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1. Bei der Leistungsprämie handelt es sich um Dienstbezüge im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 1 BPersVG.
2. Jendefalls ergibt sich der Anspruch des freigestellten Personalratsmitglieds auf Berücksichtigung bei der Vergabe von Leistungsprämien aus dem in § 8 BPersVG bzw. § 46 Absatz 3 Satz 6 BPersVG geregelten Benachteiligungsverbot.
3. Zur Verwirklichung des Grundsatzes der Vermeidung von Benachteiligungen muss der Dienstherr im Wege der sog. Nachzeichnung der Frage nachgehen, ob dem Personalratsmitglied ohne die Freistellung eine Leistungsprämie gewährt worden wäre.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juni 2013 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2013 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Leistungsprämie für das Jahr 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger steht als Verwaltungsamtmann im Dienst der Beklagten und ist bei der Agentur für Arbeit E. tätig. Vom 1. Juni 2008 bis zum 30. Juni 2012 war der Kläger als stellvertretender Personalratsvorsitzender in vollem Umfang von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt.
3Mit Schreiben vom 26. Mai 2013 beantragte der Kläger ermessensfehlerfrei über die Gewährung einer Leistungsprämie zu entscheiden. Zur Begründung führte er unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 30. Januar 2013 ‑ 6 P 5.12 ‑ aus dass die Nichtberücksichtigung vollständig freigestellter Gremienmitglieder bei der Zuerkennung einer Leistungsprämie rechtswidrig sei, da dies zu einer beruflichen Benachteiligung führe. Vor seiner Freistellung als Personalratsmitglied im Juli 2008 sei er wegen überdurchschnittlicher Leistungen bei der letzten Beurteilung im Jahr 2006 mit der Note „B“ beurteilt und ihm anschließend eine Leistungsprämie zuerkannt worden.
4Diesen Antrag lehnte die Agentur für Arbeit E. mit Bescheid vom 6. Juni 2013 ab. Vollständig freigestellte Besoldungsempfänger/-innen könnten bei der Auswahl der Leistungsträger/innen ausweislich der E-Mail POE vom 8. August 2011 nicht berücksichtigt werden.
5Der Kläger legte dagegen unter dem 1. Juli 2013 Widerspruch ein und ergänzte seinen bisherigen Vortrag dahingehend, dass die Entscheidung des BVerwG vom 30. Januar 2013 in der E-Mail POE vom 8. August 2011 noch nicht berücksichtigt worden sei.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2013, dem Kläger zugestellt am 22. Oktober 2013, wies die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus:
7Die Voraussetzung für den Erhalt von Leistungsprämien für Beamtinnen und Beamte seien der E-Mail Info-POE vom 9. August 2011 zu entnehmen. Diese Weisung sei verbindlich und verstoße nicht gegen beamtenrechtliche Regelungen. § 42a Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) setze voraus, dass tatsächlich Dienst im Sinne des Beamtenrechts geleistet und eine vom Dienstherrn bewertbare Arbeitsleistung erbracht werde. Hieran fehle es, da die Tätigkeit vollständig vom Dienst freigestellter Besoldungsempfänger/-innen jeder Bewertung durch den Dienstherrn entzogen sei. Dies sichere die innere und äußere Unabhängigkeit der Personalvertretung. Es könne auch nicht auf von Vergleichspersonen erbrachte besondere Spitzenleistungen abgestellt werden; freigestellte Personalratsmitglieder könnten nicht verlangen, von herausragenden individuellen Leistungen einzelner Kolleginnen und Kollegen zu profitieren.
8Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen das so genannte Lohnausfallprinzip gemäß § 46 Absatz 2 Satz 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) vor. Danach würden den freigestellten Personalratsmitgliedern zwar ihre gegenüber dem Arbeitgeber zustehenden Lohnansprüche erhalten bleiben. Bei den leistungsbezogenen Bezahlungselementen handele es sich indes nicht um regelmäßig und wiederkehrend gewährte feste Besoldungsbestandteile, sondern um punktuell und individuell gewährte Bezahlelemente, die zwecks Honorierung aktuell erbrachter besonderer Leistungen einmal jährlich an einen eng begrenzten Empfängerkreis vergeben werden könnten. Freigestellte Personalratsmitglieder könnten bei der Vergabe von Leistungsprämien auch nicht im Rahmen einer fiktiven Nachzeichnung berücksichtigt werden.
