsitz in der Gemeinde unterhalte, ohne Differenzierung nach dem Zweck des Innehabens der Wohnung. Es sei für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer unerheblich, ob der Hauptwohnsitz die gleichen Anforderungen erfülle wie der gemeldete Nebenwohnsitz. Da der Zweitwohnsitz den satzungsrechtlichen Voraussetzungen genüge, nämlich die Klägerin sowohl tatsächlich als auch rechtlich verfügungsbefugt sei, ergebe sich die Zweitwohnungssteuerpflichtigkeit. Die Zweitwohnungsbesteuerung knüpfe an einen bestimmten Konsum an und nicht an tatsächliche Einkommensverhältnisse; damit sei es unerheblich, mit welchen Mitteln die Zweitwohnung finanziert werde. Das OVG NRW erhebe keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Besteuerung von Studenten. Sofern gemäß der satzungsrechtlichen Begriffsbestimmung als Wohnung jeder umschlossene Raum gelte, der zum Wohnen und Schlafen genutzt werde, bestehe an der Wohnungseigenschaft des Zimmers auch in der Wohnung der Eltern kein Zweifel. Im Rahmen der Gleichbehandlung aller betroffenen Personen gebe es bei der Besteuerung von Nebenwohnsitzen keine Möglichkeit der Steuerbefreiung oder - ermäßigung.
6Die Klägerin hat am 25. Juni 2007 Klage erhoben. Zur Begründung stützt sie sich im Wesentlichen darauf, der Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten orientiere sich ausschließlich an dem Melderecht, wenn der Beklagte darauf hinweise, dass sich die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer danach richte, dass jemand einen Wohnsitz in der Gemeinde unterhalte. Von der Zweitwohnungssteuer würden dadurch nur die erfasst, die den Zweitwohnungssitz angemeldet hätten. Unberücksichtigt bliebe, dass alle diejenigen, die sich nicht angemeldet hätten, keine Zweitwohnungssteuer zahlten. Allein dies verstoße gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Es sei nicht unerheblich, ob der Hauptwohnsitz die gleichen Anforderungen erfülle wie der Nebenwohnsitz. Die Innehabung einer Erstwohnung sei begriffliche Voraussetzung für die Innehabung einer Zweitwohnung. Da sie - die Klägerin - ihren ersten Wohnsitz im Hause ihrer Eltern habe, leiste sie sich keinen Zweitwohnsitz. Die Begründung, dass die Zweitwohnungssteuer an einen bestimmten Konsum anknüpfe, gehe daher fehl. Sinn und Zweck der Zweitwohnungssteuer sei es, dass durch die Zweitwohnungssteuer nur der belastet werden solle, der sich zwei Wohnungen leisten könne. Die Innehabung der Erstwohnung im Hause der Eltern könne daher nicht steuerlich neutral eingestuft werden. Durch die Hauptwohnung in ihrem Elternhaus sei sie - die Klägerin - nicht Besitzerin einer Erstwohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung. Mit dem melderechtlichen Hauptwohnsitz in dem Elternhaus werde keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung der Zweitwohnungssteuersatzung auf den Personenkreis der Studierenden verstoße daher gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Schließlich sei der Beklagte verpflichtet, darzulegen, welche geeigneten Kontrollmaßnahmen ergriffen worden seien, um eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten.
7Die Klägerin beantragt,
8den Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 25. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 aufzuheben.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung führt der Beklagte aus, das für Nordrhein-Westfalen maßgebliche OVG NRW erhebe keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Besteuerung von Studenten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2005 darauf abgestellt, dass eine Zweitwohnungssteuer dann zulässig sei, wenn sie an das Innehaben einer Zweitwohnung anknüpfe, da dieses gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordere und in der Regel eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringe. Diese Ausführungen bezögen sich durchweg auf das Innehaben der Zweitwohnung und nicht der Hauptwohnung, von der nicht die Rede gewesen sei. Aus der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts könne nicht geschlussfolgert werden, dass das Innehaben einer Zweitwohnung ein Innehaben einer Hauptwohnung zwangsläufig beinhalte. Abgestellt werde allein auf den in dem Innehaben der Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachten zusätzlichen Konsum. Hinsichtlich der Hauptwohnung komme es nach der Rechtsprechung allein darauf an, ob dieser im Sinne der Satzung die Wohnungseigenschaft zukomme, die dort normiert sei. Der Satzungsgeber dürfe für die Besteuerung typisierend auf das bloße Innehaben einer Zweitwohnung als Aufwand abstellen; auf die Frage, welchem Zweck der Aufwand diene oder ob die Hauptwohnung im Elternhaus kostenlos sei, komme es nicht an. Schließlich enthalte die Zweitwohnungssteuersatzung zwecks gleichmäßigen Vollzugs ähnlich wie das Melderecht Anzeigepflichten der Vermieter.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Klage ist begründet.
