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Bei der Charakterisierung der Betriebsform eines Massage-Salons als bordellartiger Betrieb ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob der konkrete Betrieb gerade auf die sexuelle Stimulation der Kunden ausgerichtet ist oder andere Ziele verfolgt, ob also der Schwerpunkt des Betriebs im Anbieten sexueller Dienstleistungen liegt (hier verneint).
Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. August 2018 sowie der Gebührenbescheid vom 17. August 2018 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die am 13. April 2018 beantragte Baugenehmigung zum Betrieb eines Massagesalons im 1. Obergeschosses des Hauses L.---------straße xx in F1. (Az.: 61-52-03005-2018) zu erteilen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. August 2018 sowie der Gebührenbescheid vom 17. August 2018 werden aufgehoben.
2Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die am 13. April 2018 beantragte Baugenehmigung zum Betrieb eines Massagesalons im 1. Obergeschosses des Hauses L.---------straße xx in F1. (Az.: 61-52-03005-2018) zu erteilen.
3Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
4Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5Tatbestand:
6Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks L1.--------straße xx in F. (Gemarkung S. , Flur xx, Flurstück xxx).
7 8(nicht maßstäblich)
9Im Jahr 1952 genehmigte die Beklagte im 1. Obergeschoss des Gebäudes die Nutzung als zahntechnisches Labor. Im Erdgeschoss des Hauses befinden sich ein Kosmetikstudio sowie eine genehmigte Gaststätte, das 2. Ober- sowie das Dachgeschoss werden zu Wohnzwecken genutzt.
10Unter dem 13. April 2018 beantragte die Klägerin, damals noch firmierend unter Q. UG, die Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung der Räume im 1. Obergeschoss zu einem Massagesalon im vereinfachten Genehmigungsverfahren. In der beigefügten Betriebsbeschreibung für gewerbliche Anlagen führte sie aus, Betreiberin des Massagesalons sei die Firma T. B. und Wellness. Die Betreiberin, Frau B1. B2. , plane einen Massagesalon mit ganzheitlichem Ansatz. Dieser zeichne sich durch vier individuell gestaltete Behandlungsräume und einen Seminarraum aus. Hinzu kämen zwei Sanitärräume inkl. Duschen und ein Lager-/Aufenthaltsraum. Die maximal denkbare Auslastung der Betriebsfläche liege bei fünf Mitarbeitern und gleichzeitig sechs Kunden. Diese Auslastung sei real aber nicht gegeben, da die Angebote des Salons deutlich zeitversetzt zueinander seien. Die Anzahl der Räume spiegele nicht den Platzbedarf wider, sondern das Konzept verschiedener Themenangebote, welche durch individuelle Raumgestaltungen untermalt würden. Wesentliche Geräuschquellen seien nicht zu erwarten, der geringe Kundenverkehr auf den Allgemeinflächen löse auch keine Spannungen gegenüber den Wohnungen im 2. Ober- oder Dachgeschoss aus. Zur weiteren Beschreibung des Vorhabens verwies die Klägerin die Beklagte sodann auf die Website der Betreiberin (www.xxxxxxxxx.de).
11Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Bauantrags an. Mit Email vom 15. Juni 2018 nahm die Betreiberin des Vorhabens stellvertretend dahingehend Stellung, es handele sich bei ihrer Praxis nicht um einen bordellartigen Betrieb. Das Angebotsspektrum sei vielmehr ausgerichtet auf ganzheitliche Massagen, Seminare, Beratungen, Coachings, Massageausbildungen und Fortbildungen. Sie biete dabei verschiedene Massageangebote an. Darunter seien zwar auch Massagen, in denen der Intimbereich (Yoni- und Lingammassagen) mit einbezogen werden könne. Diese hätten aber überwiegend eine ganzheitliche begleitende und therapeutische Intention. So arbeite sie u.a. mit Frauen, die traumatische (sexuelle) Erfahrungen gemacht hätten, und kooperiere in diesem Zusammenhang sogar mit einer Psychotherapeutischen Praxis. In der Anlage übersandte sie ferner eine Stellungnahme des U. e.V. (TMV) zum Prostituiertenschutzgesetz – ProstSchG –. In diesem führte der Verband umfänglich aus, warum Tantra-Massagen aus seiner Sicht keine sexuellen Dienstleistungen oder sexuelle Handlungen gegen Entgelt im Sinne des Gesetzes seien.