9Hinzu komme, dass der Gesetzgeber die Wahrnehmung der Personalratstätigkeit ausdrücklich als Ehrenamt ausgestaltet habe. Zum Wesen des Ehrenamts gehöre die Unentgeltlichkeit. Zum ehrenamtlichen Charakter der Personalratstätigkeit gehöre, dass der Inhaber des freiwillig übernommenen Ehrenamtes bereit sein müsse, notfalls für die Amtsausübung Freizeit zu opfern und sonstige Opfer ohne greifbare Gegenleistung zu erbringen.
10Der Kläger hat am 20. November 2013 Klage erhoben.
11Zur Begründung vertieft der Kläger seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wie folgt: Er habe auf der Grundlage von § 46 Absatz 2 Satz 1 BPersVG einen Anspruch darauf, bei der Vergabe von Leistungsprämien berücksichtigt zu werden. Denn bei der Leistungsprämie handele es sich um Dienstbezüge in diesem Sinne. Jedenfalls ergebe sich sein Anspruch auf Berücksichtigung bei der Vergabe von Leistungsprämien unmittelbar aus dem in § 8 BPersVG allgemein geregelten Benachteiligungsverbot. Danach sei der Kläger im Hinblick auf die Vergabe von leistungsbezogenen Besoldungsinstrumenten wie der Leistungsprämien genauso zu behandeln wie vergleichbare Beamte, die nicht freigestellt seien. Ob er einen Anspruch auf eine Leistungsprämie habe, hänge nicht davon ab, ob er im Sinne des § 42a BPersVG eine herausragende Leistung gezeigt habe. Seine Tätigkeit als Mitglied des Personalrates dürfe wegen des Benachteiligungsverbots nicht berücksichtigt werden. Vielmehr müsse die Beklagte der Frage nachgehen, ob ihm ohne die Freistellung eine Leistungsprämie gewährt worden wäre. Da er in seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom 6. September 2006 mit der zweithöchsten Beurteilungsstufe „B“ bewertet worden sei, erscheine es plausibel, dass er ohne die Freistellung weiterhin überdurchschnittliche Leistungen erbracht hätte und so im Leistungsstand besser bewertet worden wäre als die zum Vergleich heranzuziehenden Beamten.
12Der Kläger beantragt sinngemäß,
13die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2013 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung einer Leistungsprämie für das Jahr 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2013.
17Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 20. November und 11. Dezember 2014 (Bl. 42 und 43 der Gerichtsakte) übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Das Gericht konnte gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
21Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2013 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Absatz 5 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Gewährung einer Leistungsprämie für das Jahr 2011 unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem in § 46 Absatz 1 Satz 2 BPersVG geregelten Lohnausfallprinzip (vgl. unter I.); er folgt auch aus dem Benachteiligungsverbot in § 8 bzw. § 46 Absatz 3 Satz 6 BPersVG (vgl. unter II.).
22I. Gemäß § 46 Absatz 2 Satz 1 BPersVG hat die Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrates erforderlich ist, keine Minderung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgeltes zur Folge. Diese Norm regelt, inwieweit Personalratsmitglieder ihre Bezüge während der Befreiung von der Pflicht zur Arbeit fortgezahlt erhalten. Für den Umfang der Pflicht zur Fortzahlung des Entgelts sind unterschiedliche Rechts- und Tatsachenfragen zu klären. Rechtlich kommt es allein darauf an, was der Beamte verdient hätte, wenn er nicht freigestellt gewesen wäre; in tatsächlicher Hinsicht bedarf es der Feststellungen über die – hypothetische – Sachlage, die ohne die Freistellung des Beamten bestanden hätte,
23vgl. zu der Parallelvorschrift in Artikel 46 Absatz 2 Satz 1 BayPVG: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Mai 2005 – 17 P 04.467 –, juris, Rn. 45 m.w.N.
