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Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Es wird festgestellt, dass die vom Beklagten am 09.08.2003 um 18.18 Uhr ver- fügte Auflösung der Versammlung 6. Antirassistisches Grenzcamp" rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstre- ckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin meldete zusammen mit einer weiteren Person mit Schreiben vom 12.03. und vom 23.04.2003, gerichtet an das Ordnungsamt der Stadt Köln, die Ver- anstaltung 6. Antirassistisches Grenzcamp" auf dem städtischen Gelände Poller Wiesen" für den Zeitraum vom 30.07.2003 bis zum 11.08.2003 an. Es würden ca. 1500 Teilnehmer während der gesamten 10 Tage erwartet und die Veranstaltung solle im Freien in Form eines Zeltlagers abgehalten werden. In der Folgezeit nahm der Beklagte Kontakt zu den Organisatoren der Veranstaltung auf, die einen vierköp- figen Arbeitskreis bildeten, zu dem auch die Klägerin gehörte, und der mit dem Be- klagten am 27.06. und 25.07.2003 Kooperationsgespräche führte. Daneben schlos- sen die vier Arbeitskreis-Teilnehmer mit der Stadt Köln einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Nutzung eines Teilstücks der Grünfläche Poller Wiesen" als Zelt- platz im Rahmen des Antirassistischen Grenzcamps".
3Der Beklagte bestätigte mit an die vier Mitglieder des Arbeitskreises gerichteten Bescheiden vom 01.08.2003 gemäß § 14 des Versammlungsgesetzes die Anmel- dung der Versammlung jeweils für diejenigen Tage, für die sich die einzelnen Ar- beitskreis-Teilnehmer als Versammlungsleiter erklärt hatten. Die Klägerin hatte die Versammlungsleitung am 03.08., 05.08. und am 09.08.2003 übernommen. Gleichzei- tig erließ der Beklagte jeweils drei gleichlautende Auflagen.
4Im Laufe der Veranstaltungstage kam es nach den Feststellungen des Beklagten zu mehreren strafrechtlich relevanten Vorfällen, während andere Veranstaltungsteile störungsfrei verliefen; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 111 - 115 des eingereich- ten Verwaltungsvorganges verwiesen. Am 08.08.2003 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Grenzcampteilnehmern und eingesetzten Polizeibeamten, nachdem ein Kradfahrer der Polizei an der Weiter- fahrt gehindert worden und einer Polizistin eine Videokamera entrissen worden war. Die Einzelheiten hierzu sind zwischen den Beteiligten streitig. Für den 09.08.2003 war in Köln-Poll eine der rechtsextremen Szene zuzurechnende Demonstration angemeldet. Nach den Erkenntnissen der Polizei war dies den Teil- nehmern des Grenzcamps bekannt geworden und es seien von diesen Vorbereitun- gen zur Störung bzw. Verhinderung dieser Demonstration getroffen worden. Der Be- klagte richtete daraufhin ab 10.30 Uhr im Umfeld des Grenzcampgeländes Kontroll- stellen ein, was zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Versammlungsteil- nehmern führte. Auch diesbezüglich sind die Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig. Um 14.00 Uhr wurde vom Einsatzleiter des Beklagten des Beklagten eine Auflö- sungsverfügung formuliert, die aber zunächst nicht erlassen wurde. Stattdessen fan- den über mehrere Stunden hinweg Verhandlungen zwischen dem Beklagten und der Versammlungsleitung statt, auch unter Einschaltung dritter Personen als Vermittler. Um 18.18 Uhr verkündete der Einsatzleiter des Beklagten per Lautsprecherdurchsa- ge die Auflösung der Versammlung Grenzcamp. Des Weiteren wurde den auf dem Grenzcamp anwesenden Personen über Lautsprecher mitgeteilt, dass gemäß § 163 b Abs. 1 u. 2 StPO ihre Personalien festgestellt und Lichtbilder gefertigt werden soll- ten; sie sollten sich zu diesem Zwecke an den fünf eingerichteten Durchlassstellen melden, durch die sie das Gelände dann verlassen könnten. Dieser Aufforderung folgte nur ein Teil der anwesenden Personen, die verbliebenen 377 Personen wur- den eingekesselt und zur Gefangenensammelstelle nach Brühl verbracht. Dort wur- den sie nach Personalienfeststellung mit Lichtbildfertigung in den Morgenstunden des 10.08.2003 freigelassen. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.08.2003 und 09.09.2003 for- derte die Klägerin den Beklagten auf, sich zur Rechtswidrigkeit seiner Maßnahmen zu erklären. Eine Reaktion hierauf sowie auf eine entsprechende Erinnerung vom 16.12.2003 erfolgte nicht.