15Der angefochtene Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten für das Jahr 2007 vom 25. April 2007 und sein Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2007 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16Die Heranziehung der Klägerin zur Zweitwohnungssteuer erweist sich als rechtswidrig, denn Studierende, die in der elterlichen Wohnung mit Hauptwohnung gemeldet sind und denen dort lediglich ihr ehemaliges Kinderzimmer zur Verfügung steht, schulden für die weitere Wohnung als Nebenwohnung am Studienort keine Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer.
17Die Veranlagung der Klägerin beruht hinsichtlich der Heranziehung für das Jahr 2006 auf der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt X vom 30. Juni 2005 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 22. Dezember 2005 und hinsichtlich der Veranlagung für das Jahr 2007 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 20. Dezember 2006 (im Folgenden ZwStS). Die ZwStS in der Fassung der 1. Änderungssatzung lautet - soweit maßgeblich - wie folgt:
18§ 1 Steuergegenstand
19Die Stadt X erhebt eine Zweitwohnungssteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet X.
20§ 2 Begriffsbestimmung
21(1) Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird und den Anforderungen des § 49 Landesbauordnung NRW genügt.
22(2) Zweitwohnung im Sinne des § 1 ist jede Wohnung, die a) dem Eigentümer/der Eigentümerin oder dem Hauptmieter/der Haupt- mieterin als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Meldegesetz NW) dient, b) der Eigentümer/die Eigentümerin oder der Hauptmieter/die Haupt- mieterin unmittelbar oder mittelbar Dritten entgeltlich oder unent- geltlich überlässt und die diesen als Nebenwohnung im vorgenann- ten Sinne dient oder c) jemand neben der Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs von Familien- angehörigen innehat. Dies gilt auch für steuerlich anerkannte Woh- nungen im eigengenutzten Wohnhaus. ..........
23(4) Eine Wohnung dient als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes NW, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird. Wird eine Wohnung von einer Person bewohnt, die nicht gemeldet ist, dient die Wohnung als Nebenwohnung, wenn sich die Person wegen dieser Wohnung mit Nebenwohnung zu melden hätte. ..........
24§ 3 Steuerpflicht
25(1) Steuerpflichtig ist, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen innehat. Inhaber/-in einer Zweitwohnung ist, dessen/deren meldepflichtige Verhältnisse die Beurteilung als Zweitwohnung bewir- ken oder wer Inhaber/-in einer Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 2 c) ist. .........."
26Durch die 2. Änderungssatzung vom 20. Dezember 2006 hat § 2 Abs. 1 ZwStS folgende Fassung erhalten:
27(1) Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird."
28Die von der Klägerin - dort mit Nebenwohnung gemeldet - gemietete Wohnung an dem Studienort X ist keine Wohnung, die sie im Sinne des § 2 Abs. 2 c) ZwStS neben der Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs innehat. Die Wohnung kann auch nicht als Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 2 a) oder b) ZwStS der Zweitwohnungssteuer unterworfen werden.
29Die Zweitwohnungssteuer ist eine zulässige örtliche Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2 a GG, die bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist und ihre landesrechtliche Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz NRW findet. Gegenstand der Zweitwohnungssteuer ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Durch die Anknüpfung der Zweitwohnungssteuersatzung im Wesentlichen an das Melderecht kommt es zu einer steuerlichen Veranlagung von Studenten, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Regelfall nicht bejaht werden kann. Die Anwendung der Zweitwohnungssteuersatzung auf Studierende, denen in der elterlichen Wohnung lediglich ein Kinderzimmer zur Verfügung steht und die dort mit Hauptwohnung, für die weitere Wohnung am Studienort mit Nebenwohnung gemeldet sind, verletzt den durch Art. 105 Abs. 2 a GG vorgegebenen Begriff des Aufwands.
30Der Begriff der Aufwandsteuer wird im Grundgesetz nicht bestimmt, sondern vorausgesetzt. Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient,
31vgl. zum Vorstehenden BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005, ZKF 2006, 91 ff..
32In dem grundlegenden Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, das wesentliche Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer liege in der Absicht des Gesetzgebers, die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu treffen. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung wird von dem Bundesverfassungsgericht in oben genannter Entscheidung als ein Zustand angesehen, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat Gesetzeskraft.