24Danach sind Zulagen und Prämien auch während der Freistellung des Personalratsmitglieds weiterzuzahlen, wenn es sich hierbei um Dienstbezüge im Sinne des § 46 Absatz 2 Satz 1 BPersVG handelt. Das ist im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Leistungsprämie der Fall. Denn nach § 1 Absatz 2 Nr. 4 und 5 BBesG gehören zu den Dienstbezügen u.a. Zulagen und Vergütungen. Zu den Zulagen und Vergütungen wiederum gehört die Leistungsprämie. Das ergibt sich daraus, dass § 42a BBesG, in dem die Leistungsprämien (wie auch die Leistungszulagen) geregelt sind, Teil des 4. Abschnitts des BBesG ist, der mit „Zulagen, Prämien, Zuschläge, Vergütungen“ überschrieben ist. Nach § 42a Absatz 1 BBesG wird die Bundesregierung ermächtigt, zur Abgeltung von herausragenden besonderen Leistungen durch Rechtsverordnung „die Gewährung von Leistungsprämien (Einmalzahlungen) und Leistungszulagen“ nach näherer Maßgabe zu regeln (vgl. §§ 4 f. Bundesleistungsbesoldungsverordnung – BLBV).
25Verwaltungsgericht Düsseldorf , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 22 m.w.N.; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 26. Juli 2006 – AN 11 K 06.02237 –, juris, Rn. 18.
26Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Leistungsprämie um einen leistungsbezogenen Besoldungsbestandteil handelt. Denn § 46 Absatz 2 Satz 1 BPersVG differenziert nicht zwischen verschiedenen Arten von Dienstbezügen und enthält insoweit keine ausdrücklichen Ausnahmen oder Einschränkungen.
27Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 10
28Da die Freistellung des Personalratsmitglieds von seiner dienstlichen Tätigkeit und die sich daraus ergebende Versäumnis von Arbeitszeit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrates erforderlich sind, hat das Personalratsmitglied somit auch während der Zeit der Freistellung – wie vergleichbare nicht freigestellte Beamten – grundsätzlich Anspruch darauf, bei der Vergabe von Leistungsprämien berücksichtigt zu werden. Das ist auch nicht im Hinblick darauf anders, dass wegen der Leistungsanforderungen nur ein vergleichsweise geringer Teil der jeweiligen Belegschaft in den Genuss der Zuwendungen kommt, wenn anzunehmen ist, dass das freigestellte Personalratsmitglied zu diesem Kreis gehören würde, wenn es nicht freigestellt wäre und seiner angestammten Tätigkeit nachgehen würde.
29Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24. November 2008 – 14 ZB 06.2447 –, juris, Rn. 4; Verwaltungsgericht Düsseldorf , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 22 und 24.
30II. Selbst wenn – anders als hier angenommen – der Begriff der Dienstbezüge in § 46 Absatz 2 Satz 1 BPersVG enger zu verstehen wäre in dem Sinne, dass die Leistungsprämien nicht darunter fielen,
31so ohne Erwähnung des Regelungszusammenhangs der §§ 1 Absatz 2 Nr. 4 und 5, 42a Absatz 1 BBesG: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Mai 2012 – 7 Bf 161/11.PVB –, juris, Rn. 26; offen gelassen vom OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 11,
32würde das zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Anspruch des freigestellten Personalratsmitglieds auf Berücksichtigung bei der Vergabe von Leistungsprämien erfolgt auch aus dem in § 8 BPersVG bzw. § 46 Absatz 3 Satz 6 BPersVG geregelten Benachteiligungsverbot.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2013 – 6 P 5.12 –, BVerwGE 145, 368-377 = juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 16 ff.; Verwaltungsgericht E. , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 26 ff. m.w.N.
