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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.¬¬
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 83.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin und einer eventuell nachfolgenden Klage gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheides der An- tragsgegnerin vom 12.4.2012 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches anordnen, wenn das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der nach § 37 AEG gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung des Bescheides überwiegt. Dies ist der Fall, wenn sich der Bescheid bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Bescheide ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ist jedoch regelmäßig nur insoweit zu berücksichtigen, als sie schon bei summarischer Prüfung überschaubar ist. Eine abschließende Überprüfung des angefochtenen Bescheides ist nicht gefordert.
6Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 25.08.2000 - 20 B 959/00 - m. w. N.
7Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil die Erfolgsaussichten eines ggf. anzustrengenden Hauptsacheverfahrens derzeit offen sind und ein überwiegendes privates Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung nicht besteht.
8Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung lässt keines der von der An-tragstellerin vorgebrachten Argumente gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.4.2012 dessen offensichtliche Rechtswidrigkeit in einem bestimmten Punkt erkennen.
9Das gilt zunächst für die aufgeworfene Frage, ob eine Einzelfallentscheidung nach § 14 f Abs. 3 AEG vorliegend systemfremd und rechtswidrig ist, weil die Antrags-gegnerin das angewendete Preissystem einschließlich des Zuglängenfaktors im Übrigen als Übergangslösung für das Jahr 2012 duldet und auch bereits zuvor der Neufassung der Schwellenwerte der Zuglängenfaktoren im Rahmen der Vorabprüfung nicht widersprochen hat, obwohl die Modifizierung dieser Preiskomponente Gegen-stand der Vorabprüfung war. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass die Anwendung des § 14 f Abs. 3 AEG hier - letztlich wegen widersprüchlichen Verhaltens der Antragsgegnerin - offensichtlich rechtswidrig wäre. Denn die Antragsgegnerin hat das Stationspreissystem im Rahmen der Prüfung nach § 14 e AEG nicht etwa als rechtmäßig angesehen, sondern sich lediglich - im Hinblick auf die Interessen der Antragstellerin - für eine Übergangszeit damit einverstanden erklärt, dass das Preissystem angewandt wird, obwohl sie es für rechtswidrig erachtet. Ein Einschreiten zugunsten der Beigeladenen nach § 14 f Abs. 3 AEG ist hier auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.9.2011 ausdrücklich gegenüber der Antragstellerin erklärt hat, dass sie das Stationspreismodell bis Ende 2012 dulden werde. Denn selbst wenn man dieses Schreiben als Zusicherung i. S. d. § 38 VwVfG verstünde, in dem genannten Zeitraum nicht gegen das Stationspreissystem der Antragstellerin vorzugehen, bezöge sich diese Zusicherung nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht auf den Fall der Beigeladenen. Denn dieser wurde in dem genannten Schreiben ausdrücklich erwähnt und als im Einzelfall klärungsbedürftig beschrieben. In diesem Sinne war dort bereits vorgesehen, für den Fall der Beigeladenen ggf. eine Sonderregelung zu treffen.
10Es lässt sich zur Überzeugung der Kammer auch nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Antragsgegnerin nach § 14 f Abs. 3 AEG hier offensichtlich nicht vorlägen.
11Dabei muss zunächst einer Prüfung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob der Antragsgegnerin im Rahmen der Entscheidung nach § 14 f Abs. 3 AEG Ermessen eingeräumt ist
12Vgl. hierzu bereits Beschluss der Kammer vom 26.4.2012 - 18 L 477/12 -.