33Die Anknüpfung an das Melderecht in der Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt X begegnet zwar grundsätzlich keinen Bedenken. Die melderechtlichen Vorschriften können bei einer Verweisung in Steuersatzungen aber stets nur entsprechende Anwendung finden, weil sie auf spezifisch melderechtlichen Bedürfnissen und Zielsetzungen beruhen, und deshalb nicht mit bindender Wirkung ohne Beachtung von Art. 105 Abs. 2 a GG die Steuerpflicht festlegen. Die Zweitwohnungssteuer ist nämlich verfassungsrechtlich nur als Aufwandsteuer zulässig und bleibt an die von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen gebunden. Diese können nicht durch eine melderechtliche Fiktion ersetzt werden, sondern müssen im Einzelfall tatsächlich erfüllt sein. Insbesondere bei § 2 Abs. 2 a), b) ZwStS handelt es sich um eine melderechtliche Fiktion, die im Einzelfall durch den allein maßgeblichen Aufwand hinterlegt werden muss.
34Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 6. Dezember 1983 ferner entschieden, dass das Wesen der Aufwandsteuer es ausschließe, für die Steuerpflicht von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke, die dem Aufwand zugrunde liegen, abzustellen. Maßgeblich dürfe allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein. Die unterscheidende Berücksichtigung der Gründe für den Aufenthalt zum Zwecke der Abgrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen sei damit im Rahmen der Aufwandsteuer ein sachfremdes Kriterium und habe vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand.
35Maßgeblich für die Nichtigkeit der Satzung war in dem von dem Bundesverfassungsgericht beurteilten Rechtsstreit, dass die Differenzierung zwischen auswärtigen und einheimischen Zweitwohnungsinhabern gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstieß. Mit obigen Ausführungen hat das Bundesverfassungsgericht einen solchen Verstoß auch hinsichtlich des Ausschlusses der Steuerpflicht bei Zweitwohnungen bejaht, die aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken gehalten werden. Nicht ausgeschlossen wird aber dadurch die vorrangige konkrete Prüfung, ob die zusätzliche Wohnung einen besonderen Aufwand darstellt und die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert, insbesondere da dem von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Rechtsstreit eine Fallgestaltung zugrunde lag, in der dieser Umstand nicht streitig war; das Bundesverfassungsgericht hat zudem ausdrücklich die Möglichkeit von Befreiungstatbeständen betont.
36Dass das objektive Innehaben einer Zweitwohnung an sich nicht stets die Zweitwohnungssteuerpflicht auslöst, folgt zum einen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 - a.a.O. -. Danach stellt die Erhebung der Zweitwohnungssteuer auf die Innehabung von Erwerbszweitwohnungen durch Verheiratete eine gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßende Diskriminierung der Ehe dar. Die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, diskriminiert die Ehe und verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Zum anderen werden Wohnungen der Zweitwohnungssteuer nicht unterworfen, soweit diese sich als reine Kapitalanlage darstellen,
37vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 1995 - 1 BvR 1800/94, 1 BvR 2480/94 -.
38Das Bundesverfassungsgericht stellt in dem maßgeblichen Beschluss vom 6. Dezember 1983 deutlich heraus, dass es neben dem Innehaben der Zweitwohnung einer Hauptwohnung bedarf, wenn darauf abgestellt wird, dass das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ein Zustand sei, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordere und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu Ausdruck bringe.
39Ob danach Studierende, die in der elterlichen Wohnung mit Hauptwohnung gemeldet sind und denen dort lediglich ihr ehemaliges Kinderzimmer zur Verfügung steht, für die weitere Wohnung als Nebenwohnung am Studienort Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer schulden, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung kontrovers entschieden,
40Zweitwohnungssteuerpflicht verneinend: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 6 B 11579/06 -, OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Februar 2007, ZKF 2007, 211 ff., Zweitwohnungssteuerpflicht bejahend: OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2006 - 14 E 1045/05 -, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 14 B 802/06 -, BayVGH München, Beschluss vom 20. März 2007 - 4 CS 07.478 -, OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2006 - 4 M 319/06 -.
41Nach Auffassung der Kammer folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass auch die Hauptwohnung innegehabt werden muss, weil ansonsten sich das Innehaben einer weiteren Wohnung nicht als ein Zustand darstellt, der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt; es muss sich mit anderen Worten um das Innehaben von zwei Wohnungen handeln. Aufwandsteuern sind Steuern nämlich nur dann, wenn durch sie die in der Vermögens- oder Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden soll. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Steuer überhaupt an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpft. Begriffsmerkmal der Aufwandsteuern ist vielmehr, dass sie einen besonderen Aufwand, also eine über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Verwendung von Einkommen oder Vermögen erfassen,
42vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. August 1989, NVwZ 1989, 1152 f..