34Nach § 8 BPersVG dürfen Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem BPersVG wahrnehmen, darin nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für die berufliche Entwicklung. Das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot untersagt jede nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der geschützten Personen gegenüber anderen vergleichbaren Beschäftigten. Benachteiligung ist jede Zurücksetzung oder Schlechterstellung, Begünstigung jede Besserstellung oder Vorteilsgewährung. Die Benachteiligung oder Begünstigung ist verboten, wenn sie im ursächlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben und Befugnisse steht und nicht aus sachlichen Gründen erfolgt. Dabei genügt das objektive Vorliegen einer Begünstigung oder Benachteiligung des Funktionsträgers wegen seiner Amtstätigkeit.
35Verwaltungsgericht Düsseldorf. , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 29 m.w.N.
36Die Schutznorm in § 8 BPersVG soll gewährleisten, dass die Personalratsmitglieder ihr Amt unbeeinflusst von der Furcht vor Benachteiligungen und unbeeinflusst von der Aussicht auf Begünstigungen wahrnehmen. Darüber hinaus wird vermieden, dass qualifizierte Bedienstete von einer Mitarbeit in den personalvertretungsrechtlichen Organen Abstand nehmen, weil sie Sorge haben, aus Anlass der ehrenamtlichen Tätigkeit ihre beruflichen Perspektiven zurückstellen zu müssen.
37Verwaltungsgericht Düsseldorf , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 31 m.w.N.
38§ 46 Absatz 3 Satz 6 BPersVG regelt, dass die Freistellung nicht zur Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen darf. Die berufliche Entwicklung im Sinne des § 46 Absatz 3 Satz 6 BPersVG umfasst alle Möglichkeiten beruflichen Fortkommens, die vergleichbaren Beamten offenstehen. Damit zählen nicht nur die Möglichkeit einer Beförderung, sondern auch die Vorstufen hierzu, wie Fortbildung und Weiterqualifizierung, soweit sie regelmäßig Beamten angeboten werden, die sich in einer dem freigestellten Personalratsmitglied vor seiner Freistellung vergleichbaren Situation hinsichtlich des Statusamtes und Dienstposten befanden. Wird solchen Beamten die Möglichkeit geboten, durch herausragende besondere oder dauernde Leistungen Leistungsbezahlung zu erlangen, handelt es sich ebenfalls um Gelegenheiten beruflichen Fortkommens. Denn mit der Leistungsbezahlung wird nicht nur die erbrachte herausragende dauerhafte oder besondere Leistung für die spätere Leistungsbeurteilung dokumentiert, vielmehr erwirbt der Beamte damit eine nicht nur geringfügige finanzielle Zuwendung und so eine, wenn auch nur temporäre, Verbesserung seiner Dienstbezüge. Dies ist insbesondere für leistungsfähige und -willige Bedienstete ein Ansporn zu herausragenden Anstrengungen bei der dienstlichen Tätigkeit und gleichzeitig eine Möglichkeit, außerhalb der Beförderung das berufliche Fortkommen in finanzieller Hinsicht voranzutreiben. Die Nichtberücksichtigung dieser Möglichkeiten für freigestellte Personalratsmitglieder hätte zur Folge, dass gerade besonders qualifizierte und leistungsbereite Bedienstete, für die Leistungsbezahlung zumindest bei entsprechenden dienstlichen Anforderungen unschwer erreichbar ist, von einer solchen Personalratstätigkeit Abstand nehmen würden, um keine finanziellen Nachteile wegen der Freistellung zu erleiden. Diese Konsequenz zu vermeiden ist Sinn und Zweck des Benachteiligungs- bzw. Beeinträchtigungsverbotes der §§ 8, 46 Absatz 3 Satz 6 BPersVG, die bezogen auf den beruflichen Werdegang die konstituierende Regelungen für die Arbeit der Personalvertretungen darstellen.
39Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Mai 2012 – 7 Bf 161/11.PVB –, juris, Rn. 28 m.w.N.