5Die Klägerin hat am 16.07.2004 Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit von mehreren am 09.03.2003 vom Beklagten getroffenen Maßnah- men begehrt. Zur Begründung trägt sie vor: Die Klageerhebung sei geboten, da der Beklagte auf die schriftlichen Aufforderungen ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.08.2003 und 09.09.2003 sowie die Erinne- rung vom 16.12.2003 nicht reagiert habe. Das Vorgehen der eingesetzten Polizeikräfte des Beklagten gegen die Versamm- lungsteilnehmer des Grenzcamps sei nicht nachvollziehbar. Es habe sich bis zur Auf- lösung um ca. 18.00 Uhr um eine angemeldete und bestätigte Versammlung gehan- delt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gehöre es zu den originären demokratischen Rechten, nicht nur an einer Versammlung teil- zunehmen, sondern dies auch anonym zu tun. Dieses grundlegende Recht sei durch die Polizei durch Errichtung der Sperren massiv eingeschränkt worden. Was den Vorfall mit dem Kradfahrer der Polizei anbetreffe, so sei dieser am frühen Morgen des 08.08.2003 entgegen den getroffenen Absprachen auf das Gelände des Grenzcamps gefahren und habe auf Nachfragen äußerst ungehalten reagiert, so dass sich eine lautstarke Diskussion entwickelt habe. Die Person, die die Videokamera der Polizei entwendet haben soll, sei ihr, der Klägerin, wie auch der übrigen damaligen Versammlungsleitung nicht bekannt gewesen und auch bis heute unbekannt. Am 09.08.2003 habe die Polizei gegen 9.30 Uhr damit begonnen, nach und nach sämtliche Zu- und Abfahrtswege vom Camp abzuriegeln. Gegen 10.30 Uhr sei es dann insgesamt nicht mehr möglich gewesen, das Camp zu verlassen; Polizeibeamte hätten eine mehrreihige Kette in 50 m Entfernung vom Eingang gebildet. Aus Protest gegen das polizeiliche Verhalten hätten einige Grenzcampteilnehmer Menschenketten gebildet; in der Folge sei es dann zu zahllosen Provokationen seitens der Polizei gekommen. Die Gangart der Polizei sei immer härter geworden, gegen 13.00 Uhr sei sie unangekündigt bis zum Eingang des Grenzcamps vorgerückt. Ab diesem Zeitpunkt sei das Verlassen des Geländes auf die Straße - Alfred-Schütte-Allee" bzw. Am Schnellert" - nicht mehr möglich gewesen. Nach Gesprächen der Versammlungsleiter mit Vertretern des Beklagten habe sich dann die Lage vorübergehend entspannt, dabei seien die Versammlungsteilnehmer davon ausgegangen, dass sie nur bis zum Ende der rechtsradikalen Demonstration um 17.00 Uhr festgehalten würden. Gegen 15.00 Uhr sei dann mitgeteilt worden, dass das Grenzcamp geräumt werden solle, weil die angemeldete rechtsradikale Demonstration geschützt werden müsste und 70 % aller Campteilnehmer straffällig geworden seien. Außerdem habe die Stadt Köln den Mietvertrag über die Poller Wiesen telefonisch gekündigt. Ab 16.00 Uhr habe dann die Polizei das Camp umstellt und der Einsatzleiter gegen 17.30 Uhr erklärt, dass die Versammlung aufgelöst werden solle, um die Personalien der Campteilnehmer festzustellen. Nach mehreren Aufforderungen der Polizei an die verbliebenen Campteilnehmer, sich zum Ausgang zu begeben und die Personalien feststellen zu lassen, sei dann