43Dieses Begriffsmerkmal der Besonderheit wird nicht erfüllt, wenn nur eine Wohnung innegehabt wird, denn das bloße Innehaben einer Erstwohnung ist allein kein besonderer Aufwand, der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Wohnen gehört nämlich zu den Grundbedürfnissen des Menschen; die schlichte Erfüllung dieses Lebensbedarfs ist kein Aufwand, der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert,
44vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 - 8 C 107/89 -.
45Wird bei der Besteuerung auf das Erfordernis des Innehabens der Hauptwohnung verzichtet und lediglich auf das rein faktische Bewohnen abgestellt, knüpft dies nach Auffassung der Kammer nicht mehr an einen Lebenssachverhalt an, der im Regelfall eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert. Das Nutzen der Nebenwohnung durch Studierende am Studienort ist zwangsläufige Folge des Studiums an einem anderen Ort als dem der Hauptwohnung. Studierende, die am Standort der Universität eine Nebenwohnung unterhalten, diese während des Semesters in Anspruch nehmen, im Übrigen aber vorwiegend Wohnraum in der elterlichen Wohnung als einen Teil der Unterhaltsleistungen seitens der Eltern nutzen und dort mit Hauptwohnung gemeldet sind, demonstrieren dadurch in der Regel keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die Zweitwohnungssteuersatzungen verfehlen bei der Personengruppe der Studierenden im Regelfall das Ziel, die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit feststellen und besteuern zu können,
46vgl. auch Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender, KStZ 2007, 5 f..
47Studierende, die am Standort der Universität eine Nebenwohnung innehaben, nutzen die Hauptwohnung im Elternhaus zwar, haben diese aber nicht als Erstwohnung inne. Wer eine Hauptwohnung zwar nutzt, diese aber als Erstwohnung nicht inne hat, bringt im Sinne der Zweitwohnungssteuer selbst dann keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck, wenn er eine Nebenwohnung inne hat.
48Das Innehaben einer Wohnung in diesem Sinn, nämlich für den persönlichen Lebensbedarf, setzt voraus, dass der Wohnungsinhaber nicht nur die tatsächliche Verfügungsgewalt hat, sondern ihm darüber hinaus auch ein Verfügungsrecht zusteht. Denn allein die tatsächliche Verfügungsgewalt ermöglicht dem Wohnungsinhaber nicht, über die Wohnung zweckbestimmt - für den persönlichen Lebensbedarf - verfügen zu können; vielmehr bedarf er dazu auch einer rechtlichen Verfügungsbefugnis. Voraussetzung für das Innehaben der Hauptwohnung ist mithin, dass der Hauptwohnungsinhaber im Erhebungszeitraum die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Hauptwohnung hat und ihm ein Verfügungsrecht zusteht,
49vgl. in diesem Sinne OVG NRW, Urteil vom 23. April 1993 - 22 A 3850/92 -.
50Bei Studierenden, die in der elterlichen Wohnung lediglich ihr ehemaliges Kinderzimmer benutzen, fehlt es an den Voraussetzungen, dass sie die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Wohnung haben und ihnen ein Verfügungsrecht zusteht. Wer ein Zimmer in der elterlichen Wohnung benutzen darf, ist nicht dessen Inhaber, sondern Besitzdiener gemäß § 855 BGB: Er übt die tatsächliche Gewalt über eine Sache - das Zimmer - für einen Anderen - seine Eltern - in dessen Haushalt aus, er hat den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten. Das gilt nicht nur für Minderjährige, sondern auch für erwachsene Kinder, die noch in der elterlichen Wohnung wohnen. Sie stehen in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis zu den Eltern; den Kindern wird die Unterkunft als Sachleistung gewährt. Sie haben keine tatsächliche Sachherrschaft, da sie von den Weisungen ihrer Eltern abhängig sind. Ferner fehlt den Kindern die rechtliche Verfügungsbefugnis,
51allgemeine Meinung vgl. nur VG Köln, Urteil vom 14. Februar 2007 - 21 K 2275/06 -, VG Dresden, Urteil vom 10. Juli 2007 - 2 K 373/07 -, VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Dezember 2002 - 16 K 3699/01 - jeweils mit weiteren Nachweisen.
