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1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller unverzüglich auf ihre Kosten in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Satz 1 des Beschlusses zu 2. wird den Beteiligten vorab telefonisch bekanntgegeben.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe:
2Die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 117 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Antragsteller hat keine Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben; eine Aufforderung durch das Gericht war aus Zeitgründen nicht angezeigt.
3Der Antrag,
4die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller auf Kosten der Antragsgegnerin unverzüglich nach Deutschland zurückzuholen,
5hat Erfolg.
6Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 ZPO.
7Ein Anordnungsgrund besteht, da dem Antragsteller in Tunesien – ohne verbindliche Zusicherung im Einzelfall – die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht und damit ein längerer Aufenthalt diese Gefahr noch erhöht bzw. deren Realisierung nicht unterbindet. Insoweit wird inhaltlich auf die ausführlich begründeten Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 12. Juli 2018 – 7a L 1200/18.A – (dort Seiten 7 ff., 21) verwiesen, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage 7a K 3425/18.A gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Juni 2018 wiederhergestellt wurde. Hieran ist die beschließende Kammer ebenso wie die Antragsgegnerin im Übrigen kraft § 42 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) gebunden.
8Darüber hinaus hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch für sein Begehren glaubhaft gemacht.
9Im Wege einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht, soweit eine Abschiebung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag schon vollzogen ist, anordnen, dass ein Ausländer gleichwohl in das Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückgeholt wird. Sinn der Regelung ist es, zur Erlangung eines im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes die tatsächliche Situation schon im Rahmen des Eilverfahrens mit der Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen. Dabei hat § 123 Abs. 1 VwGO jedoch nur verfahrensrechtliche Bedeutung; die Vorschrift ermöglicht also, ähnlich des hier nicht anwendbaren § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, die Beseitigung etwa schon eingetretener Vollzugsfolgen zu verlangen und durchzusetzen. Die materielle Grundlage für einen solchen Anspruch bildet indessen der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch, der verfassungsrechtlich verankert ist, in Verbindung mit dem materiellen Recht.
10Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2007 – 18 B 2533/06 –, juris Rn. 39 und Rn. 12, jeweils m. w. N.; siehe auch Armbruster, in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.7 (Stand: 18. November 2016), Rn. 1 f. und 4.
11Ein derartiger Anspruch setzt voraus, dass durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde, der noch andauert; er ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Beseitigung der Folgen des rechtswidrigen Verwaltungshandelns gerichtet und besteht nur dann, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes tatsächlich noch möglich und rechtlich zulässig ist, ferner nur dann, wenn der fragliche Zustand nicht z. B. durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt legalisiert ist.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1995 – 20 A 1518/93 –, juris Rn. 19, sowie Beschluss vom 9. März 2007 – 18 B 2533/06 –, juris Rn. 14 m. w. N.; siehe auch Armbruster, in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.7 (Stand: 18. November 2016), Rn. 7 f.
13Die vorgenannten Voraussetzungen eines Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs sind vorliegend gegeben.
14Durch die am 13. Juli 2018 frühmorgens – nach hier vorliegenden Angaben (zum Teil aus der Presseberichterstattung) zwischen 6:53 Uhr (Abflug am Düsseldorfer Flughafen) und ca. 9:00 Uhr (Ankunft in Tunis) – durchgeführte Abschiebung wurde, gemessen am Zeitpunkt des Abschlusses dieser Maßnahme, im Wege einer hoheitlichen Maßnahme jedenfalls in das grundrechtlich geschützte Recht des Antragstellers auf Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung gegeben gewesen wäre. Hierdurch wurde ein rechtswidriger Zustand, namentlich der aktuelle Aufenthalt des Antragstellers und seine voraussichtliche Übergabe an die tunesischen Behörden, geschaffen, der mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aktuell noch andauert.
15Die Rechtswidrigkeit der vorgenannten Abschiebemaßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass die Landung des Antragstellers nach den Angaben der Antragsgegnerin (vgl. Schriftsatz vom 13. Juli 2018 im Verfahren 8 L 1304/18) erst gegen ca. 9:00 Uhr im Zielstaat erfolgte, wobei die Zeit für das Verlassen des Transitbereichs noch hinzuzurechnen ist.
16Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung,
17vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 18 B 1157/16 –, juris Rn. 23,
18ist eine Abschiebung auf dem Luftwege erst dann abschließend vollzogen, wenn der Ausländer die Transitzone des Zielflughafens verlassen hat und sich wieder im Hoheitsgebiet des Abschiebezielstaats befindet. Insoweit ist es unerheblich, ob es sich um eine begleitete oder unbegleitete Abschiebung handelt, dieser Umstand könnte lediglich im Einzelfall Bedeutung haben für die Frage, ob ein Abbruch der Abschiebung und ein (unmittelbarer) Rücktransport nach Deutschland tatsächlich möglich ist.
