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Es wird festgestellt, dass
der von dem Beklagten verfügte Platzverweis in der Nacht vom 26. auf den 27.07.2013 für den gesamten Stadtteil Köln-Kalk soweit er die Klägerin betrifft rechtswidrig war,
die Ingewahrsamnahme der Klägerin durch den Beklagten in der Nacht vom 26. auf den 27.07.2013 rechtswidrig war,
die Anordnung des Beklagten an die Klägerin, sich vollständig einschließlich der Unterwäsche zu entkleiden, rechtswidrig war,
die zwangsweise vorgenommene vollständige Entkleidung rechtswidrig war,
die Anwesenheit und Mithilfe von männlichen Beamten während der Entkleidung rechtswidrig war,
das Verbringen in teilweise entkleidetem Zustand in eine andere Zelle rechtswidrig war,
die Weigerung, der Klägerin ein Telefon zum Zweck der Kontaktaufnahme zu einer Person ihres Vertrauens zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/6 und der Beklagte zu 5/6.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen.
3Am 27.07.2013 gegen 1:00 Uhr in der Nacht wurden Beamte des Beklagten wegen Ruhestörung durch eine Feier zu einem Einsatz in die S. Straße 00 nach Köln-I. /H. gerufen. Die Beamten trafen vor dem Wohnhaus und auf den Gehwegen stehend und sitzend sowie teilweise auf der Fahrbahn nach ihren Schätzungen ca. 50 bis 60 Personen an. Auch in dem Haus befand sich nach Schätzungen der Polizei eine größere Anzahl von Personen. Der für die Feier verantwortlichen Person wurde aufgegeben, die Verkehrsfläche zu räumen und für Ruhe zu sorgen. Der Verantwortliche kam der polizeilichen Aufforderung nach und veranlasste die Räumung der Straße. Im Verlauf des Polizeieinsatzes kam es dann aber zu einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer Bierflasche gegenüber einem benachbarten Bewohner des Hauses S. Str. 000. Dieser hatte zuvor Anzeige erstattet wegen Ruhestörung und sich wegen des Urinierens von Feiernden an seinen Zaun beschwert. Dem für die Feier Verantwortlichen wurde sodann die Auflösung der Feier auferlegt. Die dahingehende Anordnung wurde befolgt.
4Die Gäste der Feier verließen daraufhin nach und nach die S. Straße. Gegenüber einer Gruppe von 30 Personen wurden noch vor Ort, im Bereich S. Straße/ X. Straße, für die S. Straße und die Platzfläche Kalk-Post Platzverweise ausgesprochen, nachdem diese sich – so die Beklagtenangaben – lautstark für ein Treffen auf der Platzfläche Kalk Post verabredet hatten. Dem Platzverweis betreffend die S. Straße wurde nachgekommen.
5Nachfolgend kam auf der Platzfläche Kalk Post eine Gruppe von 20-30 Personen zusammen, die nach Beklagtenangaben im weiteren Verlauf auf rund 60 Personen anwuchs. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Personen, die zu der Gruppe der Feiernden in der S. Straße gehört hatten.
6Das Verhalten der Personen auf der Platzfläche Kalk-Post, insbesondere das der Klägerin, ist zwischen den Beteiligten streitig.
7Die Einsatzkräfte des Beklagten sprachen – auf Anordnung des Einsatzleiters, des Zeugen PHK L1. - mittels eines Außenlautsprechers zweimal die Aufforderung aus, die Platzfläche Kalk Post sowie die Umgebung, den Stadtteil Kalk, zu verlassen und drohten die Ingewahrsamnahme für den Fall der Nichtbefolgung an. Der Großteil der Anwesenden kam der Aufforderung nicht nach.
8Nach Ausspruch der polizeilichen Verfügungen wurde dem Einsatzleiter über Funk mitgeteilt, dass es zu Flaschenwürfen auf die Einsatzkräfte gekommen sei. Zur anschließenden Räumung der Platzfläche setzten die Einsatzkräfte Pfefferspray und einen Polizeihund ein. Insgesamt waren letztlich über 30 Einsatzmittel, d.h. Streifenwagen mit je zwei Personen Besatzung, im Einsatz. Im Zuge der Räumung wurden insgesamt vier Personen in Gewahrsam genommen, neben der Klägerin auch die Zeugen C. und O. sowie Herr G. G1. .
9Das Verhalten der Klägerin im Vorfeld ihrer Ingewahrsamnahme ist zwischen den Beteiligten streitig.
10An der Ingewahrsamnahme der Klägerin waren die Zeugen POK C1. und PK X1. sowie PK´in M. und PK X2. beteiligt. Die Klägerin wurde von den Einsatzkräften vor Ort zunächst an Händen und Füßen fixiert.
11Anschließend wurde die Klägerin in Handschellen durch PK´in M. und PK X1. zum Polizeipräsidium in Köln-Kalk verbracht, wo sie um 2:40 Uhr durch den Polizeigewahrsamsdienst (PGD) in Gewahrsam genommen wurde. Nach Einlieferung wurde die Klägerin zunächst im Durchsuchungszimmer durch Abtasten oberhalb der Kleidung durchsucht. Dabei wurden ihr laut polizeilicher Dokumentation im Anhang zum Einlieferungsprotokoll (Bl. 86 des Verwaltungsvorganges) eine Tasche, eine Bankkarte, ein Handy sowie Schlüssel, ein Feuerzeug, zwei Stifte und 15 Euro Bargeld abgenommen. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,00 mg/l.
12Anschließend wurde die Klägerin in eine Zelle gebracht. Dort wurde sie durch die Zeugin PK´in I1. vom PGD – in Anwesenheit der Zeugin PK´in M. - aufgefordert, sich für die weitere Durchsuchung vollständig zu entkleiden. Die Klägerin weigerte sich, der Entkleidungsaufforderung nachzukommen, woraufhin ihr die Durchsetzung mittels Zwang angedroht wurde. Die Klägerin kam der Aufforderung unverändert nicht nach und versuchte die Vornahme abzuwenden. Die Zeugin PK´in I1. rief sodann um Hilfe. Daraufhin traten die Beamten des PGD, POK L2. und POK M1. , sowie der Streifenbeamte PK X1. hinzu und brachten die Klägerin zu Boden. Sie fixierten die Klägerin in Bauchlage an Armen und Beinen. Sodann wurde die Entkleidung der Klägerin vorgenommen und die körperliche Durchsuchung durchgeführt; der BH der Klägerin wurde dabei zerrissen. In dem Anhang zum Einlieferungsprotokoll wurde dazu polizeilich dokumentiert, dass nach der Durchsuchung ein zerrissener BH, eine Leggings und ein Shirt aus der Zelle entfernt wurden.
13Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in der Zelle über eine Durchsuchung hinaus auch eine Untersuchung stattgefunden und insoweit Anus und Vagina abgetastet wurden.
14Nachfolgend wurde die Klägerin über den Gang in eine andere Zelle verbracht. Dort wurde der Klägerin laut polizeilicher Dokumentation „Ersatzkleidung" zur Verfügung gestellt. Eine Fesselung der Klägerin erfolgte nicht, Lippen- und Nasenpiercing wurden ihr belassen.
15Die Klägerin bat anschließend um Wasser, welches ihr nicht umgehend, aber nach einer gewissen Zeit gereicht wurde. Ein von der Klägerin erbetenes Telefonat wurde ihr hingegen nicht ermöglicht.
16Im weiteren Verlauf des Gewahrsams wurde die Klägerin nochmals in eine andere Zelle gebracht. Eine richterliche Entscheidung wurde mangels Erreichbarkeit eines Bereitschaftsrichters nicht eingeholt.
17Gegen 6:00 Uhr wurde die Klägerin entlassen.
18Die Klägerin hat am 06.07.2014 zunächst nur einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und am 21.07.2014 Klage erhoben.
19Zur Klagebegründung macht die Klägerin geltend, der Platzverweis und die Ingewahrsamnahme seien rechtswidrig. Die ca. 50 Personen auf der Platzfläche in Köln-Kalk hätten in kleinen Gruppen zusammen gestanden oder gesessen. Es habe keine aggressiven Handlungen gegeben und auch keine Ruhestörungen, vielmehr habe eine ruhige und friedliche Atmosphäre bestanden. Sie hätten sich ohne besondere Abmachung und ohne besonderes Ziel nach der Partyauflösung von der S. Straße dorthin begeben. Die Polizei habe demnach ohne erkennbare Grund Platzverweise für den gesamten Stadtteil Köln Kalk ausgesprochen. Einige Personen hätten noch versucht, auf die Friedlichkeit der Ansammlung hinzuweisen. Sie habe zudem nichts mit der gefährlichen Körperverletzung zu tun, die zuvor auf der S. Straße durch eine ihr unbekannte Einzelperson begangen worden sei und sich auch nicht schon dort für eine Zusammenkunft auf der Platzfläche Kalk Post verabredet. Auch habe sie auf der Platzfläche weder versucht, zu dem fixierten Herrn O. zu gelangen, noch habe sie sich verbal aggressiv verhalten. Unzutreffend seien die Vorwürfe, sie habe bei der Ingewahrsamnahme Widerstand geleistet bzw. Beamte getreten und während des Transports Beleidigungen ausgesprochen. Dass weder von ihr noch von den Personen auf dem Platz Aggressivitäten ausgegangen seien, zeigten auch die vorgelegten Handyvideos. Die Polizei sei ohne Anlass körperlich und mit Pfefferspray vorgegangen. Das Video zeige auch, dass keine Flaschen geworfen worden seien, vielmehr hätten die Einsatzkräfte mit Schlagstöcken auf dem Boden stehende Bierflaschen zerschlagen. Im Übrigen sei der Platzverweis hinsichtlich des räumlichen Umfanges weder hinreichend bestimmt noch verhältnismäßig.
20Die im Polizeigewahrsam vorgenommene körperliche Durchsuchung sei - auch ungeachtet der Rechtswidrigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme - zu beanstanden. Die Maßnahme sei schon deshalb rechtswidrig, weil nicht jede in Gewahrsam genommene Person aufgrund einer generellen Anordnung einer Entkleidungsmaßnahme unterzogen werden dürfe. Die Anordnung sei hier darüber hinaus aber mangels Erforderlichkeit auch unverhältnismäßig. Es habe keine Anhaltspunkte für einen Drogenkonsum bzw. dafür gegeben, dass sie sicherzustellende Gegenstände versteckt habe. Selbst bei verbaler und körperlicher Aggressivität sei diese Maßnahme rechtswidrig. Im Übrigen fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage für die Entkleidungsanordnung, denn von § 39 PolG NRW sei nur die auf eine Duldung gerichtete Durchsuchungsanordnung gedeckt.