12Mit Bescheid vom 13. August 2018 lehnte die Beklagte den Bauantrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, das Bauvorhaben liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Die maßgebliche nähere Umgebung sei überwiegend von wohnlicher Nutzung geprägt. Im Innenbereich des maßgeblichen Wohnblocks befänden sich Stellplätze und nicht störende gewerbliche Nutzungen, im Gebäude selbst eine genehmigte Gaststätte sowie ein Kosmetikstudio. Der Baublock sei deshalb als allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 der Baunutzungsverordnung – BauNVO – einzustufen. Der beantragte Massagesalon biete ausweislich seiner Internetpräsenz sexuelle Handlungen an. Angeboten würden verschiedene Variationen von Massagen, die den jeweiligen Kunden sexuell stimulierten. Der Bereich der Tantra-Massagen sei daher als sexuelle Dienstleistung zu qualifizieren. Aus gewerberechtlicher Sicht handele es sich deshalb um ein erlaubnispflichtiges Gewerbe gemäß § 12 Prostituiertenschutzgesetz. Mithin sei von einem bordellartigen Betrieb auszugehen. Da solche Betriebe das Wohnen aber erheblich störten und die Schwelle der Gebietsverträglichkeit überschritten, seien sie in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich nicht zulässig. Das Vorhaben verstoße daher gegen § 34 des Baugesetzbuches – BauGB –.
13Unter dem 17. August 2018 erließ die Beklagte ferner für die Ablehnung des Bauantrags einen Gebührenbescheid in Höhe von 185,- Euro. Auf die beigefügte Gebührenberechnung wird Bezug genommen.
14Die Klägerin hat am 10. September 2018 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Einlassungen der Betreiberin im Verwaltungsverfahren. Die angebotenen Tantra-Massagen seien keinesfalls zu verwechseln mit Angeboten aus dem Rotlichtmilieu, sondern hätten eine komplett andere Zielsetzung und einen anderen Anspruch. Bei dem verfolgten ganzheitlichen Massageansatz stünden vielmehr der esoterische Charakter und das Körperempfinden im Vordergrund; sie seien ganzheitlich-gesundheitsfördernd und „philosophisch angehaucht“. Mit den Massagen werde ein therapeutisches und gelegentlich auch sexualtherapeutisches, jedenfalls aber alternativmedizinisches Angebot unterbreitet. Die Massage folge festgelegten Regeln. So finde etwa vor jeder Massage zuerst ein oder manchmal auch mehrere Vorgespräche statt. Eine Massage dauere mindestens 1 ½ Stunden und pro Tag kämen im Schnitt nur zwei bis vier Klienten in die Praxis. Eine Berührung des Massierenden durch den Kunden sei auf keinen Fall zulässig, eine „Erweiterung“ der Massage um Geschlechtsverkehr generell nicht möglich. Die Behandlungsräume seien formal reduziert, „clean“ und erinnerten eher an den Wellnessbereich hochwertiger Hotels. Entsprechend sei auch die Außendarstellung der Praxis auf ihrer Homepage, auf der etwa alle Massierenden mit Gesicht zu erkennen und nicht in aufreizenden Posen abgebildet seien. Zertifizierte Tantra-Massagen dürften nur Personen anbieten, die eine anerkannte und zertifizierte Ausbildung nach den Regeln des TMV absolviert hätten. Zum Erhalt der Zertifizierung seien regelmäßige Fortbildungen verpflichtend. Es handele sich bei der Tätigkeit der Betreiberin sowie der Mitarbeiter in der Praxis daher um einen Ausbildungsberuf, der sogar von der Umsatzsteuer befreit sei. Ohnehin nähmen die Tantra-Massagen, bei denen auch der Intimbereich massiert werde, nur eine untergeordnete Rolle ein gegenüber den ebenfalls angebotenen und durchgeführten Wellness- und B. -Massagen. Jedenfalls löse das Vorhaben keine bodenrechtlich relevanten Spannungen aus. Mit den Nachbarn im Haus bestehe ein gutes Verhältnis, diese zeigten Verständnis und Interesse für die Massagepraxis. Im Übrigen sei die maßstabgebende nähere Umgebung nicht als allgemeines Wohngebiet, sondern vielmehr als Mischgebiet einzustufen. Sie sei geprägt sowohl durch Wohnnutzung als auch zahlreiche Gewerbe- und Handwerksbetriebe. In unmittelbarer Nähe zum Vorhabengrundstück befänden sich u.a. eine Gaststätte, ein Friseursalon, eine Spielhalle, Rechtsanwaltskanzleien, Imbissbuden sowie mehrere reine Geschäfts- und Bürogebäude.