gegen 19.00 Uhr über Lautsprecher die Versammlung für aufgelöst erklärt worden. Der erneuten Aufforderung, sich im Eingangsbereich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, seien nur wenige Grenzcampteilnehmer nachgekommen. Daraufhin sei das gesamte Gelände mit Absperrgittern und mehrreihigen Polizeiketten umstellt worden. Die verbliebenen Teilnehmer seien eingekesselt worden und hätten mehrere Stunden in dem Kessel verbleiben müssen, bis dann der Abtransport in zwei Gelenkbussen sowie kleineren Gefangenentransportern zur Gefangenensammelstelle nach Brühl erfolgt sei. Dort habe sich die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung bis zum Vor- mittag des 10.08.2003 hingezogen, erst danach seien sie freigelassen worden.
6Das Gericht hat das Verfahren abgetrennt, soweit sich die Klägerin (auch) gegen die nach Auflösung der Versammlung ergangenen polizeilichen Maßnahmen wendet (und unter dem Aktenzeichen 20 K 1709/06 fortgeführt).
7Soweit sich die Klägerin zunächst auch gegen das gegen 11.00 Uhr ausgesprochene Betretungsverbot für das Grenzcamp" gewandt hat, haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006 den Rechtsstreit im Anschluss an eine vom Beklagten hierzu abgegebene Erklärung insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
8Im vorliegenden Verfahren beantragt die Klägerin nunmehr,
91. festzustellen, dass die Einrichtung der Kontrollstellen nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 PolG am 09.08.2003 - Alfred-Schütte-Allee und Am Schnellert" - bezüglich den Versammlungsteilnehmern der ange- meldeten Versammlung Grenzcamp rechtswidrig war, soweit sie sich ausweisen lassen mussten,
102. festzustellen, dass die Auflösungsverfügung des Beklagten vom 09.08.2003 rechtswidrig war.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er hält die noch streitgegenständlichen Maßnahmen für rechtmäßig. Bereits im Vorfeld der Versammlung habe er deutlich gemacht, dass die Polizei allen erkennbaren Absichten zur Ausübung von Gewalttätigkeiten und anderen Straftaten konsequent entgegenwirken sowie Straftaten konsequent verfolgen werde. Für Samstag, den 09.08.2003, habe eine der rechtsextremen Szene zuzuordnende Person eine Versammlung (Aufzug mit Kundgebungen) angemeldet, die in Köln-Poll, ca. 2 km vom Grenzcampgelände entfernt, stattfinden sollte. Die dem Veranstalter am 06.08.2003 ausgehändigte Anmeldebestätigung sei diesem von Unbekannten an einer U-Bahn-Haltestelle entwendet worden. Dem Schriftstück sei der bestätigte Aufzugsweg zu entnehmen gewesen, den man bis dahin nicht veröffentlicht habe. In der Nacht zum Samstag seien immer wieder Einzelpersonen und kleinere Personengruppen aus dem Grenzcamp im Stadtteil Poll beobachtet worden. In den Morgenstunden des Samstags hätten Polizeikräfte entlang des Aufzugsweges Depots mit Wurfmaterialien (Steine, Farb- und Fäkalienbeutel) entdeckt; an den bereit gestellten polizeilichen Absperrgittern seien die Sicherungsschlösser beschädigt worden und die Gitter mit Fäkalien beschmiert worden. Vor dem Hintergrund dieser Geschehnisse sei zum Schutz der angemeldeten rechtsextremen