21Auch der Einsatz von männlichen Beamten bei der Durchsuchung sei rechtswidrig. Sie sei bereits durch zwei weibliche und auch drei männliche Beamte in die Zelle gebracht worden. Nachdem sie erklärt habe, sich nur in Abwesenheit der männlichen Beamten auszuziehen, hätten die männlichen Beamten die Zelle verlassen und die Tür eine Spalt breit offen gelassen. Sie habe dann den Beamtinnen nochmals gesagt, dass sie sich nicht entkleiden wolle. Die Zeugin PK´in I1. habe daraufhin direkt an ihrem Kleid und an ihren Haaren gezogen. Sie haben dann versucht, die Hand der Beamtin ohne Gewalt von ihrem Körper zu entfernen. Daraufhin habe die Beamtin sie an die Wand gedrückt und geschrien „Warum greifst Du mich an? Sie ist gewalttätig“. Dann seien die drei Beamten in die Zelle gestürmt und hätten sie mit dem Bauch auf den Boden gelegt. Die Beamten hätten auf ihrem Rücken und den Armen und Beinen gesessen. Man habe ihr das Kleid ausgezogen und an dem BH gezerrt, bis er abgerissen sei. Auch ihre Unterhose sei zerrissen worden. Ihre Beine seien nach außen und die Pobacken auseinandergedrückt worden. Sodann habe sie gespürt, wie mit Handschuhen versehene Hände außen und innen Po und Vagina betasteten. Sie könne nicht sagen, ob es sich dabei um Männer- oder Frauenhände gehandelt habe. Die danach hier vorgenommene Suche in Körperöffnungen bzw. das Betasten des Intimbereichs sei rechtswidrig.
22Nach der Durchsuchung sei sie in noch immer vollständig entkleidetem Zustand mit nach unten gedrücktem Kopf über den Gang - vorbei an anderen Polizeibeamten und Inhaftierten - in eine andere Zelle gebracht worden. Erst dort habe man ihr die Ersatzkleidung zugeworfen. Auch dies sei mit Art. 1 GG nicht vereinbar. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nicht jedenfalls ein Handtuch hätte vorgehalten werden können.
23Das Vorenthalten von Wasser verstoße gegen §§ 9, 11 der Polizeigewahrsamsordnung NRW. Die Verweigerung der Kontaktaufnahme mit einer Vertrauensperson widerspreche § 37 Abs. 2 S. 1 PolG NRW.
24Das nachfolgend gegen die Klägerin eingeleitete Strafverfahren (921 Js 1656/13) wurde hinsichtlich des Vorwurfs des Widerstandes gegen die polizeiliche Durchsuchungsmaßnahme am 13.01.2013 gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Soweit im Übrigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Beleidigung Anklage erhoben worden war, wurde die Klägerin mit Urteil des Amtsgerichts Köln (523 Ds 27/14) vom 15.12.2014 freigesprochen. Das Amtsgericht hat in den Gründen seines Urteils ausgeführt, beide Tatbestände hätten in der Hauptverhandlung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können. Zwar hätten die Polizeibeamten C1. , X2. und M. bekundet, dass die Angeklagte sich heftig gegen eine Ingewahrsamnahme gesperrt und hierbei auch beleidigend geäußert habe. Es blieben nach den Bekundungen der Zeugen jedoch Zweifel. Diese gründeten sich auf völlig unterschiedliche Schilderungen der Zeugen zu der Vorgeschichte der Ingewahrsamnahme. Der Zeuge C1. habe sich an einen Flaschenwurf der Angeklagte erinnert, der Anlass für die Ingewahrsamnahme gewesen sein solle. Der Zeuge X2. habe bekundet, dass die Angeklagte auf ihn und seine Kollegen zugelaufen sei. Die Zeugin M. habe hingegen davon gesprochen, dass die Angeklagte bei einer weiteren Ingewahrsamnahme fortlaufend gestört habe. Darüber hinaus stünden die Bekundungen der Zeugen nicht in Einklang mit Handyvideos, welche von der Angeklagten überreicht und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden seien. Diese Aufnahmen erfassten zwar nicht das gesamte Geschehen um die Angeklagte. Die Aufnahmen aber, die die Angeklagte unter anderem im Polizeigriff zeigten, würden belegen, dass die Angeklagte sich ruhig und nicht aggressiv verhalten habe.
25Die Klägerin hat ihrerseits mit Schreiben vom 08.11.2013 Strafanzeige erstattet u.a. wegen des Verdachts der Nötigung und der Körperverletzung im Amt im Hinblick auf die ihr gegenüber vorgenommenen Zwangsmaßnahmen im Polizeigewahrsam. Das daraufhin gegen die Beamten PK X1. , PK´in M. , PK L2. , PK M1. und PK´in I1. im März 2014 eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren (83 Js 213/14) wurde – nach Eingang anwaltlicher Stellungnahmen Mitte 2014 – im Hinblick auf das vorliegende Verfahren nicht mehr gefördert.
26Die Klägerin beantragt,
27festzustellen,
281.) dass der von dem Beklagten verfügte Platzverweis in der Nacht vom 26. auf den 27.07.2013 für den gesamten Stadtteil Köln-Kalk soweit er die Klägerin betrifft rechtswidrig war,
292.) dass die Ingewahrsamnahme der Klägerin durch den Beklagten in der Nacht vom 26. auf den 27.07.2013 rechtswidrig war
303.) dass die Anordnung des Beklagten an die Klägerin, sich vollständig einschließlich der Unterwäsche zu entkleiden, rechtswidrig war,
314.) dass die zwangsweise vorgenommene vollständige Entkleidung rechtswidrig war,
325.) dass die körperliche Untersuchung einschließlich der Körperöffnungen (Anus und Vagina) rechtswidrig war, hilfsweise dass das Abtasten der Körperöffnungen der Klägerin sowie das Auseinanderdrücken der Pobacken und Oberschenkel rechtswidrig war.
336.) dass die Anwesenheit und Mithilfe von männlichen Beamten während der Entkleidung und körperlichen Untersuchung rechtswidrig war,
347.) dass das Verbringen in vollständig entkleidetem Zustand vorbei an anderen männlichen Beamten und anderen Inhaftierten in eine andere Zelle rechtswidrig war,
358.) dass das Vorenthalten von Wasser zum Zwecke des Trinkens über einen Zeitraum von ca. 1 Stunde rechtswidrig war,
369.) dass die Weigerung, ihr ein Telefon zum Zweck der Kontaktaufnahme zu einer Person ihres Vertrauens zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig war.
37Der Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Der Platzverweis und die Ingewahrsamnahme der Klägerin seien nicht zu beanstanden.
40Die Klägerin habe der Störergruppe an der S. Straße und auch derjenigen auf der Platzfläche Kalk Post angehört. Die Personen hätten sich nach der Auflösung der Hausparty wegen der dortigen Ruhestörungen zielgerichtet auf die Platzfläche Kalk-Post begeben, um die Feier dort fortzusetzen. Von der Gruppe auf der Platzfläche sei erheblicher ruhestörender Lärm ausgegangen. Sie habe sich über den gesamten Einsatzverlauf hinweg als gewalttätig, verbal aggressiv und provokativ gegenüber den Einsatzkräften gezeigt. Die Personen seien teilweise stark alkoholisiert gewesen, was zu lautem Grölen und Brüllen geführt habe. Es sei zu Widerstandshandlungen und Flaschenwürfen gekommen. Im Übrigen sei um 2:30 Uhr, also mitten in der Nacht, bereits permanentes lautes Reden von rund 60 Personen auch bei friedfertigem Verhalten geeignet, die Schwelle der erheblichen Belästigungen zu überschreiten. Vor diesem Hintergrund seien zur Verhinderung weiterer Ruhestörungen sowie Körperverletzungs- oder Sachbeschädigungsdelikte gegen die gesamte Gruppe Platzverweise für den Bereich des Stadtteils Köln-Kalk ausgesprochen und die zwangsweise Durchsetzung angedroht worden. Dabei dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass es im Zuge der Auflösung der Hausparty bereits zu einer gefährlichen Körperverletzung gekommen sei. Die Gruppe sei der Anordnung nicht gefolgt, so auch die Klägerin. Die Anordnung des Platzverweises sei auch hinreichend bestimmt und die räumliche Ausdehnung rechtmäßig gewesen. Für die Klägerin als Adressatin sei erkennbar gewesen, was von ihr verlangt werde.
41Die Ingewahrsamnahme der Klägerin sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW zur Durchsetzung des Platzverweises unerlässlich gewesen. Es habe ausgereicht, diejenigen in Gewahrsam zu nehmen, die sich verbal und körperlich am aggressivsten verhielten und andere Personen anstachelten bzw. die aggressive Grundstimmung anheizten.
42Die Ingewahrsamnahme der Klägerin sei darüber hinaus auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW gerechtfertigt gewesen. Das Geschehen um die Ingewahrsamnahme sei tumultartig gewesen. Aus einer Gruppe um die Klägerin sei es zu Flaschenwürfen gegen Beamte gekommen. Die Klägerin habe wiederholt versucht, zu dem Zeugen O. vorzudringen, während dieser am Boden fixiert worden sei. Sie sei auf die Beamten zugelaufen, die mit dem Zeugen O. befasst gewesen seien. Der Anordnung, sich zu entfernen, sei sie nicht nachgekommen und habe sich verbal äußerst aggressiv verhalten. Auch der Einsatz einfacher körperlicher Gewalt (Zurückstoßen mit den Handballen) habe die Klägerin nicht abzuhalten vermocht. Sie sei dann zunächst durch Griffe an die Handgelenke fixiert worden. Dagegen habe sie sich vehement gewehrt und geschrien. Eine Beruhigung der Klägerin sei nicht möglich gewesen. Nach nochmaliger Androhung unmittelbaren Zwangs und weiterem Widerstand seien der Klägerin Handfesseln angelegt worden. Das Handy-Video zeige das Geschehen nur in Ausschnitten. Dass die Klägerin danach im Polizeigriff befindlich keinen Widerstand geleistet habe, habe keine Aussagekraft. Die unterschiedlichen Aussagen der Beamten im Strafverfahren ergäben sich aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Einsatzkräfte. Während des Transports zum PGD habe die Klägerin die Beamten als „Arschlöcher, Wichser“ bezeichnet, „die in der Hölle sterben würden“. Vor diesem Hintergrund sei mit der Begehung von (weiteren) Straftaten (Landfriedensbruch, Widerstandshandlungen, Beleidigungen und Körperverletzung gegen Beamte) seitens der Klägerin zu rechnen gewesen.