52Der Begründung der Nebenwohnung am Studienort liegt mithin kein besteuerbarer zusätzlicher Aufwand zugrunde, weil es an der Innehabung der Hauptwohnung fehlt. Bei anderer Auffassung trifft die Zweitwohnungssteuer entgegen ihrem Charakter als Aufwandsteuer typischerweise nicht leistungsfähige Personen. Die Kammer teilt die Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz in dem Beschluss vom 29. Januar 2007, dass die zweitwohnungssteuerrechtliche Veranlagung der Personengruppe der Studierenden, die am elterlichen Wohnsitz mit Hauptwohnsitz gemeldet sind und am Studienort eine Nebenwohnung gemietet haben, sich weit von den sozialen Gegebenheiten und dem Rechtfertigungszweck der Zweitwohnungssteuer entfernt hat. Es ist offenkundig, dass bei der Mehrzahl der Studenten das Nutzen der Wohnung am Standort der Universität nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, was die Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer rechtfertigt. Der von einem Studenten am Universitätsort getätigte Aufwand zum Unterhalt einer Nebenwohnung am Studienort ist nicht typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich eine durch die örtlichen Gegebenheiten bedingte und unabwendbare Notwendigkeit, um ein Studium außerhalb des Hauptwohnsitzes am Ort der Universität durchführen zu können. Von einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann im Regelfall keine Rede sein. Diese besteht auch nicht, da die Hauptwohnung nicht innegehabt und damit keine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Die Anwendung der Zweitwohnungssteuersatzung in vorstehenden Fallkonstellationen verletzt mithin den durch Art. 105 Abs. 2 a GG vorgegebenen Begriff des Aufwands.
53Allerdings darf ein Satzungsgeber seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch zu dem Zweck ausüben, Lenkungswirkungen zu erzielen, wobei in den der Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt X zugrunde liegenden Aufstellungsvorgängen die mit der Umwandlung der Neben- in Hauptwohnsitze verbundene Steigerung der Schlüsselzuweisungen angesprochen wird. Eine steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, setzt keine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz voraus. Das Grundgesetz trennt die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenz als jeweils eigenständige Regelungsbereiche und verweist auch die Lenkungssteuer wegen ihres verbleibenden Finanzierungszwecks und der ausschließlichen Verbindlichkeit ihrer Steuerrechtsfolgen in die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers. Der Steuergesetzgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungssteuern zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein. Eine Lenkung in dem vorbeschriebenen Sinn ist aber nur im Rahmen einer zulässigerweise erhobenen Aufwandsteuer möglich, daran fehlt es nach Vorstehendem. Darüber hinaus kommt ein melderechtliches Vorgehen gegen solche Studenten in Betracht, die in Wirklichkeit die Hauptwohnung am Studienort haben.
54Vorstehende Rechtsauffassung, den durch Art. 105 Abs. 2 a GG vorgegebenen Begriff des Aufwands als verletzt anzusehen, erscheint der Kammer auch deshalb als geboten, weil ein Billigkeitserlass mit Blick auf die bei einem Studenten regelmäßig geringe Einkommenslage ausgeschlossen ist, da der Billigkeitserlass dem Steuerrechtsbegriff entgegen eine gewichtige Personengruppe generell aus der Steuerpflicht herausnehmen würde. Sachliche Billigkeitsgründe weisen in den Regelungen des § 163 AO betreffend Billigkeitsmaßnahmen im Festsetzungsverfahren und des § 227 AO betreffend Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren dieselben Voraussetzungen auf. Sachliche Billigkeitsgründe sind dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte, oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht. Da die genannten Regelungen der Abgabenordnung keine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift ersetzen können, ist ein Erlass nur in solchen Fällen zulässig und geboten, die bei Fassung des Gesetzes nicht vorausgesehen wurden und deren Härten nicht in Kauf genommen worden wären. Würden Studenten unter die Zweitwohnungssteuersatzung gefasst, entspräche dies gerade dem Willen des Satzungsgebers. Für die Mehrzahl der Studenten sachliche Billigkeitsgründe zu konstruieren, würde die Umkehrung des satzungsgeberischen Willens zur Folge haben, sodass ein Billigkeitserlass ausgeschlossen ist,
55vgl. zum Vorstehenden OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2006 - 14 E 1045/05 -.
56Wegen Verletzung von Art. 105 Abs. 2 a GG war der Klage mithin stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
57Die Sprungrevision wird gemäß §§ 134, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil zu der Frage, ob Studierende, die in der elterlichen Wohnung mit Hauptwohnung gemeldet sind und denen dort lediglich ihr ehemaliges Kinderzimmer zur Verfügung steht, für die weitere Wohnung als Nebenwohnung am Studienort Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer schulden, divergierende obergerichtliche Entscheidungen vorliegen. In der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2007 hat die Klägerin bereits zum Ausdruck gebracht, der Einlegung der Sprungrevision seitens des Beklagten zuzustimmen.
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