Versammlung am 09.08.2003 mit Zustimmung der Bezirksregierung Köln im Umfeld des Grenzcampgeländes ab ca. 10.30 Uhr je eine Kontrollstelle in der Alfred- Schütte-Allee", der Straße Am Schnellert" sowie am linksrheinischen Aufgang zur Südbrücke eingerichtet worden gem. § 12 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW, um zu erwartende Straftaten nach § 27 VersG zu verhüten. Die Sperrstellen in der Alfred- Schütte-Allee" und in der Straße Am Schnellert" hätten sich nicht direkt am Grenz- campgelände, sondern in einer Entfernung von etwa 400 - 500 m befunden, auch um die Teilnehmer des Grenzcamps nicht durch eine Polizeipräsenz in unmittelbarer Nähe zu provozieren. Die räumliche Distanz habe zur Folge gehabt, dass jeder, der die Landzunge zu verlassen gedachte, die Sperrstellen passieren musste. Auch Anwohner, Spaziergänger und andere Personen seien unmittelbar von dieser Maßnahme betroffen gewesen. Es sei nicht darum gegangen, die Teilnahme an oder das Verlassen der Versammlung Grenzcamp" zu be- oder verhindern. Zweck der Einrichtung der Kontrollstellen sei ausschließlich der Schutz der Versammlung der rechtsextremen Szene gewesen. Es sei zwingend davon auszugehen gewesen, dass eine gewaltsame Verhinderung bzw. Störung der Versammlung der rechtsextremen Szene konkret geplant gewesen sei. Ebenso habe kein Zweifel daran bestanden, dass sich Teilnehmer des Grenzcamps an diesen Aktionen zu beteiligen gedachten, zumal die rechtsextreme Szene gegen das 6. Antirassistische Grenzcamp in Köln- Poll" (so wörtlich angemeldet) zu demonstrieren gedachte. Es sei von Grenzcampteilnehmern versucht worden, die in der Alfred-Schütte-Alle" eingerichtete Kontrollstelle zu umgehen und im Camp sei über Lautsprecher zum Verlassen des Geländes über die Südbrücke aufgerufen worden. Als eine große Personengruppe auf die Südbrücke gedrängt sei, auf der sich eine Schienentrasse und teilweise in der Sanierung befindliche Gehwege befunden hätten, habe der rechtsrheinische Zugang zur Südbrücke von Einsatzkräften gesperrt werden und die Südbrücke von Personen geräumt werden müssen. An diesem Zugang zur Südbrücke sei um 11.11 Uhr eine zusätzliche Kontrollstelle nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW eingerichtet worden. Diese habe sich unmittelbar am Eingangsbereich des Grenzcampgeländes befunden, dort habe die Lage gegen 12.16 Uhr zu eskalieren begonnen. Die dort eingesetzten Polizeikräfte seien gewalttätigen Angriffen von Grenzcampteilnehmern ausgesetzt gewesen. Aus einer dicht gedrängten Gruppe von etwa 100 bis 150 Personen seien die Beamten mit Obst, Gemüse, Fäkalienbeuteln und Steinen beworfen worden. Einige dieser Personen seien vermummt gewesen. Darüber hinaus sei beobachtet worden, dass Personen unter der Südbrücke Steine und Holzlatten deponiert hätten. Zum Schutz der Einsatzkräfte an der Kontrollstelle sowie zur Festnahme erkannter Straftäter seien Einsatzkräfte von der Kontrollstelle Am Schnellert" in Richtung der Störer vorgerückt und hätten eine Polizeikette gebildet. Aus der Gruppe vor der Polizeikette seien die Polizeikräfte nochmals mit Obst, Gemüse, Fäkalienbeuteln, gefüllten