19Im Zeitpunkt der Landung und des zwangsläufig späteren Verlassens des Transitbereichs (d. h. jedenfalls nicht vor 9:00 Uhr) war der bereits zitierte Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2018 – 7a L 1200/18.A –, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage 7a K 3425/18.A gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes vom 20. Juni 2018 wiederhergestellt wurde, bereits bekanntgegeben worden und damit rechtlich existent. Dieser wurde ausweislich der jeweiligen Faxsendeberichte dem Bundesamt um 8:10 Uhr und zudem der die Abschiebung ausführenden Antragsgegnerin als örtlich zuständiger Ausländerbehörde um 8:15 Uhr mittels Telefax zugestellt; der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wurde eine beglaubigte Abschrift bereits um 8:09 Uhr mittels Telefax übermittelt. Anhaltspunkte, dass ein Zugang im Machtbereich der zuständigen Stellen nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zu verzeichnen gewesen wäre, liegen der Kammer nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich.
20Aufgrund der – unanfechtbaren (vgl. § 80 AsylG) – Entscheidung des Gerichts wäre die noch nicht vollzogene Abschiebung in diesem Zeitpunkt abzubrechen gewesen und der Antragsteller hätte in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeführt werden müssen. Denn spätestens mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung entfielen die rechtlichen Wirkungen des Bescheides des Bundesamtes vom 20. Juni 2018, mit dem die bereits mit früherem Bescheid des Bundesamtes vom 21. Juni 2010 zugunsten des Antragstellers ausgesprochene Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Tunesien widerrufen wurde. Für die Dauer des weiterhin anhängigen Klageverfahrens 7a K 3425/18.A war daher zunächst von der Fortgeltung des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in früherer Fassung (a. F.) auszugehen, weshalb eine gleichwohl durchgeführte und abgeschlossene Abschiebung – wie hier erfolgt – rechtswidrig war. Daraus resultiert vorliegend auch ein rechtswidriger Zustand.
21Der danach bestehenden Pflicht zur Rückführung des Antragstellers in die Bundesrepublik Deutschland steht auch in rechtlicher Hinsicht kein der Folgenbeseitigung entgegenstehendes Hindernis durch die Vorschrift des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Hiernach darf zwar ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten.
22Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
23vgl. (zu § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG – außer Kraft) BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2002 – 1 C 8/02 –, BVerwGE 116, 378 = juris Rn. 18; und vom 7. Dezember 2004 – 1 C 14/04 –, BVerwGE 122, 271 = juris Rn. 13,
24und anderer Obergerichte,
25vgl. stellvertretend VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. März 2008 – 13 S 418/08 –, juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2010 – OVG 3 S 26.10 –, juris Rn. 24; mit weiteren Nachweisen siehe auch Armbruster, in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.7 (Stand: 18. November 2016), Rn. 11,
26kann eine Abschiebung, die – wie hier (s. o.) – Abschiebungshindernisse missachtet und daher rechtswidrig ist, bereits im Allgemeinen aus Gründen effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nicht die Sperrwirkung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 11 Abs. 1 AufenthG a. E. entfalten.
27Ob diese Argumentation auf die Fälle der Wiedereinreise nach einer rechtswidrigen Abschiebung übertragbar ist oder der Rechtsschutz gegen ein durch eine Abschiebung bedingtes Einreiseverbot grundsätzlich nur im Wege der auf Antrag erfolgenden nachträglichen Befristung der Wirkungen dieser Maßnahmen (§ 11 Abs. 4 AufenthG) erfolgen kann,
28so jedenfalls OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2007 – 18 B 2533/06 –, juris Rn. 16 m. w. N.,
29kann vorliegend dahinstehen.
30Denn die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung, die zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG führen, stehen jedenfalls in der vorliegenden Konstellation einem Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auch nach Abschluss der Abschiebung nicht entgegen.
31Auch in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
32vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2007 – 18 B 2533/06 –, juris Rn. 23 m. w. N.,
33sind Ausnahmen für den Fall anerkannt, dass in dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, das auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gegen die Ordnungsverfügung, welche die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet hat und die Grundlage der Vollziehung ist, gerichtet ist, festgestellt wird, dass diese Verfügung im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt offensichtlich rechtswidrig war.
34Wenngleich diese Situation vorliegend angesichts der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (vgl. Beschluss der Kammer vom 11. Juli 2018 im Verfahren 8 L 1240/18) nicht unmittelbar greift und der Antragsteller – wie dort für den Fall einer positiven Entscheidung im Verfahren 7a L 1200/18.A ausführlich begründet – weiterhin vollziehbar ausreisepflichtig ist, d. h. auch ohne den Widerrufsbescheid kein rechtmäßiger Aufenthalt bestanden hat, ist die hiesige Konstellation, in der die Antragsgegnerin sehenden Auges eine rechtswidrige Abschiebung abschließend vollzogen hat, der vorbezeichneten Ausnahme vom Regelfall des § 11 Abs. 1 AufenthG jedenfalls vergleichbar.
35Denn es kann sich nicht zum Nachteil des Antragstellers auswirken, dass die wirksam bekanntgegebene – und zudem unanfechtbare (s. o.) – Entscheidung eines deutschen Gerichts unter erkennbarem Verstoß gegen geltende Gesetze und Vorschriften ignoriert und eine in der Sache grob rechtswidrige Abschiebemaßnahme abgeschlossen wird. Eine solche Vorgehensweise wirft derart große Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Vollzugs auf, dass die Berufung auf ein – lediglich als Folge des nach Aktenlage erkennbar und offensichtlich rechtswidrigen Handelns – entgegenstehendes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Einzelfall unbeachtlich ist und dieses dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden kann. Abermals wird zur Begründung der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesamtes vom 20. Juni 2018 auf den Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2018 – 7a L 1200/18.A – Bezug genommen, mit dem – rechtzeitig vor dem Abschluss der Abschiebung am heutigen Tage – die aufschiebende Wirkung der Klage 7a K 3425/18.A gegen den Widerrufsbescheid wiederhergestellt wurde (§ 42 Satz 1 AsylG); die Bekanntgabe erfolgte zudem rechtzeitig vor der Landung in Tunesien (s. o.). Wäre der Antragsteller namentlich nicht – entgegen dem im Zeitpunkt der Landung in Tunesien bzw. des Abschlusses der Abschiebung mit dem Verlassen des Transitbereichs – zu seinen Gunsten streitenden Abschiebungsverbots in das Staatsgebiet Tunesiens verbracht, sondern wäre zutreffenderweise der Hinflug per Chartermaschine bereits in der Luft abgebrochen oder zumindest ein unmittelbarer Rücktransport in die Wege geleitet worden, wären die Wirkungen des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht eingetreten. Vor diesem Hintergrund gebieten rechtsstaatliche Grundsätze (vgl. Art. 20 Abs.3 GG) und die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes, die in Art. 19 Abs. 4 GG niedergelegt ist, eine rechtliche Unmöglichkeit einer Rückführung des Antragstellers in das Bundesgebiet zu verneinen.
36Selbst für den Fall, dass eine Rückführung des Antragstellers – entgegen der zuvor dargestellten Auffassung der Kammer – infolge der rechtswidrig erfolgten und sehenden Auges unter Verstoß gegen geltendes Recht abgeschlossenen Abschiebung an dem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG scheitern sollte, stünde dem Antragsteller jedenfalls – gewissermaßen als Minus zu seiner Rückführung – ein sofortiger und im Wege einer einstweiligen Anordnung sicherungsfähiger Anspruch auf Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG zu, der ihm eine zeitnahe Rückkehr ins Bundesgebiet ermöglichen würde.
37Vgl. zu dieser Möglichkeit bereits OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2007 – 18 B 2533/06 –, juris Rn. 39 m. w. N.
38Schließlich steht der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückführung des Antragstellers in das Bundesgebiet auch nicht das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Eine über eine vorläufige Regelung hinausgehende Vorwegnahme der Hauptsache ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zwar grundsätzlich unzulässig und nur ausnahmsweise in sehr begrenzten Fallkonstellationen zulässig. Letzteres gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG namentlich dann, wenn die begehrte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und deshalb die Gefahr besteht, dass ohne eine vorläufige Regelung wesentliche Nachteile für den Antragsteller eintreten, und diese nur durch die vorläufige Entscheidung des Gerichts abgewendet werden können. Gleichzeitig kann eine einstweilige Anordnung, mit deren Erlass die Hauptsache vorweggenommen würde, nur ergehen, wenn ein hoher bzw. weit überwiegender Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht.
39Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Juli 2017 – 7 B 11079/17 –, juris Rn. 27; Nds. OVG, Beschluss vom 2. Februar 2007 – 13 ME 362/06 –, juris Rn. 9; siehe auch Armbruster, in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.7 (Stand: 18. November 2016), Rn. 16 m. w. N.
40Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den vorstehenden Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des abschließenden Vollzugs der Abschiebemaßnahme sowie zu den Folgen, die dem Antragsteller bei einem längeren Verbleib in Tunesien drohen (§ 42 Satz 1 AsylG), unzweifelhaft gegeben.
41Die konkrete tatsächliche Umsetzung der hier ausgesprochenen Verpflichtung zur Rückführung des Antragstellers bleibt der Antragsgegnerin vorbehalten. Dies kann in der Praxis etwa dadurch geschehen, dass die zuständige Ausländerbehörde an das Auswärtige Amt herantritt, um die Erteilung eines sog. deklaratorischen Visums zu veranlassen, das zeitlich eng befristet und allein für die Wiedereinreise und anschließende Vorsprache bei der Ausländerbehörde gültig ist.
42Vgl. zu dieser beispielhaften Vorgehensweise: Armbruster, in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.7 (Stand: 18. November 2016), Rn. 22.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.