43Die im Polizeigewahrsam ergangene Anordnung an die Klägerin, sich zu entkleiden, sei gem. § 39 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW rechtmäßig gewesen. Die Ermächtigung, eine festgehaltene Person zu durchsuchen, werde konkretisiert durch § 6 der Polizeigewahr-samsordnung NRW sowie durch die Dienstanweisung für den PGD im PP Köln und für die Polizeigewahrsame in den Polizeiinspektionen vom 17.01.2013. Die Polizeigewahrsamsordnung NRW sehe vor, dass der Verwahrte bei seiner Einlieferung gründlich zu durchsuchen sei. Nach den Vorgaben der Dienstanweisung PGD werde keine Person ohne eine vorherige vollständige Durchsuchung einschließlich der Entkleidung in eine Zelle verbracht und dort eingeschlossen. Das Durchsuchungsteam sei dafür verantwortlich, dass die zugeführte Person in der Zelle über keine Gegenstände bzw. Substanzen mehr verfüge, mit denen sich die verwahrte Person selbst oder andere verletzen könne oder die sonst eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung im Polizeigewahrsam darstellen könnten. Um der Vielzahl der unterschiedlichsten Zuführungen gerecht werden zu können und Gefahren zu minimieren, seien diese Durchsuchungsstandards entwickelt worden. Die ausschließliche Berücksichtigung individueller Anhaltspunkte oder Durchführung von Stichproben sei nicht zielführend. Auch sei die Verfassung zugeführter Personen nur begrenzt zu ermitteln und kaum vorhersehbar. Die Inaugenscheinnahme des unbekleideten Körpers sei daher zur Eigen-und Fremdsicherung insbesondere vor dem Hintergrund auch teilweise gravierender Erfahrungen im Hinblick auf den Missbrauch versteckter gefährlicher Gegenstände und Substanzen (Betäubungsmittel, Messer, Feuerzeuge, etc.) notwendig, die bei dem bloßem Abtasten einer angekleideten Person häufig nicht aufgefunden werden könnten. Denn diese seien erfahrungsgemäß oftmals unter der Zunge, zwischen den Pobacken, unter den Brüsten oder sonst wie unmittelbar am Körper versteckt. Der Beklagte hat insoweit mit Schriftsatz vom 14.10.2015 Zahlenmaterial zu durchgeführten Durchsuchungen aus dem Jahr 2015 vorgelegt.
44Der Beklagte führt dazu weiter aus, der Ablauf im Polizeigewahrsam sei vorliegend zudem geprägt gewesen von dem Verhalten der Klägerin. Sie sei in hohem Maße aggressiv gewesen und habe auch körperlich Widerstand geleistet, so dass fallbezogene Verdachtsgründe hier auch vorgelegen hätten. Die Klägerin sei (nur) durch die Beamtinnen M. und I1. in die Zelle verbracht worden. Dort habe sie sich geweigert, sich freiwillig zu entkleiden, sich sodann massiv gegen das zwangsweise Entkleiden gesperrt und mit den Armen um sich geschlagen. Erst durch den Einsatz der Beamten sei es möglich gewesen die Klägerin zu fixieren. Das Hinzuziehen männlicher Beamte sei erforderlich gewesen, da weitere weibliche Kräfte nicht verfügbar gewesen seien. PK`in I1. sei im Nachtdienst die einzige diensthabende Beamtin im PGD gewesen. Man habe auch nicht abwarten können, bis eventuelle weitere weibliche Einsatzkräfte im PGD hätten aushelfen können. Die Einsatzlage sei in dieser Samstagnacht im Hochsommer sehr angespannt gewesen. Sieben Einsatzfahrzeuge der Beklagten und 25 Fremdkräfte seien allein in den streitgegenständlichen Einsatz eingebunden gewesen. Es sei daher nicht absehbar gewesen, wann eine Beamtin hätte aushelfen können. Auch seien weibliche Einsatzkräfte für derartige Fälle nicht kurzfristig abrufbar. Ein Verschließen der Zelle ohne vorherige Durchsuchung sei nicht möglich gewesen. Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens hätte auch keine Beamtin bzw. kein Beamter als Aufpasser bei der Klägerin verbleiben können.
45Die drei Beamten hätten die Klägerin mittels Eingriffstechnik in Bauchlage am Boden fixiert. Das Entkleiden und Durchsuchen sei dann allein von einer der Beamtinnen vorgenommen worden. Infolge der starken Gegenwehr sei der BH gerissen. Die Unterhose sei der Klägerin unmittelbar nach der Durchsuchung wieder hochgezogen worden. Es sei ausschließlich eine oberflächliche Betrachtung des äußeren Intimbereiches und damit keine Untersuchung vorgenommen worden. Die männlichen Kollegen hätten den Blickkontakt zu dem entkleideten Körper der Klägerin vermieden. Da die Klägerin sich auch nach der Durchsuchung nicht beruhigt habe, habe man aus Gründen der Eigensicherung eine Fesselung der Klägerin in Betracht gezogen, was es erforderlich gemacht habe, sie unverzüglich in eine andere Zelle zu bringen. Das vorherige Anlegen von Ersatzkleidung oder Ähnlichem sei aufgrund des vehementen Widerstandes nicht möglich gewesen. Die Klägerin sei daher - durch mehrere Beamte festgehalten - unbekleidet in die wenige Schritte entfernte Zelle gegenüber gebracht worden. Der Vorgang habe nur wenige Sekunden gedauert. Unmittelbar danach sei ihr Ersatzkleidung gebracht worden.
46Nicht mehr nachvollziehbar sei, wann die Klägerin erstmals nach Wasser verlangt habe bzw. wann konkret es ihr gereicht worden sei. Geschehen sei dies aber, sobald die angespannte Lage im PGD es zugelassen habe. Aus Gründen der angespannten Einsatzlage sei auch dem Wunsch der Klägerin, ein Telefonat zu führen, nicht unmittelbar entsprochen und dieser dann wohl vergessen worden. Angesichts der vergleichsweise kurzen Verweildauer sei dies hier nicht als rechtswidrig anzusehen.
47Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind Herr Q. C2. , Herr C3. C. , Herr O1. O. , Herr L3. N. , Frau H1. L4. - N. , sowie die Beamten des Beklagten PHK L1. , PK X2. , PHK E. , PK´in I1. , POK M1. und POK L2. als Zeugen zu den Vorgängen am 27.07.2013 vernommen worden. Bezüglich ihrer Angaben wird auf die Sitzungsprotokolle vom 21.10., 22.10. und 25.11.2015 verwiesen. Die Zeugen PK´in M. und PK X1. haben vollumfänglich von ihrem Aussageverweigerungsrecht gem. § 384 Nr. 2 ZPO Gebrauch gemacht. POK C1. hat unter dem 12.10.2015 eine dienstliche Erklärung vorgelegt.
48Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der beigezogenen Strafakten 921 Js 1656/13 und 83 Js 213/14 (Staatsanwaltschaft Köln) Bezug genommen.
49E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
50Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
51Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
52Hinsichtlich der Anträge zu 1) bis 7) sowie des Antrags zu 9) ist die Klage zulässig, hinsichtlich des Antrags zu 8) ist sie bereits unzulässig.
53Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist bezüglich sämtlicher Streitgegenstände eröffnet. § 36 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW, wonach für die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung die Amtsgerichte zuständig sind, findet hinsichtlich der hier u.a. streitgegenständlichen Ingewahrsamnahme keine Anwendung. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten bleibt weiter eröffnet, wenn eine amtsgerichtliche Entscheidung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW - wie hier - nicht beantragt wird und die betroffene Person nachträglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt.
54Vgl. schon OVG NRW, Urteil vom 3. November 1989 - 5 A 886/88 -, NWVBl 1990, 388;
55Des Weiteren besteht hinsichtlich der Anträge zu 1) bis 7) und 9) auch ein Fortsetzungs- bzw. Feststellungsinteresse. Denn es handelt sich insoweit um kurzfristig sich erledigende polizeiliche Maßnahmen bzw. erhebliche Eingriffe in grundgesetzlich besonders geschützte Rechtspositionen der Klägerin, für die ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse zu bejahen ist.
56Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ergibt sich vorliegend bezüglich eines Platzverweises – allgemein - aus einem Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit, Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG. Die Ingewahrsamnahme stellt eine Freiheitsentziehung nach Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 2 GG dar. Hinsichtlich der Durchsuchung im Polizeigewahrsam ergibt sich das Feststellungsinteresse darüber hinaus aus einem Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG. Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die benannten Grundrechte dar.
57Ein isoliertes Feststellungsinteresse der Klägerin ist darüber hinaus auch hinsichtlich der Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung und hinsichtlich des anschließenden Verbringens in eine andere Zelle - Anträge zu 4) bis 7) - anzunehmen. Die Klägerin macht dazu geltend, durch die Anwesenheit und Mithilfe von männlichen Beamten während der zwangsweise vorgenommenen vollständigen Entkleidung und körperlichen Untersuchung sowie durch das Verbringen in eine andere Zelle im vollständige entkleideten Zustand vorbei an anderen männlichen Beamten und Inhaftierten in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein. Sie hat damit insoweit ausdrücklich selbständige Streitgegenstände und selbständige bzw. zusätzliche, schwerwiegende Verletzungen ihres Persönlichkeitsrechts und ihrer Menschenwürde geltend gemacht.
58Hinsichtlich der behaupteten Verweigerung einer Kontaktaufnahme mit einer Vertrauensperson wird ebenfalls eine Rechtsverletzung von einigem Gewicht geltend macht, vgl. Art. 104 Abs. 4 GG, so dass ein berechtigtes Feststellungsinteresse hier auch bezüglich des Antrags zu 9) gegeben ist.
59Hingegen ist die Klage hinsichtlich des Antrags zu 8) bereits unzulässig. Ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit lässt sich insoweit weder aus einem erheblichen Grundrechtseingriff oder einer konkreten Wiederholungsgefahr noch aus dem Wunsch nach Rehabilitation ableiten.
60Die hier – nach der Durchsuchung im Polizeigewahrsam - durch eine kurzzeitig verzögerte Zurverfügungstellung von Trinkwasser allenfalls gegebene geringe Beeinträchtigung reicht nicht aus, um eine nachträgliche richterliche Beurteilung der Maßnahme zu rechtfertigen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach ihrer Bitte um Wasser nur rund 30 Minuten auf einen Becher mit Trinkwasser warten musste und ihr eine weitere viertel Stunde später auch ein Waschbecken zur Verfügung stand. Nach ihrer Durchsuchung wurde die Klägerin unstreitig in eine andere, zweite Zelle gebracht. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Fotos des computergeführten Gewahrsamsnachweises für den PGD (Insassenverwaltung, Bl. 317 d. Akte) befand sich die Klägerin von 03:28 Uhr bis 04:11 Uhr und damit lediglich 43 Minuten in der zweiten Zelle (Nr. 18). Bereits während ihres Aufenthaltes in dieser Zelle wurde ihr unstreitig ein Becher mit Trinkwasser gereicht, bevor die Klägerin dann um 04:11 Uhr in eine Zelle verlegt wurde, die über ein Waschbecken verfügte. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Eintragungen betreffend die Dauer der Aufenthalte der Klägerin in den einzelnen Zellen zu zweifeln. Die Klägerin selbst hat ausgeführt, dass ihr in der zweiten Zelle ein Becher mit Trinkwasser gereicht wurde und sie erst einige Zeit später das zweite Mal die Zelle gewechselt habe. Danach war hier von einer Wartezeit von rund 30 Minuten auszugehen. Einen behandlungsbedürftigen Zustand hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht. Dass insoweit vom Beklagten bewusst schikanös verfahren worden ist, lässt sich nicht feststellen.
61Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1) bis 4) und des Antrags zu 9) auch begründet, hinsichtlich des Antrags zu 5) ist sie unbegründet. Im Übrigen hat die Klage – hinsichtlich der Anträge zu 6) und 7) - in der Sache nur teilweise Erfolg.
621)
63Die Voraussetzungen für einen Platzverweis nach § 34 Abs. 1 PolG NRW lagen in Bezug auf die Klägerin hier nicht vor.
64In tatsächlicher Hinsicht ist bereits fraglich, ob sich die Klägerin zum Zeitpunkt der Anordnung bereits auf der Platzfläche befand und damit Adressatin eines Platzverweises geworden ist. Dafür spricht vorliegend zwar einiges, denn dieser Eindruck wurde durch die Klägerin selbst bereits aufgrund der Darstellung der Geschehnisse auf dem Platz mit Klageschriftsatz vom 18.07.2014 vermittelt. Auch gab sie an, den Zeugen L1. - noch in seinem Fahrzeug sitzend - erkannt zu haben. Nach dem hier anzunehmenden Einsatzverlauf spricht auch dies dafür, dass die Klägerin zu einem deutlich früheren Zeitpunkt auf dem Platz eingetroffen ist, als von ihr behauptet, denn der Zeuge L1. gab nachvollziehbar und schlüssig an, zum Zeitpunkt der Platzverweise bereits seit einiger Zeit auf dem Platz gestanden zu haben. Darüber hinaus gab auch der Zeuge O. an, der Klägerin auf dem Platz begegnet zu sein, als sie beide dort rumliefen. Ungeachtet dessen ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für den Klageantrag zu 1) hier aber jedenfalls daraus, dass der Beklagte eine Adressatenstellung der Klägerin bis zuletzt angenommen hat.
65Materiell konnte das Vorliegen einer polizeirechtlichen Gefahr nicht festgestellt werden. Eine solche wurde durch den insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht hinreichend dargelegt.
66Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Ein Platzverweis, der grundsätzlich nur vorübergehenden Charakter haben kann, ist ein Verwaltungsakt, der mündlich oder auch in Form von Zeichen ergehen kann.
67Gemäß § 8 Abs. 1 PolG NRW ist als Gefahr eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung anzusehen.
68Eine das Einschreiten der Polizei rechtfertigende konkrete Gefahr in diesem Sinne ist bei einer Sachlage oder einem Verhalten gegeben, bei der oder dem bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Die Feststellung einer solchen Gefahrensituation setzt notwendig eine im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens zu treffende Prognose voraus. Der zuständige Beamte hat in diesem Zusammenhang eine auf Tatsachen gegründete subjektive, pflichtgemäße und vernünftige, Einschätzung über einen zukünftigen Geschehensablauf zu treffen. Er darf (und muss) von dem Vorliegen einer Gefahr ausgehen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts aus seiner Sicht nach Anwendung angemessener Erkenntnismittel zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung ("ex-ante-Betrachtung") gegeben ist. Dabei gilt, dass je größer die drohende Schädigung ist, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind und dass umgekehrt die Anforderungen an die Wahrscheinlich wachsen, wenn die Bedeutung der drohenden Schädigung gering ist. Die Prognose ist nicht zu beanstanden, wenn auch ein objektiver Betrachter an der Stelle des handelnden Beamten zu der gleichen Lageeinschätzung gekommen wäre.
69Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind die objektive Rechtsordnung, alle Individualrechtsgüter, die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen und sonstige kollektive Schutzgüter.
70Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen gegen die Klägerin gerichteten Platzverweis kann danach hier nicht angenommen werden. Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Sachlage, wie sie vom Beklagten in Bezug auf den Zeitpunkt der Anordnung der Platzverweise dargelegt wurde, die getroffene Gefahrenprognose in Bezug auf die Klägerin nicht rechtfertigte.
71Nach den Angaben der Beamten des Beklagten, der Zeugen PHK L1. und PK X2. sowie des POK C1. kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt der Anordnung der Platzverweise die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in naher Zukunft gegeben war.
72Anhaltspunkte für ein konkretes Gewaltpotential im Zeitpunkt der Anordnung der Platzverweise haben weder der Einsatzleiter noch die weiteren Zeugen des Beklagten in Bezug auf die Klägerin dargelegt. Ihre Angaben lassen nur den Schluss auf eine abstrakte, nicht jedoch auf die hier erforderliche konrete Gefahr zu.
73Die insoweit hier maßgebliche Annahme des verantwortlichen Einsatzleiters, des Zeugen PHK L1. , dass aufgrund des Zwischenfalls in der S. Straße - bei dem ein benachbarter Beschwerdeführer von einem Teilnehmer der dortigen Feier mit einer Bierflasche niedergeschlagen worden war - ein Gewaltpotential auch hinsichtlich der auf dem Platz befindlichen Personen anzunehmen und daher mit der Begehung von Straftaten – insbesondere mit Diebstahls – und Körperverletzungsdelikten - zu rechnen gewesen sei, stellt sich mehr als eine Vermutung, denn als eine auf entsprechende Tatsachen gestützte Prognose dar und gibt jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nichts her.
74Auch wenn einiges dafür sprechen mag, dass der Täter einer gefährlichen Körperverletzung gegenüber einem Anwohner aus dem Kreis der Personen stammte, die zu den Teilnehmern der Feier in der S. Straße 00 gehörten, so lagen hier jedoch letztlich keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der bzw. die Tatbeteiligten des Vorfalls in der S. Straße sich unter den Personen auf der Platzfläche Kalk-Post befanden. Der bzw. die Täter waren nach Angaben des Einsatzleiters in der Stellungnahme im Strafverfahren 921 Js 1656/13 vom 17.03.2014 unmittelbar nach der Tat geflüchtet. Auch ging der Einsatzleiter nach seiner Einlassung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 erkennbar selbst nicht davon aus, dass sich Tatbeteiligte nunmehr in der Personengruppe auf der Platzfläche befanden. Eine Tatbeteiligung der Klägerin war danach erst recht nicht ersichtlich und wurde ihr vom Beklagten auch nicht zur Last gelegt. Vielmehr hat die Klägerin glaubhaft ausgeführt, sich während der Feier im Wesentlichen im Haus bzw. dazugehörigen Garten und nur kurz unmittelbar vor dem Haus auf der S. Straße aufgehalten und von der Körperverletzung gegenüber einem benachbarten Anwohner nichts mitbekommen zu haben.
75Darüber hinaus wurden seitens des Zeugen PHK L1. keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargetan, die vor dem Hintergrund des Vorfalls in der S. Straße den Rückschluss auf unmittelbar zu erwartende Straftaten seitens der Klägerin auf der Platzfläche rechtfertigten. Der Zeuge PHK L1. hat zudem ausgeführt, dass der für die Feier in der S. Straße Verantwortliche seinen dortigen Anordnungen jeweils nachkam und sich die Feiernden zunächst von der Straße und nachfolgend auch von dem Ort der Feier entfernten. Die Klägerin hat dazu angegeben, dabei behilflich gewesen zu sein, die Feier aufzulösen. Gegenteiliges ist jedenfalls nicht ersichtlich.
76Auch der Umstand, dass sich ein Teil der Feiernden noch in der S. Straße für ein Zusammentreffen auf der Platzfläche Kalk Post verabredet hat – so die Angaben des Beklagten –, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es ist weder erkennbar noch belegt, dass sich die Klägerin in dieser Gruppe von Personen befand, der schon in der S. Straße ein Platzverweis auch für die Platzfläche Kalk Post erteilt wurde.
77Die angeführten polizeilichen Erkenntnisse, wonach es auf der Platzfläche Kalk Post in der Vergangenheit häufiger zu Straftaten gekommen war, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung, da auch insoweit für eine Beteiligung der Klägerin nichts ersichtlich ist und allein die Wahl eines bestimmten Aufenthaltsortes für sich genommen noch nicht die Annahme bevorstehender Straftaten zu begründen vermag. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Platz Kalk Post um einen zentralen Verkehrsknotenpunkt im Stadtteil Kalk handelt.
78Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass - wie schon eingangs ausgeführt - nachträglich eingetretene Umstände zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht relevant sind. Dementsprechend ist der Umstand, dass der Zeuge PHK L1. ausgesagt hat, ihm sei nach Ausspruch der Platzverweise über Funk mitgeteilt worden, dass Einsatzkräfte mit Flaschen beworfen worden seien, hier insoweit ebenso wenig relevant, wie der Umstand, dass Einsatzkräfte in dem gegen die Klägerin und die Zeugen C. und O. sowie Herrn G1. und Frau C4. gerichteten Strafverfahren 921 Js 1656/13 gleichlautend vorgetragen haben, dass nach dem Ausspruch der Platzverweise Flaschen flogen und jedenfalls POK C1. auch konkret ein Flaschenwerfen der Klägerin wahrgenommen haben will. Auch der Zeuge PK X2. gab an, dass sich die Stimmung (erst) nach Erteilung der Platzverweise änderte und er allein in dieser Phase das Zersplittern von Flaschen sicher erinnerte. Gegenteiliges ergib sich hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse auch nicht aus den Angaben des POK C1. in seiner dienstlichen Äußerung vom 12.10.2015. Das nachfolgende „tumultartige Geschehen“ im Zuge der Räumung des Platzes, wie es sich aus den von Klägerseite vorgelegten Handyvideos ergibt, auf dem u.a. auch das Zersplittern von Glas zu vernehmen ist, vermag mit Blick auf den hier relevanten Beurteilungszeitpunkt die Anordnung des Platzverweises daher ebenfalls nicht zu begründen.
79Einen wiederholten Ausspruch eines Platzverweises nach etwaigen Flaschenwürfen hat der Beklagte in Bezug auf die Klägerin nicht vorgetragen.
80Soweit der Platzverweis nach dem Vorbringen des Beklagten auch auf den Aspekt einer Ruhestörung gestützt wurde, ergibt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine andere Beurteilung.
81Den Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten ist nicht hinreichend substantiiert und nachvollziehbar zu entnehmen, ob bzw. wenn ja woraus sich im Zeitpunkt der Anordnung eine schon eingetretene bzw. zu erwartende Ruhestörung betreffend den Platz Kalk Post seitens der Klägerin ergab. Der Einsatzleiter selbst, der Zeuge PHK L1. , machte im Rahmen seiner Vernehmung zu dem Aspekt einer Ruhestörung auf der Platzfläche keinerlei konkrete Angaben. Er gab vielmehr an, er habe unmittelbar gar nicht wahrnehmen können, was sich um ihn herum auf der Platzfläche abgespielt habe, da er von Personen umringt gewesen sei und eine Person permanent mit ihm habe diskutieren wollen. So habe er auf der Platzfläche auch die Klägerin gar nicht wahrgenommen. Der Einsatzleiter bejahte zudem die Frage, ob der Platzverweis letztlich auf dem Vorfall in der S. Straße beruht habe. Nichts anderes ergibt sich hier an Hand der Angaben des Zeugen PK X2. . Dieser gab lediglich an, dass es eine hohe Geräuschkulisse gegeben habe, Einzelheiten – insbesondere in Bezug auf die Klägerin - konnte er dazu jedoch nicht (mehr) benennen.