Wasserflaschen und vereinzelt mit Steinen beworfen worden, zudem seien die Einsatzkräfte mit Wasser bespritzt worden. Zwischen der Personengruppe unmittelbar vor der Polizeikette und den restlichen Personen auf dem Gelände des Grenzcamps sei es auch während des Bewurfs der Polizeikräfte zu ständigen Bewegungen gekommen. Es seien auch Personen, die an den Ausschreitungen teilgenommen hätten, aus dem Grenzcamp heraus in Form von Anfeuerungsrufen und den Rufen von Parolen gegen die Polizei unterstützt worden. Die Versammlung Grenzcamp" sei um 18.18 Uhr in rechtmäßiger Weise aufgelöst worden, denn die Angriffe der Versammlungsteilnehmer gegen die Integrität der eingesetzten Beamtinnen und Beamten sowie die nachhaltige Verletzung der Rechtsordnung (u.a. Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung) hätten eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dargestellt. Der Auflösung seien stundenlange Vermittlungsversuche, auch unter Einschaltung dritter Personen als Vermittler, vorangegangen. Dabei habe die Polizei immer wieder herausgestellt, dass die eingerichteten Sperrstellen ausschließlich dem Schutz der nicht verbotenen rechten Versammlung in Köln-Poll, die bis um 17.00 Uhr dauern sollte, gedient habe. Letztlich seien sämtliche Versuche, die Lage mittels Gesprächen mit den Verantwortlichen des Camps zu beruhigen, gescheitert. Im Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung sei davon auszugehen gewesen, dass es auch bei einer Beendigung des Polizeieinsatzes, verbunden mit der Entfernung der Sperrstellen und dem Abzug sämtlicher Polizeikräfte, nicht zu einer ruhigen und ordnungsgemäßen Fortsetzung der Aktivitäten der Grenzcampteilnehmer gekommen wäre. Vielmehr habe befürchtet werden müssen, dass dem Ende des Polizeieinsatzes ein Entladen der aufgestauten Aggressionen seitens der Campteilnehmer folgen würde. Die Auflösung sei damit Folge der gewaltsamen Auseinandersetzungen an diesem Tage gewesen, andererseits hätten aber auch die im Zeitraum vom 31.07. bis zum 08.08.2003 begangenen Straftaten, die den Teilnehmern des Grenzcamps zuzurechnen gewesen seien, zu der Entscheidung beigetragen. So sei am 08.08.2003 ein Kradfahrer der Polizei auf der Alfred-Schütte-Allee" von mehreren Grenzcampteilnehmern gewaltsam an der Weiterfahrt gehindert worden. Mehrere Personen hätten auf das Krad eingeschlagen und dabei sei die Antenne abgebrochen. Als weitere Polizeikräfte eingetroffen seien, sei einer Beamtin aus der Gruppe heraus die zu Beweiszwecken eingesetzte Videokamera geraubt worden. Der Täter sei unerkannt mit der Kamera auf das Grenzcampgelände geflüchtet. Auch in den Vortagen hätten Grenzcampteilnehmer an verschiedenen Orten mehrere Straftaten begangen; wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten wird insoweit auf Bl. 60, 61 der Gerichtsakte verwiesen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten eingereichten Verwaltungsunterlagen und auf die von ihm vorgelegten zwei Videokassetten Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.
17Im Übrigen hat die Klage teilweise - im Klageantrag zu 2. - Erfolg.