15Die Klägerin beantragt,
16den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2018 sowie den Gebührenbescheid vom 17. August 2018 aufzuheben,
17sowie,
18die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Betrieb einer Massagepraxis im Haus L1.--------straße xx in F. positiv zu bescheiden,
19hilfsweise,
20die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des angegriffenen Ablehnungsbescheids und ergänzt, die von der Betreiberin angebotenen Massagen seien nach herrschender Rechtsmeinung als sexuelle Dienstleistungen anzusehen. Denn darunter seien jedenfalls auch Behandlungen, die auf die sexuelle Stimulation der Kunden abzielten. Sexuelle Dienstleistungen seien Kennzeichen des Prostitutionsgewerbes und stellten umgangssprachlich einen bordellartigen Betrieb dar, der bei einer typisierenden Betrachtungsweise den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets erheblich störe, ohne dass es auf das Störpotential im Einzelfall ankomme. Bei der Frage der Einstufung des Gebietscharakters der maßgeblichen näheren Umgebung sei lediglich auf den Wohnblock, in dem sich das Vorhaben befinde, und die umliegenden Wohnblöcke im Bereich der H.-----straße /H1.------straße /H2.------straße abzustellen. Die von der Klägerin genannten Betriebe befänden sich mehrheitlich außerhalb dieses Bereichs und seien daher nicht maßstabsbildend.
24Die Kammer hat am 15. Juli 2019 durch die Berichterstatterin einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll und die gefertigten Lichtbilder Bezug genommen. Im Rahmen des Ortstermins haben die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet
25Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Kammer entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – im schriftlichen Verfahren, nachdem die Beteiligten im Ortstermin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
28Die Klage ist zulässig und mit dem Hauptantrag begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 13. August 2018 sowie der Gebührenbescheid vom 17. August 2018 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
29Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung besteht gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 1. März 2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 – BauO NRW 2016 – (vgl. § 90 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW 2018), wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass der Erteilung der beantragten Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, da das Vorhaben der Klägerin planungs- und ordnungsrechtlich zulässig ist.
30Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich bei dem – unstreitig – im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstück nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund von § 9a BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 entsprechend anzuwenden, § 34 Abs. 2 BauGB.
31Nach diesen Maßgaben ist der konkret zur Genehmigung gestellte Massagesalon vorliegend bauplanungsrechtlich zulässig, unabhängig von der Einordnung des Gebiets als allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO oder als Mischgebiet nach § 6 BauNVO. Die Zulässigkeit richtet sich vorliegend nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 13 BauNVO. Nach § 13 BauNVO sind für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 BauNVO Räume, in den Baugebieten nach §§ 4a bis 9 BauNVO auch Gebäude zulässig.
32Solch eine Berufsausübung liegt hier vor. Der konkrete Betrieb dürfte zwar nicht unter die Definition freier Berufe in § 1 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes – PartGG – fallen, welche mangels eigener Definition des Begriffs in der Baunutzungsverordnung selbst vorliegend als Maßstab herangezogen werden kann.
33Vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 13 Rn. 8.
34Danach haben die freien Berufe im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Ausübung eines freien Berufs im Sinne dieses Gesetzes ist die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher. Der zur Genehmigung gestellte Betrieb dürfte zwar nicht unter die aufgezählten freiberuflichen Tätigkeiten, insbesondere nicht unter den Begriff der Tätigkeit eines Heilmasseurs bzw. Physiotherapeuten fallen, da beides staatlich anerkannte Abschlüsse sind, während die im konkreten Betrieb tätigen Massierenden höchstens durch einen privaten Dachverband zertifiziert worden sind bzw. die angebotenen Massagen keine (staatliche) Ausbildung voraussetzen. Allerdings sind Gewerbetreibende, die ihren Beruf in ähnlicher Weise ausüben wie Freiberufler, im Rahmen der Zulässigkeitsregelung nach § 13 BauNVO diesen gleichgestellt. Zweck dieser Regelung ist es, diejenigen Berufe einzubeziehen, die wegen der Ähnlichkeit in der Berufsausübung planungsrechtlich ebenso behandelt werden müssen wie die freien Berufe. Darunter fallen u.a. auch Wellness-Massagebetriebe, die ihre Tätigkeit, sprich die angebotenen Massagen, in vergleichbarer Weise ausführen wie Heilmasseure oder Physiotherapeuten und für die eine andere Bewertung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit daher nicht geboten erscheint.
35Vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 13 Rn. 18.
36Um solch einen Wellness-Massagebetrieb handelt es sich vorliegend, nicht aber – wie die Beklagte meint – um einen bordellartigen Betrieb, der in der Tat als erheblich störender Gewerbebetrieb einer anderen Bewertung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit unterworfen wäre. Unter der Bezeichnung „Massagesalon“ lassen sich – wie auch die soziale Wirklichkeit zeigt – Betriebe unterschiedlichster Ausrichtung in Abhängigkeit insbesondere von der konkreten Ausgestaltung und Zielrichtung der angebotenen Massagetätigkeit fassen. Neben der Abgrenzung von Wellness-Behandlungen zu traditionell gesundheitsbezogenen Massagen ist insbesondere die Abgrenzung zu bordellähnlich geführten Betrieben zu leisten, in denen erotische Massagen angeboten werden, mit vorwiegend auf die sexuelle Stimulanz ausgerichteten Kontakten. Bei der Charakterisierung der Betriebsform als bordellartiger Betrieb ist dabei grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob der konkrete Betrieb gerade auf die sexuelle Stimulation der Kunden ausgerichtet ist oder andere Ziele verfolgt, ob also der Schwerpunkt des Betriebs im Anbieten sexueller Dienstleistungen liegt. Denn nur für diesen Fall kann angenommen werden, dass es sich um einen bordellartigen Betrieb handelt, der bei einer typisierenden Betrachtungsweise im Regelfall mit besonderen bodenrechtlichen Spannungen, insbesondere typisch „milieubedingten“ Auswirkungen derartiger Einrichtungen auf das das Wohnumfeld in dem betreffenden Gebiet prägende soziale Klima, verbunden und daher in (auch) dem Wohnen dienenden Baugebieten unzulässig ist. Neben der Bezeichnung als „Massagesalon“ oder „Massagestudio“ kommt es aber grundsätzlich auf die die konkrete Betriebsform kennzeichnenden gesamten Umstände an. Dazu können unter anderem die konkret angebotenen Massagen, weitere dort angebotene (sexuelle) Dienstleistungen, die Präsentation des Massageangebots und der Massierenden vor Ort sowie in der Außendarstellung, die Tatsache einer Anmeldung als Prostitutionsstätte nach dem Prostituiertenschutzgesetz oder die Zertifizierung durch einen Verband zählen.
37Vgl. zur Einordnung eines „Massagesalons“ als bordellartiger Betrieb OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 2 A 326/15 –; OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003 – 2 S 5.03 –; VG Köln, Urteil vom 7. Januar 2014 – 2 K 3358/13 –; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 4. Juli 2012 – 3 L 571/12.NW –, alle juris.
38Dies zugrunde gelegt kann das Gericht im vorliegenden Einzelfall nach dem Gesamteindruck des Vorhabens nicht erkennen, dass es sich bei diesem um einen bordellartigen Betrieb handelt. Zwar umfassen einige der angebotenen Massagen aus dem Bereich des Tantra in dem zur Genehmigung gestellten Massagesalon – unstreitig – auch den Intimbereich der Kunden und können somit der sexuellen Stimulation der Kunden dienen. Es lässt sich aber nicht erkennen, dass der Schwerpunkt des Betriebs gerade darin besteht, sexuelle Dienstleistungen anzubieten bzw. der Betrieb auf die Erbringung sexueller Dienstleistungen ausgerichtet ist. Wie den umfangreichen Ausführungen der Klägerin – sowohl schriftsätzlich als auch im Ortstermin – zu entnehmen ist, steht bei den angebotenen Massagen, die auch den Intimbereich (beider Geschlechter) umfassen, die sexuelle Stimulation nicht im Vordergrund. Vielmehr verfolgen die Betreiberin der Praxis und ihre Mitarbeiter einen ganzheitlichen Ansatz, der den gesamten Körper umfasst. Die in der Praxis angebotenen Massagen aus dem Bereich des Tantra folgen festen Regeln, dauern in der Regel mindestens 90 Minuten und sind mit mindestens einem Vorgespräch zwischen dem Massierenden und dem Kunden verbunden. Dies spricht dagegen, dass bei den Massagen der sexuelle Lustgewinn der Kunden im Vordergrund steht. In einem solchen Fall lägen andere „Massageangebote“ aus dem Rotlichtbereich wohl näher. Weiterhin ist im vorliegenden Einzelfall entscheidend, dass nach dem zur Genehmigung gestellten Betriebskonzept keinerlei Berührungen der Massierenden durch die Kunden erlaubt sind. Auch eine „Erweiterung“ der Massage um Geschlechtsverkehr mit den Kunden ist nicht möglich, sodass (andere) sexuelle Dienstleistungen im konkreten Betrieb nicht angeboten werden. Im Gegenteil bietet die Praxis neben den Intimbereich umfassenden Ganzkörpermassagen aus dem Bereich des Tantra auch andere ayurvedische und klassische Wellnessmassagen an, wie etwa Rücken- oder Schwangerschaftsmassagen. Diese überzeugenden Ausführungen stellt selbst die Beklagte nicht durchgreifend in Frage.
39Die Außendarstellung der fraglichen Massagepraxis sowohl vor Ort als auch im Internet auf der Homepage der Praxis spricht ebenfalls nicht für die Einordnung als bordellartiger Betrieb. Die Räume sind sehr nüchtern und „clean“ gehalten und erwecken in der Tat eher den Eindruck eines „esoterisch angehauchten“ Wellnessbereichs als eines Bordells bzw. bordellartigen Betriebs zur sexuellen Stimulation der Kunden, wie den im Rahmen des Ortstermins gefertigten Lichtbildern (Bl. 120-144 der Gerichtsakte) zu entnehmen ist. Am Haus selbst ist lediglich ein kleines „Praxisschild“ vorhanden, welches für das „Samara Zentrum für ganzheitliche Massagen“ wirbt. Als Angebote werden dort u.a. „B. & Wellness“ sowie „Ganzheitliche Massagen“ angegeben. Ein unbefangener objektiver Beobachter wird bei Betrachtung dieser Außenwerbung ohne das spezielle Wissen, dass eine „Ganzheitliche Massage“ auch den Intimbereich umfassen kann, nicht auf die Idee kommen, es mit einem bordellartigen Betrieb zu tun zu haben, sondern eher von einem „Wellness-Massagestudio“ ausgehen. Gleiches gilt für die Außendarstellung des Betriebs auf seiner Homepage. Hier findet sich zwar durchaus die Angabe, dass bei bestimmten Tantra-Massagen der Intimbereich umfasst ist. Allerdings wird gleich an mehreren Stellen im Text auf das verfolgte ganzheitliche Massage- und Therapiekonzept der Praxis sowie der angebotenen Massagen hingewiesen und angemerkt, die Massagen seien keinesfalls mit unter Umständen gleichlautenden Angeboten aus dem Rotlichtmilieu zu verwechseln. Ferner findet sich an keiner Stelle auf der gesamten Homepage eine sexualisierte Darstellung, weder des Massageangebots noch der Massierenden. Vielmehr werden Letztere jeweils mit (Kurz-)Lebenslauf unter Angabe ihrer Qualifikation und einem Foto, auf dem alle Mitarbeiter vollständig bekleidet, in Alltagspose und mit ihrem Gesicht zu erkennen sind, vorgestellt. Eine leichtbekleidete bzw. nackte Darstellung in „typischen“ Posen, wie sie in Werbung für das Rotlichtmilieu häufig gebraucht wird, fehlt dagegen.
40Ferner sind alle in der konkreten Praxis tätigen Massierenden und auch die Praxis selbst vom TMV zertifiziert. Dies bedeutet, die Mitarbeiter haben eine standardisierte, qualifizierte Ausbildung zur Masseurin bzw. zum Masseur bei einem zertifizierten Ausbilder und eine entsprechende Prüfung absolviert. Zudem sind die zertifizierten Massierenden verpflichtet sich regelmäßig fortzubilden. Der Verband selbst gibt dazu auf seiner Homepage (https://www.xxxxxxxxxx.de) an, auf diese Weise eine anhaltend hohe Qualität der von den zertifizierten Praxen angebotenen Massagen gewährleisten zu wollen. Dies ist im vorliegenden Fall ebenfalls ein Indiz dafür, es nicht mit einem bordellartigen Betrieb im oben genannten Sinne zu tun zu haben. Denn für „Tantra-Massagen“ aus dem Rotlichtbereich bzw. Massagen in Betrieben, die vornehmlich der sexuellen Stimulation ihrer Kunden dienen, wäre eine solche Ausbildung nicht erforderlich.
41Der von der Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vorgenommene Verweis auf Rechtsprechung, wonach Tantra-Massagen nach „herrschender Meinung“ als sexuelle Dienstleistungen anzusehen seien, geht fehl. Denn die zitierte Rechtsprechung hat sich lediglich mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich bei einer Tantra-Massage unter Einbeziehung des Intimbereichs um eine gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen nach den Satzungsregelungen zur Vergnügungssteuer handeln kann. Diese Rechtsprechung sagt aber nichts darüber aus, wie ein Vorhaben baurechtlich zu bewerten ist. Dafür sind vielmehr die oben ausgeführten Abgrenzungskriterien im Einzelfall maßgeblich. Gleiches gilt für die Definition einer sexuellen Dienstleistung in § 2 ProstSchG, wonach eine sexuelle Dienstleistung eine sexuelle Handlung mindestens einer Person an oder vor mindestens einer anderen unmittelbar anwesenden Person gegen Entgelt oder das Zulassen einer sexuellen Handlung an oder vor der eigenen Person gegen Entgelt ist. Sofern in dem Betrieb sexuelle Dienstleistungen im Sinne dieser Definition angeboten werden, liefert dies zwar Anhaltspunkte für die Frage des Vorliegens eines bordellartigen Betriebs. Dies allein ist aber nicht entscheidend, da es – wie oben aufgezeigt – auf den Schwerpunkt des Betriebs und die jeweiligen Gesamtumstände ankommt. Die Definition einer sexuellen Dienstleistung im Prostitutionsschutzgesetz ist nach seiner Gesetzesbegründung (BT-Drs. Nr. 18/8556, S. 58) bewusst sehr weit gefasst, um alle Angebotsformen entgeltlicher sexueller Kontakte und deren gewerbsmäßiger Organisation zu erfassen. Dies hängt allerdings mit dem maßgeblichen Schutzzeck des Gesetzes zusammen, nämlich die (sexuelle) Selbstbestimmung von Menschen in der Prostitution möglichst umfassend zu schützen (BT-Drs. Nr. 18/8556, S. 33). Das Gesetz verfolgt damit einen deutlich anderen Schutzzweck als die baurechtliche Einordnung von Bordellen und bordellartigen Betrieben, nämlich der Bewältigung bodenrechtlicher Spannungen zwischen diesen Betrieben und insbesondere Wohnnutzung, und kann daher nicht als einziges Kriterium für die baurechtliche Einordnung herangezogen werden.