40Demnach ist das freigestellte Personalratsmitglied im Hinblick auf die Vergabe von leistungsbezogenen Besoldungsinstrumenten wie der Leistungsprämie genauso zu behandeln wie vergleichbare Beamte, die nicht freigestellt sind. Eine andere Handhabung würde eine Benachteiligung bedeuten, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner personalvertretungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse stehen und auch nicht aus sachlichen Gründen erfolgen würde. Denn die Gruppe der freigestellten Personalratsmitglieder wäre im Verhältnis zu ihren nicht freigestellten Kollegen wegen ihrer Tätigkeit für den Personalrat in Richtung auf die mögliche Teilhabe an einem bestimmten Besoldungsinstrument von vornherein benachteiligt. Sie wäre nämlich ihrer im Einzelfall realen Chance, wie vergleichbar leistungsstarke nicht freigestellte Kollegen für eine herausragende Einzelleistung zusätzlich zu ihrer sonstigen ("normalen") Besoldung eine Leistungsprämie zu erhalten, generell beraubt, ohne dass es auf das Leistungsvermögen der betroffenen einzelnen Person ankäme. In einem solchen generellen Ausschluss von einem bestimmten Besoldungsinstrument ist ein beachtlicher Nachteil zu sehen.
41OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 19; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Mai 2012 – 7 Bf 161/11.PVB –, juris, Rn. 30 f.; Verwaltungsgericht Düsseldorf , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 33 m.w.N.
42Die damit kausal auf der Personalratstätigkeit, nämlich der hierfür erforderlichen Freistellung beruhende Verweigerung der Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungsbezahlung, ist auch ohne sachliche Rechtfertigung.
43Zwar trifft es zu, dass sich die herausragenden besonderen oder dauerhaften Leistungen, die Voraussetzung für die Gewährung von Leistungsbezahlung sind, nach Sinn und Zweck der Bundesleistungsbesoldungsverordnung auf solche beziehen müssen, die im Rahmen von dienstlichen Tätigkeiten erfolgen. Ebenso zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass Tätigkeiten als Mitglied der Personalvertretung und darauf beruhende herausragende besondere Leistungen, von ihr wegen des Behinderungsverbotes nicht bewertet werden dürfen und darüber hinaus – wegen notwendiger Interessendifferenzen zwischen Personalrat und Dienststelle – auch nicht sachgerecht bewertet werden können. Indes verkennt die Beklagte insoweit, dass es für die Beantwortung der Frage, ob das von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellte Personalratsmitglied im Einzelfall Anspruch auf eine Leistungsprämie hat, nicht darauf ankommt, ob es im Sinne von §§ 42a Absatz 1 BBesG, 4 Absatz 1 BLBV eine herausragende Leistung gezeigt hat. Vielmehr muss der Dienstherr zur Verwirklichung des Grundsatzes der Vermeidung von Benachteiligungen (§ 46 Absatz 2 Satz 1 bzw. § 8 BPersVG) im Wege der sog. Nachzeichnung der Frage nachgehen, ob dem Personalratsmitglied ohne die Freistellung eine Leistungsprämie gewährt worden wäre.
44Vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Mai 2012 – 7 Bf 161/11.PVB –, juris, Rn. 31; Verwaltungsgericht Düsseldorf , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 40.