181. Der Klageantrag zu 1. ist unzulässig.
19Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit um eine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO handelt, da die Einrichtung einer polizeilichen Kontrollstelle als solche einen Realakt darstellt,
20vgl. Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz NRW, 9. Auflage, § 12 Rdnr. 25,
21oder aber um eine Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Hinblick darauf, dass die Klägerin geltend macht, mit den an den beiden Kontrollstellen durchgeführten Ausweiskontrollen habe der Beklagte gezielt versucht, die Identität der Teilnehmer der Versammlung Grenzcamp" zu ermitteln. Jedenfalls fehlt es der Klägerin an dem nach beiden Vorschriften erforderlichen berechtigten Interesse an der von ihr begehrten Feststellung. Dass ein solches Interesse unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr vorläge, ist weder hinreichend substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich. Die von der Klägerin im Jahre 2003 in Köln angemeldete Versammlung Grenzcamp" hatte zuvor in jeweils verschiedenen anderen Städten stattgefunden, nach dem Jahre 2003 - soweit bekannt - überhaupt nicht mehr. Des Weiteren ist das Vorliegen des erforderlichen berechtigten Interesses in Fällen gewichtiger Grundrechtseingriffe zu bejahen, sofern Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren in dem dafür verfügbaren Zeitraum typischerweise nicht erreichbar ist. Im Bereich des Versammlungsrechts führt der Sofortvollzug behördlicher Maßnahmen in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Weise. Zudem sind in versammlungsrechtlichen Verfahren die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse liegt stets vor, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt.
22Vgl. BVerfG, BVerfGE 110, 77 = DVBl. 2004, 822.
23Dies ist hier nicht gegeben: Zwar war die Klägerin Anmelderin und am 09.08.2003 Leiterin der Versammlung Grenzcamp". Durch die Einrichtung der beiden Kontrollstellen und die dort durchgeführten Ausweiskontrollen wurde indes in die Durchführung und den Ablauf dieser Versammlung nicht unter Verletzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 GG eingegriffen. Der Beklagte hat vielmehr ausdrücklich und substantiiert vorgetragen, dass sich die Einrichtung der beiden Kontrollstellen am 09.08.2003 nicht gegen die Versammlung Grenzcamp" richtete bzw. einer Beschränkung oder Behinderung des Zugangs und des Weggangs zu und von dieser Versammlung, sondern ausschließlich dem Schutz der an diesem Tage ebenfalls stattfindenden rechtsextremen Versammlung ca. 2 km entfernt in Köln-Poll diente, nämlich um bezogen auf diese Versammlung Straftaten nach § 27 VersG zu verhüten. Hierzu hat der Beklagte auch, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2006 durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgewiesen hat, die erforderliche Zustimmung der Bezirksregierung Köln eingeholt. Es war auch vorgesehen, die beiden Kontrollstellen nach Abschluss der rechten Demonstration um 17.00 Uhr wieder zu entfernen (nachdem ihr Zweck erfüllt war). Es ist weder von der Klägerin substantiiert vorgetragen worden noch ansonsten er- kennbar, dass durch die Einrichtung der beiden Kontrollstellen am 09.08.2003 um 10.30 Uhr Teilnehmern der bereits seit dem 01.08.2003 stattfindenden Versammlung Grenzcamp faktisch der Zugang zum Grenzcampgelände oder dessen Verlassen in unzumutbarer Weise erschwert worden wäre. Was die Grenzcampteilnehmer anbetrifft, die sich am 09.08.2003 an den Kontrollstellen ausweisen mussten, kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei der vorgenommenen Identitätsfeststellung mittels Anhaltung um eine tiefgreifende Grundrechtseinschränkung handelte. Dass es sich bei dem Vorbringen des Beklagten - wie die Klägerin meint - um eine Schutzbehauptung handele, die nur vorgeschoben sei, um eine in Wirklichkeit beab- sichtigte Disziplinierung" der Campteilnehmer zu verschleiern, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die beiden Sperrstellen in der Alfred-Schütte-Allee" und in der Straße Am Schnellert" hatten sich nicht direkt am Grenzcampgelände, sondern in einiger Entfernung davon befunden, so dass auch andere Personen diese passieren und sich kontrollieren lassen mussten. Allerdings hatte die Einrichtung der Kontrollstellen für alle Versammlungsteilnehmer auf dem Grenzcampgelände zur Folge, dass sie im Zeitraum deren Bestehenbleibens nicht nach Köln-Poll gelangen konnten, ohne kontrolliert zu werden. Insoweit ist aber die Einschätzung des Beklagten auf Grund der von ihm gewonnenen Erkenntnisse, an deren Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln besteht, nicht zu beanstanden, dass gerade aus dem Kreis der Grenzcampteilnehmer heraus die Begehung von Straftaten nach § 27 VersG im Zusammenhang mit der rechtsextremen Demonstration in Köln-Poll zu befürchten war.