42Durch das streitige Vorhaben werden ferner nur Räume im Sinne von § 13 BauNVO genutzt. Räume im Sinne der Vorschrift sind Teile von Gebäuden. Bezugsgröße für die Zulässigkeit von Räumen nach der Norm ist das Gebäude und nicht das Grundstück. Das bedeutet, dass ein Gebäude nicht vollständig für freiberufliche und gleichgestellte gewerbliche Tätigkeiten genutzt werden darf. In Mehrfamilienhäusern darf daher grundsätzlich nicht mehr als die Hälfte der Wohnungen und Wohnfläche nach § 13 BauNVO genutzt werden.
43Vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 13 Rn. 20 f. m.w.N.
44Vorliegend erstreckt sich der Massagesalon über die gesamten Räume der Wohnung im 1. Obergeschoss des Gebäudes L1.--------straße xx in F. . Im Erdgeschoss des Gebäudes befinden sich ein weiterer Gewerbebetrieb bzw. eine Gaststätte, im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss dagegen Wohnungen mit der gleichen Grundfläche wie das Vorhaben. Daher nimmt die fragliche freiberufliche bzw. gleichgestellte gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 13 BauNVO weniger als die Hälfte der Wohnungen und Wohnfläche des Gebäudes ein und ist daher im konkreten Ausmaß sowohl in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO und erst Recht in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO zulässig, sodass die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Einordnung der näheren Umgebung keiner Entscheidung bedarf.
45Es ist nicht ersichtlich, dass dem Bauvorhaben sonstige öffentliche Vorschriften aus dem Prüfprogramm der Behörde im Rahmen des hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 BauO NRW 2016 entgegenstehen. Entsprechendes hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht, sodass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung hat.
46Angesichts des Vorstehenden kommt es auf den Hilfsantrag der Klägerin nicht mehr an.
47Der Gebührenbescheid vom 17. August 2017 ist vorliegend ebenfalls rechtswidrig und daher aufzuheben. Mit der Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13. August 2018 fehlt es an der für die Entstehung der Gebührenschuld erforderlichen gebührenpflichtigen Handlung, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 der Zivilprozessordnung.
49B e s c h l u s s :
50Der Streitwert wird auf 19.800,- Euro festgesetzt.
51G r ü n d e:
52Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an Ziffer 3 a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW vom 22. Januar 2019,
53BauR 2019, 610 f.
54Danach entspricht der Streitwert für gewerbliche Bauten grundsätzlich dem geschätzten Jahresnutzwert des Vorhabens. Die Jahresmiete für das streitgegenständliche Vorhaben und damit der Jahresnutzwert für die Klägerin beträgt nach dem vorgelegten Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Betreiberin der Massagepraxis 12 x 1.650,- Euro = 19.800,- Euro.