13Ferner lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht abschließend klären, ob ein Verstoß gegen § 14 Abs. 5 AEG im Sinne eines aus den Grundsätzen des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB abgeleiteten Behinderungsmissbrauchs vorliegt, weil der mit dem Stationspreismodell 2011 veränderte Zuglängenfaktor für die Beigeladene eine Steigerung der Kosten für Stationshalte um 63% bewirkte. Die Kammer hat erhebliche Zweifel, ob die Rechtsauffassung der Antragstellerin, wonach § 14 Abs. 5 AEG nur dem Zweck dient, den Wettbewerb als solchen zu schützen, und deshalb ein Verstoß gegen § 14 Abs. 5 AEG erst vorliegt, wenn eine Wettbewerbsbeeinträchtigung jenseits einer singulären, individuellen Betroffenheit festgestellt werden kann, zutrifft. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 5 AEG diese Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht zu stützen vermag. Soweit die Antragstellerin auf die Rechtsprechung und Literatur zu § 19 GWB Bezug nimmt, ist allerdings zu beachten, dass das GWB im Ausgangspunkt das Bestehen eines Wettbewerbs voraussetzt, während im Fall der Antragstellerin nicht nur eine marktbeherrschende, sondern eine echte Monopolstellung vorliegt. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin als echter Monopolist im Konzern mit einem - im Schienenpersonenfernverkehr - marktbeherrschenden Unternehmen verbunden ist. Inwieweit sich daraus für die Auslegung des § 14 Abs. 5 AEG Unterschiede zu der Auslegung des § 19 GWB ergeben, vermag die Kammer im vorliegenden Verfahren nicht abschließend zu klären.
14Ferner ist es aus Sicht der Kammer nicht ausgeschlossen, dass der Wettbewerb als solcher beeinträchtigt wird, wenn eine Maßnahme nur einen Wettbewerber besonders hart trifft. Dies kann gerade dann der Fall sein, wenn - wie hier - der Markt nahezu vollständig von einem einzigen Wettbewerber beherrscht wird und sich die Beschränkungen des Wettbewerbs tatsächlich nur anhand eines einzigen Falles zeigen.
15Die Frage, in wieweit hier eine missbräuchliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Beigeladenen i. S. d. § 14 Abs. 5 Satz 1 AEG vorliegt, bedarf ebenfalls einer Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Dabei sind zunächst die Maßstäbe zu klären, nach denen das Vorliegen einer missbräuchlichen Beeinträchtigung angenommen werden kann. Nach dem gegenwärtigen Stand der Prüfung geht die Kammer jedenfalls davon aus, dass eine parallele Betrachtung der Veränderung des Preissystems der Antragstellerin einerseits und des Betriebskonzepts der Beigeladenen andererseits die Annahme einer missbräuchlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs jedenfalls nicht als von vornherein ausgeschlossen erscheinen lässt.
16Auch die Frage, in wieweit ein sachlicher Grund für die Modifikation des Zuglängenfaktors vorliegt, lässt sich hier nicht abschließend beurteilen. Die Kammer hat jedenfalls Zweifel, ob der neue Schwellenwert von 170 m in einer Weise plausibilisiert wurde, die für eine derart starke Preisdifferenz der Halte von Zügen mit weniger oder mit mehr als 170 m Länge verlangt werden muss. Eine Veränderung des Faktors von 1,2 auf 3,0 in Abhängigkeit davon, ob ein Zug länger als 170 m ist, bedürfte zur Überzeugung der Kammer einer nachvollziehbaren Begründung entweder hinsicht-lich der bei der Antragstellerin entstehenden Kosten oder aber in Bezug auf den bei den Zugangsberechtigten entstehenden Vorteil.
17VG Köln, Beschluss vom 26.02.2010 - 18 L 51/10 -; OVG NRW
18Beschluss vom 23.03.2010 - 13 B 247/10 -.
19Soweit ersichtlich hat die Antragstellerin eine derartige Plausibilisierung bislang noch nicht geleistet. Soweit sich die Antragstellerin vorliegend auf die unterschiedlichen Regelbahnsteiglängen berufen hat, hat sie nicht plausibel gemacht, aus welchem Grund sie von den vorgegebenen insgesamt 9 Regelbahnsteiglängen gerade zwei herausgegriffen hat und vor allem, aus welchem Grund sie gerade bei der Regelbahnsteiglänge von 170 m einen Sprung des Zuglängenfaktors von 1,2 auf 3,0 als sachlich gerechtfertigt ansieht. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Anforderungen an die Plausibilisierung eines Preisunterscheidungskriteriums umso strenger sind, je höher die sich ergebende Preisdifferenz ist.
20Auch soweit die Antragsgegnerin die Antragstellerin in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides vom 12.4.2012 verpflichtet, die Stationspreise erst ab der tatsächlichen Betriebsaufnahme von der Beigeladenen einzufordern und entsprechend bei dem nach Satz 1 zu unterbreitenden Angebot zu berücksichtigen, vermag die Kammer die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht festzustellen.
21Soweit diese Verfügung sich auf angemeldete Stationshalte in der Zeit vom 1.1.2012 bis zu einem Vertragsabschluss zwischen den Beteiligten bezieht, spricht Vieles dafür, dass die Antragstellerin die diesbezüglichen Entgelte schon deshalb nicht fordern könnte, weil es ihr an einer entsprechenden vertraglichen Grundlage fehlte. Solange die Beigeladene nicht einen Stationsnutzungsvertrag unterschrieben hat, der in § 3 vorsieht, dass auch nicht wahrgenommene, aber angemeldete Stationshalte bezahlt werden müssen, hat die Antragstellerin keine zivilrechtliche Grundlage für einen derartigen Anspruch. Die Anordnung der Antragstellerin geht bezüglich dieses Zeitraums ins Leere.
22Soweit sich die Anordnung der Antragstellerin auf einen Zeitraum zwischen einem gedachten Vertragsabschluss und der tatsächlichen Betriebsaufnahme bezieht, hat die Kammer zwar gewisse Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung. Denn vorliegend könnte sich der Fall so darstellen, dass sich die Betriebsaufnahme der Beigeladenen allein aus Gründen verzögerte, die in ihrer Sphäre liegen. Dass es der Antragstellerin in diesem Fall wegen eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 AEG versagt sein sollte, angemeldete, aber nicht genutzte Stationshalte einzufordern, begegnet Bedenken. Umgekehrt wird aber in einem bei der Kammer bereits anhängigen Hauptsacheverfahren allgemein zu klären sein, inwieweit die Antragstellerin berechtigt ist, - aus Gründen, die in ihrem Kalkulationsverfahren liegen - von Zugangsberechtigten das volle Entgelt für angemeldete, aber tatsächlich nicht genutzte Stationshalte zu verlangen. Mit Rücksicht darauf vermag die Kammer auch bezüglich dieser Fragestellung nicht die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Anordnung zu erkennen.
23Soweit die Antragstellerin sich hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung im Wesentlichen auf die Rechtswidrigkeit der ihr zugrundeliegenden Anordnungen beruft, vermag die Kammer eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ebenfalls nicht festzustellen. Das gilt auch hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes.
24Da die Erfolgsaussichten somit nach dem derzeitigen Verfahrensstand offen sind, überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht bereits aus diesem Grund das durch § 37 AEG vorgesehene öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.
25Die von der Antragstellerin geltend gemachten Nachteile überwiegen auch im Übrigen nicht das öffentliche Interesse an dem Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides. Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein umsatzstarkes Unternehmen mit einer hohen wirtschaftlichen Kraft. Dem von ihr bezifferten Ausfallrisiko in Höhe von 83.000,- Euro steht ein Jahresumsatz für 2010 von 1,033 Mrd. Euro gegenüber. Ein gewichtiges Interesse der Antragstellerin für eine Abweichung von der Regelwertung des Gesetzgebers lässt sich daraus nicht ableiten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die um 83.000,- Euro geminderten Entgelte der Antragstellerin nur vorläufig entgehen und dass nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht glaubhaft gemacht ist, dass die Beigeladene diese Entgelte später ggf. nicht wird entrichten können. Im Hinblick auf das öffentliche Vollziehungsinteresse ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass im Schienenpersonenfernverkehr bislang keine nennenswerten wettbewerblichen Aktivitäten von nicht mit der Antragstellerin im Konzern verbundenen Unternehmen festzustellen sind und hier eine erhebliche Mehrbelastung für einen neu eintretenden Wettbewerber in Rede steht. Hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides zu der Entrichtung der Stationsentgelte ist bei der Interessenabwägung schließlich zu berücksichtigen, dass die bislang bei der Antragstellerin entstandene Kostenunterdeckung zum überwiegenden Teil nicht auf der Anordnung der Antragsgegnerin beruht, sondern maßgeblich auf den Umstand zurückzuführen ist, dass zwischen den Beteiligten noch kein Stationsnutzungsvertrag geschlossen wurde, der den Anspruch auf Zahlung von Stationsentgelten erst begründet.
26Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene hier einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der von der Antragstellerin geltend gemachten Höhe des von ihr befürchteten Entgeltausfalls.