242. Der Klageantrag zu 2. ist zulässig und begründet.
25Betreffend die vom Beklagten verfügte Auflösung der Versammlung Grenzcamp" am 09.08.2003 ist die Klage der Klägerin als Versammlungsleiterin an diesem Tage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt - wie bereits oben ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets vor, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn also die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder - wie vorliegend - die Versammlung aufgelöst worden ist.
26Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Die am 09.08.2003 um 18.18 Uhr vom Beklagten ausgesprochene Auflösung der Versammlung Grenzcamp" war rechtswidrig.
27Nach der seinerzeitigen Fassung des § 15 Abs. 2 VersG (heute: § 15 Abs. 3 VersG) konnte der Beklagte als zuständige Behörde die Versammlung auflösen, wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Abs. 1 gegeben waren. Ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersG kann ausgesprochen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen (noch) im Zeitpunkt des Erlasses der Auflösungsverfügung um 18.18 Uhr vorlagen, hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan. Zur Begründung seiner - in seinem Ermessen stehenden - Auflösungsverfügung hat er per Lautsprecherdurchsage den Versammlungsteilnehmern mitgeteilt: Aus ihrer Mitte wurden Straftaten in Form von Steinwürfen und Vermummung begangen und die Versammlung hat einen gewalttätigen Verlauf genommen." Die vom Beklagten angeführten gewalttätigen Auseinandersetzungen und die Angriffe von Versammlungsteilnehmern gegen die Polizeikräfte - deren Umfang im Übrigen zwischen den Beteiligten streitig ist - hatten indes am Mittag des 09.08.2003 stattgefunden. Dies ergibt sich sowohl aus der Dokumentation der Ereignisse im Verwaltungsvorgang des Beklagten als auch aus den Angaben des zuständigen Einsatzabschnittsleiters des Beklagten, Herrn T. , in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006. Auch aus den beiden vom Beklagten vorgelegten Videokassetten, die Aufzeichnungen vom Kontrollpunkt Am Schnellert" sowie den Auseinandersetzungen zwischen Campteilnehmern und Polizeikräften im Ein- gangsbereicht des Grenzcamps enthalten, ergibt sich nichts anderes. Aus den Videoaufnahmen ist ersichtlich, dass die am Eingang des Grenzcamps zusammengekommenen Personen sich handgreifliche Auseinandersetzungen mit den dort eingesetzten Polizeikräften geliefert hatten, mehrere dieser Personen hatten sich mittels vor ihre Gesichter gezogener Halstücher vermummt. Aus ihren Reihen wurden jedenfalls auch Pet-Flaschen mit Wasser sowie Obst auf die Polizisten geworfen. Ob es darüber hinaus auch zu Steinwürfen gegen die Polizeikette gekommen ist, ist auf den beiden Videobändern nicht zu erkennen. Jedoch hat der zuständige Einsatzabschnittsleiter des Beklagten, Herr T. , in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006 auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt, dass er selbst mitbekommen habe, dass Steine in seiner Nähe geworfen worden waren. An dieser Darstellung zu zweifeln, sieht die Kammer keinen Anlass. Es muss aber nach den zur Zeit des Erlasses der Auflösungsverfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet sein. Zur Annahme einer solchen Gefährdung genügt nicht eine abstrakte Gefahr, die Ge- fährdung muss vielmehr nach dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge unmittelbar bevorstehen, der Eintritt der Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit in aller Kürze zu erwarten sein.