82Darüber hinaus sind die dem Umfeld der Klägerin zuzurechnenden Zeugen dem Vorbringen hinsichtlich eines lautstarken Verhaltens vor dem Ausspruch der Platzverweise einheitlich entgegen getreten, die Klägerin schon insoweit, als sie behauptet hat, zum Zeitpunkt des Ausspruches der Platzverweise noch gar nicht anwesend gewesen zu sein. Die vernommenen Zeugen sprachen von einer friedlichen und ruhigen Stimmung und von Personen in Gruppen, die sich unterhalten hätten, so u.a. der Zeuge C2. . Auch wenn die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen teilweise durchaus Zweifeln unterliegt – es waren bei den Zeugen O. und C. , die ihrerseits auch Angeklagte im Strafverfahren 921 Js 1656/13 waren, teilweise Belastungstendenzen erkennbar und die Angaben waren hinsichtlich der zeitlichen Abläufe teilweise nicht miteinander in Einklang zu bringen -, so waren die Aussagen dieser Zeugen aber jedenfalls nicht geeignet, das Vorbringen des Beklagten zu belegen.
83Keiner weiteren Erörterung bedurfte danach die Frage der Bestimmtheit des Platzverweises. Allerdings ist anzumerken, dass hier Überwiegendes dafür spricht, dass die Anwesenden die Anordnung verstehen und auch nachvollziehen konnten, welcher Bereich gemeint war - was ausreichend sein dürfte -, auch wenn sie offenkundig nicht gewillt waren, der sofort vollziehbaren Polizeiverfügung nachzukommen. Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit wären in Bezug auf die Klägerin ebenfalls nicht gegeben, denn sie jedenfalls wohnte nicht in dem betroffenen Bereich.
842)
85Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme der Klägerin konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
86Auch insoweit ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte die Voraussetzungen für die polizeiliche Maßnahme gegenüber der Klägerin nicht hinreichend dargelegt und belegt hat.
87Als Rechtsgrundlage für die Maßnahme hat der Beklagte § 35 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 PolG NRW benannt.
88Nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn das unerlässlich ist, um eine Platzverweisung nach § 34 PolG NRW durchzusetzen. Mangels Rechtmäßigkeit des Platzverweises war eine Ingewahrsamnahme der Klägerin auf dieser Grundlage hier nicht gerechtfertigt.
89Die Ingewahrsamnahme der Klägerin war des Weiteren auch nicht aufgrund von § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW gerechtfertigt. Danach kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
90Angesichts der Intensität des mit der Ingewahrsamnahme verbundenen Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewissheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt.
91Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, S. 459, E 511.
92Daran fehlt es hier.
93Dass die Klägerin vor ihrer Ingewahrsamnahme ein strafbares Verhalten gezeigt hat bzw. ein solches, das den Schluss zuließ, dass mit der Begehung von Straftaten bzw. gewichtigen Ordnungswidrigkeiten durch sie unmittelbar zu rechnen gewesen wäre, kann nach den Angaben der mit der Klägerin befassten Beamten und nach Inaugenscheinnahme der von der Klägerin vorgelegten Handyvideos nicht angenommen werden.
94Der Einsatzleiter, der Zeuge PHK L1. , konnte keine Angaben zum Verhalten der Klägerin vor ihrer Ingewahrsamnahme machen, denn er hat die Klägerin – wie schon unter 1) ausgeführt – während des Einsatzes nach seinen Angaben gar nicht wahrgenommen. Der Zeuge PK X2. hat auf Befragen ausgeführt, er erinnere sich lediglich daran, dass die Klägerin auf sie - ihn und seinen Tutor POK C1. - zugelaufen sei, und zwar dergestalt, dass sie ihnen praktisch in die Arme gelaufen sei. Allein dies stelle das Verhalten dar, dass er im Strafverfahren 921 Js 1656/13 als Angriff gegenüber POK C1. bezeichnet habe. Der Zeuge hat dazu laut Protokoll des Amtsgerichts Köln vom 01.12.2015 in vorbenanntem Strafverfahren weiter angegeben, dass er nicht sagen könne, warum die Klägerin auf sie zugelaufen sei. Soweit der Zeuge dazu im Rahmen der Vernehmung im vorliegenden Verfahren erstmals angegeben hat, die Klägerin habe eine „Gefangenenbefreiung“ bezweckt, räumte er ein, dass es sich dabei um eine reine Annahme handelte und nicht um eine eigene Erinnerung. Ursprung dieser Annahme dürfte die Darstellung des Vorfalls in den Strafanzeigen des PK X1. und PK H2. sein.
95Vor dem Hintergrund dieser Zeugenangaben ist die Ingewahrsamnahme der Klägerin nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW gerechtfertigt.
96Nichts anderes ergibt sich zur Überzeugung der Kammer nach Hinzuziehung der dienstlichen Stellungnahme des POK C1. vom 12.10.2015. Die darin gemachten Angaben entsprechen seiner Einlassung im Strafverfahren 921 Js 1656/13, wie sie im Protokoll des Amtsgerichts Köln vom 01.12.2014 wiedergegeben wurden. Soweit POK C1. darin als Grund für die Ingewahrsamnahme angegeben hat, wahrgenommen zu haben, dass die Klägerin Flaschen geworfen habe, kann dem vor dem Hintergrund der differierenden Angaben der mit der Klägerin befassten Einsatzkräfte nicht gefolgt werden. Das Amtsgericht Köln hat in den Gründen seines Urteils vom 15.12.2014 (523 Ds 27/14) dazu ausgeführt, die Polizeibeamten C1. , X2. und M. hätten zwar bekundet, dass die Angeklagte sich heftig gegen eine Ingewahrsamnahme gesperrt und hierbei auch beleidigend geäußert habe. Es blieben nach den Bekundungen der Zeugen jedoch Zweifel. Diese gründeten sich auf völlig unterschiedliche Schilderungen der Zeugen zu der Vorgeschichte der Ingewahrsamnahme. Der Zeuge C1. habe sich an einen Flaschenwurf der Angeklagten erinnert, der Anlass für die Ingewahrsamnahme gewesen sein solle. Der Zeuge X2. habe bekundet, dass die Angeklagte auf ihn und seine Kollegen zugelaufen sei. Die Zeugin M. habe hingegen davon gesprochen, dass die Angeklagte bei einer weiteren Ingewahrsamnahme fortlaufend gestört habe. Darüber hinaus stünden die Bekundungen der Zeugen nicht in Einklang mit Handyvideos, welche von der Angeklagten überreicht und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden seien. Diese Aufnahmen erfassten zwar nicht das gesamte Geschehen um die Angeklagte W. . Die Aufnahmen aber, die die Angeklagte unter anderem im Polizeigriff zeigten, würden belegen, dass die Angeklagte sich ruhig und nicht aggressiv verhalten habe.
97Die Kammer teilt diese Einschätzung. Die vollständig unterschiedlichen Angaben der Einsatzkräfte lassen sich nicht ansatzweise miteinander in Einklang bringen und werden auch durch die Handyvideos nicht gestützt.
98Den Handyvideos ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin immer wieder versucht haben soll, zu Beamten vorzudringen, die mit der Ingewahrsamnahme des Zeugen O. befasst waren. Nach den Darstellungen, wie sie sich in den Strafanzeigen vom Vorfallstag wiederfinden - gefertigt durch PK H2. (Bl. 5 der Beiakte 1) und durch PK X1. (Bl. 34 der Beiakte 1) - soll die Klägerin versucht haben, eben diesen Zeugen O. zu befreien und daher mehrfach von PK X1. aufgefordert worden sein, sich von den Beamten fernzuhalten. Da sie dem nicht nachgekommen sei, sei sie zunächst wiederum mehrfach mit dem Handballen gegen das Schlüsselbein weggestoßen worden, bevor sie fixiert worden sei. Das in Echtzeit nur 2:05 Minuten lange Video (E_0103_Video neu 1_Original.MOV von DVD „A-K“ (Beiakte 3), bzw. 0103_Original_Hauptvideo.MOV von DVD I aus dem Verfahren 921 Js 1656/13) hingegen zeigt im Bereich der Platzmitte losstürmende Einsatzkräfte des Beklagten, über ein Fahrrad stürzende Personen - wohl den Zeugen C. und PK N1. - und eher rechts im Bild, in einem ärmellosen Kleid und Leggings, eine etwas orientierungslos hin und her laufende Klägerin, die augenscheinlich Pfefferspray abbekommen hat und schließlich Richtung Kalker Hauptstraße läuft, wo sich weitere Einsatzkräfte des Beklagten befanden, während sie deutlich hörbar ruft „keine Gewalt“. Bereits nach weniger als 1 Minute ist die Klägerin fixiert inmitten mehrerer Einsatzkräfte zu sehen. Der Zeuge O. hingegen ist im unmittelbaren Umfeld der Klägerin nicht auszumachen. Zur Überzeugung der Kammer wurde dieser im Bereich der Robertstraße und zeitlich wohl kurz nach der Klägerin festgenommen. Dies entspricht nicht nur den Angaben des Zeugen, sondern auch den Angaben der an der Festnahme des Zeugen beteiligten POK´in S1. (Polizeihundeführerin), wie sie sich aus der Strafanzeige bzw. der Sachverhaltsdarstellung vom 27.07.2013 (Bl. 9 und 26 der Beiakte 1) ergeben. Belegt wird dies ebenfalls durch die Handyvideos. Dass die Klägerin eine Befreiung des Zeugen O. versucht haben soll, kann danach nicht angenommen werden.
99Des Weiteren ist ein Flaschenwurf der Klägerin nicht erkennbar. Auch der Zeuge PK X2. , dessen Angaben am ehesten den Videoaufzeichnungen entsprechen und der sich nach seinen glaubhaften Angaben die ganze Zeit in der Nähe des POK C1. , seinem Tutor, befand, hat nach seiner Einlassung – wie ausgeführt – zwar die Klägerin wahrgenommen, nicht aber einen Flaschenwurf der Klägerin. Es ist insoweit durch POK C1. auch keine Strafanzeige gegen die Klägerin gefertigt worden.
100Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme der Klägerin auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW konnten danach nicht angenommen werden.
101Die Kammer weist an dieser Stelle klarstellend ausdrücklich darauf hin, dass mit den vorstehenden Ausführungen nicht zugleich eine Bewertung der gegenüber anderen Personen aus der Gruppe getroffenen polizeilichen Maßnahmen vorgenommen wurde, da dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war.
1023)
103Die bei Einlieferung in den Polizeigewahrsam an die Klägerin ergangene Anordnung, sich vollständig, einschließlich der Unterwäsche zu entkleiden, stellt sich ebenfalls als rechtswidrig dar.
104Zur Überzeugung der Kammer, die sich auf die insoweit unmissverständliche Bekundung der Zeugin PK´in I1. stützt, wurde die Klägerin bei ihrer Aufnahme im Polizeigewahrsam aufgefordert sich, zum Zwecke der Durchsuchung vollständig zu entkleiden.
105Als Rechtsgrundlage kommt insoweit allein § 39 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW in Betracht. Danach kann die Polizei eine Person durchsuchen, wenn sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann.
106Rechtswidrig war die Anordnung an die Klägerin, sich zum Zwecke der Durchsuchung vollständig zu entkleiden, hier bereits deshalb, weil eine Durchsuchung auf der Grundlage von § 39 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW eine rechtmäßige Ingewahrsamnahme voraussetzt. Daran fehlt es hier.
107Aber auch ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme war die Rechtmäßigkeit der Entkleidungsanordnung hier zu beanstanden. Vor dem Hintergrund des mit der Anordnung des Entkleidens verbundenen besonders schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
108vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 – 2 BvR 455/08 – aus juris,
109den die Klägerin hier selbständig geltend gemacht hat, war die Anordnung hier einer selbständigen Überprüfung zuzuführen.
110Die Durchsuchung nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW dient dem Schutz der festgehaltenen Person vor Selbstverletzung bzw. Selbsttötung und zugleich auch dem Schutz der Polizeibeamten, die eine Freiheitsentziehung vornehmen bzw. vollziehen.
111Eine Durchsuchung einer Person ist die Suche nach Gegenständen, die eine Person in ihrer am Körper getragenen Kleidung, am Körper selbst oder in ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen (Mund, Nase, Ohren) mit sich führt. Dementsprechend umfasst die Durchsuchung die Suche in am Körper befindlichen Kleidungsstücken, das Abtasten des bekleideten Körpers und gegebenenfalls auch die Nachschau am unbekleideten Körper und in den ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen.
112vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.11.2007 - 3 R 9/06, juris Rn. 24; VGH München, Beschluss vom 16.07.1998 – 24 ZB 98.850 , Juris.
113Der Umstand, dass im Rahmen einer Durchsuchung ein Entkleiden gefordert wird, bestimmt zwar das Gewicht des mit der umstrittenen Maßnahme verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des in Anspruch Genommenen, vermittelt der Maßnahme selbst aber nicht die Qualität einer Untersuchung, da der Durchsuchungsbegriff auch die Nachschau am unbekleideten Körper umfasst. Kommt eine Person der polizeilichen Aufforderung, sich zu entkleiden nicht freiwillig nach, kann zur Durchsetzung der Maßnahme auch unmittelbarer Zwang angewendet werden.
114Die Kammer teilt allerdings nicht die Ansicht des VG Gießen, wonach die Aufforderung, sich zum Zwecke der Durchsuchung zu entkleiden, anders als die auf eine Duldung gerichtete Durchsuchungsanordnung, nicht mehr von der Regelung über die Durchsuchung erfasst angesehen wird.
115Vgl. VG Gießen – 9 K 1708/09.GI -, aus juris, Rn. 17 f. (zum insoweit gleichlautenden § 36 Abs. 2 Nr. 1 HSOG)
116Danach war die Anordnung hier zusätzlich deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil die Beamtin des Beklagten von dem nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 PolG NRW eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, sondern sich auf der Grundlage der Dienstanweisung des PP Köln für den Polizeigewahrsamsdienst (PGD) im Polizeipräsidium Köln und für die Polizeigewahrsame in den Polizeiinspektionen (DirBA FüSt – 57.01.08 -) vom 17.01.2013 offenkundig generell verpflichtet sieht, das vollständige Entkleiden zum Zwecke der Durchsuchung anzuordnen.
117Grundrechte dürfen nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Dieser allgemeine rechtsstaatliche Grundsatz gilt auch für Gefangene,
118Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.2003 – 2 BvR 1745/01 – juris, Rn. 14,
119und damit insbesondere auch für Personen im Polizeigewahrsam.
120Der ministerielle Erlass in Gestalt der Polizeigewahrsamsordnung NRW (RdErl. IM NRW – 43.57.01.08 – vom 20.03.2009 (SMBl. NRW. 2051) und die Dienstanweisung PGD des PP Köln stellen als Verwaltungsvorschriften keine selbständige Eingriffsermächtigung dar.
121Zwar ist es grundsätzlich möglich, das behördliche Handeln durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften zu regeln, nicht jedoch in der hier gewählten Form. Denn die vorliegende Dienstanweisung des PP Köln sieht für den Vollzug des § 6 der Polizeigewahrsamsordnung NRW (RdErl. IM NRW – 43.57.01.08 – vom 20.03.2009 (SMBl. NRW. 2051) hinsichtlich der Anordnung des Entkleidens gerade keine Ermessensbetätigung mehr vor. Vielmehr ist dort in der Anlage 1 (Aufnahme und Durchsuchungsstandards PGD) unter Ziff. 2.1.1 bestimmt, dass die zugeführte Person grundsätzlich in der Zelle komplett einschließlich Unterhose und Strümpfe entkleidet und die Bekleidungsstücke nochmals gründlich durchsucht werden. Anschließend werden der Körper der Person und die frei zugänglichen Körperöffnungen in Augenschein genommen.
122Eine Einzelfallentscheidung – orientiert an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – wird bezüglich der Anordnung des Entkleidens zum Zwecke der Durchsuchung und wurde auch hier damit gerade ausgeschlossen.
123Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen sich – wie bereits ausgeführt – als schwerwiegender Eingriff in die Intimsphäre und damit in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht dar und berühren zudem die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Das gilt in besonderem Maße, wenn sie mit der Nachschau im Bereich von normalerweise bedeckten Körperöffnungen verbunden sind,
124vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.2003 – 2 BvR 1745/01 – juris.
125Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass derartige körperliche Durchsuchungen durch die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt sein können, sie aber nur in schonender Weise und nicht routinemäßig, unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles, durchgeführt werden dürfen. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Auch ist der bloße Umstand, dass Verwaltungsabläufe sich ohne eingriffsvermeidende Rücksichtnahme einfacher gestalten, hinsichtlich der Anordnung von Durchsuchungen, die den Intimbereich und das Schamgefühl berühren, danach noch weniger als in anderen, weniger sensiblen Bereichen geeignet, den Verzicht auf solche Rücksichtnahmen zu rechtfertigen.
126Vgl. BVerfG Beschluss vom 10.07.2013 - 2 BvR 2815 – juris, Rn. 16 f. zur Durchsuchung von Gefangenen unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR und Beschluss vom 04.02.2009 – 2 BvR 455/08 – juris, Rn. 27 zur Durchsuchung von Untersuchungsgefangenen; so ferner auch VG Gießen - 9 K 1708/09.GI – a.a.O, und LG Lüneburg, Beschluss vom 19.04.2005 – 10 T 56/04 – juris, Rn. 13 f.
127So hat das BVerfG im Beschluss vom 04.02.2009 schon in Bezug auf Untersuchungsgefangene ausgeführt, dass bei Personen, die in Untersuchungshaft verbracht werden, Umstände vorliegen können, die den Verdacht, der oder die Betreffende könne zum Zweck des Einschmuggelns in die Haftanstalt Drogen oder andere gefährliche Gegenstände in Körperöffnungen des Intimbereichs versteckt haben, als derart fernliegend erscheinen lassen, dass hierauf gerichtete Untersuchungen, die mit einer Inspektion von Körperöffnungen verbunden sind, sich als nicht mehr verhältnismäßig erweisen.
128Anders als bei Verurteilten, die, wenn sie sich nicht bereits in Haft befinden, zum Haftantritt geladen werden (§ 27 StrVollstrO), kann die Festnahme eines nicht Verurteilten zur Verbringung in Untersuchungshaft so überraschend erfolgen, dass ihm für entsprechende unbeobachtete Vorkehrungen, selbst wenn er sie beabsichtigte, keine Gelegenheit bleibt. Fehlt es auch sonst an jedem Anhaltspunkt dafür, dass der Betroffene sich in der bezeichneten Weise zum Schmuggel von Drogen oder anderen gefährlichen Gegenständen präpariert haben könnte, so wird bereits die für Maßnahmen auf der Grundlage der Generalklausel des § 119 Abs. 3 StPO erforderliche Schwelle einer - nur durch Inspektion der Körperhöhlen ausräumbaren - "realen" Gefährdung nicht erreicht.
129So wörtlich BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 – 2 BvR 455/08 – juris, Rn. 35.
130Die oben genannte Dienstanweisung des PP Köln mit ihrer generellen Entkleidungsanordnung wird dem ersichtlich nicht gerecht.
131Die von der Beklagten vorgetragenen allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Aspekte betreffend die Gefahrenlage im Zusammenhang mit der Aufnahme von Personen in den Polizeigewahrsam und das hierzu vorgelegte Zahlenmaterial (hinsichtlich Drogenfunde im Zeitraum 01.01. bis 30.09.2015, Zuführungen vom 29.08. bis 27.09.2015 und vollständig erfasster Fälle vom 30.09. bis 07.10.2015) ist nicht geeignet, diese Maßnahme unabhängig von fallbezogenen Verdachtsgründen zu rechtfertigen.
132Im Übrigen dürfte allein ein erregtes und unkooperatives Verhalten der betroffenen Person, das auch nach den Angaben der Zeugen PK´in I1. , POK M1. und POK L2. das übliche Verhalten im Polizeigewahrsam darstellt, für sich genommen regelmäßig noch keinen genügenden Grund für eine Entkleidungsanordnung bieten.
1334) -7)
134Die Anträge der Klägerin zu ihrer Behandlung im Polizeigewahrsam - betreffend den Umfang der vorgenommenen Entkleidung (Antrag zu 4), den Umfang einer Nachschau am unbekleideten Körper (Antrag zu 5), die Organisation der zwangsweisen Entkleidung (Antrag zu 6) und die Umstände des nachfolgenden Verbringens in eine andere Zelle (Antrag zu 7) - haben nur teilweise Erfolg.
135Die Kammer weist einleitend – vor dem Hintergrund der insoweit durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der aussagebereiten Zeugen, der PK´in I1. sowie der Beamten PHK E. , POK M1. und POK L2. , sowie der Anhörung der Klägerin - zunächst darauf hin, dass die gemachten Angaben auf beiden Seiten erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten aufweisen.
136So will die Klägerin den Zeugen PHK E. - nach einer Lichtbildvorlage im Vorfeld des Verhandlungstermins - als einen der Beamten erkannt haben, der im Polizeigewahrsam durchgängig mit ihrer Ingewahrsamnahme, insbesondere auch mit ihrer Verbringung in die Zelle und mit ihrer Durchsuchung, befasst gewesen sein soll. Zur Überzeugung der Kammer steht jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Zeuge E. ausschließlich mit ihrer Entlassung befasst gewesen sein kann, nicht aber mit einer zwischen 3:00 und 3:30 Uhr durchgeführten Durchsuchung. Denn der Zeuge E. war ausweislich des Dienstplanes für den Nachtdienst nicht für diesen eingeteilt. Auch hat er in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, er habe am 27.07.2013 ab 6:00 Uhr Frühdienst gehabt, zu dem er maximal eine Stunde vor Dienstbeginn erschienen sei. Die Klägerin ist dieser Einlassung des Zeugen E. in der mündlichen Verhandlung auch nicht entgegen getreten.
137Darüber hinaus kann den Angaben der Klägerin hinsichtlich der Zellen, in denen sie sich befunden haben will, sowie hinsichtlich der langen Wege, die sie zwischen den Zellen zurückgelegt haben will, nicht gefolgt werden. Diese Angaben sind nicht in Einklang zu bringen mit der polizeilichen Dokumentation, wie sie sich aus den handschriftlichen Angaben im Einlieferungsprotokoll und dem computergeführten Gewahrsamsnachweis (Insassenverwaltung) des Beklagten sowie aus dem Grundrissplan des PP Köln ergibt. Danach befand sich die Klägerin nacheinander in den Zellen Nr. 21, 18 und 20. Sie wurde dementsprechend nach der Durchsuchung in der Zelle Nr. 21 in die unmittelbar schräg gegenüberliegende Zelle Nr. 18 verbracht und im weiteren Verlauf in die wiederum unmittelbar gegenüber liegende Zelle Nr. 21. Die Zelle Nr. 18 verfügt – ausweislich der vom Beklagten im Termin vorgelegten Fotos – anders als die Zelle Nr. 21 neben der Fesselungsvorrichtung über einen Notrufknopf, der sich neben der Vorrichtung für eine der Handfesseln befindet. Die Vertreterinnen des Beklagten haben dazu klarstellend ausgeführt, dass eine Fesselungsvorrichtung in Gestalt spezieller Hand- und Fußfesseln, die sich an der Liegefläche befinden, nur bei Vorhandensein eines Notrufknopfes genutzt werden darf. Es ist vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass die Angaben und Dokumentationen des Beklagten zu den genutzten Zellen unzutreffend sind. Es spricht hier vielmehr Überwiegendes dafür, dass auch diese Angaben der Klägerin nicht den Tatsachen entsprechen. Gleiches gilt für den Einwand der Klägerin, dass sich die Liegefläche in den Zellen jeweils auf der linken Seite und - nicht wie auf den Fotos ersichtlich - auf der rechten Seite befunden hätten.
138Die Kammer ist ferner nicht davon überzeugt, dass die Klägerin nicht nur durch zwei Beamtinnen, sondern bereits durch drei männliche Beamte zur Durchsuchung in die Zelle verbracht worden ist. Die Angaben der Klägerin sind insoweit widersprüchlich bzw. gesteigert. So hat sie schriftsätzlich vorgetragen, die Tür sei einen Spalt breit offen geblieben, nachdem die männlichen Beamten - auf ihr vermeintliches Einlenken hin - zunächst die Zelle wieder verlassen hätten. Hingegen führte sie in der mündlichen Verhandlung aus, die Tür sei ganz offen geblieben und die Männer hätten in provokativer Stellung in die Zelle geschaut.
139Die Kammer ist vor diesem Hintergrund zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin nicht in der Lage war, die Geschehnisse während des Gewahrsams insgesamt zutreffend wahrzunehmen, bzw. dass sie diese jedenfalls nicht zutreffend wiederzugeben vermochte. Grund dafür dürfte wohl die durch die Maßnahmen, insbesondere die im Zusammenhang mit der zwangsweise durchgeführten Durchsuchung im Polizeigewahrsam, eingetretene psychische Belastung der Klägerin sein. Selbst bei ihrer nunmehr im zeitlichen Abstand von mehr als zwei Jahren zu den Vorgängen gemachten Aussage war die anhaltende emotionale Betroffenheit der Klägerin für die Kammer deutlich sichtbar.
140Auch die Angaben der Zeugen PK´in I1. , POK M1. und POK L2. wirkten in wesentlichen Punkten wenig überzeugend. Anders als die Klägerin, die sich an jemanden erinnern konnte, der nicht dabei gewesen sein kann, konnten sich die Zeugen POK M1. und POK L2. an einen Streifenbeamten nicht erinnern der nach seiner eigenen Einlassung als Beschuldigter im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeräumt hat, während der körperlichen Durchsuchung der Klägerin in der Zelle dabei gewesen zu sein. Denn PK X1. hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.06.2014 im Verfahren 83 Js 213/14 unmissverständlich erklärt, er und die Kollegen M1. und L2. seien auf ein Rufen der Beamtinnen hinzugekommen und hätten Arme und Beine der Klägerin festgehalten, während die Kollegin I1. das Entkleiden und die Durchsuchung durchgeführt habe.
141Darüber hinaus vermochten die Zeugen PK´in I1. , POK M1. und POK L2. nicht schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, wie das behauptete nur teilweise Entkleiden der Klägerin erfolgt sein soll. Dabei handelt es sich zudem um eine Darstellung, die im Widerspruch steht zu dem wiederholten, schriftsätzlichen Vorbringen der Prozessvertretung des Beklagten, die ihren Ausführungen eine vollständige Entkleidung zugrunde gelegt hatte. Mit der Behauptung einer nur teilweisen Entkleidung wurde die Kammer erstmalig im Rahmen des dritten Verhandlungstermins vom 25.11.2015 durch die Aussage der Zeugin PK´in I1. konfrontiert wurde. Eine nachvollziehbare Erklärung für diesen Widerspruch konnte seitens des Beklagten nicht gegeben werden. Laut Erklärung der Vertreterinnen des Beklagten hatte jedenfalls eine Rücksprache mit den Zeugen bislang nicht stattgefunden.
142Vor dem Hintergrund der auf beiden Seiten widersprüchlichen bzw. unschlüssigen Angaben ergibt sich hinsichtlich der Anträge zu 4) bis 7) im Einzelnen hier Folgendes:
143Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 4) begründet.
144Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der Gesamtwürdigung des Geschehens war bezüglich des insoweit streitigen Umfangs des Vollzugs der Entkleidungsanordnung davon auszugehen, dass eine vollständige Entkleidung der Klägerin durchgeführt wurde.
145Sieht eine Dienstanweisung wie hier Ziff. 2.1.1 der Anlage 1 der Dienstanweisung PGD des PP Köln ausnahmslos das vollständige Entkleiden einer jeden dem Gewahrsam zugeführte Person vor, ist anzunehmen, dass diese Vorgabe von den entsprechenden Polizeibeamten umgesetzt wird. Wird dann behauptet, im Einzelfall sei anders verfahren worden, liegt die Darlegungs- und Beweislast für ein Abweichen von den Vorgaben bei der Polizeibehörde.
146Ein Abweichen von diesen Vorgaben hat der Beklagte jedoch in seinen Stellungnahmen erst gar nicht dargetan. Ein solches wurde auch durch die Angaben der Zeugen PK´in I1. , POK M1. und POK L2. nicht hinreichend schlüssig und substantiiert dargelegt.
147Die Angaben der mit der Durchsuchung der Klägerin befassten Zeugin I1. in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2015 sind, was den Ablauf einer behaupteten nur teilweisen Entkleidung anbelangt, nicht nachvollziehbar.
148Die Zeugin PK´in I1. , die nach ihren eigenen Angaben die eigentliche Durchsuchung durchgeführt hat, hat dazu ausgeführt, die Klägerin sei nach Gegenwehr von den Zeugen POK M1. und POK L2. sowie PK X1. zu Boden gebracht und festgehalten worden. Während der Durchsuchung habe die Klägerin auf dem Bauch gelegen. Die Klägerin habe mehrere Kleidungsstücke übereinander angehabt. Sie habe dann alle Kleidungsstücke entfernt, die zur Strangulierung hätten benutzt werden können. Die Unterhose habe sie nur runtergezogen und reingeschaut. Der BH sei bei dem Versuch des Öffnens gerissen und dann mit aus der Zelle entfernt worden. Das Kleid oder T-Shirt, welches die Klägerin angehabt habe, sei hochgezogen und darunter nachgesehen worden. Erst auf konkrete Nachfrage der Kammer hat die Zeugin dazu angeben, dass die Klägerin dazu auf die Seite gedreht worden sei.
149Nach dieser Einlassung bleibt jedoch unklar, wie der Träger-BH der Klägerin ohne ein vollständiges Entkleiden des Oberkörpers entfernt werden konnte, während sie durchgängig von den männlichen Beamten festgehalten wurde. Darüber hinaus ist diese Aussage nicht in Einklang zu bringen mit den Angaben in der Anlage zum Einlieferungsprotokoll (Bl. 86 der Beiakte 1). Danach wurden aus der Zelle nicht nur ein zerrissener BH und eine Leggings der Klägerin entfernt, sondern auch ein „Shirt“. Die Klägerin trug an dem Vorfallstag - ausweislich der Handyvideos – erkennbar jedenfalls eine Leggings und ein Trägerkleid. Wie ein unter diesem Kleid befindliches „Shirt“ entfernt worden sein soll, ohne das Kleid auszuziehen, erschließt sich nicht. Auch die Befragung der Zeugen POK M1. und POK L2. vermochte dies nicht zu klären. Sollte mit dem Begriff „Shirt“ hingegen das Kleid der Klägerin gemeint sein, so spräche auch dies gegen die Darstellung der Zeugin PK´in I1. .
150Darüber hinaus war insoweit zu berücksichtigen, dass bereits durch die Ausführungen des Rechtsanwaltes der Zeugin mit Schriftsatz vom 30.06.2014 in dem auch gegen sie geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 83 Js 213/14 – durch die Bezugnahme auf die Vorgaben der Dienstanweisung im Zusammenhang mit der Darstellung der Durchsuchungsmaßnahme - der Eindruck erzeugt wurde, dass von der Zeugin ein vollständiges Entkleiden entsprechend der Vorgaben vorgenommen wurde. Denn auf Seite 3 dieses Schriftsatzes heißt es: „Bei der Durchsuchungsmaßnahme – die nach den Vorgaben im PGD auch mit einer kompletten Entkleidung und der Inaugenscheinnahme der Körperöffnungen einhergehen muss – hielten die drei männlichen Beamten jeweils Arme und Beine fest. Meine Mandantin führte – allein – das Entkleiden und die Durchsuchung durch. Tatsächlich riss auch der BH beim Entkleiden, bedingt durch die Qualität und den Widerstand. Die Unterhose hat meine Mandantin unmittelbar nach der Durchsuchung wieder hochgezogen.“ Die nachfolgenden anwaltlichen Ausführungen betrafen den Zellenwechsel und die anschließend erfolgte Aushändigung von Ersatzkleidung.
151Die Ausführungen der Zeugen POK M1. und POK L2. sind ebenfalls nicht geeignet, den Beweis für ein nur teilweises Entkleiden der Klägerin zu erbringen. Zwar haben auch sie dem Grunde nach Angaben gemacht, die beinhalten, dass es sich vorliegend nur um ein teilweises Entkleiden gehandelt haben könne, da sie ein Entkleiden des Oberkörpers aufgrund der durch sie vorgenommenen Fixierung der Klägerin an den Armen hätten bemerken müssen. Dass die Zeugen dies aber nicht erinnern konnten, führt nach Auffassung der Kammer nicht zu dem Schluss, dass dergleichen nicht geschehen ist, denn die Zeugen haben letztlich insgesamt hinsichtlich der Geschehnisse betreffend die Klägerin keine Erinnerungen wiedergeben können oder wollen, sondern nur Vermutungen angestellt. So konnten sie sich – wie eingangs ausgeführt – sogar an die Anwesenheit eines weiteren Beamten nicht erinnern. Und selbst an den Inhalt des Gesprächs mit den Kollegen während der mittäglichen Verhandlungspause konnten sie sich schon am Nachmittag nicht mehr erinnern.
152Darüber hinaus wurde – wie schon bei der Zeugin PK´in I1. - durch die anwaltlichen Stellungnahmen für die Zeugen M1. und L2. im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 83 Js 213/14 der Eindruck erzeugt, dass ein vollständiges Entkleiden entsprechend den Vorgaben der Dienstanweisung vorgenommen wurde.
153Der Beklagte hat demnach keinen Beweis für ein Abweichen von der Dienstanweisung erbracht.
154Die danach hier anzunehmende zwangsweise durchgeführte vollständige Entkleidung der Klägerin war aufgrund der unter Ziff. 4) dargelegten Rechtswidrigkeit der Anordnung ebenfalls als rechtswidrig anzusehen.
155Hingegen ist die Klage hinsichtlich des Antrags zu 5) – sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch hinsichtlich des Hilfsantrages - unbegründet.
156Soweit die Klägerin ein bestimmtes rechtswidriges Verhalten behauptet – wie vorliegend die Vornahme einer Untersuchung – ist sie dafür beweisbelastet. Umstände, die hier eine Umkehr der Beweislast begründen, sind nicht ersichtlich.
157Die Klägerin hat nicht hinreichend schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass nicht nur eine Durchsuchung, sondern weitergehend auch eine Untersuchung stattgefunden hat, deren Rechtswidrigkeit sie mit Haupt- und auch Hilfsantrag hier festgestellt wissen will.
158Bei der Nachschau nach Gegenständen im Körperinnern und zwar auch in nicht ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen (Anus und Vagina) handelt es sich um eine von § 39 PolG NRW nicht mehr erfasste Untersuchung,
159vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.11.2007 - 3 R 9/06, Juris Rn. 24; VGH München, Beschluss vom 16.07.1998 – 24 ZB 98.850 –, Juris.
160Dazu gehört nach Auffassung der Kammer auch bereits das äußere Abtasten von Anus und Vagina, denn dieses zielt – anders als das reine Betrachten dieser Körperöffnungen - auf das Auffinden von Gegenständen im Körperinneren und ist demnach vom Durchsuchungsbegriff nicht mehr gedeckt.
161Die Durchsuchung hingegen ist beschränkt auf die Suche nach Gegenständen in den Kleidungsstücken des Betroffenen, in den ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen (Nase, Auge, Mund) und auf die Nachschau an seinem unbekleideten Körper. Das Auseinanderdrücken von Pobacken oder Oberschenkel zum Zwecke dieser Nachschau wäre demnach Bestandteil einer von § 39 PolG NRW erfassten Durchsuchung und nicht – wie von Klägerseite angenommen – Bestandteil einer Untersuchung.
162Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass mehr als eine solche Nachschau und damit eine Untersuchung stattgefunden hat. Weder die Dienstanweisung noch die Äußerungen der Zeugin PK´in I1. bieten dafür einen Anhaltspunkt. Andererseits erweisen sich die Darstellungen der Klägerin – wie oben dargelegt – nicht als durchgehend verlässlich. Bei diesen Gegebenheiten kann eine Feststellung zugunsten der beweisbelasteten Klägerin nicht erfolgen.
163Hinsichtlich des Antrags zu 6) hat die Klage nur insoweit Erfolg, als die Klägerin beantragt hat, festzustellen, dass die Anwesenheit und Mithilfe von männlichen Beamten während der Entkleidung rechtswidrig war.
164Männliche Beamte waren hier während der Entkleidung der Klägerin unstreitig anwesend und haben allein durch die Fixierung der Klägerin auch Hilfe während der Entkleidung geleistet.
165Schon allein die Anwesenheit der männlichen Beamten während der Entkleidung stellt einen Verstoß gegen § 39 Abs. 3 HS 1 PolG NRW dar. Danach dürfen Personen nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchsucht werden. Nach dem Zweck der Norm, die darauf gerichtet ist, den Schutz der Intimsphäre der betroffenen Person zu gewährleisten, ist bereits die Anwesenheit eines männlichen Beamten während der körperlichen Durchsuchung ausreichend, die Intimsphäre einer weiblichen Person zu verletzten, wenn dabei die Möglichkeit gegeben war, dass der männliche Beamte faktisch jederzeit den Blick auf sie hätten richten können. So war es hier, denn die Klägerin war während des Entkleidens von den Blicken der Beamten nicht abgeschirmt. Darüber hinaus haben die männlichen Beamten durch die Fixierung der Klägerin aktiv Mithilfe geleistet und durch den unmittelbaren Körperkontakt die Eingriffsintensität noch erhöht.
166Die Mithilfe war im vorliegenden Fall nicht nach § 39 Abs. 3 HS. 2 PolG NRW gerechtfertigt. Denn es ist hier nichts dafür ersichtlich, dass eine sofortige Durchsuchung der Klägerin zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich war.
167Die Zeugen PK´in I1. , POK M1. und POK L2. haben nichts dafür vorgetragen, dass es der sofortigen Durchsuchung der Klägerin zur Gefahrenabwehr bedurft hätte. Sie haben vielmehr einheitlich nur erklärt, dass die Klägerin Gegenwehr bei dem Versuch, sie zu entkleiden, geleistet habe. Danach muss jedoch davon ausgegangen werden, dass mit der (vorübergehenden) Beendigung der Maßnahme auch die auf die Abwehr der Maßnahme gerichtete Gegenwehr nicht mehr erfolgt wäre. Welche weitergehende Gefahr ein sofortiges Handeln erforderlich machte, ist nicht ersichtlich.
168Dass im Übrigen mit der Durchsuchung nicht hätte zugewartet werden können, bis die benötigte Anzahl von Beamtinnen anwesend war, kann nicht festgestellt werden. Der insoweit unbeteiligte Zeuge PHK E. hat nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass zusätzliche weibliche Kolleginnen ganz regelmäßig, insbesondere auch an Wochenenden, zeitnah herbeigerufen werden könnten, jedenfalls aber ein Abwarten möglich sei und auch praktiziert werde, und die betreffende weibliche Person in der Zwischenzeit auch unter männliche Bewachung hätte gestellt werden können. Derartige Überlegungen sind hier aber ersichtlich gar nicht angestellt worden.
169Soweit die Klägerin mit dem Antrag zu 6) des Weiteren auch die Feststellung begehrt hat festzustellen, dass die Anwesenheit und Mithilfe von männlichen Beamten während der körperlichen Untersuchung rechtswidrig war, war die Klage abzuweisen, da - wie zum Antrag zu 5) ausgeführt - eine Untersuchung der Klägerin nicht festgestellt werden konnte.
170Die Klage hat auch hinsichtlich des Antrags zu 7) nur teilweise Erfolg. Insoweit war nur festzustellen, dass das Verbringen der Klägerin in teilweise entkleidetem Zustand in eine andere Zelle rechtswidrig war.
171Wie zum Antrag zu 4) ausgeführt, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass ein vollständiges Entkleiden der Klägerin und insbesondere auch ein vollständiges Entkleiden des Oberkörpers zum Zwecke der Durchsuchung anzunehmen war. Auch war laut polizeilicher Dokumentation in der Anlage zum Einlieferungsprotokoll neben dem BH der Klägerin, Oberbekleidung in Gestalt eines „Shirts“ aus der Zelle entfernt worden. Zum Ankleiden der Klägerin aber haben die Zeugen PK´in I1. , POK M1. und POK L2. , mit Ausnahme des Wiederhochziehens der Unterhose nach dem insoweit eingeräumten Entkleiden des Unterkörpers, nichts ausgeführt. Ersatzkleidung hat die Klägerin unstreitig erst nach dem Verbringen in eine andere Zelle erhalten. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Unterhose der Klägerin nicht aus der Zelle entfernt wurde. Ein Wiederankleiden des Oberkörpers nach der Durchsuchung war zur Überzeugung der Kammer danach nicht anzunehmen.
172Andererseits ist die Kammer angesichts der oben genannten Unklarheiten über die konkreten Abläufe im Gewahrsam nicht davon überzeugt, dass der Unterkörper der Klägerin unbekleidet war, als sie nach der Durchsuchung in eine andere Zelle verbracht wurde. Die Beweislast liegt insoweit – entsprechend der Ausführungen zum Antrag zu 5) – bei der Klägerin.
173Dem Hilfsbeweisantrag zu 2) war nicht nachzugehen, da dieser sich seinem Wortlaut nach nur auf den Antrag zu 4) und damit auf den Vorgang des Entkleidens bezog und im Übrigen die Inaugenscheinnahme von Kleidungsstücken kein geeignetes Beweismittel zum Beleg dafür ist, inwieweit der Klägerin am Vorfallstag Kleidungsstücke wieder angezogen wurden bzw. diese seinerzeit noch ihre bekleidende Funktion erfüllten.
174Hinsichtlich des Vortrags des Verbringens vorbei an männlichen Beamten und anderen Inhaftierten wird der Klägerin ebenfalls nicht gefolgt. Der Vortrag ist insoweit bereits unsubstantiiert. Die Kammer geht davon aus, dass es sich hierbei um eine reine Mutmaßung handelt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass gerade zum Zeitpunkt des wohl in der Tat nur wenige Sekunden dauernden Verbringens von einer in die andere, gegenüberliegende Zelle gegen 4:11 Uhr männliche Personen – seien es andere Polizisten oder in Gewahrsam genommene Personen - im Zellengang anwesend waren.
175Ungeachtet dessen war bereits das Verbringen der Klägerin in einem danach nur teilweise entkleideten Zustand über den Gang in eine andere Zelle wegen Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und des damit zugleich auch verbundenen Eingriffs in die Menschenwürde rechtswidrig. Denn eine in Gewahrsam genommene Person darf auch während des Verbringens in eine andere Zelle nicht ohne Weiteres der Möglichkeit ausgesetzt sein, dass Personen des anderen Geschlechts ihren teilweise unbekleideten Körper betrachten können. Etwas anderes wäre nur bei einem Fall von Gefahr im Verzug entsprechend § 39 Abs. 3 HS. 2 PolG NRW gerechtfertigt, der hier aber ersichtlich nicht gegeben war.
1769)
177Soweit die Klägerin im Übrigen beantragt hat, festzustellen, dass ihr die telefonische Kontaktaufnahme mit einer Vertrauensperson entgegen § 37 Abs. 2 PolG NRW rechtswidrig verweigert wurde, ist die Klage begründet.
178Der Beklagte hat zugestanden, dass man dem Wunsch der Klägerin nach einem Telefonat weder unmittelbar noch in der Folgezeit entsprochen hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 37 Abs. 2 PolG NRW. Dies gilt auch in Ansehung einer Verweildauer im Polizeigewahrsam von weniger als vier Stunden. Denn die Regelung über die Behandlung festgehaltener Personen sieht vor, dass der festgehaltenen Person unverzüglich Gelegenheit zu geben ist, eine Vertrauensperson zu benachrichtigen, sofern der Zweck der Freiheitsentziehung dadurch nicht gefährdet wird. Letzteres war hier nicht der Fall.
179Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
180Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.