45Obschon diese sog. fiktive Nachzeichnung, was Einzelleistungen der hier in Rede stehenden Art betrifft, in der Praxis schwierig zu bewerkstelligen sein mag, ist weder von der Beklagten hinreichend substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass für die hier im Streit stehende Fallgruppe eine Nachzeichnung von vornherein unmöglich wäre. Denn die in Rede stehende Leistungsprämie ist nicht etwa ein Art "Geschenk" des Dienstherrn, dessen Verteilung in dem zur Verfügung stehenden Gesamtumfang ohne Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz gewissermaßen nach "Gutsherrnart" bzw. wahllos nach dem "Gießkannenprinzip" erfolgen könnte, also keinen nachzuvollziehenden (Grund-)Regeln unterläge. Wohl nur dann gäbe es wirklich keine objektive Grundlage für eine fiktive Nachzeichnung. Die Leistungsprämie hat aber nicht nur eine allgemeine Anreizfunktion, sondern will gerade auch herausgehobene Einzelleistungen bestimmter Beamter besonders honorieren. Das ist ein Vorgang, der üblicherweise zu den Personalakten genommen wird und insofern die berufliche Entwicklung in einem gewissen Grad mit kennzeichnet. Um derartige herausragende Leistungen zu erbringen, bedarf es auf Seiten des Beamten (in aller Regel) einer entsprechend ausgeprägten fachlichen oder persönlichen Befähigung bei zugleich vorhandener Leistungsmotivation.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
47Es erscheint daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass hiervon ausgehend eine geeignete Vergleichsgruppe gebildet werden kann, die aus solchen nicht freigestellten Beamten besteht, welche sich nach ihrem Leistungs- und Befähigungsbild einschließlich eines etwa bereits sichtbar gewordenen Entwicklungspotenzials mit dem freigestellten Personalratsmitglied im Zeitpunkt des Beginns von dessen Freistellung in einer wesentlich vergleichbaren Situation befunden haben. Welche Beamte hierunter zu fassen sind, lässt sich dabei insbesondere anhand von Aussagen zum Leistungsstand und -potenzial in dienstlichen Beurteilungen aus der betreffenden Zeit feststellen. Bei einer Orientierung an solchen im beruflichen Werdegang sowie Leistungsstand "vergleichbaren Kollegen", die nicht notwendig derselben Besoldungsgruppe angehören müssen, wäre es gerade ausgeschlossen, dass der freigestellte Beamte – unzulässig begünstigend – von den Leistungen einzelner weniger Spitzenbeamter profitieren würde, wie die Beklagte meint. Es wäre vielmehr im Einzelnen festzustellen und zu bewerten, wie sich die jeweilige Vergleichsgruppe, was den Erhalt von Leistungsprämien betrifft, tatsächlich weiter entwickelt hat, ob etwa wirklich nur die in den Beurteilungen mit Abstand Leistungsstärksten ("Spitzenkräfte") in den Genuss der Leistungsprämien gekommen sind. Insoweit wird fingiert, dass das freigestellte Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung genommen hätte, die der durchschnittlichen Entwicklung der Mitglieder der Vergleichsgruppe entspricht.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 11.14 –, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 24; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Mai 2012 – 7 Bf 161/11.PVB –, juris, Rn. 31; Verwaltungsgericht E. , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 43 m.w.N.
49Wie der Dienstherr bei der Beantwortung der Frage, ob dem Personalratsmitglied ohne die Freistellung eine Leistungsprämie gewährt worden wäre, im Einzelnen vorgeht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei darf er in typisierender Weise vorgehen und den Verwaltungsaufwand zur Ermittlung eines fiktiven Geschehensablaufes in praktikablen Grenzen halten sowie die Erörterung von Personalangelegenheiten anderer Beamte auf das unvermeidliche Maß beschränken.
50Verwaltungsgericht E. , Urteil vom 16. November 2012 – 13 K 4793/11 –, juris, Rn. 41; bestätigt vom OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 1 A 2885/12 –, juris, Rn. 24.
51Dieses zu Grunde gelegt, hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn bei der Vergabe der Leistungsprämie für das Jahr 2011 in der dargelegten Weise berücksichtigt und insbesondere das ihr dabei eingeräumte Ermessen ausübt. Dem ist die Beklagte jedoch bislang nicht nachgekommen, weil sie den Kläger von vorneherein aus dem bei der Vergabe von Leistungsprämien in Frage kommenden Personenkreis ausgeschlossen hat und somit, was den Kläger angeht, ihr Ermessen (noch) nicht ausgeübt hat.
52Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
53Beschluss:
54Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
55Gründe:
56Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Absatz 2 GKG erfolgt.