28Vgl. OVG NRW, NVwZ 1989, 886 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG; Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl., § 15 Rdnr. 127.
29Vorliegend ist es zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig, dass es in den letzten Stunden vor der Auflösungsverfügung - im Wesentlichen ab 13.00 Uhr - zu keinen gezielten Aktionen seitens der Demonstranten gekommen ist. Der letzte Aufruf der Einsatzleitung der Polizei, den Bewurf der Beamten zu unterlassen, ist laut des Einsatzprotokolls um 12.41 Uhr erfolgt. Danach haben mehrstündige Verhandlungen stattgefunden, über deren Verlauf und evtl. Ergebnisse keine schriftlichen Aufzeichnungen des Beklagten vorliegen. Auch die Angaben der Beteiligten in den beiden mündlichen Verhandlungen haben insoweit keinen hinreichenden Aufschluss erbracht. Verbleibende Zweifel, insbesondere zur weiteren Entwicklung der Lage am Demonstrationsort, gehen zu Lasten des Beklagten, der die Beweislast dafür trägt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für den Erlass der Auflösungsverfügung vorlagen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Auflösung einer Versammlung das letzte, äußerste Mittel zur Abwehr der von ihr ausgehenden Gefahren darstellt.
30Vgl. BVerfG, NVwZ 2005, 80 und NVwZ 2004, 90; BVerwG, BVerwGE 64, 55; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 15 Rdnr. 145 ff. m.w.N.
31Solche Gefahren sind im Verwaltungsvorgang des Beklagten allenfalls dokumentiert bis 12.41 Uhr. Danach wurden die bezeichneten stundenlangen Verhandlungen mit den Versammlungsteilnehmern unter Einschaltung von dritten Personen als Vermittler geführt, bis dann - nach Angaben der Klägerin für die Versammlungsleitung überraschend - die Auflösung erfolgte. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Polizei bei ihrer Gefahrenprognose ein nicht geringer Einschätzungsspielraum zuzubilligen ist; es ist jedoch die Annahme, dass noch um 18.18 Uhr ein erhebliches Gefährdungspotential von den Ver- sammlungsteilnehmern ausging, nicht hinreichend belegt. Fest steht jedenfalls, dass sich die vom Beklagten zur Mittagszeit als eskaliert bezeichnete Lage beruhigt hatte, und zwar bereits über einen mehrstündigen Zeitraum hinweg. Darüber hinaus war im Zeitpunkt der Auflösung die Demonstration der rechtsextremen Szene auch schon seit über einer Stunde beendet und somit als Reizobjekt für die Grenzcampteilnehmer nicht mehr vorhanden. Der Beklagte hat jedoch ersichtlich die Auflösungsverfügung im Hinblick auf die Ereignisse in den Mittagsstunden als gerechtfertigt angesehen, die sich im Anschluss an das Vorrücken der Polizeikräfte zum Campeingang an der Südbrücke nach seiner Darstellung abgespielt hatten. Dies reicht indes - ohne Berücksichtigung und Gewichtung der seit mehreren Stunden beruhigten Situation zwischen den Grenzcampteilnehmern und der Polizei sowie des Endes der rechtsradikalen Demonstration - zur Begründung der um 18.18 Uhr zu treffenden Gefahrenprognose nicht aus. Hinzu kommt, dass sich von den ca. 700 auf dem Gelände befindlichen Personen schätzungsweise - nach Anschauung des vorgelegten Videomaterials - nur ca. 100 Personen an den unfriedlichen Aktionen beteiligt hatten. Ebensowenig ist (die vom Beklagten zusätzlich angeführte) Berufung auf in den Vortagen von Gruppen der Versammlungsteilnehmer außerhalb des Grenzcampgeländes begangene Straftaten - die allerdings in keiner Weise zu bagatellisieren sind - ausreichend zur Rechtfertigung der getroffenen Gefahrenprognose.
32Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO.